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Einmal von Christian von Aster

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Eisbär:
Der gute Mann hält übrigens im Januar gleich zwei Lesungen in Bremen.
Einmal im Theater am Goetheplatz und einmal im Schlachthof.

Guckt ihr da: http://www.vonaster.de


Christian von Aster präsentiert:
garstige Glossen für eine bessere Welt / No.:4
SCHEMA F.
WIE FINSTER
oder die schwarze Bravo liebt auch dich
© 2004 christian von aster

Kaum einer den ich kenne, kauft noch Gothiczeitschriften. Das liegt wahrscheinlich daran, dass diese Leute sich noch an jene Tage erinnern, als in Zeitschriften noch etwas drinstand. Heute gibt es gewöhnlich mehr Zeitschrift als Inhalt, als habe der Leser eine schlimme Allergie gegen Inhalt jeglicher Art entwickelt und die Herausgeber beschlossen, ihn zu schonen. So eine Entwicklung macht ja auch vor der Szene nicht halt. Selbst im szenischen Untergrund lässt Inhalt sich durch weniger strapazierende Dinge ersetzen: Nippelschau, Musikprospekt und natürlich Interviews mit Blutegel, Schwarzes Wasweißich und Illumidingsda, die genau so in allen anderen Zeitschriften stehen... Natürlich sind Masochisten, die Freude an diesen Hirnfriedhöfen des Marketings haben, Teil der Szene. Dem interessierten Zeitgenossen jedoch wird diese uncharmante Art der Zielgruppenverhöhnung auf längere Sicht kaum Freude bereiten. Das jedenfalls, was da Schwarz auf Schwarz zu lesen, ist am Ende kaum viel. Wenn man Bandberichte, Interviews und die übrige Werbung wegrechnet, bleiben vielleicht 10 engagierte Seiten, mit Buchrezensionen, Fotos von Nippeln und Friedhöfen, einem interessanten Bericht und einem dufte kumpeligen Vorwort, dass die sympathischen Seiten des Herausgebers beschwört. Es ist mir durchaus bewusst, dass es dieser Tage nicht leicht ist, sein Patchouli zu verdienen. Aber sich vom mündigen Leser abzuwenden um stattdessen pubertierende Gothicklone zu hofieren, ist eine kaum sympathische Strategie. Aber die 14 jährige Claudia Konnopke hat halt, wenn sie bei H&M war, immer noch etwas Kleingeld im Portomonnaie. Claudia hat auch Spaß an den Gedichten finsterer Heulsusen, die nicht selten ohne das geringste literarische Verständnis verfasst, ausgesucht und gedruckt werden, so dass da mitunter auf zwei Seiten zehn Mal das gleiche Gedicht steht. „Leckt mich am Arsch mit eurem Elend!“ könnte der unsensible Leser dabei denken. Ich nicht. Mir tut das alles furchtbar leid. Vor allem die wirklich talentierten Leute, deren Gedichte wohl nicht gedruckt werden, weil man befürchtet, dass ein grammatikalisch korrekter Satz ohne Pathos den Leser überfordert. Dem Leser wird überhaupt kaum mehr zugebilligt, als im Besitz des Geldes zu sein, das ihn zum Erwerb der Zeitschrift befähigt. Und Geld ist dann auch wieder so ein Thema. Für einen Beitrag auf einem Sampler besagter Zeitschriften, darf eine Band nämlich mal eben 1300 Euro hinblättern. Nicht nur, dass dies den meisten Nachwuchsbands schwerfallen dürfte, ergibt das bei 15 Bands einen Betrag von knapp 20000 Euro, mit dem sich die fragliche Auflage mehr als einmal finanzieren ließe. Wahrscheinlich hat sich da wer verrechnet. Und den lassen wir dann gleich weitermachen und schlagen auf den Preis des Heftes sicherheitshalber noch was drauf. Eigentlich ist diese CD nichts anderes Werbung, was allerdings nicht daran hindert, diese trübe schwarze Tütensuppe unter dem Prädikat: „wir tun das für euch“ zu verkaufen... Apropos Werbung; wer eine Anzeige schaltet, hat übrigens ungleich bessere Chancen, dass über ihn berichtet wird. Das kostet Geld und dürfte den meisten Nachwuchsbands ein weiteres Mal Probleme bereiten. Und irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass das Management erst einmal richtig ablatzen muss, bevor dem Leser eine überraschende Neuentdeckung präsentiert werden kann. Aber dafür haben Gothicurgesteine wie „The Rasmus“ es einfacher. Und das sind schließlich die die uns wirklich interessieren. Huch, was ist das alles dufte. The Mainstream of Darkness, baden im Styx, oder besser der Lethe. Deren Wasser verheißt Vergessen. Ein Vergessen, dem verdientermaßen auch das meiste Gedruckte anheim fällt. Wahrscheinlich selbst die Starfiles, die ja beinahe schon nach Starschnitt klingen. Und damit sind wir schon recht nahe an der schwarzen Bravo. Fehlt bloß noch Doktor Finster. Schließlich wollen auch Themen wie „Hilfe, mein Freund lässt sich nicht auspeitschen“, „Ich kann nicht böse gucken.“, „Wie werde ich depressiv?“ und „Ich will mit Ville Vallo schlafen.“ behandelt werden. Die schwarze Gemeinschaft jedoch scheint noch nicht bereit für Dr. Finster. Dafür bleiben uns jene ungemein unterhaltsamen Kontaktanzeigen, in denen Claudy666, Lederluder und die Darklords dieser Welt exakt drei Dinge suchen: jemanden zum rüberzurutschen, jemandem zum Mitjammern oder eben einen Gitarristen. Schwarzes trauriges Wesen (15) sucht... „Die sind doch alle einmal zu oft von der Friedhofsmauer gefallen“ würde der unsensible Leser sagen. Ich nicht. Ich bin nämlich auch schwarz, traurig und 15.
Aber Inhalt hin oder her, am Ende geht es um Geld. Und davon ließe sich noch mehr verdienen, wenn man etwas offener wäre. Die Zauberworte lauten Crosspromotion und Zielgruppenexpansion. Gothic Girl, Anglerzillo & Heimwerkerorkus. Pentagrammzeichenkurse. Aufreisstips für Manischdepressive. Satanistisches Hochseeangeln und schwarze Wandfarbe im Test.
Die Zukunft wäre vergnüglich finster. © 2004 christian von aster

zombiemaus:
Tja...

(http://www.gothicbeauty.com/images/f2.jpg)

AnnHoly:
Mal abgesehen davon, dass die verbitterten Ausführungen des Herrn v. Aster ausschließlich daher rühren, dass keines der sog. Szene-Mags. etwas von ihm veröffentlichen wollte; das Bild dieses Mags. ist doch hoffentlich nur das Ergebnis eines PowerPoint-Experiments, oder?  :shock:

Thomas:
Amis  :roll:

altesZebra:
liest sich verdammt gut
und.. recht hat der gute mann.. mit welchem Hintergrund auch immer... :wink:

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