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Die Türkei in der EU?
Candide:
Naja, einerseits erfüllt die Türkei weder die wirtschaftlichen noch politischen Vorraussetzungen, andererseits kann und darf der diplomatische Eiertanz des christlichen Klubs EU so natürlich nicht weitergehen - das ist eine Ohrfeige für alle Türken. Eine Diskussion über die geografische/ kulturelle Zugehörigkeit erübrigt sich - Europa ist nicht nur das christliche Abendland...
Hauptprobleme sind damit einerseits Menschenrechtsfragen, und natürlich der wirtschaftliche Aspekt - hätte die Türkei überhaupt etwas davon, jetzt beizutreten?
Die EU ist gerad jetzt an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt, mit 25 Staaten, die konkurrieren, können schwächere Mitglieder nur aufgrund massivster Subventionen in der EU überleben. Die Türkei wäre größter Staat der EU, und würde schnell zu einem Faß ohne Boden. Weder die EU noch die Türkei würden davon profitieren, und das sollte man auch so aussprechen, statt weiter rumzustottern.
colourize:
Menschenrechtsfragen sind überhaupt kein Grund, diese werden zwar offiziell immer vorgeschoben, aber in Wirklichkeit gehts doch um was ganz anderes. Die Menschenrechtslage ist jedenfalls in der Türkei nicht schlechter als in anderen EU-Staaten. Die ungelöste Kurdenfrage oder der immer noch offene Zypern-Konflikt sind schlechte Beispiele, da könnte man genausogut die ungelöste Nordirlandfrage als Gegenargument für die EU Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs anführen oder Spanien aufgrund der separatistischen Basken ausschließen wollen. Und ob es wesentlich angenehmer ist in einem griechischen Knast zu sitzen oder in einem türkischen wage ich ernsthaft zu bezweifeln.
Meiner Ansicht nach wird die Türkei aus genau zwei Gründen so bald nicht in die EU kommen:
1.) Es gibt zu viele Türken. Die Sache ist zu teuer.
2.) Das sind alles Muslime. Und die EU ist i.W. ein christlich-abendländisches Konstrukt, dessen ideologisches Fundament auf einer vorgeblich "ähnlichen Werteordnung" basiert. Nachdem völkisch-rassische Konstrukte immer weniger zur Identitätenbildung nationaler oder supranationaler Einheiten taugen, stellt sich für Staaten bzw. Staatenbünde die Legitimationsfrage. Diese wird immer häufiger über das Konstrukt einer angeblich mehr oder weniger homogenen Werteordnung kommuniziert. Wenn man hinter diese Fassade blickt, stellt man schnell fest dass es mit dem zur Schau getragenen Laizismus europäischer Staaten nicht weit her ist - diese angeblich "homogene Werteordnung" Europas ist leicht zu enttarnen als eine Verklausulierung christlicher Normen und Traditionen.
Zur Ausgangsfrage: mir persönlich ist das eigentlich scheissegal.
Jinx:
was die wirtschaftliche Seite angeht: so richtig reif waren die ehemaligen Ostblockstaaten, die jetzt aufgenommen wurden ,auch nicht alle. ;)
Bombe:
Wohl wahr. Und: Halleluja!
Drachenkind:
Also ich muss Colourize mal massiv widersprechen.
Die Menschenrechtslage in der Türkei wird besser, grad unter der jetztigen Regierung. Aber nicht schlechter als in der Rest EU? Da hast dich glaub ich etwas vergallopiert.
Bei der Zypernfrage liegt das wohl eher daran, das dies ein Konflikt der letzten 50 Jahre ist, Nordirland, Baskenland hingegen "Erwerbungen" aus der Prä-EG Zeit sind. Nicht schön, aber wohl so zirka die Richtung.
Klar ist,
die EU hat Beitrittskandidaten Status bekommen.
Klar ist,
damit gilt, keine Bevorzugung oder Benachteiligung.
Zu dem Christlich,
naja, das ist Glaub ich eher in Deutschland so, vielleicht noch hier und da
(Spanien). Wobei ich da keine Umfrage zu gesehen hab bis jetzt.
Die Türken teilen viel mit uns, ob Geschichte oder Kultur.
Mag manchen falsch vorkommen, aber sie sind die Eroberer Byzanz's und Teil des islamischen Kulturraumes mit Okzidentalen Einfluss, gerade seit Atta Türk.
Sicher oft auf der anderen Seite, aber das war ja bei Franzosen und Deutschen auch recht lange so.
Die wirtschaftlichen Gründe sind sicher nicht ohne, aber auch das 66 Millionen Leute das Stimmengewicht in der EU verändert. Zusätzlich zu den Stimmen die einige Millionen Exil-Türken bringen.
Mal ein paar Daten.
Türkei:
Fläche: 779 452 km²
Bevölkerung: 66,230 Mio. davon 80 % Türken, 20 % Kurden
Bev.dichte: 86 Einw./km² Bev.wachstum: 1,42 % Fruchtbarkeitsrate: 2,4 Geb./Frau
POLITISCHES SYSTEM
Republik, letzte Verfassung von 1982. Wahlrecht ab 18 J. Einkammerpar-lament (Türkische Große Nationalversammlung) mit 550 Mitgl. Wahl alle 5 J. Das Staatsoberhaupt wird vom Parlament für 7 J. gewählt. Wiederwahl nicht zulässig.
Staatsoberhaupt: Ahmet Necdet Sezer (seit Mai 2000)
Regierungschef: Recep Tayyip Erdogan (seit März 2003)
Außenminister: Abdullah Gül
PARTEIEN
Die wichtigsten Parteien seit dem Verbot der islamistischen Wohlfahrtspartei/RP des ehemaligen Regierungschefs Erbakan im Januar 1998:
Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung/ AKP (islamisch-konservativ)
Republikanische Volkspartei/CHP (sozialdemokratisch)
Demokratische Linkspartei/DSP (sozialdemokratisch)
Partei der Nationalistischen Bewegung/MHP (nationalistisch-faschistisch)
Tugendpartei/FP (islamistisch; verboten am 22. Juni 2001)
Glückspartei/SP (islamistisch; gegründet am 20. Juli 2001)
Mutterlandpartei/Anap (konserv.)
Partei des Rechten Wegs/DYP (konservativ)
Partei der Großen Einheit/BBP (islamistisch-nationalistisch)
Arbeitslosenquote: 8,3 %
Inflationsrate: 54,4 % (!!!)
Staatseinnahmen: 52,890 Mrd. US$
Auslandsschulden: 115,118 Mrd. US$
Schuldendienst (am BSP): 15,3 %
Quelle:
http://www.spiegel.de/jahrbuch/0,1518,TUR,00.html
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