Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Kultur - Gestern - Heute  (Gelesen 8544 mal)

Simia

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #15 am: 07 Juli 2011, 13:30:00 »

Auch wenn es mich freut, dass jemand aus den Dialogen hier im Forum Selbsterkenntnis zieht (das klingt möglicherweise sarkastisch, aber ich mein das todernst), finde ich die Eingangsfrage durchaus berechtigt. "Jeder soll tun was er will", "Geschmäcker sind verschieden" etc. schön und gut. Jeder hat das Recht darauf, sein Leben zu leben, wie er oder sie es will, ja. Am Ende schieben wir alle nur unseren Felsbrocken den Berg hoch, egal wie wir es nennen.

Das soll aber nicht bedeuten, dass man nicht – für sich selber – seine eigenen Maßstäbe anlegen darf. Man vergleicht doch zwangsläufig, warum nicht bewusst damit umgehen? Es gibt Personen, die sich nicht für die Welt um sie herum interessieren, definitiv und ganz sicher, und die ihren erklärten Lebenszweck darin sehen, die Jahre bis zu ihrem Tod "abzuhängen", zu existieren anstatt zu leben (auch in einem Konsens-Verständnis, also nix mit "Was soll existieren und leben genau unterscheiden") vielleicht sogar und/oder definitiv nicht mit sich selber im Gleichgewicht sind. Das muss man akzeptieren, aber man darf doch fragen und überlegen, ob das ein gesellschaftliches Phänomen ist (dass Designer nicht auf den Punkt kam, steht auf nem anderen Blatt).

Wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass Entwicklungen bekanntlich nicht aufzuhalten sind und diejenigen, die jetzt über die MP3 schimpfen, genauso klingen wie diejenigen, die seinerzeit ob der Erfindung der Wachswalze zur Tonaufzeichnung entsetzt aufschrien und den Verfall kultureller Errungenschaften sahen. Außerdem machen Menschen ständig Kultur, und darunter fällt, auch wenn es mich persönlich schmerzt, auch Kram wie "Aggro Berlin". Ebenso ist es genausowenig die Lösung, sich wie einige auf sein Studium was einzubilden und aus einer Art gesellschaftlichen Pflichtgefühls in Museen rumzutreiben. Wenn der Funke nun mal nicht überspringt, springt er nicht über. Ich dachte früher, dass ich mich aufgrund des Bildes, das ich von mir hatte, doch verdammtnochmal für Kunst und Literatur interessieren müsse, so auf ganzer Linie. Als ich gemerkt habe, dass Kunst und ich eine schöne Zeit miteinander hatten, dass es aber für die Zukunft bis auf gelegentliche Begegnungen nicht hinhaut, wir aber "Freunde bleiben wollen", fühlte ich mich direkt befreit.

Auch dass Studenten sich z.B. für mehr als ihr Studium und die anschließende Berufstätigkeit interessieren müssten, ist genaugenommen ein Klischee und eine Forderung, der man nachkommen kann oder auch nicht.

Edit: OK, 4 neue Posts, während ich wieder Aufsätze schreibe. Eventuell meldet sich Tante Edit nochmal. ;)
« Letzte Änderung: 07 Juli 2011, 13:32:01 von Simia »
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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #16 am: 08 Juli 2011, 18:11:30 »

Bitte jetzt diese Bemerkung nicht überbewerten; ich genieße es manchmal einfach, das Gefühl zu haben, dass ich nicht völlig in der Masse aufgehe.
Damit stehst du nicht alleine da. ;)

Sowas bzw. so eine Einstellung muss sich allerdings auch erst entwickeln. Das schafft und will vor allem mMn auch nicht jede/r. :)


Auch dass Studenten sich z.B. für mehr als ihr Studium und die anschließende Berufstätigkeit interessieren müssten, ist genaugenommen ein Klischee und eine Forderung, der man nachkommen kann oder auch nicht.
Dicht gefolgt von:"Wie du arbeitest nicht in dem Bereich, den du studiert hast?". Die umgekehrte Sichtweise gibt es da ja auch. ^^
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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #17 am: 09 Juli 2011, 10:11:39 »

Ich dachte früher, dass ich mich aufgrund des Bildes, das ich von mir hatte, doch verdammtnochmal für Kunst und Literatur interessieren müsse, so auf ganzer Linie. Als ich gemerkt habe, dass Kunst und ich eine schöne Zeit miteinander hatten, dass es aber für die Zukunft bis auf gelegentliche Begegnungen nicht hinhaut, wir aber "Freunde bleiben wollen", fühlte ich mich direkt befreit.

Das ist schön beschrieben.
Ich denke auch oft, als halbwegs intelligenter und interessierter Mensch muss ich mich zwangsläufig für bestimmte Sachen begeistern bzw. mich wenigstens damit auskennen (Kunst ist eine davon). Aber du hast schon recht, wenn's nicht funkt, dann ist das so.

Zum Thema: Ich denke es hängt sehr viel davon ab, wie wir als Kind und Jugendlicher geprägt werden. Wenn von den Eltern schon Desinteresse vermittelt wird und man in der Schule auch nicht viel mitbekommt (Stichwort "Kunstunterricht" im Kunst-Thread), fehlt einem später oft der Zugang, oder man sieht bestimmte Dinge eben einfach nicht als wichtig an.
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Kallisti

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #18 am: 09 Juli 2011, 12:22:46 »

Zitat
Zum Thema: Ich denke es hängt sehr viel davon ab, wie wir als Kind und Jugendlicher geprägt werden. Wenn von den Eltern schon Desinteresse vermittelt wird und man in der Schule auch nicht viel mitbekommt (Stichwort "Kunstunterricht" im Kunst-Thread), fehlt einem später oft der Zugang, oder man sieht bestimmte Dinge eben einfach nicht als wichtig an.
(Ansichtssache)

Klar, das ist tatsächlich zumeist so. Erweitern würde ich das aber noch um: welche Menschen man später im Leben kennen (und mögen oder "lieben") lernt - denn da kann es auch eine (ein- und/oder wechselseitige) Beeinflussung und "Horizonterweiterung" ;) geben - manchmal auch "sogar" durch unbekannte Menschen - je nachdem, auf welchem Fuß (in welcher Phase ...) einen was gerade erwischt, einem begegnet, einen anspricht usw.

Am ehesten aber findet man also einen solchen Zugang ... (neben der Herkunftsfamilie in der Kindheit) durch Menschen, die einem nahestehen, wichtig sind, für die und deren Leben ...(Gedanken, Interessen, Tätigkeiten ...)  man sich interessiert ... - wollt ich eigentlich bloß sagen.
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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #19 am: 10 Juli 2011, 11:39:55 »


Zum Thema: Ich denke es hängt sehr viel davon ab, wie wir als Kind und Jugendlicher geprägt werden. Wenn von den Eltern schon Desinteresse vermittelt wird und man in der Schule auch nicht viel mitbekommt (Stichwort "Kunstunterricht" im Kunst-Thread), fehlt einem später oft der Zugang, oder man sieht bestimmte Dinge eben einfach nicht als wichtig an.

manchmal kann auch zuviel Förderung auch die Gegenteil bewirken: Ich musste als 5-jährige mit meinen Grosseltern zu klassischen Konzerten und Opern gehen. Meine Antipathie den klassischen Musik gegenüber kann ich nur ganz langsam ablegen
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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #20 am: 10 Juli 2011, 17:54:44 »

Manchmal ist es auch genau dieses elitäre, was mich abschreckt. Dieses Rumgeschwafel derer im Elfenbeinturm, die sich schon auf Höhen hinaufgeschwungen haben, die kein "normaler" Mensch mehr nachvollziehen kann, es sei denn, er hat sämtliche literarische Werke inhaltiert und kann sie im Schlaf rezitieren. Dieses schwere, über-verkopfte, träge, alte, antike, verstaubte, oft eben auch totinterpretierte und kaputtzerkaute. Alte Säcke, die da sitzen, zum teil aufgedunsen, zum teil vertrocknet, zu den allen hinaufschauen müssen, als die "Kulturpäpste", die alles verstanden haben, es aber noch besser wissen. Alleine schon der fade Trailer, die fade Intromusik, die routiniert verschwafelte Moderation von "Kulturmagazinen". Die unnötig verkomplizierte und verschnörkelte Sprache, die uns jedes mal sagen will "wir sind nicht das Nachmittagstittenmagazin von eben gerade, wir haben Anspruch, es geht um Kultur!". Dieser soo hohe Anspruch, der meist ein vielfaches über das gehen muss, was der, der es erschaffen hat im Sinn haben konnte...

...all das (und das, was ich noch vergessen hatte zu erwähnen) macht "Kultur in Deutschland" zumindest für mich sehr unattraktiv. Damit meine ich, wie "Kultur" hier in Deutschland gehandhabt wird. In anderen Ländertn wie z.B. den USA gibt es da einen unverkrampfteren, offeneren Umgang, auch wenn es dort natürlich auch einen gewissen elitären Anstrich hat. Aber irgendwie muss sich die Elite ja auch vom Rest absetzen. Eine art "höhere Kultur" ist da meist ein willkommenes Vehikel und ja auch ganz normal und menschlich.
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Ich bin zutiefst bösartig und hinterhältig (kein Wunder bei dem Sternzeichen) und habe grundsätzlich niedere Beweggründe für fast alles.

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #21 am: 11 Juli 2011, 12:17:26 »

Zitat
Alte Säcke, die da sitzen, zum teil aufgedunsen, zum teil vertrocknet, zu den allen hinaufschauen müssen, als die "Kulturpäpste", die alles verstanden haben, es aber noch besser wissen. Alleine schon der fade Trailer, die fade Intromusik, die routiniert verschwafelte Moderation von "Kulturmagazinen". Die unnötig verkomplizierte und verschnörkelte Sprache, die uns jedes mal sagen will "wir sind nicht das Nachmittagstittenmagazin von eben gerade, wir haben Anspruch, es geht um Kultur!".
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Naja, ich glaube, das liegt aber nicht überwiegend daran (dass das so gehandhabt wird), weil diese Leute sich "abheben" wollen, sondern weil sie wirklich anders leben, sprechen, sich interessieren.

Also man verändert sich ja auch - es hängt nicht nur davon ab, wo man aufgewachsen ist, wie man von wem "sozialisiert" wurde, sondern auch, wie man sich selbst entwickelt - und das nicht nur durch Erfahrungen, die man macht, sondern auch durch "Entwicklungsphasen", die jeder Mensch mehr oder weniger deutlich oder ausgeprägt "durchmacht".

Man kann das doch auch an sich selbst beobachten - dass sich die eigenen Interessen, die eigene Sprache bzw. Ausdrucksweise, der Geschmack, Einstellungen, Wünsche, Bedürfnisse usw. - verändern - nicht nur je nach Laune oder je nach dem, mit wem man es gerade an welchem Ort zu welcher Zeit zu tun hat (also dass man sich auch auf sein Gegenüber einstellt, anpasst ...), sondern einfach auch dadurch, dass man selbst sich "verändert", "entwickelt". - Natürlich nicht immer, nicht kontinierlich oder zwangsläufig, auch nicht jeden Tag und nicht in "jedem" Lebensbereich (ist ja völlig unmöglich), aber dass man mit dem "Älterwerden" doch "anders" wird, geworden ist als man in sehr jungen Jahren war (was eben eigene Einstellungen, Erwartungen, Wünsche, Geschmack, Ausdrucksweise usw. s.o. betrifft).

?

Zitat
Dieser soo hohe Anspruch, der meist ein vielfaches über das gehen muss, was der, der es erschaffen hat im Sinn haben konnte...
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Ja, das allerdings habe ich mich auch schon oft gefragt - wie das so mit der "Interpretation" bzw. schon mit der Perzeption und dem "geistigen Erfassen" ist - wieviel Überbau da wirklich angebracht, angemessen, zutreffend ist und wieviel draufgepackt, auferlegt, überfrachtet.


Zitat
Manchmal ist es auch genau dieses elitäre, was mich abschreckt. Dieses Rumgeschwafel derer im Elfenbeinturm, die sich schon auf Höhen hinaufgeschwungen haben, die kein "normaler" Mensch mehr nachvollziehen kann, es sei denn, er hat sämtliche literarische Werke inhaltiert und kann sie im Schlaf rezitieren.
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Ja, auch das sehe ich z.T. ähnlich. - Es schreckt ab, weil sich ja niemand die Blöße geben (lassen) will, auf diesem Gebiet "unwissend" zu sein. Weil man vlt. meint, da nicht mithalten, mitreden, es nicht mal verstehen zu können - und dann auch nicht: zu wollen.
Weil man vilt. auch einfach gar keinen Bock darauf hat, bestimmte Konventionen mitzuvollziehen, einzuhalten, sich überzustülpen. Weil man vlt. auch gar nicht weiß, wie man überhaupt erst mal einen Zugang bekommt, wo man anfangen soll - weil es so viel und so unüberschaubar zu sein scheint.

Oder aber auch, weil es einem wirklich als zu blasiert und lächerlich erscheint.

Oder einfach doch auch - weil man selbst (gerade) (noch) nicht bereit, offen dafür ist - weil anderes einen mehr interessiert, umtreibt usw.


Was mir bspw. Probleme macht, ist, dass man von all den vielen "zeitgenössischen", "modernen" Inszenierungen auch klassischer Stücke (Theater) irgendwie überrollt, erschlagen wird. Ich habe nicht viel Ahnung davon - ja, bei mir hat das auch mit Zeitmangel bzw. Möglichkeitenmangel (Gelegenheitenmangel) und durchaus auch mit der finanziellen Situation zu tun (@Designer).

Aber mir kommt es doch so vor, als müsse beinahe alles heute besonders "abstrakt" sein oder aber besonders "extrem" - verstörend, überdreht, übertrieben, überzogen, "heftig", laut und möglichst disharmonisch.

Das z.B. nervt mich. - Nichts gegen Ausdruck(sstärke) - aber man muss es doch echt nicht übertreiben und dann auch vor allem nicht in diesem Ausmaß. Und es sollte auch noch "Alternativen" geben, damit man selber noch eine Wahlmöglichkeit hat (was man sich "ansieht", anhört, womit man sich beschäftigt, auseinandersetzt, was man auf sich wirken lassen, worauf man sich einlassen will).
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Simia

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #22 am: 11 Juli 2011, 13:01:25 »

Naja, ich glaube, das liegt aber nicht überwiegend daran (dass das so gehandhabt wird), weil diese Leute sich "abheben" wollen, sondern weil sie wirklich anders leben, sprechen, sich interessieren.

Oder weil sie diesen Habitus einfach nicht hinterfragen. Sie haben es so kennengelernt und kommen möglicherweise gar nicht darauf, wie blutleer und elitär das auf andere wirken kann.

Also man verändert sich ja auch - es hängt nicht nur davon ab, wo man aufgewachsen ist, wie man von wem "sozialisiert" wurde, sondern auch, wie man sich selbst entwickelt - und das nicht nur durch Erfahrungen, die man macht, sondern auch durch "Entwicklungsphasen", die jeder Mensch mehr oder weniger deutlich oder ausgeprägt "durchmacht".

(Lebens-)Erfahrung ist ein gutes Stichwort. Ninchen hat mit dem Elfenbeinturm schon recht, es macht oft den Eindruck, als kämen viele dieser Personen aus einem entsprechenden Elternhaus, hätten auf ihrer Privatschule keine andere Welt kennengelernt, studierten dann Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften oder wat weiß ich und fanden dann natürlich Lohn und Brot in diesem Milieu. Das ist natürlich ein Klischee, aber ich glaube gar nicht mal so unrealistisch.

Was mir bspw. Probleme macht, ist, dass man von all den vielen "zeitgenössischen", "modernen" Inszenierungen auch klassischer Stücke (Theater) irgendwie überrollt, erschlagen wird. Ich habe nicht viel Ahnung davon - ja, bei mir hat das auch mit Zeitmangel bzw. Möglichkeitenmangel (Gelegenheitenmangel) und durchaus auch mit der finanziellen Situation zu tun (@Designer).

Aber mir kommt es doch so vor, als müsse beinahe alles heute besonders "abstrakt" sein oder aber besonders "extrem" - verstörend, überdreht, übertrieben, überzogen, "heftig", laut und möglichst disharmonisch.

Genau mein Reden! Wird der Sommernachtstraum z.B. mal irgendwann im Original mit schönen Kostümen und harmonischer Musik aufgeführt, bin ich gern wieder dabei. Aber ich will keine Feen und Elfen auf Rollschuhen mit einer Bahnhofshalle als einzigem Bühnenbild und Oberon und Titania (gespielt von einem bärtigen, untersetzen, beleibten Schauspieler), die sich die ganze Zeit nur anschreien, weil der Regisseur das Konflikthafte des Seins überzeichnen und außerdem die Zerrissenheit des Individuums in der Postmoderne darstellen will oder weil das kunstsinnige Publikum sowas "aufregend" findet.

Wenn Mindfuck, dann richtig (s. Kunst-Thread). Aber zu dieser Form von Moderner Kunst fehlt mir der Zugang. "Avantgardistisch" muss nicht sinnleer bedeuten bzw. muss man nicht so tun, als würde man Shakespeare neu erfinden, wenn es eigentlich um was ganz anderes geht.

Edit: Falls ein Kampnagel-Freund sich jetzt auf die Suche nach oben beschriebener Shakespeare-Adaption macht, das war nur ausgedacht.
« Letzte Änderung: 11 Juli 2011, 13:30:05 von Simia »
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Kallisti

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #23 am: 11 Juli 2011, 22:50:20 »

Zitat
Wird der Sommernachtstraum z.B. mal irgendwann im Original mit schönen Kostümen und harmonischer Musik aufgeführt, bin ich gern wieder dabei. Aber ich will keine Feen und Elfen auf Rollschuhen mit einer Bahnhofshalle als einzigem Bühnenbild und Oberon und Titania (gespielt von einem bärtigen, untersetzen, beleibten Schauspieler), die sich die ganze Zeit nur anschreien, weil der Regisseur das Konflikthafte des Seins überzeichnen und außerdem die Zerrissenheit des Individuums in der Postmoderne darstellen will oder weil das kunstsinnige Publikum sowas "aufregend" findet.

Wenn Mindfuck, dann richtig (s. Kunst-Thread). Aber zu dieser Form von Moderner Kunst fehlt mir der Zugang. "Avantgardistisch" muss nicht sinnleer bedeuten bzw. muss man nicht so tun, als würde man Shakespeare neu erfinden, wenn es eigentlich um was ganz anderes geht.
(Simia)

 :D

Genau das wollte ich so in der Art sagen, Danke. :) -> Genau: avantgardistisch. Und möglichst brachial und eben völlig überdreht, am besten auch noch auf sexueller Ebene provozierend (das machen "die Spanier" ja auch ganz gerne wie es scheint).

Ich jedenfalls bin dafür eindeutig zu spießig, provinziell, konservativ, altbacken, langweilig und damit überfordert. - Wenn es seinen Platz hat, ok. Aber es ist derart raumgreifend und einverleibend ... dass es mir einfach zu viel und zu einseitig, eingleisig ist - wie nennt man das Gegenteil von Vielfalt? (Mir fehlen immer noch die Worte.  ;D )

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Simia

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #24 am: 11 Juli 2011, 23:19:41 »

- wie nennt man das Gegenteil von Vielfalt? (Mir fehlen immer noch die Worte.  ;D )

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #25 am: 12 Juli 2011, 00:31:04 »

Was mir bspw. Probleme macht, ist, dass man von all den vielen "zeitgenössischen", "modernen" Inszenierungen auch klassischer Stücke (Theater) irgendwie überrollt, erschlagen wird. Ich habe nicht viel Ahnung davon - ja, bei mir hat das auch mit Zeitmangel bzw. Möglichkeitenmangel (Gelegenheitenmangel) und durchaus auch mit der finanziellen Situation zu tun (@Designer).

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Das z.B. nervt mich. - Nichts gegen Ausdruck(sstärke) - aber man muss es doch echt nicht übertreiben und dann auch vor allem nicht in diesem Ausmaß. Und es sollte auch noch "Alternativen" geben, damit man selber noch eine Wahlmöglichkeit hat (was man sich "ansieht", anhört, womit man sich beschäftigt, auseinandersetzt, was man auf sich wirken lassen, worauf man sich einlassen will).
Das erinnert mich u.a. an The Great Contemporary Art Bubble, wo es darum geht, dass mit zeitgenössischer Kunst immer schwindelerregendere Preise auf dem Kunstmarkt erreicht werden.
Wobei sich dann irgendwann herausstellt: Es geht gar nicht mehr um Kunst, die Reichen und Mächtigen spielen so etwas wie "Kunstquartett" und treiben gegenseitig die Preise in die Höhe. Bis die Blase platzt und dann die Kunst dem von den einstigen Händlern erdachten Preisen nicht mehr gerecht werden können.

Was mir in letzter Zeit wieder bei der Schauspielkunst, speziell in deutschen Fernsehfilmen auch aufgefallen ist: Nur extreme Gefühle darzustellen gilt als "ausdrucksstark". Da wird sich angeschrien, wild gestikuliert und nebenbei noch ein paar Möbel kaputt gemacht. Das wird dann als "ganz toll und ausdrucksstark" gewertet, nach dem Motto "wer lauter schreit ... schauspielert auch am besten". Dass sämtliche anderen Teile des Auftritts eher gekünstelt und gestellt wirken, ist dann nicht mehr so wichtig. Einmal für den Filmpreis herumgeschrien, das sollte reichen.

Ich freue mich auch eher über eine zurückhaltendere, sanftere Kultur. Gerade in unserer sowieso schon lauten Welt, die von Bau- und Straßenlärm und dem ganzen meist noch sexualisiertem Werbegeschrei durchsetzt ist fände ich das sehr wichtig. Gut, das gibt es sicher auch recht oft, aber das laute und krasse wird natürlich von den Medien aufgegriffen, weil es schlichtweg auffällt.
« Letzte Änderung: 12 Juli 2011, 00:32:58 von K-Ninchen »
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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #26 am: 12 Juli 2011, 11:15:18 »

Da wird sich angeschrien, wild gestikuliert und nebenbei noch ein paar Möbel kaputt gemacht. Das wird dann als "ganz toll und ausdrucksstark" gewertet, nach dem Motto "wer lauter schreit ... schauspielert auch am besten".

Das konnte man eigentlich nur Kinski abnehmen, der war ja auch in echt so. ;)
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Lucas de Vil

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #27 am: 12 Juli 2011, 11:48:50 »

Das konnte man eigentlich nur Kinski abnehmen, der war ja auch in echt so. ;)
Fläschchen Vodka, nur mit dir, trinke ich so gerne hier. Fläschchen Vodka, der beste Freund, den's gibt... +sing+
DAS will ich beim nächsten Kir-Besuch als Abschluss hören. ^^
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Kallisti

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #28 am: 12 Juli 2011, 12:24:32 »

Zitat
Dieses Rumgeschwafel derer im Elfenbeinturm, die sich schon auf Höhen hinaufgeschwungen haben, die kein "normaler" Mensch mehr nachvollziehen kann, es sei denn, er hat sämtliche literarische Werke inhaltiert und kann sie im Schlaf rezitieren.
(K-Ninchen)


Da möchte ich aber noch anmerken, dass man mich mit sowas ja doch unglaublich beeindrucken kann, dass ich das wirklich bewundere und echt neidisch bin - wenn Leute so wirklich umfangreich "gebildet" und informiert sind - über/durch alle möglichen Epochen, Themen-/Lebens-/Wissensbereiche (Geschichte, Politik, Zeitgeschehen, Kunst/Kultur, neueste/aktuelle wissenschaftliche Themen ...) - und dann nicht bloß so das oberflächliche Grobe, sondern auch noch detailliert - so quasi Universalgelehrte (-genies?).

Da frag ich mich dann schon - immer wieder  :( - wie die das machen - sind die sooo diszipliniert und fleißig oder haben die einfach auch ein extrem gutes (Langzeit-) Gedächtnis - ja, wahrscheinlich beides.   :-\
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K-Ninchen

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Re: Kultur - Gestern - Heute
« Antwort #29 am: 12 Juli 2011, 13:04:30 »

Da frag ich mich dann schon - immer wieder  :( - wie die das machen - sind die sooo diszipliniert und fleißig oder haben die einfach auch ein extrem gutes (Langzeit-) Gedächtnis - ja, wahrscheinlich beides.   :-\
Ja, das glaube ich auch :)
Aber ich meine dann auch eher solche, die dann breit im Fernsehen sitzen und sich damit offensichtlich profilieren, meist mit anderen Kollegen, mit denen sie dann "Intellektuellenschwanzmessen" betreiben. "Aber Herr Professor X, Ihre These weist doch Schwachstellen im Bereich der endgültigen Vereinnahmung externer und interner Beweggründe einer Person, deren Zerrissenheit sich dadurch speißt, dass ihre langläufige Biographie geprägt ist durch ..." (Und dabei habe ich in diesem Beispiel nicht halb so viele Fremdwörter benutzt wie es eigentlich nötig gewesen wäre) und am Ende geht es dann nicht darum, gemeinsam zu einem Ergebnis zu kommen, sondern wer recht hat. Also letztendlich ein Kindergarten auf sehr hohem Niveau.
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