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The death penalty in Europe.

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colourize:
Tradition? - "wir machen das so, weil wir das schon immer so gemacht haben"? Ich denke dass dies niemals ein besonders stichhaltiges Argument ist, EL. Deine an Foucault angelehnten Ausführungen zur historischen Entwicklung der Bedeutung von Strafe sind natürlich dennoch sinnvoll, insbesondere um nachzuvollziehen warum in den meisten "westlichen" Staaten die Todesstrafe abgeschafft wurde, während sie in vielen anderen Kulturen noch existiert.

EL:
 ....it was a nod to the Muslim world, I had to clarify it, you're right.

Kallisti:

--- Zitat von: Julya am 20 März 2012, 19:26:30 ---
--- Zitat von: colourize am 20 März 2012, 16:44:54 ---Davon ab hat dies nichts mit der TodesSTRAFE zu tun, wo es ja um Schuld und Sühne geht. (Und btw. weniger um Resozialisation, was ebenfalls eine Funktion von Strafen ist... bei der Todesstrafe jedoch weniger. ;))

--- Ende Zitat ---

Komisch, ich habe mir schon oft Gedanken um die Todesstrafe gemacht und noch nie bin ich auf diesen Punkt gekommen...
Eigentlich dürfte man es tatsächlich nicht Todes'strafe' nennen, sondern Todesverurteilung, oder sowas. Denn Strafe impliziert immer, dass man aus jener lernt/lernen kann.


--- Ende Zitat ---


Naja - ist das so? Strafe impliziert m.A.n. nicht grundsätzlich, dass eine Verhaltensänderung/-verbesserung des "Täters" durch sie herbeigeführt werden soll. Strafe dient eher als Sanktion, auch als Art "Vergeltung" und ggf. Abschreckung (sollte sie ja oft - auch bspw. Folter ...).

Aber Strafe ist grundsätzlich kein (adäquates) Erziehungsmittel.

Ich halte es da ziemlich genau wie RaoulDuke:

Entweder Töten ist grundsätzlich erlaubt (mit vlt. gewissen "Regeln", die dabei bzw. dafür gelten sollen) oder grundsätzlich verboten (wobei immer die Frage bleibt, ob Töten im Falle von Notwehr - zum Erhalt des eigenen Lebens oder dessen eines nahestehenden Menschen, man denke bspw. an eigene Kinder - erlaubt ist oder auch hier nicht).

Und aus humanistischer Sicht kann es nur verboten bzw. nicht erlaubt sein.

schwarze Katze:

--- Zitat von: colourize am 20 März 2012, 19:47:45 ---
Sämtliche pro-Todesstrafe-Argumente sind m.E. erkennbar zu schäbbig, um gegen *dieses* Kontra-Todesstrafe-Argument bestehen zu können. Insbesondere trifft das auf ökonomische Argumentationsweisen ("es ist preiswerter, Straftäter abzumurksen anstatt sie dauerhaft einzusperren") zu, die nebenbei erwähnt auch noch Unsinn sind, da die Todesstrafe extrem teuer ist. Zumindest in den USA, wo die Fälle jahrzehntelang durch sämtliche Instanzen durchverhandelt werden müssen. In Weißrussland, Syrien oder anderen diktatorischen Unrechtsregimen ist es sicher preiswerter.

--- Ende Zitat ---

Abgesehen davon, finde ich die Rede von Kostenpunkt in diesem Zusammenhang sehr gefährlich.
Wenn eine Gesellschaft alles nur unter Kosten-Nutzen-Aspekte betrachtet, landet sie früher oder später bei gesetzlich vorgeschriebener Euthanasie für "nutzlose esser".

Kallisti:
Es verhält sich ja offenbar sogar genau umgekehrt:

Nicht ausschließlich ist das langfristige Inhaftieren von Menschen kostenintensiv, sondern auch äußerst lukrativ - für diese Branche, bspw. in den USA - ja, angelehnt an dieser Stelle dann doch mal wieder an Jens Sörings Blogs.

Da ist die Frage nach der Schäbigkeit, die hinter solcher Taktik steht, durchaus auch angebracht.


Denn im Grunde geht es doch auch hier um die (wirtschaftliche) "Nützlichkeit", Verwertbarkeit von Menschen - wird mit dem Leid, auf Kosten dieser Menschen (der Inhaftierten, die mehrheitlich "schwarz" sind) Geld, Gewinn gemacht (von "Weißen", versteht sich).



--- Zitat ---(...) Aber das Ziel der Pharmaindustrie ist es nicht, die Verbraucher zu heilen, sondern Geld zu verdienen. Genau so in der Gefängnisindustrie: Sie verkauft den Steuerzahlern "Recht" (Die Bösen werden bestraft!) und "öffentliche Sicherheit" (Die Bösen werden weggeschlossen und kommen nie wieder raus!), und diese „Waren“ (Recht und öffentliche Sicherheit) sind das Einzige, woran der Steuerzahler interessiert ist. Aber das Ziel der Gefängnisindustrie ist es nicht, das Böse zu bestrafen und öffentliche Sicherheit herzustellen – das Ziel der Gefängnisindustrie ist es vielmehr, Geld zu verdienen, Profite zu machen, so viel Steuergelder aus den öffentlichen Kassen zu bekommen wie möglich. Im Artikel "Correctional Capitalism in the Land of the Free", den ich in Teil 1 dieses Blogeintrags erwähnte, belege ich, dass es sich dabei um 63 Milliarden Dollar im Jahr handelt – mindestens, denn diese Zahl stammt aus dem Jahr 2004.

Nun muss man den Vergleich zur Pharmaindustrie weiter ziehen: Um ihre Gewinne zu maximieren, macht die Gefängnisindustrie ihre „Patienten“, die Gefangenen, erstmal so richtig schön krank: siehe „restless leg syndrome“. Wer das nicht glaubt, der lese Kapitel 5 meines vierten amerikanischen Buches, wo ich anhand von Daten und Studien der Regierung ganz klar belege, dass Ausbildungs-, Therapie- und Resozialisierungsprogramme in Gefängnissen während der vergangenen 30 Jahre radikal gekürzt wurden. „Law and order“ - Politiker brüsten sich sogar mit diesen Kürzungen, weil sie Härte gegenüber Verbrechern beweisen. Was diese Politiker nie erwähnen ist das kinderleicht vorhersehbare Resultat dieser Kürzungen: immer mehr Wiederholungstäter.
   
Aber nur der dumme Steuerzahler, der an „Recht“ und „öffentliche Sicherheit“ interessiert ist, meint, dass Wiederholungstäter etwas Schlechtes seien. Die Gefängnisindustrie weiß es besser: Wiederholungstäter sind geschätzte Stammkunden! Jeder Betriebswirt, ob Restaurantbesitzer oder Gefängnisdirektor, versteht doch, dass verlässliche Stammkunden der Schlüssel zum finanziellen Erfolg sind.
   
Auch dienen Wiederholungstäter besonders gut dazu, in der Öffentlichkeit das Gefühl zu erzeugen, dass das Böse dabei ist zu siegen und dadurch alle bedroht sind. Je empörter und je unsicherer der Steuerzahler ist, desto mehr von der „Ware“ Gefängnis „kauft“ er mit seinen Steuern – indem er stramm-rechte „law and order“-Politiker wählt. Die Marketingstrategie der Gefängnisindustrie beruht also auf Entrüstung und Wut, sowie auf Angst und Stress.
   
Es gibt bei alledem übrigens genaue Parallelen zu der amerikanischen Söldnerindustrie – Stichwort „Blackwater“, diese Firma heißt heutzutage „Xe“. Jene relativ neue Industrie „verkauft“ angeblich die „Ware“ Schutz-vor-Terroristen. Aber um diese Ware effektiv verkaufen zu können, braucht „Blackwater/Xe“ ein öffentliches Gefühl, dass al-Qaida dabei ist zu siegen und niemand sicher ist. Es wäre also sehr interessant herauszufinden, ob die Söldnerindustrie in ihrem „Krieg gegen den Terror“ profitable Krankheiten wie das „restless leg syndrome“ erfindet; ob „Blackwater“ absichtlich Wiederholungstäter produziert wie die Gefängnisindustrie. Nur so `ne Frage…
       
Meiner Meinung nach kann man das Amerika des 21. Jahrhunderts überhaupt nicht verstehen, wenn man die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit nicht begreift und daraus die nötigen Schlüsse zieht. In den U.S.A. gibt es keine Innen- beziehungsweise Rechtspolitik im europäischen Sinne mehr und auch keine Außenpolitik; Politik ist nur noch eine Marketingstrategie, die den amerikanischen Steuerzahler davon überzeugen soll, immer noch mehr von den „Waren“ Gefängnis und Söldnertrupps zu „kaufen“.
   
Um diese Marketingstrategie durchzusetzen geben die Lobbyisten der Gefängnisindustrie Wahlkampfspenden in Millionenhöhe an Politiker, die ihnen immer neue „Kunden“ für ihre Strafvollzugsanstalten liefern. Im Artikel „Correctional Capitalism“ finden Sie Details: landesweit bekannte Demokraten wie Bill Richardson sind genauso darin verstrickt wie Republikaner wie Tom DeLay. Teilweise sind es sogar dieselben Politiker, die Wahlkampfspenden von „Blackwater/Xe“ bekommen, um der Söldnerindustrie immer neue Verträge zuzuschachern.

Für die Gefängnisindustrie und ihre gekauften Politiker sind Häftlinge wie ich bloß Milchkühe: Pro Mann und pro Jahr verdient man $ 25.000 an uns, und wir produzieren noch nicht einmal Milch! Welcher Bauer würde auch nur eine einzige Kuh freiwillig hergeben, die ihm $ 25.000 im Jahr bringt? (...)
--- Ende Zitat ---

(Jens Söring)

http://jenssoering.de/blog/view/821


(siehe bei weiteren Fragen - nach Quellen, Belegen, Hintergründen, weitere Information - die anderen Blogs zum Thema)

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