Guten Morgen,
gibt es hier jemanden unter uns, dem diese Frage auf der Straße noch nicht gestellt wurde?
Umso interessanter ist es, dass wir sie uns selbst stellen und darüber sogar diskutieren.
"Um ein Nonkonformist zu sein, trage schwarz! Das machen alle Nonkonformisten so!"
Ich persönlich finde es absolut in Ordnung, wenn Menschen, die sich der schwarzen Szene zurechnen, sich anderen gegenüber "labeln". Immerhin ist das ein gutes Mittel, um lästige Gespräche zu vermeiden, die oft nur darauf hinauslaufen, dass die gegebenen Antworten/Argumente/biographische Einzelheiten im Äther des Desinteresses vor sich hinsiechen. Es ist aber auch witzlos einem Grufti zuzuhören, der keine kannibalistischen Neigungen hat oder zumindest als mystische Gestalt, in deren Augenhöhlen eines Dämon Träume schwelen, auf Grabsteinen sitzt.
Übrigens: Diskussionen über die guten, alten Goths finde ich schwierig. Eine Subkultur sollte persönlichen Werthaltungen Raum geben, ebenso dem persönlichen Stil. Mittlerweile gibt es doch etliche - ich nenne es jetzt mal - stilistische Strömungen, gerade was das Aussehen angeht (ebenso was Werthaltungen/Ansichten/Interessen betrifft). Aber scheinbar genügt es nicht, dass Menschen, die sich innerhalb der schwarzen Szene bewegen, von Aussenstehenden diskriminiert werden. Bei so manchem ist die Zunge spitzer als das Nietenhalsband, das er um den Hals trägt.
Und wenn sich jemand in Lack/Leder u.ä. hüllt: Verletzt das den Betrachter in irgendeiner Form? Außerdem lässt der äußere Schein keine Rückschlüsse auf die Intention des Trägers zu. Vielleicht ist jemand eben nicht gerade mit einem Auge für Ästhetik gesegnet, trägt aber einen Schatz an Gedanken in sich.
Das Tragen von solchen Kleidungsstücken finde ich nur bei Menschen schwierig, die offensichtlich nicht wissen, welche Außenwirkung sie damit erzielen könnten - z.B. 13-jährige, die nicht vorhandene sexuelle Reize betonen. Also geistige Reife (oder Zurechnungsfähigkeit, wie auch immer man das nennen möchte
) ist da für mich das Hauptkriterium.
Den selben Sachverhalt haben wir doch, wenn ein sich elitär gebärdender (wodurch gerechtfertigt?) "Über-Goth" auf die elektronische Bewegung herabblickt. Oder der langhaarige Metalfreak den langhaarigen Fantasy-Freak abschätzig beäugt.
Jemand, mit dem ich mich unheimlich gut verstehe, hat optisch auch mal so rein gar nichts mit der schwarzen Szene zu schaffen, hat aber die Musik von Stunde 0 an absolut im Blut und ist ein aufgeschlossener, vielinteressierter Mensch. Macht ihn das minderwertiger oder "falscher" als jemanden, der sich als Hobby-Philosoph versucht?
Wenn wir selbst anfangen wollen mit: "Die echten Goths aber..." dann ersticken wir Weiterentwicklung im Keim und werten andere ab. Ebenso finde ich nicht, dass ich als Mittzwanziger eine bestimmte Strömung in der schwarzen Szene zu meinem Leitbild erheben muss. Zur gesunden Persönlichkeitsentwicklung braucht es kein "Abziehbild", das an man doch bitte an die Stelle kleben soll, an der normalerweiser der Charakter sitzt
So...nun aber zurück zur eigentlichen Frage.
Bin ich ein Grufti? Da es nicht trve ist, sich selbst als Grufti zu bezeichnen, bezeichne ich mich auch nicht als solcher. Immerhin bin ich ja ein...Gru...aber psst! Ich stecke mich nicht in eine Schublade!
Liebe Grüße
rotkehlchen