Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner  (Gelesen 5802 mal)

atomheartmother

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Ich bin Student bei University of Wisconsin-La Crosse (USA) und studiere Psychologie und Deutsch. Wegen meiner Interessen, beschloss ich über die Vergangenheitsbewältigung für die Semesteraufsatz meiner deutschen Kultur Kurs zu schreiben. Das Thema, das ich erkunden möchte, ist "Warum gibt es Vergangenheitsbewältigung in Deutschland aber keine in der USA order in anderen europäischen Länder?" Jede Länder hatten in der Vergangenheit Abscheulichkeiten gemacht. Zum Beispiel, in der USA hatten wir Sklaverei, die Vernichtung des Indianers, die sehr ähnlich der Holocaust war, und so weiter. Aber die Mehrheit Amerikaner ist diese Abscheulichkeiten ihnen egal.

Warum glauben Sie, dass es Vergangenheitsbewältigung in Deutschland gibt?  Denken Sie, dass älter Deutsche die Vergangenheitsbewältigung unterschiedlich als junger Deutsche erleben?  Wie erleben die heutige Jugend die Vergangenheitsbewältigung?  Wie erleben die Erwachsene und die ältliche Erwachsene die Vergangenheitsbewältigung?  Ich will wissen, wie die zeitgenössische Deustche erlebt die Vergangenheitsbewältigung.

Warum glauben Sie, dass es keine Vergangenheitsbewältigung in der USA oder in anderen europäischen Länder gibt? Was sind die kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland und die USA, die erklären warum es keine Vergangenheitsbewältigung in der USA und andere Länder gibt?

Glauben Sie, dass Deutsche eine Kollektivschuld über den Holocaust fühlen?

Ich will wissen, was Sie wirklich meinen. Ich könnte in einem Buch oder im Internet die Information suchen, aber ich denke, dass es mehr wichtig ist was die alltäglichen Deutshe glaubt.

Ich will auch wissen wie alt Sie sind, um Richtungen nach Altersgruppe zu bemerken.

Es tut mir leid, wenn ich jemand unbequem gemacht habe.
 
Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Wenn ich Fehler gemacht habe oder wenn Sie Etwas nicht verstehen, sagen Sie mir bitte.
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Foolx

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #1 am: 10 Mai 2005, 09:48:33 »

Ein nettes Thema...

Warum fühlen "wir Deutsche" uns schuldig?
Zum einem natürlich weil etwas schreckliches in unserer Geschichte vorgefallen ist.
Klar, ich war nicht dabei, warum also habe ich dennoch das Gefühl als "Nazi" abgestempelt zu werden sobald ich sage das "Wir Deutsche" etwas tun oder fühlen sollten? Es ist uns sozusagen in die Wiege gelegt das Nationalstolz = Nazi bedeutet.
Würde jemand den Türken verbieten Stolz ihre Fahne zu schwenken wenn sie einen Sieg im Fussball errungen haben?
Man siehe einmal die Türkische Zeitschrift..... Name vergessen, auch nicht wichtig.
Jedenfalls steht auf jeder einzelnen Ausgabe ein kleiner Türkischer Satz auf der 1. Seite. Dieser bedeutet Sinngemäß übersetzt: "Die Türkei den Türken!".
Die dürfen das, die hatten keinen Führer. Wenn jemand in der deutschen Politik nur 1x zu häufig Nationalstolz erkennen läßt, kann er zurücktreten.
Um zum Thema zurück zukommen:
Ich als Mensch von geradex 23 Jahren kann absolut nichts für all den Scheiß der damals bis 45 und zum teil noch danach gelaufen ist. Ich habe bis auf übliche Rangeleien nie probleme mit Ausländern gehabt oder einen Hass auf Juden. Warum sollte es mir eigentlich verboten sein "Stolz" auf mein Vaterland zu sein? Man könnte nun sagen "Weil es nichts gibt worauf man Stolz sein kann in D" und das würde sogar wahrscheinlich stimmen. Aber wir dürfen auch so nicht zu unserem Land halten da wir gleich Verbrecher sind. Überall sonst ist es normal.
Natürlich dürfen wir die USA auch nicht angreifen wegen dem Dreck den sie sich geleistet hat (und meiner Meinung nach hat sie wirklich viel viel schlimmeres getan UND TUT ES NOCH!).
Wenn jemand aus Deutschland zu "Den Amis" geht und sagt "Was ihr euch damals mit den Indianern..." wird gleich mahnend der Finger gehoben "Aber Hitler.."
Es kommt gar nicht erst zu einem "anklagen" für die Taten da unsere Vergangenheit uns offenbar international verbietet etwas anzuklagen.

Meiner Meinung nach sollte unser Land längst über unsere Vergangenheit erhaben sein, zwar drauß lernen, jedoch nicht künftiges dafür opfern...
Aber offenbar ist das das Vermächtnis von Hitler.: Er wollte ein 1000 jähriges Reich, und leider sind erst über 70 Jahre um.
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Rose

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #2 am: 10 Mai 2005, 13:37:17 »

In Deutschland gibt es Vergangenheitsbewältigung, da Deutschland verloren hat.
Die USA waren eigentlich immer Siegermacht und da der Satz "Geschichte wird von Siegern geschrieben" sich leider doch immer wieder bewahrheitet.
Die USA haben Japaner während des Pazifikkrieges über in Lager gesperrt - "aber Hitler" - das Abwerfen der Atombombe war militärisch gesehen überflüssig, dass es andere Gründe gab ist unstrittig.

Ich zumindest fühle keine Kollektivschuld, ich fühle aber sehr wohl eine Art Verantwortung des Gedenkens und daran Anteil zu haben, dass so etwas nicht nochmal passiert. Das mag aber auch daran liegen, dass meine Genertion das von Anfang an so eingeimpft bekommen hat. Ich bin 21 und habe eigentlich jede Dokumentation von unserem "nationalen Gedächnis" Guido Knopp gesehen.
Natürlich war es schrecklich, dass der Holocaust stattfinden konnte. Aber ich fühle mich nicht dafür verantwortlich, auch als Teil aller Deutschen nicht.
Man kann nun einmal nur im Rahmen seiner Zeit etwas ändern.
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Der Uhu

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #3 am: 10 Mai 2005, 13:42:00 »

1. Der Holocaust war nicht der erste Genozid dieser Groessenordnung, aber der erste der so industriell geplant durchgefuehrt wurde. Das war nicht nur ein Schock fuer andere Voelker sondern auch fuer die Deutschen, die nun feststellen mussten, was fuer Kreaturen aus ihnen geworden waren. Etwa wie ein Taeter, der vor seinem gerade getoeteten Opfer steht und realisiert, was er getan hat.

2. Ein ganzes Volk ist fuer 12 Jahre Amok gelaufen. Das ist jedem Deutschen klar, und weil niemand will, dass das nochmal passiert, wird die Aufklaerung ueber diese Ereignisse in deutschen Schulen und Medien exessiv betrieben.

3. Die Amis und Briten wurden nie fuer ihre Taten zur Rechenschaft gezogen. Die Deutschen schon, denn sie sind ja von den Alliierten erobert und die alte Fuehrung in Nuernberg vor Gericht gestellt worden. Die Deutschen waren fuer Jahrzehnte das Volk der Nazischweine und jeder, der Lust dazu hatte konnte auf sie spucken. Ein Taeter, der bei seinem Verbrechen nie erwischt und vor Gericht gestellt wurde, hat es auch leichter mit seiner Tat und sich selbst klar zu kommen, als der Taeter, der erwischt wurde und vor der ganzen Nation an den Pranger gestellt wird. Haette irgendjemand Grossbritannien erobert und dessen Kolonien befreit und die britischen Regierenden und die Koenigin vor Gericht gestellt, wuerde man heute auch mehr ueber die Ereignisse in den Kolonien sprechen.

4. In den USA (und anderswo auch) wird das Nazi-Image Deutschlands gerne gepflegt. Man muss nur mal bei einer Amerikanischen Nachrichten-Website oder in einem Forum wie diesem hier "Germany" als Suchbegriff eingeben und man bekommt zwei Arten von Meldungen: Nazi-News ueber WWII, Holocaust etc. oder Irak-News, indem sich die Amis darueber beschweren, warum sich ein Land mit einer solchen Vergangenheit heute anmasst ueber Menschenrechte zu reden und das die Nazischweine aus Germany doch mal bitte schoen die Klappe zu halten haben. Man mag es, uns an unsere Vergangenheit zu erinnern, damit man unsere Argumente wegfegen kann. Und darum sind wir immer wieder gezwungen uns damit auseinanderzusetzen. Ich bin seit Februar in Israel und in der ganzen Zeit ist mir keine Zeitung untergekommen ohne "Nazi-News", jeden Tag, ohne Ausnahme WWII. Ausserdem faengt jeder Ami an zu masturbieren, wenn er nur an die Heldentaten seiner Nation gegen die Nazis denkt. Die wahren Umstaende des amerikanischen Kriegseintritts und dessen Zeitpunkt und die ueber 50 anderen Alliierten spielen da keine Rolle. Amerika, als eine Nation, die ihr Nationalgefuehl aus ihren Kriegen bezieht, braucht Feinde, sonst koennen die Amis ihr Nationalgefuehl nicht ausleben.

5. In anderen Staaten, zum Beispiel in der Tuerkei, wuerde eine historische Aufarbeitung die Regierung schwaechen, denn die Bevoelkerung fuehlt sich in ihrem Nationalstolz beleidigt, wenn man sie darauf anspricht. Die Tuerken verfallen ja gerade in so eine Art Nationalismus-Hysterie wegen der Geschichte mit den Armeniern. Sie haben sogar ein Museum errichtet fuer die tuerkischen Opfer der armenischen Aggressoren. Man stelle sich vor, wir wuerden ein Museum fuer die Deutschen Opfer der Juden errichten! Hier werden die Geschichte und die Menschenrechte mit Fuessen getreten. Das ist mir persoenlich ganz recht, weil sie das hoffentlich fuer die EU disqualifiziert, denn ich habe keinen Bock auf die Tuerkei in der EU! (Meine persoenliche Sicht, nicht nett aber ist halt so)

6. Noch ein Beispiel: Viele Israelis wuerden ohne Bedenken heute nach Deutschland reisen, aber ich habe ein paar getroffen, die wuerden nie nach Polen reisen, weil die (Zitat) "noch viel schlimmer waren". Viele Polen haben die Nazis nach Kraeften unterstuetzt und waren genauso antisemitisch wie die Nazis. Aber erzaehl das mal den Polen. Die gefallen sich in ihrer Opferrolle und werden darum nicht darueber reden. Genau so, wie sich die Amis und Briten wohl fuehlen in ihrer Befreierrolle.

7. Die Bilder: Es gibt bessere Bilder vom Holocaust als von den amerikanischen Sklaven. Das bringt das Ereignis den Menschen naeher und fuehrt ihnen die ganze barbarische Schlachterei vor Augen. Das wirkt viel besser, als wenn man es nur liest in einem Buch. Beispiel 9/11: an dem Tag sind mehr Leute an AIDS gestorben als durch Gewalt, aber von denen gab es nicht so spektakulaere Bilder. Gaebe es sie, wuerde man heute vielleicht ueber die wirklich wichtigen Fragen diskutieren, anstatt den Amis dabei zuzuschauen, wie sie sich in ihrer Terrorismushysterie um die Flagge versammeln und zusammen auf Kaperfahrt gehen ohne darueber nachzudenken, ob sie vielleicht etwas zu dieser Situation beigetragen haben (also ihre Vergangenheit bewaeltigen).

Einen weiteren Thread, der sich ausfuehrlich damit befasst findest Du hier.
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colourize

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #4 am: 10 Mai 2005, 13:42:23 »

Zitat von: "Rose"
Die USA waren eigentlich immer Siegermacht und da der Satz "Geschichte wird von Siegern geschrieben" sich leider doch immer wieder bewahrheitet.

Joh, so wie etwa der Somalia-Einsatz. Oder der Vietnamkrieg. Und in Afghanistan und im Irak sind die USA auch die eindeutigen Sieger, seit man den Krieg dort für beendet erklärt hat.
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Rose

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #5 am: 10 Mai 2005, 13:55:31 »

Zitat von: "colourize"
Zitat von: "Rose"
Die USA waren eigentlich immer Siegermacht und da der Satz "Geschichte wird von Siegern geschrieben" sich leider doch immer wieder bewahrheitet.

Joh, so wie etwa der Somalia-Einsatz. Oder der Vietnamkrieg. Und in Afghanistan und im Irak sind die USA auch die eindeutigen Sieger, seit man den Krieg dort für beendet erklärt hat.


Der Vietnamkrieg hat ein Trauma bei der Bevölkerung der USA ausgelöst, den geschichtlichen Hintergrund werde ich jetzt nicht näher erläutern, da ich weiß, dass du ihn kennst.
Afghanistan und der Irak werden bei der Bevölkerung der USA auch nicht als so verloren angesehen, wie er ist, das kommt erst langsam.
Der Somalia Einsatz ist ein Thema für sich, aber auch der wurde doch offensichtlich bei der Bevölkerung der USA als nicht so wichtig abgetan.
Vielleicht habe ich mich nciht differenziert genug ausgedrückt, allerdings halte ich dich für gerade noch intelligent genug um meine undeutliche Meinung herausfiltern zu können. Wenn du möchtest können wir auch anfangen eine Liste jedes durch die USA geführten Krieges anzufertigen und die Striche auf Verlierer und Gewinnerseite zu setzen.
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colourize

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #6 am: 10 Mai 2005, 14:01:49 »

Ach so, und on topic:

Die Frage der Rolle Deutschlands in der Konjunkturphase der völkischen Weltbilder in Europa stellt sich für Deutschland und die Deutschen viel mehr als für andere Nationen, da der nationalsozialistische Holocaust beispiellos in der Menschheitsgeschichte war.

Klar, in anderen Staaten wurden und werden auch Minderheiten verfolgt und abgemurkst, aber nirgends haben sich rassistisches Gedankengut, Menschenhass, preußische Obrigkeitshörigkeit sowie die fordistische Organisation der Massenvernichtung zu einer derart unheilige Allianz verdichtet wie im Deutschen Reich.
Seien wir doch mal ehrlich: Über 4.000.000 Menschen in nur einem einzigen Konzentrationslager nach den Prinzipien der industriellen Fertigung zu ermorden ist eine organisatorische Leistung des Preußentums, das einzig die Deutschen geschafft haben.
Da können unsere oliv-Grünen Regierungsmitglieder noch so lange im Bundestag mit ihrem peinlichen "Nie wieder Auschwitz"-Geheule deutsche Angriffskriege im Kosovo rechtfertigen: Egal wie viel Zeit wir den Serben gelassen hätten, die vier Millionen hätten die nie gepackt.

Daraus ergibt sich meines Erachtens nach keine Kollektivschuld, aber eine besondere Verantwortung Deutschlands für den globalen Frieden.
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Foolx

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #7 am: 10 Mai 2005, 14:05:54 »

Zitat von: "Rose"

du möchtest können wir auch anfangen eine Liste jedes durch die USA geführten Krieges anzufertigen und die Striche auf Verlierer und Gewinnerseite zu setzen.


Ohja, da wäre ich ja für zu haben...


Ich find es immer zu klasse wenn Filme ala "Black-Hawk Down" rauskommen mit den die Amis alle Welt davon zu überzeugen versuchen wie böse doch alle anderen waren und das eigentlich ja sowieso die Amis die Opfer bzw die guten waren...

Ich mag Ami-Land nicht sonderlich... Aber was erwartet man von einem Land wo man sich das Präsidenten-Amt erklagen kann?
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messie

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #8 am: 10 Mai 2005, 14:13:48 »

Sagen wir es mal so: Die USA haben sich immer als Sieger gefühlt, bis auf die berühmte Ausnahme Vietnam - aber auch da war der Krieg weit weg von den USA selbst.

Uhu hat eigentlich schon alles wunderbar zusammengefasst. Mir fallen nur noch drei Kleinigkeiten dazu ein:

1. Der verlorene Krieg ist noch nicht allzulange her. 60 Jahre sind nichts im Vergleich zu den Indianermetzeleien, Napoleons Plünderungen, der imperialistischen Ausbreitung Englands oder die Sklaverei in den USA. Viele von uns haben noch Omas und Opas die mittendrin waren - alleine das sorgt dafür, erinnert zu werden, dass damals "die Deutschen" schuldig an der Vernichtung von Millionen von Menschen waren.

2. Die Nachwirkungen dieser 12 Jahre sind noch lange zu spüren gewesen. Die Mauer ist immerhin auch ein Wahrzeichen dafür dass Deutschland den Krieg verloren hat und die Siegermächte sich anschliessend kalt bekriegt hatten - und das ist eben mal 16 Jahre her. Diese Wahrzeichen stossen uns ständig mit der Nase auf unsere eigene Geschichte.

3. Nicht unwichtig: Das Thema wird in der Schule behandelt! Und so gibt es automatisch Diskussionen über das "warum".
Ich weiß nicht, ob es den Tatsachen entspricht, aber: Ich hörte von verschiedenen Seiten, dass die Themen "Indianerverfolgung", "Sklaverei" oder "Vietnamkrieg" wenig bis gar nicht in der Schule behandelt werden. So ist dann natürlich logisch, dass kritische Fragen einer jungen Generation dort -leider- weitgehend ausbleiben.
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Rose

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« Antwort #9 am: 10 Mai 2005, 14:40:43 »

Zitat von: "messie"
Sagen wir es mal so: Die USA haben sich immer als Sieger gefühlt, bis auf die berühmte Ausnahme Vietnam - aber auch da war der Krieg weit weg von den USA selbst.


Wie immer, wenn einem keine gute Formulierung einfällt, messie fragen  :D
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Thomas

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« Antwort #10 am: 10 Mai 2005, 14:58:26 »

Zitat

Daraus ergibt sich meines Erachtens nach keine Kollektivschuld, aber eine besondere Verantwortung Deutschlands für den globalen Frieden.

Und dieser Verantwortung kommt Deutschland im Vergleich mit allen anderen Ländern jawohl perfekt nach.Ich kenne jedenfalls kein Land mit einer derart pazifistisch eingestellten Regierung und Armee.
Das zeigt sich doch schon daran, das im Bundestagt monatelang diskutiert wird, bevor man sich möglicherweise dazu entscheidet, deutsche Soldaten in Auslandsmissionen einzusetzten, und auch das dann nur mit einem (vermutlich durch die Vergangenheit begründeten) schlechten Beigeschmack.

Zitat
Da können unsere oliv-Grünen Regierungsmitglieder noch so lange im Bundestag mit ihrem peinlichen "Nie wieder Auschwitz"-Geheule deutsche Angriffskriege im Kosovo rechtfertigen: Egal wie viel Zeit wir den Serben gelassen hätten, die vier Millionen hätten die nie gepackt.

Und was folgt daraus ? Auf gar keinen Fall deutsche Soldaten im Ausland einzusetzen, egal wie viele Leute dort täglich draufgehen, weil sich wieder zwei Idiotengruppen gegenseitig die Köppe einschlagen ?

Das Problem ist eben, das die Entscheidung, KEINE Soldaten einzusetzen nicht zwangsläufig die Menschlichste bzw. die dem Frieden dienlichste ist.Das haben nur leider noch nicht alle Grünen kapiert.
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Jinx

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« Antwort #11 am: 10 Mai 2005, 16:18:48 »

Also, wenn man die üblichen Postings à la: "Die anderen waren auch böse und haben auch böse Dinge getan" beiseiteläßt, kann ich folgendes beisteuern:

- es gibt hier eine aktive Vergangenheitsbewältigung, die - wenn nicht privat - so doch in der Schule beginnt. Bedauerlicherweise ist diese teilweise kontraproduktiv, da selbst aufgeschlossene und am Thema interessierte Geister durch ewige Wiederholung oberflächlicher Inhalte abstumpfen.

Die Aufarbeitung der Vergangenheit wurde unmittelbar nach der Kapitulation 1945 durch die Alliierten eingeleitet, z.B. durch Entnazifizierungsverfahren. Dies sollte gewährleisten, dass die neu zu errichteten Strukturen schon wieder mit überzeugten Nationalsozialisten und/oder Kriegsverbrechern durchsetzt werden. Es liegt auf der Hand, dass dies nur teilweise geschah, da man nicht ein ganzes Volk austauschen konnte und überzeugte Antifaschisten nur begrenzt zur Verfügung standen. Dass dieses Verfahren in dieser Konsequenz durchgeführt werden konnte, liegt sicherlich daran, dass Deutschland als unterlegene Kriegspartei besetzt wurde und die Regierungsgewalt in den Händen der Alliierten lag.  

Die Bereitschaft der älteren Generation, die Ereignisse zwischen 1933 und 1945 aufzuarbeiten, war gering, da die Leute aktiv beteiligt waren und sich permanenten Vorwürfen ausgesetzt sahen, weniger durch Alliierte, Regierung, Politik etc., als  vielmehr durch die eigenen Kinder, die den Ereignissen verständnislos gegenüberstanden. Vorwürfe durch unmittelbar Betroffene wurden meist nicht mal ausgesprochen, da die wenigen Rückkehrer aus der nationalsozialistischen Haft dazu tendiereten, eher in Ruhe leben zu wollen; man kann sagen, dass ihre Anwesenheit als stummer Vorwurf gewertet wurde.

In diesem Zusammenhang ist auch der bis heute andauernde, peinliche Rechtfertigungsdrang zu sehen, der auf Teile der jüngeren Generation überging (wir selbst haben nix gemacht, andere waren auch schlimm, die Alliierten und Israel drücken uns eine ewige SChuld auf). Der letzte Punkt ist besonders lächerlich, da er Verantwortung für das eigene Handeln jüngerer Generationen mit der Schuldfrage der involvierten Generation auf unangemessene Weise vermischt (ein Tipp für die Anhänger der ewigen Beschuldigungsidee: wendet Euch an Angehörige der jüdischen Religion, DIE können nämlich wirklich was von Beschuldigungen erzählen, denn der Vorwurf des Christusmordes hängt ihnen idiotischerweise bis heute an. Das heißt wir hätten noch ca. 1940 Jahre vor uns.. *g*). Negiert wird, dass dieser generationsübergreifende SChuldvorwurf von seriöser Seite nicht existiert, obwohl er fleißig beschworen wird.

Vergangenheitsbewältigung wird heute vom Staat selbst, von verschiedenen Institutionen, aber auch privat betrieben, da die Notwendigkeit erkannt wurde, ein Bewußtsein für das begangene Unrecht zu wecken. Es ist ein PRozeß, der sich verselbständigt hat und auf unterschiedliche Weise stattfindet, formell wie informell.

An eine Kollektivschuld glaube ich persönlich nicht, mir ist interessanterweise nicht mal in Israel jemand begegnet, der solches tut (nicht mal mein Vater, der als Soldat Kriegsgefangener in Mauthausen war, wurde von ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers mit derartigen Vorwürfen konfrontiert, da diese zwischen einem 23-jährigen zwangsrekrutierten Soldaten und einem SS-Mann sehr wohl zu unterscheiden wußten). Ich glaube allerdings an eine kollektive Verantwortung, die ich gerne wahrnehme, da ich es vorziehe, an einem zivilisierten Leben unter zivilisierten Menschen in einer zivilisierten Umgebung teilzunehmen.

Persönliches: ich bin 38, aber so richtig typisch deutsch bin ich wegen meiner multikulturellen Familie (mütterlicherseits) und meines Studiums (Judaistik) vielleicht nicht.

Ich denke schon, dass es eine Vergangenheitsbewältigung in anderen Ländern gibt. So gibt es in der Türkei Menschen, die den Völkermord an den Armeniern als solchen ansehen, ebenso wie es in den USA eine Friedensbewegung gibt, die aus der Anti-Vietnam-Bewegung hervorging. Auch in Israel gibt es shalom achschaav (übers.: Frieden jetzt), eine Organisation, die sich für eine friedliche, konstruktive Lösung des Palästinenserkonflikts einsetzt. Vergangenheitsbewältigung ist dort jedoch eher eine informelle, individuelle Angelegenheit, die nicht immer die offizielle Zustimmung erhält.
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Das Leben sollte keine Reise mit dem Ziel sein, attraktiv und mit einem guterhaltenen Körper unter die Erde zu kommen. Wir sollten lieber seitlich hineinrutschen, Schokolade in einer Hand, Absinth in der anderen, unser Körper total verbraucht und dabei schreiend "Wow, was für eine Fahrt!"
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« Antwort #12 am: 10 Mai 2005, 16:33:36 »

Zitat von: "Jinx"
Auch in Israel gibt es shalom achschaav

OT: Meine Fresse, das hab' ich verstanden! Ich hol' mir jetzt nen Keks, für's Ego.

OnT: Als Ösi muss ich mal anmerken, dass mir das "unterdrückte Schuldbewusstsein", wie ich es jetzt mal einfachhalber nenne, hierzulande schon um einiges deutlicher aufgefallen ist. Man könnte meinen es gibt in den Köpfen ein Tabu, welches verhindert, dass man sich direkt mit dem Nationalsozialismus neutral auseinandersetzt. Andererseits wirkt scheinbar auch ein Tabu, welches verhindert, dass man sich mit erstgenannter "Blockade" tiefer beschäftigt. Es ist quasi ein "eigentlich nicht, aber doch irgendwie".

Ein gutes Beispiel dafür, dass nichts Bewältigt wurde, und keine volle Selbstsicherheit besteht, hat man ja neuerdings in Berlin bei der NPD-Demo gesehen. Ich teile da die Meinung derjenigen die sagen, die Polizei habe sich undemokratisch und widerrechtlich verhalten. Für's Widerrechtliche bin ich aber eventuell einfach nicht fit genug mit den hiesigen Gesetzen.
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colourize

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« Antwort #13 am: 10 Mai 2005, 16:34:19 »

Zitat von: "Thomas"
Zitat von: "colourize"
Da können unsere oliv-Grünen Regierungsmitglieder noch so lange im Bundestag mit ihrem peinlichen "Nie wieder Auschwitz"-Geheule deutsche Angriffskriege im Kosovo rechtfertigen: Egal wie viel Zeit wir den Serben gelassen hätten, die vier Millionen hätten die nie gepackt.

Und was folgt daraus ? Auf gar keinen Fall deutsche Soldaten im Ausland einzusetzen, egal wie viele Leute dort täglich draufgehen, weil sich wieder zwei Idiotengruppen gegenseitig die Köppe einschlagen ?

Das Problem ist eben, das die Entscheidung, KEINE Soldaten einzusetzen nicht zwangsläufig die Menschlichste bzw. die dem Frieden dienlichste ist.Das haben nur leider noch nicht alle Grünen kapiert.

Machen wir uns doch nichts vor: Überall auf der Welt gibts bewaffnete Auseinandersetzungen. Dort überall die Bundeswehr reinschicken ist wohl nicht drin. Man muss sich also aussuchen, welches fremde Land man zum Genuss der "Pax Germania" verhelfen möchte.

Meines Erachtens gibt es immer eine Schieflage zwischen der wirklichen Motivation einen Angriffskrieg zu führen einerseits, und der scheinheiligen Rechtfertigung für diesen Krieg andererseits. Da müssen dann eben schon mal nicht existente Massenvernichtungswaffen des "neuen Hitlers" aka Saddam Hussein dafür herhalten, der Bevölkerung der westlichen Staaten einen imperialistischen Feldzug zum Zwecke der Kontrolle über die Ölvorräte am Persisch-Arabischen Golf schmackhaft zu machen.

Zugegeben, auf dem Balkan und in Afghanistan gibts weniger zu holen. Deswegen darf diesen Angriffskrieg auch die Bundeswehr mitgestalten. Bei den Kolonialfeldzügen, bei denen es wirklich was zu holen gibt, lassen sich die USA natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen.

Wie auch immer - Kriege werden niemals aus "humanitären Gründen" geführt. Auch wenn Claudia Roth und Kerstin Müller noch so große Krokodilstränen weinen und zur Rechtfertigung der Beteiligung der Bundeswehr an Angriffskriegen "Nie wieder Auschwitz!" in die Fernsehkameras schlurzen.
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« Antwort #14 am: 10 Mai 2005, 16:37:05 »

Zitat von: "colourize"
Auch wenn Claudia Roth und Kerstin Müller noch so große Krokodilstränen weinen und zur Rechtfertigung der Beteiligung der Bundeswehr an Angriffskriegen "Nie wieder Auschwitz!" in die Fernsehkameras schlurzen.

Und immer wieder hagelt's Gründe warum es gut ist, keinen Fernseher zu haben :)
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