Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?  (Gelesen 5813 mal)

CubistVowel

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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #15 am: 20 Juli 2010, 11:24:46 »

Bei mir bestand nach der 4. Klasse Hauptschulempfehlung (schlechte Noten durch Langeweile, kein Witz.) Meine Mutter schickte mich trotzdem auf die Realschule, obwohl sie eigentlich das Gymnasium für mich richtiger fand. Auf der RS wurde ich das erste Mal gefördert, was zur Folge hatte, dass ich nach 2 Jahren RS aufs Gymnasium wechseln musste.

Ich muss dazu auch sagen, dass ich damals wohl ganz gut ins Beuteschema der HS passte: "Asi", weil geschiedene Eltern, Schlüsselkind, relativ arm, gewalttätiger Stiefvater, verhaltensauffällig (Selbstverletzungen)...so ein Kind passte auch Ende der Siebziger nur auf die Hauptschule, egal, wie schlau oder dumm.

Beide Empfehlungen (Hauptschule und Gymnasium) kamen von Lehrern. Zum Glück hat die Entscheidung meiner Mutter gegen die Empfehlung des Grundschullehrers mir zumindest einen weiteren Schulwechsel erspart. Oder vielleicht auch nicht? Denn womöglich hätte ich auf der HS einfach frustriert und gelangweilt aufgegeben und hätte nicht mal den Abschluss geschafft...

Das Aussortieren von Kindern nach den falschen Gesichtspunkten ist also nichts Neues. Ob dabei der Zeitpunkt der Aussonderung tatsächlich eine Rolle spielt, kann ich nicht sagen. Ich wünschte mir nur mehr Lehrer wie meine damaligen Realschullehrer, die sich genug für mich interessierten, um mir Extra-Aufgaben etc. zu geben. Mein ganz persönliches Fazit ist, dass es nicht unbedingt auf das Schulsystem an sich ankommt, sondern auf gut ausgebildete, motivierte, interessierte Lehrer. Und es könnte auch nicht schaden, wenn jedes Kind bei Einschulung zumindest halbwegs deutsch sprechen könnte.

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messie

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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #16 am: 20 Juli 2010, 11:33:40 »

Zitat
Mein ganz persönliches Fazit ist, dass es nicht unbedingt auf das Schulsystem an sich ankommt, sondern auf gut ausgebildete, motivierte, interessierte Lehrer.

Das ist in deinem Fall deswegen sicher gut gegangen. Aber ist es nicht so, dass du mit einem Schulsystem, das die Kinder 2 Jahre qua System in die weiterführende Schule steckt und dann erneut qua Schulsystem eine Entscheidung seitens der Lehrer und Eltern getroffen werden muss, du selbst bei unaufmerksamen Lehrern eine hohe Chance gehabt hättest, hochzuwechseln?

Der Vorteil eines solchen Systems ist, dass so nicht nur ein aufmerksamer oder falschdenkender Lehrer die Entscheidung über ein Kindes Leben fällen wird, sondern mehrere Personen in die Entscheidung einbezogen werden und so die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein Kind nach Klasse 6 auch dort landet, wo es hingehört, aufgrund gesammelter Erfahrungen in der weiterführenden (!) Schule.
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Ali

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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #17 am: 20 Juli 2010, 11:55:51 »

Naja, im Endeffekt bleibt ja noch die Umstellung auf Gymnasien und Stadtteilschulen. Die war ja vom Volksentscheid nicht betroffen.

Bedeutet, dass egal was für eine Empfehlung das Kind bekommt, es das Abitur machen kann. Entweder auf dem Gymnasium nach 12 oder auf der Stadtteilschule nach 13 Jahren.

Ich selber kenne auch die andere Seite des Elternwahlrechtes: Kinder ohne Gymnasialempfehlung werden aufs Gymnasium gesteckt, bekommen dort in der Orientierungsstufe (Klasse 5 und 6) nicht mit und werden danach, weil ihnen 2 Jahre praktisch fehlen, nach unten durchgereicht. Bloß weil die Eltern meinten "Mein Kind muss auf jeden Fall aufs Gymnasium, die haben da auf der Schule so ein tolles Konzept".

Aber eine Abschaffung des Elternwahlrechtes lässt sich eben nicht durchsetzen, dafür gibt es zuviele Eltern in Hamburg, die man ja als Wähler nicht verlieren möchte..
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CubistVowel

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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #18 am: 20 Juli 2010, 12:07:39 »

Zitat
Mein ganz persönliches Fazit ist, dass es nicht unbedingt auf das Schulsystem an sich ankommt, sondern auf gut ausgebildete, motivierte, interessierte Lehrer.

Das ist in deinem Fall deswegen sicher gut gegangen. Aber ist es nicht so, dass du mit einem Schulsystem, das die Kinder 2 Jahre qua System in die weiterführende Schule steckt und dann erneut qua Schulsystem eine Entscheidung seitens der Lehrer und Eltern getroffen werden muss, du selbst bei unaufmerksamen Lehrern eine hohe Chance gehabt hättest, hochzuwechseln?

Wie gesagt, ich kann nicht beurteilen, ob der Zeitpunkt eine Rolle spielt. Aber dass die Qualität der Lehrer immer wichtig ist, kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen. :) Allerdings kann ich mir schon gut vorstellen, dass so ein System bessere Bewertungsmöglichkeiten brächte. Ich selbst habe auf jeden Fall davon profitiert, von den Grundschullehrern bzw. aus der GS überhaupt wegzukommen.
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messie

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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #19 am: 20 Juli 2010, 13:09:55 »

Zitat
Ich selber kenne auch die andere Seite des Elternwahlrechtes: Kinder ohne Gymnasialempfehlung werden aufs Gymnasium gesteckt, bekommen dort in der Orientierungsstufe (Klasse 5 und 6) nicht mit und werden danach, weil ihnen 2 Jahre praktisch fehlen, nach unten durchgereicht. Bloß weil die Eltern meinten "Mein Kind muss auf jeden Fall aufs Gymnasium, die haben da auf der Schule so ein tolles Konzept".

Tja, solche Eltern wird es immer geben, die glauben, ihr Kind wäre ja so intelligent und nur nicht richtig gefördert worden, und selbst bei schlechten Leistungen des Schülers behaupten, dass ja die Lehrer irgendwas nicht richtig machen. Ihr Kind wäre ja klüger als alle anderen.  ::)

Aber auch da ist es ja von Vorteil, wenn es zwei Möglichkeiten gibt und nicht nur eine, dem Kind die richtige Schulform zuzuweisen.
Momentan ist es so, dass ein Kind nur mit viel Glück noch nach der 4. woanders hinwechselt: Dann, wenn jemand erkennt, dass es dort, wo es ist, falsch ist, und sich dafür einsetzt, dass das geändert wird.
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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #20 am: 20 Juli 2010, 16:21:30 »

Zitat
Ich selber kenne auch die andere Seite des Elternwahlrechtes: Kinder ohne Gymnasialempfehlung werden aufs Gymnasium gesteckt, bekommen dort in der Orientierungsstufe (Klasse 5 und 6) nicht mit und werden danach, weil ihnen 2 Jahre praktisch fehlen, nach unten durchgereicht. Bloß weil die Eltern meinten "Mein Kind muss auf jeden Fall aufs Gymnasium, die haben da auf der Schule so ein tolles Konzept".

Tja, solche Eltern wird es immer geben, die glauben, ihr Kind wäre ja so intelligent und nur nicht richtig gefördert worden, und selbst bei schlechten Leistungen des Schülers behaupten, dass ja die Lehrer irgendwas nicht richtig machen. Ihr Kind wäre ja klüger als alle anderen.  ::)

Aber auch da ist es ja von Vorteil, wenn es zwei Möglichkeiten gibt und nicht nur eine, dem Kind die richtige Schulform zuzuweisen.
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Oh ja... und die größten Egoprobleme haben die Eltern...  ::)
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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #21 am: 21 Juli 2010, 16:43:49 »

unter nachfolgendem Link finden sich 2 Grafiken, die die Wahlbeteiligung in Hamburg beim Volksentscheid verdeutlichen.

es zeigt sich mal wieder, wie stark doch die politikverdrossenheit bei den sozial schwächeren verbreitet ist.

http://dishwasher.blogsport.de/2010/07/18/hamburger-volksentscheid-wahlbeteiligung-spiegelt-armutsverteilung/


Interessant ist auch, dass die Grünen sich für einen stärkeren Volksentscheid stark gemacht haben und jetzt selbst auf die Nase gefallen sind, weil sie ihr Konzept nicht richtig vermitteln konnten und damit kurzfristig überhaupt nicht klar zu kommen scheinen.
« Letzte Änderung: 21 Juli 2010, 16:46:02 von l3xi »
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messie

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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #22 am: 21 Juli 2010, 17:25:57 »

Hmmm - der Kartenvergleich sieht eindrucksvoll aus, allerdings wurde hier auch ein bisschen optisch "nachgeholfen", wenn man genauer hinsieht:

Bei der zweiten Gruppe wurden 5 Farben ausgewählt. Und nein, da wurde jetzt nicht einfach mal gleichmäßig aufgeteilt ... die Bandbreite von 12,5 bis 60,3 an Prozentpunkten ließe ja folgende fünf Aufteilungen zu erwarten: 9,56 Spanne pro Farbe, also

12,5 - 22,05
22,06 - 31,61
31,62 - 41,16
41,17-  50,72
50,73 - 60,30

Bei oben wurde um 0,01 "getrickst".

Stattdessen gibt es die Spanne:
20,7 Prozentpunkte für die erste Aufteilung,
3,7 (!!) für die zweite,
4,3 für die dritte,
5,1 für die vierte und
13,6 für die fünfte.

Auch wenn anhand der folgenden Grafik durchaus ein Zusammenhang zu sehen ist - so krass, wie es das Schaubild uns glauben mag, ist es indes dann doch eher nicht. ;)




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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #23 am: 21 Juli 2010, 21:34:05 »

@ messie: so, wie ich den Text und auch die Kommentare verstanden habe, sind das offizielle Grafiken, die "nur" übernommen wurden.

hier die Quelle - http://www.statistik-nord.de/?id=1712 - das statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein. Auf der rechten Seite gibt es 3 Links, wo die 2 verwendeten Grafiken offensichtlich herkommen. Diese sind auch interaktiv und fassettenreicher, wodurch eine noch "detailliertere" Auswertung möglich sein müsste.

Einen gewissen Trend wird man aber in jedem Fall entnehmen können, der eigentlich jeden zumindest aufhorchen lassen sollte.

Ich persönlich bin auch eher enttäuscht, dass sich die 6 Jahre nicht durchgesetzt haben. Aber wenigstens bleiben die "Pilotprojekte" und man wird zumindest dort ein paar Erfahrungen sammeln können.

Traurig ist an der ganzen Geschichte eigentlich nur, dass wahrscheinlich die nächsten Jahre keine weitere Schulreform angestrebt werden wird, die mit die Schranken des vorhandenen aufbrechen will. Dafür haben die meisten Politiker sicher zu viel Schiss, ebenfalls blank zu ziehen, wie es Ole von Beust und Christa Goetsch durchmachen durften.
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messie

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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #24 am: 21 Juli 2010, 21:56:01 »

Zitat
Traurig ist an der ganzen Geschichte eigentlich nur, dass wahrscheinlich die nächsten Jahre keine weitere Schulreform angestrebt werden wird, die mit die Schranken des vorhandenen aufbrechen will. Dafür haben die meisten Politiker sicher zu viel Schiss, ebenfalls blank zu ziehen, wie es Ole von Beust und Christa Goetsch durchmachen durften.

Och, das ist noch lange nicht raus. :)
Nur weil das vorhandene Konzept doof war, muss es ja nicht heißen, dass das nächste genauso doof ist. Ein paar andere Ideen wurden hier ja schon mal besprochen, und -wer weiß- vielleicht existieren die ja auch schon im Kopp klügerer Leute, beispielsweise der Reformgegner.
Denn wenn die, sagen wir mal in zwei Jahren, ein besseres Konzept vorstellen, möglicherweise gemeinsam mit einer Partei, dann sind die Chancen doch gar nicht so schlecht.
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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #25 am: 21 Juli 2010, 22:30:36 »

Zitat
Traurig ist an der ganzen Geschichte eigentlich nur, dass wahrscheinlich die nächsten Jahre keine weitere Schulreform angestrebt werden wird, die mit die Schranken des vorhandenen aufbrechen will. Dafür haben die meisten Politiker sicher zu viel Schiss, ebenfalls blank zu ziehen, wie es Ole von Beust und Christa Goetsch durchmachen durften.

Och, das ist noch lange nicht raus. :)
Nur weil das vorhandene Konzept doof war, muss es ja nicht heißen, dass das nächste genauso doof ist. Ein paar andere Ideen wurden hier ja schon mal besprochen, und -wer weiß- vielleicht existieren die ja auch schon im Kopp klügerer Leute, beispielsweise der Reformgegner.
Denn wenn die, sagen wir mal in zwei Jahren, ein besseres Konzept vorstellen, möglicherweise gemeinsam mit einer Partei, dann sind die Chancen doch gar nicht so schlecht.
Ich sehe leider erst dann wirklich die Möglichkeit, was grundlegend zu verbessern, wenn Bildung Sache des Bundes wird und nicht mehr 16 Länder ihr eigenes Süppchen kochen wollen. ^^"
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Re: Schulreform gekippt - wirklich verbindlich?
« Antwort #26 am: 21 Juli 2010, 22:46:37 »

Zitat
Traurig ist an der ganzen Geschichte eigentlich nur, dass wahrscheinlich die nächsten Jahre keine weitere Schulreform angestrebt werden wird, die mit die Schranken des vorhandenen aufbrechen will. Dafür haben die meisten Politiker sicher zu viel Schiss, ebenfalls blank zu ziehen, wie es Ole von Beust und Christa Goetsch durchmachen durften.

Och, das ist noch lange nicht raus. :)
Nur weil das vorhandene Konzept doof war, muss es ja nicht heißen, dass das nächste genauso doof ist. Ein paar andere Ideen wurden hier ja schon mal besprochen, und -wer weiß- vielleicht existieren die ja auch schon im Kopp klügerer Leute, beispielsweise der Reformgegner.
Denn wenn die, sagen wir mal in zwei Jahren, ein besseres Konzept vorstellen, möglicherweise gemeinsam mit einer Partei, dann sind die Chancen doch gar nicht so schlecht.
Ich sehe leider erst dann wirklich die Möglichkeit, was grundlegend zu verbessern, wenn Bildung Sache des Bundes wird und nicht mehr 16 Länder ihr eigenes Süppchen kochen wollen. ^^"

Was zweifellos die beste Alternative wäre, ganz klar.
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