[rant]
Also, ich habe
Schwarze Geister, Neue Nazis zuende gelesen (in Ermangelung eines Scheißbücher-Threads deshalb hier), aber ich empfehle es nur für Leute, die ihren Blutdruck steigern wollen.
Nun könnte man meinen, der Herr Fromm stelle da durchaus berechtigte und gute Fragen: Was machen die Jugendlichen eigentlich so in ihren Subkulturen? Was sehen sie sich an, wem hören sie zu, wie wirkt das auf sie? Muss man sich Sorgen machen, gibt es womöglich Leute, die da gefährdet werden?
Leider beantwortet er diese Fragen nicht.
Eher malt er mit leuchtenden Farben und breitem Pinsel Auswüchse und Fehltritte aus, zwischen die dann sozusagen mit Fineliner kurze einschränkende Sätze geschrieben werden (man muss wirklich genau aufpassen, um diese "man weiss es nicht" oder "sind ja nicht alle so"-Momente mitzubekommen).
Dazu kommt, daß der Mann keinerlei Sinn oder Verständnis für schwarzen Humor oder die Faszination des Morbiden zeigt, aber ganz gut weiss, wie man Butter aufs Brot bekommt.
Ich mache es mir mal einfach und gehe das Buch von vorne durch, hier die Dinge, die mir so aufgefallen sind:
Die Einleitung stellt man sich am besten gesprochen von Ulrich Meyer von Sat1 "Akte" vor - das entspricht ihrem Tonfall und ihrem Inhalt.
Es wird nach einigen blutrünstigen Metal-Zeilen "der amerikanische Militärpsychooge Dave Grossman" herangezogen (der ist keineswegs unumstritten), der
"in dem Konsum derart krasser gewalthaltiger Inhalte Mechanismen einer typischen klassischen Konditionierung" sehe; "Während der Teenager Gewaltmedien konsumiere, ...trinke er gleichzeitig seine Lieblingscola oder schmuse mit seiner Freundin. Intensiver könne "die Verbindung aus Gewalt und schönen Gefühlen kaum sein", fasst Grossman die fatale Auswirkung brutaler Texte auf Jugendliche zusammen."
Das Kapitel "Dark Wave" umfasst knapp 20 Seiten, die Hälfte beinhaltet detailfreudige Schilderungen hinlänglich bekannter mit der Szene mehr oder weniger assoziierter Morde, der Rest ist Neofolk und Vaws (und eine herzerfrischende Menge an falsch geschriebenen Namen). Schnarch.
Black Metal.
Dazu kann ich nicht viel sagen, aber das Schema ist das Gleiche, mit einem etwas befremdlichen Versuch, als besonders forchtbar herauszustellen, daß man Christus und des Christentums lästert. Zum Glück für Herrn Fromm gibt es NSBM, da kann man mehr rausholen als aus Neofolk.
Satanismus.
(Hier hatte ich das erste Mal Sorgen, das Augenrollen nie wieder abstellen zu können)
Da wird die uralte Klamotte von der weltumspannenden satanistischen Kindesmissbrauchsverschwörung und ihren Folgen in Form von
MPS ausgegraben; zwar mit allerhand einschränkenden Bemerkungen versehen, aber man merkt sehr bald, wem die Sympathien des Autors gehören.
Dem wird eine Studie gegenübergestellt (und dabei Unglaubwürdigkeit angedeutet), deren Autoren beweisen wollten, "dass satanistische Morde ein Phantasiegebilde von Theologen, Therapeuten und Polizisten darstellen...Im Anbetracht der vielen gerichtsfest dokumentierten Gewalttaten aus dem satanistisch-okkulten Milieu...ziemlich voreilig."
(Präziser als "viele", "häufig" und "oft" wird Fromm erst im Kapitel über Neonazis)
Sehr schön fand ich diese Stelle:
"Besonders einem Juristen müsste geläufig sein, dass "Satanismus" oder "Okkutismus" kein Klassifizierungsmerkmal für Ermittler ist. Dem gegenüber steht eine große Zahl signifikanter Straftaten, ...die leicht nachprüfbar sind...".
Mir kommt ja vor, als würden sich diese zwei Sätze widersprechen.
Auch ganz ulkig ist, wie Fromm den Studien-Autoren vorwirft, sie hätten zur Stützung ihrer Thesen Fälle aus Australien heranziehen müssen - während er selbst sich nicht scheut, in die USA zu schauen, um die "große Zahl" von Straftaten zu demonstrieren. In Europa geht es immer um dieselbe Handvoll Morde und Brandstiftungen und eine ungewisse Anzahl von kleineren Delikten.
Dann wird es wieder seitenlang blutig, nur aufgeheitert durch 2 Fußnoten, die uns zeigen, daß Fromm kreuz.net as Quelle benutzt hat (ach, vielleicht war das 2007 noch total seriös
).
Natürlich kommt auch der Fall von Kim zur Sprache, dessen Nachname auch; die Nachnamen der Täter werden zwar aufs Initial verkürzt - dafür aber der ziemlich exotische und vermutlich einmalige dreifach-Vorname des Haupttäters genannt
.
Folgt ein längerer Abschnitt zur Analyse von Primärquellen (LaVey, Crowley, die ganze Folkore), "aus der Analyse geht eindeutig hervor, wie groß das Gefahrenpotential ist, das von der schwarzen Publizistik ausgeht".
Die 23 ist übrigens auch ein satanistisches Kennzeichen, "eine Begründung dafür dürfte darin liegen, daß 2/3 der Zahl 0,666 entspricht, der Chiffre des Bösen"
Auf Seite 171 schreibt Fromm: "Exzessiv ausgelebter Satanismus korrespondiert häufig mit dem Krankheitsbild der narzisstischen Persönilichkeitsstörung."
Das könnte jetzt beinahe ein interessanter Ansatz werden, z.B. nach Fragen über Hennen und Eier...also wechselt Fromm ganz schnell das Thema, bevor am Ende Leser auf die Idee kommen, gestörte Menschen würden zu exzessiven Satanisten statt daß Satanismus exzessiv gestörte Menschen produziert.
Vampirismus.
Der Untertitel dieses Buches lautet "Jugendliche im Visier totalitärer Bewegungen", aber ich vermute, daß der Arbeitstitel anders lautete, denn die Begründung, warum Vampirismus hier hineingehöre, finde ich zwar grade nicht wieder, aber sie hatte auch nichts mit diesem Untertitel zu tun.
Tja...auch in der Vampiristenszene kenne ich mich nicht aus, aber dieses Kapitel verschaffte mir zum Augenrollweh auch noch Nackenschmerzen vor Kopfwackeln. Wie erwähnt, schwarzen Humor und Spaß am Gruseln kennt Fromm nicht. Ist nur bedauerlich, daß das Buch für den Twilight-Hype zu früh kam.
Blahblah seitenweise. Schöner Satz: "Weitere Treffpunkte der Gothic-Bewegung, in denen auch Vampyre verkehren, existieren unter anderem in [jede deutsche Stadt mit einer Gruftothek einfügen]". Das wird besonders lustig, wenn man "Vampyr" durch "Bäcker" oder "Banker" ersetzt. Komplett aussagefrei. Oh, und wir sind eine
Bewegung .
Weiter geht es zur Publizistik.
"...das Buch "Vampire und Blutrituale", das aus der Feder des "großen Magiers und Vampirforschers"(Klappentext) Frater Piarus stammt...Der Autor lässt keinerlei Zweifel an der Existenz von Vampiren".
(Tolkien liess in seinen Büchern ja auch keinerei Zweifel an der Existenz von Orks und was noch mehr ist, seine Quellen waren die Bücher von Bilbo Beutlin...kurzum, Frater Piarus ist bestimmt kein Pseudonym und Fromm hat da bestimmt ein fundiertes Sachbuch gefunden.
)
Schließlich Rechtsextremismus. Hier wird Fromm endlich mal konkret und benutzt Zahlen, hier kennt er sich, wie sich ergooglen lässt, auch aus.
(Im Internet und in Mathe nicht so. "...das Hatecore-Forum, das nach eigenen Angaben über 950 Mitglieder verfügt, die bereits mit über 22800 Beiträgen präsent sind". Like wow, 25 Beiträge pro Mitglied...und überhaupt.)
Am Ende noch ein Augenvorquellmoent: Zwei Gastkapitel. Das erste von Manuela Ruda.
Daaaas...lässt mich immer noch scharf Luft holen.
Allerdings, und ich sage das wirklich nicht gerne, sind die Gastkapitel die besten im Buch. Ruda beschreibt die Gothic-Szene sachlich und direkt zum Wiedererkennen, Gabriel Landgraf seinen Werdegang vom Waldorfschüer zum Neonazi-Organisator und dann zum Szene-Aussteiger.
Und, ganz wichtig: Die Gastkapitel widerlegen die Gesamtthese des frommschen Buches. Finde ich.
Die Rudas waren zwei bereits gestörte Menschen, denen Satanismus zum Katalysator wurde, sich tief in einen Wahn hineinzuarbeiten und schließlich zu töten.
Landgraf war ein einzelner verblendeter Typ, der eine Hunderte bis Tausende Köpfe umfassende Neonazi-Organisation hochzog.
Das scheint mir die Frage, was potentiell gefährlicher ist, einigermaßen zu beantworten.
Übrigens wird die Frage, ob all diese gewalttätigen Dinge wohl für alle oder nur für bestimmte Jugendliche gefährlich seien, von Fromm immer wieder kategorisch mit "für alle!" beantwortet (er benutzt natürlich mehr Worte) - obwohl, und das hat mich viele
gekostet, er alle naslang Quellen zitiert und Dinge schreibt, die ganz eindeutig zeigen, daß es eben eine Prädisposition gab, wenn jemand gewalttätig wurde.
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Das war nur ein Teil der Dinge, die ich an Fromms Werk bekrittelnswert fand, aber es ist spät und der Post ist schon lang.
Ach, ein Sahnehäubchen: Man kann SGNN über die Landeszentrale für politische Bildung des Landes NRW beziehen
[/rant], danke für Ihre Aufmerksamkeit.
tl;dr: Scheißbuch. Bloß kein Geld dafür ausgeben.