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Spiegel Artikel Sprache <-> Realität

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Candide:
"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt", resümiert Wittgenstein (ich gestehe erneut das ich ihn sehr dolle mag) in seinem Tractatus. Und in der Tat bin auch ich überzeugt davon, das unserere Sprache ganz wesentlichen Einfluss auf unsere Realitätsbildung haben - wir denken in Sprache, alles, was über blosses Abbilden und wahrnehmen hinaus geht, findet in Sprache statt. Was aber, wenn die Sprache keinen Begriff für etwas kennt - kann dieses etwas dann Teil der Realität für uns sein bzw. kann es nicht nur wahrgenommen, sondern auch darüber reflektiert werden?

Dazu ein neckischer kleiner Artikel in Spiegel Online:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,314106,00.html

Interessant auch der Hinweis auf Newspeak und Orwell, insb. in Anbetracht der Rechtschreibreform...  :evil:

Bombe:
Also, ich entdecke jetzt spontan zwischen der Rechtschreibreform und Newspeak nicht all zu viele Gemeinsamkeiten. „Böse“ und unliebsame Worte wurden nicht entfernt, wir haben immer noch nicht „plus“ und „doppelplus“ als Vorsilben für Komparative und Superlative, und außerdem kippt die Rechtschreibreform gerade. Was schade ist, da ich mich gerade daran gewöhnt hatte.

Candide:

--- Zitat von: "Bombe" ---Also, ich entdecke jetzt spontan zwischen der Rechtschreibreform und Newspeak nicht all zu viele Gemeinsamkeiten. „Böse“ und unliebsame Worte wurden nicht entfernt, wir haben immer noch nicht „plus“ und „doppelplus“ als Vorsilben für Komparative und Superlative, und außerdem kippt die Rechtschreibreform gerade. Was schade ist, da ich mich gerade daran gewöhnt hatte.
--- Ende Zitat ---


Das nicht, aber es ist doch so, das diese Reform die Komplexität der Sprache stark reduziert - welche Auswirkungen hat das auf Kultur, mittelfristig?

Bombe:
Die „Komplexität“, auf die du dich beziehst, meint aber nur die Schriftform. Die gesprochene Sprache änderte sich durch die Reform nicht ein Stück. Dafür sind eher die bösen, bösen Konsum-Massenmedien verantwortlich zu machen (und Tageszeitungen, deren Redakteure den Genitiv nicht mehr beherrschen. *schnüff* der arme Genitiv. Wird wohl irgendwann ausgestorben sein. Dabei mochte ich den!).

colourize:
Hmmm... wie in dem Artikel auch zu lesen ist, ist die Idee von einem Zusammenhang von Sprache und Wahrnehmung nicht neu. Diese Theorie stammt aus den 1920er Jahren und ist als Saphir-Whorf-Hypothese in die ethnologische Forschung eingagangen. Inzwischen kann diese Hypothese aufgrund ihrer kulturdeterministischen Formulierung als widerlegt gelten - allerdings spannt Spache einen "Raum der Möglichkeiten" (possibilistische Formulierung der Hypothese) auf.
Außer der Sprache bestimmen viele andere Aspekte die Realitätswahrnehmung ebenso - und viele davon in einem viel stärkeren Maße als die Sprache. So z.B. Rollenmodelle ("Was ist die Aufgabe einer 'Mutter'? Welche Erwartungen stellt man an einen 'Lehrer'? etc.), oder der historische Kontext einer Gesellschaft.

Zur Saphir-Whorf-Hypothese ein Link:
http://www.psy.dmu.ac.uk/cgi-bin/412/9900psyc1011.pl?read=123

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