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Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
messie:
Politiker werden häufig rein wegen ihres Aussehens, ihrer Wirkung nach außen gewählt. Da kommt das bei Angie schon hin, "ach, sie wirkt immer so freundlich" oder "endlich eine Frau da oben, die kann ja gar nicht so schlimm sein wie ein Mann" und was ich sonst noch so für Unsinn gehört habe, warum die Dame gewählt (!) wurde.
Dass sie schon längst nicht mehr regiert sondern die Lobbyisten machen lässt die die Gesetze zu ihren Gunsten schreiben und sie dann nur abnicken lassen, das halten viele für eine krude Verschwörungstheorie. Ich hingegen glaube genau das.
Wenn auch noch die Polizei privatisiert werden sollte, wird's ganz finster. Dann heißt es womöglich noch "entweder Sie bezahlen unsren Service oder wir kommen nicht vorbei ..." - da sind osteuropäische Verhältnisse dann nicht mehr weit.
PlayingTheAngel:
Der TExt ist wirklich sehr interessant und empfehlenswert. Ich habe zum lesen übrigens dieses Firefox addon verwendet. Damit lassen sich Webseiten "umfärben" und man starrt nicht eine Stunde lang in eine weiße Lichtquelle. Tja, die Zusammenfassung von Herrn Döllein bestätigt mit einer schmerzlichen Intensität den Eindruck, den der kleine Bürger tagtäglich beim Gang zur "privatisierten" Einrichtung mit schönem, neuem Logo bekommt, nämlich eine gnadenlose Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten.
Vor einige Zeit habe ich mal eine interessante Diskussion im Radio gehört, die das Phänomen des zügellosen Kapitalismus in Deutschland ein Stück weit mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Verbindung bringt. Solange diese noch existierte, gab es neben dem Kapitalismus noch die ernstzunehmende politische Kraft des Kommunismus. Dieses Gegengewicht bremste den frei wuchernden Kapitalismus, da er eine Art "moralische Alternative" darstellte. Nach Zusammenbruch dieses Systems fiel dann die letzte Schranke, die den Turbokapitalismus ggf. in Frage stellen hätte können. Die Folgen sehen wir jetzt, 2-3 Jahrzehnte später. Nicht zu vergessen auf welch fruchtbaren Boden der Kapitalismus in Deutschland gesät wurde, nämlich auf ein Fundament aus stabilen politischen Verhältnissen. Dieses Fundament ist weit wertvoller als viele Glauben. Welches Unternehmen siedelt sich denn gerne in ein Land am Rande des Bürgerkriegs an? Das vergessen deutsche Unternehmen gerne mal zu erwähnen, wenn sie über "zu hohe Lohnkosten" klagen.
Ich habe den Eindruck dass der "kleine Bürger" seine Rolle als Melkkuh immer mehr verinnerlicht und es als die Normalität betrachtet, immer mehr für eigentlich staatliche Leistungen an private Konzerne zu zahlen. Das beobachte ich sogar ganz deutlich an mir selbst. Neulich beim Arzt konnte ich es kaum fassen, als Kassenpatient "noch" so gut behandelt zu werden und so wenig selbst bezahlen zu müssen. Ich hätte mit weit Schlimmerem gerechnet. Vermutlich lief das nur so gut, weil der Arzt einen ganzen Einkaufszettel an Leistungen an meine "arme" Krankenkasse geschickt hat. Einblick in die "Abrechnung" hat der Patient ja nicht!
In einem Interview schwärmte der neue Bundespräsident Gauck kürzlich von dem riesigen Privileg der "Freiheit", die die Bürger in diesem Land haben. Recht hat er, wir sind damit tatsächlich sehr sehr privilegiert. Und was machen wir daraus ? Bis auf Wenige Engagierte überhaupt nichts. Wir ruhen uns aus und verfolgen unsere eigenen Ziele um unsere Schäfchen ins Trockene zu bringen bevor der große Knall kommt. Das ist auch verständlich, trotzdem aber sehr traurig, denn eigentlich haben WIR es in der Hand.
Ein Weg aus diesem verselbstständigten System, das sich mit allen Mitteln (gerade auch der Meinungsmache) verteidigt ? Vermutlich führt der einzige Weg aus diesem Schlamassel tatsächlich über mehr direkte, basisdemokratische Bürgerbeteiligung an Entscheidungen (aktuelles Beispiel: Piratenpartei: "Liquid Feedback" Programm). Mal ganz abgesehen davon, dass die Politische Landschaft und die Entscheidungswege DRINGEND transparenter werden müssen. Ich persönlich setze sehr große Hoffnungen auf die Piratenpartei. Durch die ständige Kontrolle durch deren Basis hoffe ich, dass die Piraten nicht so schnell ins etablierte System "integriert" werden und anfangen in ihren Beschlüssen wie eine Krebszelle privatwirtschaftliche Interessen vor die Interessen der Allgemeinheit zu stellen.
Kenaz:
--- Zitat von: PlayingTheAngel am 08 Mai 2012, 15:30:06 ---Ein Weg aus diesem verselbstständigten System, das sich mit allen Mitteln (gerade auch der Meinungsmache) verteidigt ? Vermutlich führt der einzige Weg aus diesem Schlamassel tatsächlich über mehr direkte, basisdemokratische Bürgerbeteiligung an Entscheidungen (aktuelles Beispiel: Piratenpartei: "Liquid Feedback" Programm).
--- Ende Zitat ---
- Mit dem ganzen gehirngewaschenen Stimmvieh?! Dass ich nicht grimmig gackere! ;D Die "Piratenpartei" halte ich persönlich im übrigen für ein Modephänomen, das sich relativ schnell an den Klippen des "Machbaren" aufreiben wird - aber warten wir's ruhig ab ... 8)
PlayingTheAngel:
--- Zitat von: Kenaz am 08 Mai 2012, 20:44:23 ---
--- Zitat von: PlayingTheAngel am 08 Mai 2012, 15:30:06 ---Ein Weg aus diesem verselbstständigten System, das sich mit allen Mitteln (gerade auch der Meinungsmache) verteidigt ? Vermutlich führt der einzige Weg aus diesem Schlamassel tatsächlich über mehr direkte, basisdemokratische Bürgerbeteiligung an Entscheidungen (aktuelles Beispiel: Piratenpartei: "Liquid Feedback" Programm).
--- Ende Zitat ---
- Mit dem ganzen gehirngewaschenen Stimmvieh?! Dass ich nicht grimmig gackere! ;D
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Unterschätzt die Kraft der Bürger nicht, wenn sie plötzlich merken, dass sie tatsächlich direkt und unmittelbar etwas bewirken können. Ich bin sicher dass sich im Falle von Volksentscheiden sofort Initiativen bilden würden, um wenigstens einen Teil des gehirngewaschenen Stimmviehs mit einfachen Fakten bezüglich der anstehenden Entscheidungen und deren Auswirkungen zu informieren und mit zu ziehen.
--- Zitat von: Kenaz am 08 Mai 2012, 20:44:23 ---Die "Piratenpartei" halte ich persönlich im übrigen für ein Modephänomen, das sich relativ schnell an den Klippen des "Machbaren" aufreiben wird - aber warten wir's ruhig ab ... 8)
--- Ende Zitat ---
Ja, da sagst du was... vielleicht schafft es die Partei ja, im Rahmen des "Machbaren" tatsächlich die Eine oder Andere neue Struktur zu schaffen.
Inverted:
Ich will Eure sozialromantische Kuschelecke ja nicht aufmischen, aber der Text ist größtenteils totaler Unfug und hält keinem Reality Check stand.
Der Autor ist (wie er ja auch selber andeutet) anscheinend mal eine Runde im Internet rumgesurft (offensichtlich auf stark linkslastigen Verschwörungs- und Wutbürgerseiten) und scheint nun zu glauben, irgendwie den Durchblick zu haben, was Politik und Ökonomie angeht (ist ein bisschen so, als würde man durch die Lektüre der Apothekenrundschau pötzlich zum Experten für Humanmedizin mutieren).
Der Autor kann Keynesianismus und Neoliberalismus nicht auseinanderhalten, geschweige denn, dass er überhaupt eine Ahnung davon hätte, was diese Begriffe eigentlich überhaupt bedeuten (die Verwendung des Begriffs neoliberal ist heutzutage so eine Art Godwyn 2.0), zumal der Neoliberalismus praktisch ohnehin politisch tot ist.
Richtig absurd wird es jedoch, wenn er selbst die tumbesten Stammtischparolen gegen Hayek unreflektiert nachbetet, da der weder neoliberal war, noch in irgendeiner Form für die Exzesse der heutigen Eliten verantwortlich ist - ganz im Gegenteil: sein ganzes Werk dreht sich um die Ausgestaltung eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und dessen Schutz vor einer feindlichen Übernahme, eben um genau diese Exzesse zu verhindern. Der prononcierteste Gegener des Eurorettungswahnsinns und der Bankenbailouts im Bundestag, Frank Schäffler, beruft sich unter anderem explizit auf Hayek und andere Vertreter der Austrian Economics, ebenso wie beispielsweise Ron Paul, einer der entschiedensten Gegner des "Crony Capitalism" und imperialistischer Kriege in den Staaten. Es ist offensichtich, dass der Herr Doktor nichts von Hayek gelesen oder sich zumindest wenigstens mal anderweitig informiert hat.
Die religiös Linken wird's nicht interessieren, aber falls sich jemand für die Thematik näher interessieren sollte, findet er z. B. unter folgendem Link einen kurzen historischen Abriss zum Thema Neoliberalismus (der Wikipedia-Eintrag ist auch einigermassen brauchbar):
http://www.forum-ordnungspolitik.de/zur-ordnungspolitik/populaere-irrtuemer/575-was-verdanken-wir-den-neoliberalen
Es entbehrt ehrlich gesagt nicht einer gewissen Komik, dass gerade die grössten BILD-Zeitungshasser einen derart oberflächlich zusammengeschusterten, eindimensionalen Text lobpreisen ;)
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