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Autor Thema: Der Iran und sein Praesident  (Gelesen 15118 mal)

Dalai_Wese

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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #15 am: 13 Juni 2009, 13:19:23 »

Im Iran geht es derzeit im Anschluss an die Wahl zur Sache! Offenbar inklusive einiger Scharmützel mit der Polizei.

Ahmandinedschad hat die Wahl "offiziell" deutlich vor Mussawi gewonnen, der für Reformen steht. Letzterer wirft Wahlmanipulation vor und wird auch nicht einlenken, sondern geht auf Konfrontationskurs.
Vor dem Hintergrund, dass die vorherige Wahl von der jungen Generation unter 30 boykottiert wurde und diese dieses Mal zur Wahl ging und eher für Reformen steht, ist das Wahlergebnis äußerst unwahrscheinlich. Da hat der Wächterrat wohl mal wieder seien Finger im Spiel.
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Sapor Vitae

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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #16 am: 13 Juni 2009, 19:06:05 »

Ich denke schon, dass Ahmadinedschad die Wahl tatsächlich gewonnen haben könnte, aber ob so deutlich, wie die angegeben Resultate, steht m.M.n. zu bezweifeln. Die Berichte der letzten Tage, die ich verfolgt habe, haben vor allem das politische Klima in Teheran und anderen Grosstädten gezeigt, das sehr Mussawi-freundlich war, wie es aber auf dem Land aussieht, bzw. aussah weiss ich nicht. Möglich, dass dort ganz andere Einstellungen herrschen und daher in den Städten wie es die NZZ ausdrückt, "der Wunsch der Vater der Prognosen war."

Ich hoffe nur sehr, dass den Leuten, die nicht für Ahmadi. gestimmt haben bzw. jetzt gegen seinen Sieg auf die Strasse gehen, nicht ein Strick daraus gedreht wird. Vorgehen von Polizei, Ordnungshütern, Abschalten der Handynetze etc. sprechen aber nicht gerade für sich.  :-\
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messie

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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #17 am: 13 Juni 2009, 20:52:04 »

Es kann angehen, dass A. tatsächlich gewonnen hat.
Parallelen zur Wahl von George Bush Junior tun sich da auf: George W. hat seine Wiederwahl damals ebenfalls nicht in den Städten, sondern auf dem Land gewonnen, also dort, wo konservative Kräfte das Sagen haben. Jene werden auch im Iran sehr stark sein.
Dürfen im Iran eigentlich Frauen wählen? Wenn ja, dann dürften das auf dem Land die Herren der Schöpfung sicher wirkungsvoll zu verhindern gewusst haben - und natürlich selbst A. gewählt, denn so laufen sie nicht Gefahr, dass sich an der alten Ordnung , für die A. steht, etwas ändern könnte.
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colourize

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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #18 am: 13 Juni 2009, 21:14:17 »

Eigentlich egal. Mussawi wäre auch nicht der gewesen, als den man ihn in den westlichen Medien hochjubelt. Der Typ war ja schonmal Premierminister unter Ayatollah Khomeini und in dieser Zeit nicht gerade ein "Reformer". Seine Selbstbezeichnung als "gemäßigter Fundamentalist" spricht da Bände. So hatte er z.B. überhaupt keine Probleme damit, Kindersoldaten in den Iran-Irak-Krieg zu schicken oder die Hisbollah im Libanon zu unterstützen, weil nur so Israel von der Landkarte radiert werden könne.
Nur soviel: Im Gottesstaat Iran darf niemand für Wahlen kandidieren, der irgendwie die Macht der Mullahs in Frage stellt. Daher wird es ohne Revolution dort auch keine Reformen geben.
« Letzte Änderung: 13 Juni 2009, 21:16:00 von colourize »
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messie

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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #19 am: 13 Juni 2009, 21:44:37 »

Es stimmt schon, das ist keine Wahl zwischen Gut und Böse, eher eine zwischen Verrückt und nicht ganz so Verrückt.
Nicht ganz so verrückt ist zumindest etwas berechenbarer ...
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Dalai_Wese

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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #20 am: 13 Juni 2009, 22:01:52 »

Naja, also Mussawi ist sicher für das Atomprogramm, wie übrigens alle Bewerber. Das ist ein nationales Prestigeprojekt.
Dennoch muss man sagen, dass er zusammen mit seiner Frau in seinem Wahlkampf erhebliche Verbesserungen z.B. bei den Rechten der Frauen vorgesehen hatte (die dort übrigens natürlich wählen dürfen). Es gibt mitunter und gerade vor ein paar Tagen gute Dokus über den Iran auf arte oder 3Sat. Da merkt man dann auch, dass der Westen durchaus ein z.T. verzerrtes Bild von der iranischen Gesellschaft hat. Ich gebe durchaus zu, überrrascht gewesen zu sein, dass dort über 60 % Frauenanteil an den Unis sind! Wer erwähnt sowas hier schon?
Na gut, Kehrseite der Medaille ist, dass über 50 % aller weiblichen Hochschulabsolventen arbeitslos sind, weil es in der Gesellschaft schlicht noch keine Arbeitsplätze gibt, die für solche qualifizierten Frauen vorgesehen sind. Viel zu tun gibt es in jedem Fall.

Aber zurück zur Wahl: Klar hat Ahmadinedschad die Landbevölkerung in Wesentlichen hinter sich. Wenn man aber sieht, wie klar Anhänger der Reformbewegung bei den Wahlen behindert wurden, dann könnte das "Ergebnis" zwar vielleicht sogar einigermaßen stimmen. Demokratisch ist dennoch etwas anderes. Das merkt man auch schon daran, dass alle Bewerber vom Wächterrat zugelassen werden müssen. Wirkliche Reformkräfte werden da aber schlicht und ergreifend nicht zugelassen, so dass sie nichtmal zur Wahl stehen.
Eine Revolution der jungen Generation hätte was (wenn auch nur im begrenzten Rahmen), immerhin ist der Mut da langsam gestiegen und vielleicht entwickelt sich eine Massendynamik, wenn sie sehen, dass Mussawi nicht einknickt. Natürlich bleibt abzuwarten, inwieweit das Regime mit Repressionen agiert, aber ich glaube, wenn sich dort etwas entwickelt gegen die Oligarchie der Methusalems, dann wird das noch verdammt spannend.
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #21 am: 13 Juni 2009, 23:05:10 »

Na, dass unser Verständnis von "Demokratie" ein anderes ist als andernorts, das macht ja auch immer die Berichterstattung klar. Man geht hierzulande bei solchen Wahlergebnissen schon beinahe von Wahlmanipulationen aus! Das ist das, was hier zuerst gezeigt wird, vor der Ansprache von A.
Das alleine zeigt ja schon, wo der Wunsch der Medien hierzulande hängt. "Objektive Berichterstattung" ist da auch etwas anderes. Sie wird "unserem" Demokratieverständnis angepasst.

Da stellt sich dann natürlich auch die Frage: Wie viel ist das System einer Demokratie wert, wenn davon ausgegangen wird, dass Wahlergebnisse auf jeden Fall gefälscht sein werden? In meinen Augen nicht die Bohne.
Ist denn da das gute alte System der Diktatur, das einen Wechsel der Macht durch Putsche oder Revolution erreicht, im Vergleich zu so einer Demokratie, wirklich so viel schlechter?
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #22 am: 14 Juni 2009, 00:27:57 »

Ist denn da das gute alte System der Diktatur, das einen Wechsel der Macht durch Putsche oder Revolution erreicht, im Vergleich zu so einer Demokratie, wirklich so viel schlechter?
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #23 am: 14 Juni 2009, 13:00:19 »

Ist denn da das gute alte System der Diktatur, das einen Wechsel der Macht durch Putsche oder Revolution erreicht, im Vergleich zu so einer Demokratie, wirklich so viel schlechter?
Ja.

Was bewegt dich dazu?
Wenn du beispielsweise an Kuba denkst: Formal eine Demokratie, ist es ja doch eine Diktatur. Und trotz Handelsembargos der westlichen Länder geht es dem Land ausgezeichnet, sowohl wirtschaftlich als auch von der Lebenserwartung her. Im Vergleich dazu der Iran, der keinem Handelsembargo unterliegt, eine enorm hohe Arbeitslosigkeit hat trotz reicher Erdöl- und Erdgasvorkommen, Kinderarbeit und gerade mal die Hälfte an Wachstumsraten im Vergleich zu Kuba hat.

Eine Diktatur lässt sich mit einer Demokratie nicht wirklich vergleichen. Wenn ich aber eine Diktatur, bei der der Diktator im Wohle des Landes handelt und eine Demokratie, in der die Partei die an der Macht ist nur ihr Eigenwohl im Auge hat, vergleiche, dann kommt die ach so böse Diktatur plötzlich gar nicht so schlecht bei weg.

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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #24 am: 14 Juni 2009, 15:17:33 »

Was ist das "Wohl des Landes"?

Wenn's danach geht, gibt es genug Diktatoren, die genau dieses Wohl wollten und es ganz schön in die Grütze geritten haben. Gerade in D können wir doch davon ein Liedchen singen.


Einen Diktator der Mist baut, selbst wenn er anfangs mal sich positiv auf das Wohlergehen der Bevölkerung ausgewirkt hat, wird man nicht so leicht wieder los. In einer echten Demokratie muß man egoistische Parteimitglieder, die nur an sich denken, nur über eine mit Sicherheit begrenzte Anzahl an Legislaturperioden ertragen. Kohl z.B. (es sei dahingestellt, ob seine Politik nun positiv oder negativ zu bewerten ist) wurde letztlich dann auch endlich abgewählt, weil seiner einfach überdrüssig geworden war.
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #25 am: 14 Juni 2009, 15:32:23 »

Gemeint ist wohl eher eine Pseudo-Demokratie wie im Iran.
Wenn nur wenige Kandidaten überhaupt zur Wahl zugelassen werden, ist die "Demokratie" einfach unehrlich und nicht mehr als bloße Volksverarsche. Bestes Beispiel DDR.
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #26 am: 14 Juni 2009, 15:38:07 »

Zitat
In einer echten Demokratie

Genau da liegt dann aber der Hund begraben: Viele Demokratien sind halt keine echten Demokratien, sondern werden ordentlich ausgehöhlt und ihr Prinzip unterlaufen.
Bestes Beispiel ist doch derzeit Russland: Eiigentlich ist es ja eine Demokratie, nech? Das stört einen Putin aber herzlich wenig. Kasparow und Co. wissen, wie sich dieses System dort "Demokratie" schimpft.
Eine offizielle Opposition lässt sich überdies von Machthabern leichter kontrollieren als eine des Untergrunds.
Ich behaupte, dass ein Widerstand (bis hin gen Revolution) in einer Diktatur besser formierbar ist in einer "Demokratie", in der der Weg der Opposition offen zu stehen scheint und dadurch die Gegenkräfte deutlich schwächt, weil es dort immer Stimmen geben wird die sagen "hey, machen wir Opposition, vielleicht bringt es ja doch was." Resignative Kräfte sind in dem Fall sehr stark.

Aber wie so oft ist das wiederum rein hypothetisch. Man wird sehen, was aus dem Widerstand im Iran jetzt im Moment wird.
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #27 am: 14 Juni 2009, 15:54:39 »

Naja...
nur weil Demokratie draufsteht, ist ja nicht unbedingt eine drin. siehe DDR, sie Nordkorea etc.pp.


Aber selbst der Ansatz einer Demokratie wie im Iran ist doch schon ein Schritt weiter als eine vollständige Diktatur (wie in Nordkorea).

Im Iran darfst Du sagen, daß Du den Präsidenten nicht gewählt hast und daß Du seine Arbeit sehr schlecht und falsch findest.

Sag mal in Kuba was schlechtes über Castro!
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #28 am: 15 Juni 2009, 13:27:38 »

Zitat
Aber selbst der Ansatz einer Demokratie wie im Iran ist doch schon ein Schritt weiter als eine vollständige Diktatur (wie in Nordkorea).

Im Iran darfst Du sagen, daß Du den Präsidenten nicht gewählt hast und daß Du seine Arbeit sehr schlecht und falsch findest.

Problem ist, dass eine Scheindemokratie für die ich das System ich in dem Iran derzeit halte, Widerständlern vorgaukelt, dass sie mit Diplomatie und einer Wahl etwas am System ändern können.
Das sorgt dann dafür, dass sie sich aus dem Untergrund in die Öffentlichkeit begeben. Logisch, sie müssen es ja auch, wollen sie vom Volk gewählt werden.
Was für Auswirkungen das dann hat, sieht man jetzt -leider- live: Der Scheindemokrat aka Diktator A. kennt nun seine Gegner und setzt nun nach der Wahl mit härtesten Mitteln durch, dass er an der Macht bleibt - notfalls auch unter Inkaufnahme von Mord.

So hätte es damals auch in Kuba laufen können. Dazu kam es aber nicht, weil Che, Castro und Konsorten ihren Widerstand erst im Untergrund vorbereiteten, um dann per Putsch an die Macht zu kommen.
Da wurde dann zwar ein Diktator von einem anderen abgelöst, aber es hat dem Land eine Menge gebracht.

Was bringt es einer "Demokratie", wenn man dennoch um sein Leben als Oppositioneller fürchten muss? - Gar nichts.
Da ist es in einer Diktatur einfacher, weil man sich hier als Oppisitioneller nicht zeigen muss, um systemgemäß den bisherigen Machthaber abzulösen.
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Re: Der Iran und sein Praesident
« Antwort #29 am: 15 Juni 2009, 21:27:18 »

So wie es aussieht, wird das Regime den Widerstand nicht mehr niederknüppeln können. Die haben die Schnauze voll! Über eine Million Menschen trotz Verbots bei einer Massendemo.

Die Massendynamik kommt langsam ins Rollen. Offenbar haben 19 Mio. Mussawi gewählt und nur 5 Mio. Ahmadinedschad. Ich gebe letzterem keine Woche mehr! Das gibt Neuwahlen, wenn das Regime jetzt nicht ultrahart vorgeht, was sie sich an sich nicht mehr erlauben können. Die junge Generation ist zu stark und schließlich haben die Iraner den von den Amis eingesetzten Schah auch schon mal zum Teufel geschickt, die wissen also, wie das geht.

Ich bin wirklich sehr gespannt auf die nächsten Tage!
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