Jahr Gewalt- Gewalt- delikte delikte in HH je 1000 Einw.-----------------------------------------1990 7001 4,11991 7913 4,71992 8114 4,71993 9210 5,41994 7652 4,51995 8882 5,21996 9322 5,51997 10277 6,01998 9675 5,71999 9254 5,52000 9816 5,82001 9554 5,62002 8817 5,12003 9139 5,32004 9108 5,32005 8916 5,22006 8978 5,22007 8866 5,12008 8846 5,12009 9574 5,5(Quelle: Statistik Nord)
Kleines Update, da ich eben den aktuellen Polizeibericht von 2010 gesehen habe: Im letzten Jahr gab es in Hamburg 8608 zur Anzeige gebrachte Gewalttaten, also 4,8 pro 1000 Einwohner.
Oh nein... die Zahl der Gewalttaten sinkt ja ins Bodenlose... wenn das so weitergeht, haben wir bald gar keine Gewalt mehr... schnell, prügelt euch um die Statistik zu retten!
Btw. in diesem Kontext ganz interessant: Das Lüchow-Dannenberg-Syndrom - mehr Polizeipräsenz verursacht mehr Kriminalität.
Tatsächlich hat aber die Präsenz der Polizei als solche nicht zu einem Anstieg der Kriminalität geführt. Vielmehr ist das Dunkelfeld der Kriminalität kleiner, also die Anzahl der bekanntgewordenen Straftaten größer geworden.
Natürlich gibt es immer eine Dunkelziffer, aber warum sollte die nicht genauso konstant sein wie die Zahl der angezeigten Straftaten, wenn doch die Rahmenbedingungen wie Polizeipräsenz über die Jahre hinweg in etwa gleichbleiben?
Schon mal was vom Gesetz der großen Zahlen gehört?Die Selbstmordrate in einer Gesellschaft bleibt doch auch über Jahre hinweg konstant, und das obwohl sich selbst umzubringen die persönlichste aller Entscheidungen ist und es jeder Mensch genau ein einziges mal erfolgreich schaffen kann. Es ist also immer andere Menschen, die sich umbringen. Nur halt jedes Jahr gleich viele.Es macht statistisch gesehen keinen Unterschied, ob ich 2000 mal eine Münze werfe, 2000 mal mit einem Würfel würfele oder 2000 menschliche Handlungen betrachte. Bei konstanten Rahmenbedingungen bleiben auch die betreffenden Häufigkeiten - innerhalb eines bestimmten Konfidenzintervalls - konstant.
Wir kennen nicht die Größe der Dunkelziffer. Wir wissen aber mit einiger Sicherheit, dass sie - konstante Rahmenbedingungen vorausgesetzt - konstant ist. Damit lässt sich die Zahl der Gewalttaten insgesamt (also angezeigte Gewalttaten plus Dunkelziffer) als lineare Funktion der angezeigten Gewalttaten interpretieren."Gewalttaten insgesamt" = "angezeigte Gewalttaten" mal Faktor xwobei für Faktor x gilt = 1 + Zahl der nicht angezeigten Gewalttaten, die auf eine angezeigte Gewalttat entfallenDa die Zahl der Gewalttaten insgesamt folglich eine Funktion der angezeigten Gewalttaten ist, ist es völlig unerheblich, wie viele nicht zur Anzeige gebrachten Gewalttaten auf eine angezeigte Gewalttat entfallen, um anhand der Veränderung der Zahl der angezeigten Gewalttaten die Veränderungsrate der Gewalttaten insgesamt abzulesen.Anders gesprochen: Die Höhe der Dunkelziffer ist völlig egal, um eine Aussage darüber zu treffen, ob unser Leben im Laufe der Zeit gefährlicher geworden ist oder nicht. Dafür reicht die Betrachtung der Veränderung der zur Anzeige gebrachten Gewalttaten völlig aus.
Adolphe Quetelet ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen: * criminalità reale = alle wirklich begangenen Delikte * criminalità apparente = die den Behörden bekanntgewordenen Delikte * criminalità legale = die ab- und verurteilten Delikte
[...]Ferris Annahme bezüglich eines konstanten Verhältnisses bezog sich dabei auf eine Konstanz zwischen criminalità reale und apparente. Den vermuteten Zusammenhang betitelte Wadler 1908 als das „Gesetz der konstanten Verhältnisse“. (Heinz, 1972) Mithilfe dieser, nie empirisch bewiesenen theoretischen Grundannahme, wurden in der Folgezeit mit Hilfe der Kriminalstatistiken Rückschlüsse auf die Struktur, den Umfang und die Bewegung der Gesamtkriminalität gezogen, da diesen dank der vermuteten Konstanz repräsentative Aussagekraft zugeschrieben wurde. Dadurch wurde eine Verbrechenswirklichkeit geschaffen, die einer empirischen Überprüfbarkeit entbehrte, trotzdem immensen Einfluss auf die kriminologische Wissenschaft und Kriminalpolitik hatte. „So half sich die Kriminologie, Kriminalistik und Kriminalpolitik über das Dilemma des Dunkelfeldes bislang (grundsätzlich) mit der Hypothese von der Konstanz der Verhältnisse zwischen registrierter und tatsächlicher Delinquenz hinweg…“ (Schwindt, 2001) Ergebnisse der Dunkelfeldforschungen entlarvten aber das Gesetz der konstanten Verhältnisse in seiner ursprünglichen undifferenzierten Form als Mythos und führten zu entsprechenden Modifikationen. Dementsprechend zeigte sich, dass: * sich die Vermutung der konstanten Verhältnisse bezogen auf einen bestimmten geografischen Raum erstens nur bei schweren Straftaten und zweitens nur innerhalb von Streubreiten (Zufallsbereichen) zu bestätigen scheint und drittens nur für Zeiträume, die in politischer Hinsicht (noch) zusammengehören, z.B. (gleich bleibende) Anzeigebereitschaft * sich die Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld innerhalb eines Stadtgebietes bei bestimmten Delikten (z.B. Diebstahl) voneinander derart unterscheiden, dass neben hohen Hellfeldzahlen auch Dunkelfeldzahlen stehen bzw. umgekehrt neben niedrigen Hellfeldzahlen grundsätzlich auch niedrige Dunkelfeldzahlen festgestellt werden können. (Schwindt, 2001) Somit kam es zu einer erneuten Umdefinition der Bedeutung der Kriminalstatistiken. Weg von einem repräsentativen Messinstrument der Kriminalitätswirklichkeit, hin zu einem Indikator für die Art, Struktur und Wandlung der strafrechtlichen Sozialkontrolle und einem damit zusammenhängenden Herstellungs- und Ausfilterungsprozess.[...]
HellfeldAls Hellfeld bezeichnet man diejenige Kriminalität, welche bei den offiziellen Behörden bekannt geworden ist und dadurch in den Kriminalstatistiken erfasst wird. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das sog. Hellfeld nicht eine objektive Verbrechenswirklichkeit abbildet, da z.B. Justizirrtümer, die in den Statistiken als kriminielle Handlungen erfasst werden, verfälschend wirken.DunkelzifferrelationDa eine Angabe über die Größe des Dunkelfeldes als absolute Zahl nicht sinnvoll, bzw. nicht möglich ist, wurde versucht zumindest ein Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld, im Format 1:x (eine registrierte Tat zu x nicht registrierten Taten), anzugeben.DunkelfeldforschungDie „Erhellung“ des Dunkelfeldes hat sich die „Dunkelfeldforschung“ zur Aufgabe gemacht. Das Ziel der Dunkelfeldforschung war und ist es, wirklichkeitsnahe und von den Strukturen der offiziellen Sozialkontrolle unabhängige Daten zu Umfang, Struktur, Entwicklung und Entstehungsbedingungen von Kriminalität zu erhalten. Auf die Dunkelfeldforschung wird vertiefend im nächsten Abschnitt eingegangen.Absolutes vs. relatives DunkelfeldKann das Dunkelfeld weder durch die Kriminalstatistiken noch durch die Dunkelfeldforschung erfasst bzw. aufgehellt werden, wird es als "absolut" bezeichnet.Der Begriff "relativ" kennzeichnet dagegen ein Dunkelfeld, welches nicht durch die Kriminalstatistiken erfasst, aber durch die Dunkelfeldforschung aufgehellt werden kann.
Die Relation zwischen Hell- und Dunkelfeld ist nicht konstant. D.h. beispielsweise, dass aus einem Anstieg der registrierten Fälle einer bestimmten Straftat nicht geschlossen werden kann, dass diese Straftat tatsächlich häufiger begangen wurde. Die Größe des Hellfelds ist vor Allem abhängig von Kontrollverhalten der Polizei und Anzeigeverhalten der Bevölkerung.Die Dunkelziffern variieren je nach Delikt.