Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: Eisbär am 08 Januar 2010, 16:43:34

Titel: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 16:43:34
Der Staat ist verpflichtet, die Grundrechte einzuhalten und gegenüber den Menschen bzw. den Bürgern zu wahren.

Komischerweise sind die Menschen untereinander nicht mal verpflichtet die grundlegensten Menschenrechte zu achten?!

Oder doch?


Im GG heißt es in Art. 2 (1):
Zitat
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(Hervorhebung von mir)

Verpflichtet nicht dieser Halbsatz uns alle indirekt genau das zu tun, wozu auch der Staat verpflichtet ist, als die Würde, das Leben, die Gesundheit, die Gleichheit etc. pp. der anderen zu achten?

Ich hab mal gegooglet, es gibt Juristen, die sprechen im Falle von Menschenrechten etc. häufig von einer "Drittwirkung". Haben wir hier eine solche?

Und unabhängig davon: Sollten wir eine haben? Hat der Staat (oder sollte er haben) die Verpflichtung, unsere Grundrechte auch vor Dritten zu schützen? Und wie weit darf das gehen?
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: voll pöse am 08 Januar 2010, 16:50:24
Bevor ich auch nur annähernd drauf antworte... läuft es irgendwie auf Rauchen, Raucher und Zigaretten hinaus??
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 16:51:39
Bevor ich auch nur annähernd drauf antworte... läuft es irgendwie auf Rauchen, Raucher und Zigaretten hinaus??
Das wäre bestenfalls ein winziger Bestandteil. Die Fragestellung ist hier viel allgemeiner zu betrachten.
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Svendra am 08 Januar 2010, 16:58:17
Natürlich verpflichtet uns dieser Satz genau dazu, nämlich die Freiheit, Würde, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, ... unserer Mitmenschen zu achten.

Es gibt (Straf- oder Zivil-)Gesetze gegen fast jegliches Vergehen gegen diese Grundsätze.

Wie kommst du darauf, dass das nicht so wäre? Beispiele?
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: colourize am 08 Januar 2010, 17:10:27
Im GG heißt es in Art. 2 (1):
Zitat
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(Hervorhebung von mir)

Verpflichtet nicht dieser Halbsatz uns alle indirekt genau das zu tun, wozu auch der Staat verpflichtet ist, als die Würde, das Leben, die Gesundheit, die Gleichheit etc. pp. der anderen zu achten?
Nein, weil das Grundgesetz nicht die Normen zwischen Individuen festlegt, sondern die Rechte der Staatsbürger gegenüber den staatlichen Institutionen.
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 17:25:00
Im GG heißt es in Art. 2 (1):
Zitat
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(Hervorhebung von mir)

Verpflichtet nicht dieser Halbsatz uns alle indirekt genau das zu tun, wozu auch der Staat verpflichtet ist, als die Würde, das Leben, die Gesundheit, die Gleichheit etc. pp. der anderen zu achten?
Nein, weil das Grundgesetz nicht die Normen zwischen Individuen festlegt, sondern die Rechte der Staatsbürger gegenüber den staatlichen Institutionen.
Das heißt also, daß die Gleichbehandlung von Mann und Frau nur für staatliche Arbeitsplätze gilt, für einen privaten Unternehmer aber nicht?
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 17:26:36
Es gibt (Straf- oder Zivil-)Gesetze gegen fast jegliches Vergehen gegen diese Grundsätze.
Ist der Staat denn verpflichtet eben diese Gesetze zu erlassen und deren Einhaltung zu überprüfen?
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: colourize am 08 Januar 2010, 17:57:53
Im GG heißt es in Art. 2 (1):
Zitat
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(Hervorhebung von mir)

Verpflichtet nicht dieser Halbsatz uns alle indirekt genau das zu tun, wozu auch der Staat verpflichtet ist, als die Würde, das Leben, die Gesundheit, die Gleichheit etc. pp. der anderen zu achten?
Nein, weil das Grundgesetz nicht die Normen zwischen Individuen festlegt, sondern die Rechte der Staatsbürger gegenüber den staatlichen Institutionen.
Das heißt also, daß die Gleichbehandlung von Mann und Frau nur für staatliche Arbeitsplätze gilt, für einen privaten Unternehmer aber nicht?
Jein. Das Grundgesetz ist auch die Grundlage für weitere Rechtsnormen. Aber so konkret, wie Du das jetzt anwenden willst (Beispiel Arbeitsrecht) ist das Grundgesetz einfach nicht (weder für staatliche noch für private Arbeitgeber). Die Gleichstellung von Mann und Frau am Arbeitsplatz regelt nicht das Grundgesetz, sondern vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (http://bundesrecht.juris.de/agg/index.html).
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 18:13:36
Im GG heißt es in Art. 2 (1):
Zitat
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(Hervorhebung von mir)

Verpflichtet nicht dieser Halbsatz uns alle indirekt genau das zu tun, wozu auch der Staat verpflichtet ist, als die Würde, das Leben, die Gesundheit, die Gleichheit etc. pp. der anderen zu achten?
Nein, weil das Grundgesetz nicht die Normen zwischen Individuen festlegt, sondern die Rechte der Staatsbürger gegenüber den staatlichen Institutionen.
Das heißt also, daß die Gleichbehandlung von Mann und Frau nur für staatliche Arbeitsplätze gilt, für einen privaten Unternehmer aber nicht?
Jein. Das Grundgesetz ist auch die Grundlage für weitere Rechtsnormen. Aber so konkret, wie Du das jetzt anwenden willst (Beispiel Arbeitsrecht) ist das Grundgesetz einfach nicht (weder für staatliche noch für private Arbeitgeber). Die Gleichstellung von Mann und Frau am Arbeitsplatz regelt nicht das Grundgesetz, sondern vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (http://bundesrecht.juris.de/agg/index.html).

Ich hab das Beispiel sehr bewußt ausgewählt, weil eben da (genauso wie in einigen anderen Punkten) von einer Drittwirkung gesprochen wird.

In dem von mir zitierten Artikel wird es das nicht und das finde ich schon etwas seltsam. Oder fällt die Drittwirkung hier weg, weil der Staat die Aufgabe hat, diese Grundrechte der anderen ebenfalls zu schützen und sei es durch Gesetze? Und wenn dem so ist, wo ist das geregelt?
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: colourize am 08 Januar 2010, 18:18:41
Äh? Kann Dir nicht folgen. Bitte mal konkret das Problem schildern.
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: messie am 08 Januar 2010, 18:36:22
Da ich kein Jurist bin, sage ich dazu jetzt einfach mal nichts. Keine Ahnung dazu und so, nech? ;) Aber ich habe ja eh den Anflug eines Verdachts, dass es wieder mal ums Rauchen geht - nur eben von hinten durch die Brust ins Auge formuliert.  8)
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 18:36:43
Äh? Kann Dir nicht folgen. Bitte mal konkret das Problem schildern.

Naja.. nehmen wir ganz banal die Straßenverkehrsordnung (STVO). Ist der Staat verpflichtet eine STVO zu erstellen und deren Einhaltung zu überwachen oder hätte er auch sagen können: "Nee, jeder kann fahren wie er lustig ist, das ist freie Entfaltung der Persönlichkeit. Und dabei muß er eben nur aufpassen, daß er andere nicht umfährt ("soweit er nicht die Rechte anderer verletzt").

Und wenn der Staat verpflichtet ist, das gesetzlich zu regeln, wo und wie ist die Verpflichtung geregelt? Oder hat er da nur eine ethische Verpflichtung?
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: banquo am 08 Januar 2010, 18:37:50
Im GG heißt es in Art. 2 (1):
Zitat
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(Hervorhebung von mir)

Verpflichtet nicht dieser Halbsatz uns alle indirekt genau das zu tun, wozu auch der Staat verpflichtet ist, als die Würde, das Leben, die Gesundheit, die Gleichheit etc. pp. der anderen zu achten?
Nein, weil das Grundgesetz nicht die Normen zwischen Individuen festlegt, sondern die Rechte der Staatsbürger gegenüber den staatlichen Institutionen.

Der Fachausdruck dazu lautet "Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat." In diesem Sinne ist das Grundgesetz also als Selbstbeschränkung des Staates zu betrachten. Die Umsetzung der Menschenrechte der Bürger untereinander obliegt dann dem Rechtssystem, dass auf dieser Basis besteht.

Zusammengefasst: das steht alles auch nochmal konkret woanders. Mit dem GG kann man nur gegen staatliche Eingriffe argumentieren.
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 18:40:41
Da ich kein Jurist bin, sage ich dazu jetzt einfach mal nichts. Keine Ahnung dazu und so, nech? ;) Aber ich habe ja eh den Anflug eines Verdachts, dass es wieder mal ums Rauchen geht - nur eben von hinten durch die Brust ins Auge formuliert.  8)
Wen du ein Rauch-Thema draus machen möchtest, mach doch einen eigenen Thread auf.
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Eisbär am 08 Januar 2010, 18:43:40
Der Fachausdruck dazu lautet "Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat." In diesem Sinne ist das Grundgesetz also als Selbstbeschränkung des Staates zu betrachten. Die Umsetzung der Menschenrechte der Bürger untereinander obliegt dann dem Rechtssystem, dass auf dieser Basis besteht.

Zusammengefasst: das steht alles auch nochmal konkret woanders. Mit dem GG kann man nur gegen staatliche Eingriffe argumentieren.
Deiner Ansicht gibt es also keinerlei Drittwirkung?
Und wen das alles nochmal konkret woanders steht, muß es woanders stehen? Darum geht es mir ja. Gibt es eine staatliche Verpflichtung das zu regeln und wenn ja, wie sieht die genau aus?
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: messie am 08 Januar 2010, 18:52:24
Da ich kein Jurist bin, sage ich dazu jetzt einfach mal nichts. Keine Ahnung dazu und so, nech? ;) Aber ich habe ja eh den Anflug eines Verdachts, dass es wieder mal ums Rauchen geht - nur eben von hinten durch die Brust ins Auge formuliert.  8)
Wen du ein Rauch-Thema draus machen möchtest, mach doch einen eigenen Thread auf.

Nö. Gibt's schon. Zahlreich. ;)
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: banquo am 08 Januar 2010, 18:56:42
Der Fachausdruck dazu lautet "Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat." In diesem Sinne ist das Grundgesetz also als Selbstbeschränkung des Staates zu betrachten. Die Umsetzung der Menschenrechte der Bürger untereinander obliegt dann dem Rechtssystem, dass auf dieser Basis besteht.

Zusammengefasst: das steht alles auch nochmal konkret woanders. Mit dem GG kann man nur gegen staatliche Eingriffe argumentieren.
Deiner Ansicht gibt es also keinerlei Drittwirkung?
Und wen das alles nochmal konkret woanders steht, muß es woanders stehen? Darum geht es mir ja. Gibt es eine staatliche Verpflichtung das zu regeln und wenn ja, wie sieht die genau aus?

Ich habe noch nie gehört, dass sich jemand darüber beschwert hätte, dass es in Deutschland _zuwenig_ Gesetze gibt. Bist du der Meinung, dass irgendwas nicht ausreichend geregelt ist? Wenn ja: was?  

Grundsätzlich: Gesetzgebung ist Ländersache lt. Artikel 30 GG, solange der Bund diese Kompetenz nicht an sich zieht.
Ausserdem gibts noch Artikel 20 Abs.3:  "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden."  Und "kein Gesetz machen, wo eins gebraucht wird" ist in dem Sinne auch ein Verstoß dagegen. Wenn du also ein Gesetz brauchst, dann musst du deinen Landtag davon überzeugen. Wenn die sagen, sie machen nix, dann kannst du verfassungsrechtlich dagegen vorgehen.
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: tyrannus am 10 Januar 2010, 13:42:30
Wo kein Kläger da kein Richter.

Sowohl Menschenrechtsverletzungen, illegale Raucher in Tanzlokalen, als auch Parkvergehen müssen ersteinmal festgestellt werden. Alle weiteren Fragen beantworten sich dann automatisch.

Man kann aber nicht für jeden Quatsch UN-Beobachter aussenden.
Titel: Re: Mal ein juristische und nebenbei fast philosophische Frage
Beitrag von: Goat93 am 11 Januar 2010, 13:30:56
Das Grundgesetz regelt nur, wie der Name schon ausdrückt, die Grundlegendsten Rechte. Es ist
dazu da, das man überhaupt Rechte als Bürger und als Mensch in Anspruch nehmen kann. Zwischen
Bürger und Mensch sind übrigends auch klare Trennlinien in anderen Gesetzen zu finden.
Und die Rechte des Staates sind dort ebenso Basisorientiert enthalten. Allerdings gibt es für fast alles
wiederum eigene Gesetzbücher, so das man die Grundrechte je nach Situation völlig aushebeln kann.
Kommt drauf an, wie gut der Anwalt ist  ;D

An sich sind die Menschen dazu verpflichtet, solange Sie in diesem Rechtssystem leben, sich dem auch
zu unterwerfen (das Wort ist absichtlich gewählt). Durch die Zusatzregelungen sieht die Realität, wie
immer, völlig anders aus, wie die Theorethischen Grundlagen. Das kann man beim Rauchen, bei politischen
Problematiken usw usf sehr schön undschnell ausführen.