Zahlreiche Erhebungen der Sozialpsychologie zeigen: Die Entbindung aus Weltanschauungen, Religionen, Gemeinschaften und Institutionen über die vergangenen 40 Jahre hat zu elementaren Erschöpfungen geführt, zu Rat- und Orientierungslosigkeit.Der entbettete Einzelne der individualisierten Gesellschaft muss sich ständig selbst entscheiden - ohne noch über die Orientierungssicherheit eines stabilen Wertfundaments zu verfügen. Psychologen berichten von einem dramatischen Anstieg neuer "Grübelkrankheiten": Von ihnen wird man befallen, wenn man sich unaufhörlich eigenverantwortlich festlegen muss, normierende Kriterien und richtungsweisende Maßstäbe allerdings fehlen. Der individualisierte Mensch empfindet es allmählich nicht mehr bloß als Chance, kreativ, authentisch und originär sein zu dürfen - sondern oft genug als Zwang, all dies jederzeit sein zu müssen.Lebenslanges Lernen in der Wissensgesellschaft ist nicht nur ein verlockendes Versprechen. Es ist auch ein bedrohlicher Imperativ, der den Individuen ihre chronische biographische Unfertigkeit bescheinigt - und der auch Menschen jenseits der 30 zur dauerhaften Adoleszenz verurteilt. Kurz: Emanzipation ist nicht nur befreiend. Sie ist auch mühselig. Der Imperativ, einzigartig sein zu müssen, die Last der eigenverantwortlich zu tragenden Irrtümer, Fehlentscheidungen, Schicksalsschläge: All dies hat etliche Menschen in die Depression geführt, in den Burn-out.
Individualisierung bedeutet nicht, dass Jeder ein Einzelkämpfer ist, sondern dass prinzipiell verschiedene Wahloptionen bestehen, wie der Einzelne sein Leben gestalten will. Dass Wahl immer auch Qual bedeuten kann, ist dabei aber nichts neues.Trotzdem ist mir lieber, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt - und ich mich nicht der einen, vorherrschenden Vorstellung einer Normalbiographie unterwerfen muss.
Ich glaube, je gefestigter und selbstständiger die Persönlichkeit ist, umso besser kann man mit der "totalen Freiheit" umgehen.
es geht hier anscheinend um persönlicher freiheit, also was ich esse und trinke und welche musik ich zum beispiel höre. (alles was den privatbereich angeht). da ist individualsmus doch das salz in der suppe. wenn es das nicht gäbe, dann hätte man doch nichts zu lachen. *hiphoppstyle*
Aber natürlich schaffen sich auch viel neue bzw. "Ersatz"-Werte und Normen, wie colourize schon schrieb, und das ist ja dann auch in Ordnung.
Nur bleiben halt einige auf der Strecke, fürchte ich.
Und es gibt, wie gesagt, sicherlich viele die in einer Gesellschaft, in der annährend alle Werte und Normen gerne mal als unbedingt zu vermeidendes Spießerzeugs abgetan werden, gewissermaßen vereinsamen und ohne Halt sind.
Gemeint habe ich besonders den gesellschaftlichen Bereich, insbesondere Werte und Normen.Und es gibt, wie gesagt, sicherlich viele die in einer Gesellschaft, in der annährend alle Werte und Normen gerne mal als unbedingt zu vermeidendes Spießerzeugs abgetan werden, gewissermaßen vereinsamen und ohne Halt sind.
...hat auch Schattenseiten, da immer mehr Selbstentfaltungswünsche in den Vordergrung geraten sind und auch der Gedanke evtl. etwas zu verpassen, wenn ich mich fühzeitig für oder gegen ein Lebensmodell entscheide.
diese Werte "Spießerzeugs" zu nennen ist meiner Ansicht nach eine ganz normale, wenn auch leider etwas plumpe, Gegen-Reaktion auf die ideologische Sicht der früheren Generation. Abgrenzung und Individualisierung gehen halt meistens Hand in Hand. Und Abgrenzung ist nunmal gerade in jungen Jahren (und ich unterstelle mal, dass der Begriff "Spießerzeug" hauptächlich von U25-Leuten benutzt wird) wichtig, um die eigene Identität zu finden.
Völlig richtig.Nur scheint bei einigen diese Abgrenzung zum Selbstzweck zu werden, in dem man sich dann verliert.Und wenn mancher Extremindividualist in der zweiten Hälfte seiner 20'er Jahre nach wie vor als Hauptaktivität hat, bloß nichts zu tun, was sein Eltern schon getan haben oder der Durchschnittsbürger tut, dann wird's "gefährlich".
manche fangen gerade in zweite Hälfte 20-er Jahren damit an, sich als Individium zu fühlen, weil sie in ihre Jugend sich dem Diktat ihren rigorosen Elternauses nicht entziehen könnten. Und irgendwann brechen sie einfach uas, das kann auch mit 20 passieren. Und längst nicht jeder von denen scheitert, ich kenne so paar Leute, die sich dadurch ganz neue idividuelle Perspektiven erarbeitet haben
Außerdem sind sie nach der jeweiligen Rolle, in der man sich befindet, sehr unterschiedlich definiert: Opas Geburtstag erfordert eben andere Verhaltensnormen von mir als Gothicparty.