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Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...

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Kenaz:
Es ist eine klassische Argumentationsfigur der Herrschenden, Kritik an ihren Strukturen als "zu oberflächlich", "zu einfach" oder - heute besonders beliebt - am besten gleich als "populistisch" abzubügeln, um den Kritiker als ahnungslosen Schwätzer zu diskreditieren.


--- Zitat von: RedJanet am 08 Mai 2012, 23:45:03 ---Außerdem habe ich mich gerade länger mit Gruner + Jahr und deshalb auch mit Bertelsmann (und am Rande mit Springer) befasst. Man muss wirklich kein Bertelsmann- oder Springer-Fan sein, um das, was der Autor da äußert, als Schmähkritik zu erkennen.
--- Ende Zitat ---

- Interessant. Geht das auch ein klitzekleines bisschen konkreter?


--- Zitat von: RedJanet am 08 Mai 2012, 23:45:03 ---Sicher ist an einigen Punkten etwas Wahres dran, aber das Ganze ist so überzogen formuliert und mit Halbwahrheiten gespickt (BILD-Niveau!), dass ich es nicht ernst nehmen kann.
--- Ende Zitat ---

- Was genau sind Halbwahrheiten? Was genau ist "überzogen formuliert"? - Ernst gemeinte Frage.

RedJanet:
Also, da ich gerade nur kurz Zeit habe, auch nur eine kurze Antwort.

Zum Punkt der Privatisierung: Ich habe durchaus gelesen, dass es zuerst um die Privatisierung der Krankenhäuser geht. Aber der Autor zieht daraus den Schluss, dass die "komplette Privatisierung der gesamten Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung" anstehe. Die Verallgemeinerung stammt also keineswegs von mir, sondern vom Autor selbst.

Zu Bertelsmann: Dass ich diese Verschwörungstheorie nicht ernst nehme, hat nichts damit zu tun, dass ich Redakteurin bin. Im Gegenteil - ich arbeite weder für Bertelsmann noch für Springer und war bisher immer in kleinen, unabhängigen Verlagen tätig. Aber Bertelsmann ist nun wirklich nicht der einzige Konzern, der politische Macht hat. Und davon hat er längst nicht so viel, wie der Autor uns glauben lassen möchte - und auch nicht so viel, wie die Mohns vielleicht gern hätten. Außerdem äußert heutzutage jeder Unternehmer, dass er etwas für die Gesellschaft tun wolle, und fast jeder Konzern investiert in Stiftungen. Das ist eben medienwirksam, aber noch lang keine "verlockende Heilsbotschaft". Deshalb ist ein Vergleich mit den "Ideen von Scientology" doch etwas überzogen.

Zu den Halbwahrheiten: Der Autor vermischt immer wieder Themen miteinander, die eigentlich nichts miteinander gemein haben (wie zum Beispiel die Privatisierung der Kliniken, die dann im nächsten Satz zur Privatisierung des gesamten Systems führt). So schreibt er etwa:  „Nahezu alle Zeitschriften mit bundesweiten Auflagen befinden sich in den Händen ganz weniger Menschen (Bertelsmann, Springer, Burda, Holzbrinck, Bauer).“ Im Satz davor greift er noch den SPIEGEL als „ein vermeintlich kritisches Blatt“ an. Ausgerechnet der SPIEGEL hat aber einen eigenen Verlag. Gruner + Jahr hält lediglich 25,5 Prozent der Anteile. Der normale Leser muss nun aber denken, dass die Zeitschrift zu den in der Klammer aufgelisteten Großkonzernen gehört.

Dieses Schema scheint sich durch den ganzen Text zu ziehen. Man merkt ihm zu sehr an, dass der Autor schlecht recherchiert hat. Oder dass dieser absichtlich Dinge voneinander ableitet, die gar keinen Bezug zueinander haben. Und damit stellte sich mir von Anfang an die Frage nach der Glaubwürdigkeit - die ich leider negativ beantworten muss.

Deshalb werde ich mich nun wichtigeren Dingen zuwenden.

Eisbär:
Ich vermute, die Wahrheit liegt wie üblich irgendwo in der Mitte.

RedJanet:
Da haste recht, Eisbär.  8)

Ich meine ja auch gar nicht, dass alles Blödsinn ist, was in diesem Text steht - aber man sollte ihn vielleicht mit ein wenig Vorsicht genießen.

Kenaz:

--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---Ich habe durchaus gelesen, dass es zuerst um die Privatisierung der Krankenhäuser geht. Aber der Autor zieht daraus den Schluss, dass die "komplette Privatisierung der gesamten Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung" anstehe. Die Verallgemeinerung stammt also keineswegs von mir, sondern vom Autor selbst.
--- Ende Zitat ---

- Diese "Verallgemeinerung" begründet & erläutert er aber weitaus differenzierter, als Du das hier kolportierst. Keineswegs zieht er allein aus der Privatisierung der Krankenhäuser diesen "Schluss". Er leitet von der um sich greifenden Klinikprivatisierung auf die nicht minder um sich greifende Übernahme der medizinischen Versorgung durch MVZs über, diagnostiziert vor diesem Hintergrund eine zunehmende Monopolisierung innerhalb des Gesundheitswesens, und stellt schließlich fest, dass eben diese eine drohende Komplettprivatisierung des Gesundheitssystems extrem begünstigt. - Das ist schon ein bisschen was anderes, als das, was Du ihm hier in die Schuhe zu schieben gedenkst.


--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---Aber Bertelsmann ist nun wirklich nicht der einzige Konzern, der politische Macht hat.
--- Ende Zitat ---

- Das behauptet der Autor auch nicht. Er stellt lediglich fest, dass Bertelsmann einer der mächtigsten Konzerne ist, die bei der politischen Entscheidungsbildung mitmischen.


--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---Und davon hat er längst nicht so viel, wie der Autor uns glauben lassen möchte - und auch nicht so viel, wie die Mohns vielleicht gern hätten.
--- Ende Zitat ---

- Nun, das behauptest Du jetzt mal so eben. Da würde sich der geneigte Leser dann schon über ein paar Argumente freuen, die diese Behauptung auch ein bisschen untermauern.


--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---Außerdem äußert heutzutage jeder Unternehmer, dass er etwas für die Gesellschaft tun wolle, und fast jeder Konzern investiert in Stiftungen. Das ist eben medienwirksam, aber noch lang keine "verlockende Heilsbotschaft". Deshalb ist ein Vergleich mit den "Ideen von Scientology" doch etwas überzogen.
--- Ende Zitat ---

- Aufmerksame Lektüre wäre auch hier zielführend: Der Autor behauptet nirgends, Investitionen in Stiftungen seien eine "verlockende Heilsbotschaft" (was ja schon rein semantisch völliger Käse wäre), wie Du ihm unterstellst. Er formuliert vielmehr die Zielsetzung der Bertelsmann Stiftung wie folgt: "Obwohl man in den Medien kaum den Namen Bertelsmann hört, ist es doch erklärte Politik, die Gesellschaft zu verbessern, zu reformieren und zu perfektionieren, vorwiegend in den Hinterzimmern der Macht. Übrigens relativ klar formuliert von Reinhard Mohn selbst, der wohl auch aufgrund seines Alters mittlerweile die personelle Führung in die Hände seiner Ehefrau gelegt hat."  In diesem Zusammenhang konstatiert er dann im Folgesatz einen "extrem apodiktische[n] Anspruch" seitens der Bertelsmann Stiftung und bezeichnet deren Zielsetzungen (s.o.: Gesellschaft verbessern, reformieren, perfektionieren) als "verlockenden Heilsbotschaften", die ihn an "die Ideen von Scientology" erinnern.

Wer bei einem Autor Schlamperei in der Recherche und Ungenauigkeit im Stil kritisiert, sollte selbst vielleicht mit gutem Beispiel vorangehen und seine Kritik etwas sorgfältiger formulieren.  ;)


--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---Der Autor vermischt immer wieder Themen miteinander, die eigentlich nichts miteinander gemein haben (wie zum Beispiel die Privatisierung der Kliniken, die dann im nächsten Satz zur Privatisierung des gesamten Systems führt).
--- Ende Zitat ---

- Was Du ihm hier unterstellst, gibt der Text nicht her, aber das hab' ich ja eben schon auseinanderklabüstert.


--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---So schreibt er etwa:  „Nahezu alle Zeitschriften mit bundesweiten Auflagen befinden sich in den Händen ganz weniger Menschen (Bertelsmann, Springer, Burda, Holzbrinck, Bauer).“ Im Satz davor greift er noch den SPIEGEL als „ein vermeintlich kritisches Blatt“ an. Ausgerechnet der SPIEGEL hat aber einen eigenen Verlag. Gruner + Jahr hält lediglich 25,5 Prozent der Anteile. Der normale Leser muss nun aber denken, dass die Zeitschrift zu den in der Klammer aufgelisteten Großkonzernen gehört.
--- Ende Zitat ---

- Wenn er sorgfältig liest, muss er das keineswegs. Der Autor schreibt lediglich - in zugegeben polemischer Zuspitzung -, man solle sich in seinen Lesegewohnheiten nicht auf den Illustrierten-/Zeitschriftenmainstream beschränken, da es auf diesem Sektor "fast egal" sei, "ob es ein vermeintlich kritisches Blatt wie „Der Spiegel“ [...] oder „Die Frau im Spiegel“" ist.


--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---Man merkt ihm zu sehr an, dass der Autor schlecht recherchiert hat. Oder dass dieser absichtlich Dinge voneinander ableitet, die gar keinen Bezug zueinander haben. Und damit stellte sich mir von Anfang an die Frage nach der Glaubwürdigkeit - die ich leider negativ beantworten muss.
--- Ende Zitat ---

- Mir stellt sich nach der Lektüre Deines Beitrages die Frage, ob Du den Text möglicherweise lediglich quergelesen hast - und die muss ich bis zum Erweis des Gegenteils leider positiv beantworten.


--- Zitat von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35 ---Deshalb werde ich mich nun wichtigeren Dingen zuwenden.
--- Ende Zitat ---

- Dito.  :)

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