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[banquo]

Es gleicht einem Berufsverbot: Der Sänger einer Stuttgarter Death-Metal-Band wollte Lehrer werden. Warum er es nicht wurde, erzählt viel über unsere Zeit.

http://www.welt.de/die-welt/kultur/literatur/article7429126/Schule-der-Angst.html

"Thomas Gurrath kann diese Fragen nicht beantworten. Er lässt seinen Anwalt jetzt zwar rechtliche Schritte prüfen, aber wie sollte eine Wiedereinstellung in die Referendarausbildung im Regierungsbezirk Stuttgart aussehen, mit dieser Vorgeschichte? Und Gurrath will nicht weg, in eine andere Stadt, gar ein anderes Bundesland; Stuttgart ist seine Heimat. Er wird versuchen, rund um die Musik noch zusätzlich Geld zu verdienen, Konzert-Booking wäre eine Möglichkeit, Touren anderer Bands zu organisieren. Ob Thomas Gurrath ein guter oder ein schlechter Lehrer geworden wäre, wird man vermutlich nie erfahren."

Na, da hat die Schulleitung ja ihr Ziel voll erreicht. *ätz*
Wenn ich mit der Musik etwas mehr anfangen könnte, würde ich mir glatt ein Album von der Band kaufen. Allein schon aus Trotz.

[colourize]

Na gut, Schule ist nun mal eine repressive Institution. Man sollte sich klarmachen, was die zentrale Funktion von Schule ist. Da mind. 90% der Lerninhalte von den Schülern maximal bis zur nächsten Klassenarbeit behalten werden, weil der Lehrinhalt für das alltägliche Leben der Schüler vollkommen irrelevant ist, liegt es auf der Hand dass es bei schule eigentlich nicht zentral ums Lernen gehen kann. Zumal man ja auch aus der Lernforschung weiß, dass es deutlich bessere Lernkontexte gibt als getaktete Schulstunden, in denen man die Vermittlung des Stoffs auf seinem zugewiesenen Sitzplatz still über sich ergehen zu lassen hat.

Die zentrale Funktion von Schule ist nicht das Lernen, sondern die Disziplinierung. In dieser Institution werden Menschen "zivilisiert" oder "domestiziert", damit sie dem erwünschten Menschenbild entsprechen. Wer die Disziplinierung über sich ergehen lässt und sich anpassungswillig bzw. kooperationsbereit gibt, wird mit einem Schulabschluss entlohnt. Wer sich nachhaltig zu Wehr setzt, wird von der Schule ohne Abschluss entlassen und muss sein weiteres Leben als Hilfsarbeiter oder Hartzer fristen.

Mit dieser Perspektive dürfte nachvollziehbar werden, dass es nicht darum geht, ob ein Death Metal Frontmann eine gute Lehrperson sein kann oder nicht, sondern insbesondere darum, ob er mit seinem Habitus ein glaubhafter Erzieher sein kann, der die Schüler zu den Menschen macht, die systemisch gewollt sind.

[Eisbär]

Colourize: klingt ja schon fast nach soziologisch-sozzialistischer Paranoia.

Ich vermute eher, daß die Uhren im kleinen, erzkatholischen Schwabenländle einfach anders ticken. In Bremen jedenfalls werden Death-Metal Musiker auch gerne mal Religionslehrer. Ohne Probleme und Beanstandungen.

[Spambot]

Einschränkungen in der persönlichen Entfaltung durch die Berufswahl sind ja nun wirklich nichts neues. Man denke nur an Tattoos und Piercings. Eine Bekannte von mir hatte mal berufliche Probleme, weil man Fotos von ihr im harmlosen Gothen-Outfit im Internet gefunden hat. In der Privatwirtschaft kann das Vorurteil des Chefs schnell mal "Gesetz" werden. Bei dem Death-Metal-Sänger ist es aber schon ein besonderer Fall, da eine staatliche Behörde mit Monopolstellung, die ihr Handeln auf rechtliche Normen stützen muß, die Beendigung der Ausbildung vermutlich ohne Rechtsgrundlage verweigert und es zumindest in dem Bundesland keine gleichwertige Alternative zum Beenden des Referendariats gibt. Da hat sich das Regierungspräsidium ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt.

Natürlich findet in Schulen Erziehung statt, genauso wie in der Familie, dem Beruf oder anderen gesellschaftlichen Institutionen (Kirchen, Medien etc.). Und ja, Erziehung hat in einem gewissen Maße auch Anpassung und Kooperation zum Ziel, damit ein Leben in der Gemeinschaft überhaupt erst möglich wird. Wenn jeder Mensch ohne soziale Hemmung (durch soziale Normen und Sanktionen) seine Impulse (Aggression, Sexualtrieb, Machtstreben etc.) ausleben würde, wären langfristige und friedliche soziale Interaktionen unmöglich. Daher gab es schon immer und in jeder menschlichen Gesellschaftsform die Vermittlung von Normen sowie Sanktionen, die gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten einfordern. Den Erziehungsanteil in der Schule würde ich aber erheblich niedriger als 90% ansetzen, da in meinen Augen tatsächlich die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten im Vordergrund steht. Über die Qualität dieser Wissensvermittlung kann man aber sicherlich streiten.
Auch wenn der verlinkte Artikel ein klassisches Gegenbeispiel ist, können wir froh sein, in einer Gesellschaft zu leben, in der es Grundrechte gibt, die individuelle Freiheiten innerhalb festgelegter Grenzen garantieren. Gewisse Einschränkungen lassen sich nicht vermeiden, da ansonsten die Rechte anderer verletzt werden könnten. In sehr vielen anderen Kulturen sind die Möglichkeiten zur freien Entfaltung der Persönlichkeit wesentlich geringer als bei uns. Man denke nur an totalitäre oder stark religiöse Gesellschaften in denen abweichendes Verhalten lebensbedrohlich sein kann. Bei dem Death-Metal-Sänger könnte eine Grundrechtsklage helfen, da das Regierungspräsidium wohl Probleme haben dürfte, eine rechtliche Grundlage für die Beendigung der Ausbildung zu benennen. Soetwas wie "charakterliche Nichteignung" gibt es im öffentlichen Dienst soweit ich weiß eigentlich nur bei Beamten (§61 BBG).

[CommanderChaos]

Colourize: klingt ja schon fast nach soziologisch-sozzialistischer Paranoia.

Wenn der Post von mir gewesen wäre, hätte sich das sicher anders angehört.

[olli]

ich habe fotos von herrn gurrath gesehen, in kunstblut getränkt mit kettensäge und nackter blondine, die er an den haaren festhält. so ungefähr so:
http://www.emp.de/read_file.php?aid=6674&nr=1&w=400
(foto seiner band, aber frag mich nicht, welcher von den jungs herr g. ist)

ganz ehrlich, ich finde die entscheidung der behörde mindestens nachvollziehbar.

[tyrannus]

In dieser Institution werden Menschen "zivilisiert" oder "domestiziert", damit sie dem erwünschten Menschenbild entsprechen.

Könnte bitte mal jmd. in den Schulgesetzten der Länder dieses jeweilige Menschenbild festschreiben, nur damit ich weiss, wo ich meine Kinder nicht hinschicke.

Auch wenn ich Death-Metal prinzipiell begrüße, sehe ich es dennoch als problematisch an, wenn eine Person, in ihrer "anderen Rolle", definitiv untrennbar mit (Kunst-)Blut, (gespielter) Gewalt und Unzucht in Verbindung steht und gleichzeit Kinder zu "etwas" erziehen soll. Wenn ein Lehrer die Musikrichtung mag, kein Problem, er muss ja nicht mit Bandshirt in der Schule erscheinen. Wenn er jedoch mehr oder weniger erfolgreich damit sein Geld verdient und er dadurch in den Medien präsent ist, hat das zu viel Einfluß auf die Schüler. Ein Lehrer der in seiner Freizeit Windsurfing oder Modellbau betreibt, weckt ja auch ein gewisses Interesse bei einigen Schülern.

Rückblickend auf meine Schulzeit wundert es mich aber, wer dafür noch so alles unterrichten darf. Deutschlehrerinnen, die im direkten Umfeld der Schule Bürger in Uniform als Mörder bezeichnen und sich mit Kunstblut(!!!) beschmierten Laken vor Panzern auf die Straße legen. Gebrechliche Mitmenschen mit einem offensichtlichen Tabak- und/oder Alkoholproblem. Alleinstehende Sportlehrer, die die Mädchenvolleyball AG der 8.-9. Klassen in ihrem Kleinbus, ohne weibliche Begleitperson (wäre ja alleine aus Selbstschutz angebracht), durch's Land kutschieren, obwohl bereits 2 mal wegen unsittlichen Annäherungen Ermittlungen eingeleitet wurden... von knappen Röcken, tiefgeschnittenen/aufgeknöpften Oberteilen und engen Hosen am Lehrpersonal ganz zu schweigen.

Ich verlange Vorschriften zu Hintergrund, Interessenkonflikten, Erscheinungsbild etc. unabhängig von Einzelfallentscheidungen auf Grund Geschmacksverfehlungen zufälliger Entscheider.

[SoylentHolger]

Colourize: klingt ja schon fast nach soziologisch-sozzialistischer Paranoia.

Ich vermute eher, daß die Uhren im kleinen, erzkatholischen Schwabenländle einfach anders ticken. In Bremen jedenfalls werden Death-Metal Musiker auch gerne mal Religionslehrer. Ohne Probleme und Beanstandungen.

Auf welchem Platz war Bremen bei Pisa nochmal    Und welcher Deathmetal Musiker ist in Bremen Religionslehrer geworden?

Der Herr erhalt ihm seine Vorurteile 

Stuttgart: 31,1 % evangelisch, 26,1 % katholisch, 42,6 % sonstige und konfessionslos.   Jaja, erzkatholisch, schon klar.

[Spambot]

Das Regierungspräsidium hätte es sich viel leichter machen können. Ausbildung abschließen lassen und dann einfach die Anstellung an einer staatlichen Schule verhindern - wegen angeblich fehlender Leistung oder Eignung. Überprüfen kann man solche Entscheidungen nur selten.
Das wäre dann die übliche Diskriminierung mit der wir alle rechnen müssen, wenn wir uns nicht zu einem Mindestmaß anpassen. Wenn ich mir beispielsweise die Unterarme tätowieren lassen würde, müsste ich mich in meiner Branche auch nicht wundern, wenn ich plötzlich keine Jobs mehr mit Kundenkontakt oder Personalverantwortung bekomme. Sowas weiß ich aber vorher und muß dann mit den Konsequenzen klarkommen. Da nützt es mir auch nichts, dass ich weiß, dass die Diskriminierung nur auf den Vorurteilen einzelner relevanter Personen im System beruht. Wenn man Musikvideos erstellt, die mehr Kunstblut-Porno als klassisches Musikvideo sind (wie auf deren Homepage) und gleichzeitig mit Kindern arbeitet, sollte man sich vielleicht nicht über die negative Reaktion der Vorgesetzten wundern. Der Sänger hätte ja auch bei seinem Magisterstudium bleiben und eine Anstellung in einem Archiv, einer politischen Stiftung o. ä. anstreben können. Wenn er da einen Job gefunden hätte, wären seinen Vorgesetzten sein Hobby vermutlich relativ egal gewesen.
Immerhin hat der Sänger die Wahl sich anzupassen oder einen alternativen Beruf zu ergreifen. Wer wegen seiner Rasse oder Herkunft diskriminiert wird, steht da schon wesentlich schlechter da.

Unabhängig von der sicherlich nicht ganz sauberen Vorgehensweise der Behörde und der unschönen Signifikanz von Vorurteilen in solchen Entscheidungsprozessen, sehe ich in diesem Beispiel durchaus die Gefahr ernster Rollenkonflikte (wie von Tyrannus bereits gut erläutert) zwischen diesem Death-Metal-Sänger und der Vorbildfunktion eines Lehrers in der Kindererziehung.

[astrogirl]

Hehe und ich will ab nächstem Jahr auf Lehramt studieren.

[Killerqueen]

Hehe und ich will ab nächstem Jahr auf Lehramt studieren.

Hast Du Dir das auch gut überlegt? Das frage ich nicht wegen Deines Goth-Hintergrundes, sondern wegen der kleinen unerzogenen Tyrannen, die mittlerweile in den Bänkchen sitzen und ehemals hartgesottene Persönlichkeiten reihenweise in die Klapse bringen.

[Spambot]

Hast Du Dir das auch gut überlegt? Das frage ich nicht wegen Deines Goth-Hintergrundes, sondern wegen der kleinen unerzogenen Tyrannen, die mittlerweile in den Bänkchen sitzen und ehemals hartgesottene Persönlichkeiten reihenweise in die Klapse bringen.

Eigentlich müsste man die Anfälligkeit für chronischen Stress (burnout), der besonders oft in sozialen Berufen vorkommt, relativ gut bei Menschen mit gefestigter Persönlichkeit (ca. Ü25) abschätzen können, wenn man das individuelle Stressbewältigungsverhalten den besonderen Anforderungen der Lehrertätigkeit gegenüberstellt. Unbekannte Faktoren bleiben natürlich zukünftige Konflikte mit Kollegen/Vorgesetzten (u.a. wahrgenommene Selbstkontrolle) am Arbeitsplatz und die zukünftige soziale Unterstützung durch die Familie und Freunde bei der Stressbewältigung. Attributionsprozesse, Selbstbild, Neurotizismus und Bewältigungsstrategien sollten jedoch bereits eine brauchbare Prognose zulassen. Vielleicht bietet die Studienberatung der Uni eine entsprechende Analyse des individuellen Stressbewältigungsverhaltens an.

[schwarze Katze]

Na gut, Schule ist nun mal eine repressive Institution. Man sollte sich klarmachen, was die zentrale Funktion von Schule ist. Da mind. 90% der Lerninhalte von den Schülern maximal bis zur nächsten Klassenarbeit behalten werden, weil der Lehrinhalt für das alltägliche Leben der Schüler vollkommen irrelevant ist, liegt es auf der Hand dass es bei schule eigentlich nicht zentral ums Lernen gehen kann. Zumal man ja auch aus der Lernforschung weiß, dass es deutlich bessere Lernkontexte gibt als getaktete Schulstunden, in denen man die Vermittlung des Stoffs auf seinem zugewiesenen Sitzplatz still über sich ergehen zu lassen hat.

Die zentrale Funktion von Schule ist nicht das Lernen, sondern die Disziplinierung. In dieser Institution werden Menschen "zivilisiert" oder "domestiziert", damit sie dem erwünschten Menschenbild entsprechen. Wer die Disziplinierung über sich ergehen lässt und sich anpassungswillig bzw. kooperationsbereit gibt, wird mit einem Schulabschluss entlohnt. Wer sich nachhaltig zu Wehr setzt, wird von der Schule ohne Abschluss entlassen und muss sein weiteres Leben als Hilfsarbeiter oder Hartzer fristen.

Mit solche Theorie wird jeder "Hey Alder"-Pisaversager zum Rebell verklärt

[astrogirl]

Hehe und ich will ab nächstem Jahr auf Lehramt studieren.

Hast Du Dir das auch gut überlegt? Das frage ich nicht wegen Deines Goth-Hintergrundes, sondern wegen der kleinen unerzogenen Tyrannen, die mittlerweile in den Bänkchen sitzen und ehemals hartgesottene Persönlichkeiten reihenweise in die Klapse bringen.

Ich bin Lehrerkind und weiß da ziemlich was auf mich zukommen wird

[olli]

Mit solche Theorie wird jeder "Hey Alder"-Pisaversager zum Rebell verklärt

"Mit einer solchen Theorie (...)" !