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Studieren ohne Abitur

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Alte Pizza:
Ich habe vor Jura studieren, um erste Opferanwältin Deutschlands für emotionale Gewalt zu werden. Gerne in Berlin.

http://www.vachss.de/mission/dispatches/disp_9408_a.html

Hat jemand Erfahrungen, Ideen?

RaoulDuke:
Jura zu studieren ist ein langwieriges Unterfangen, aber nicht unmöglich.

Voraussetzung für die Tätigkeit als Anwalt ist die Befähigung zum Richteramt. Wer diese hat, wird auch als Volljurist bezeichnet. In dem Link ist zu ersehen, was man dafür tun muss.

Ohne Abitur Jura zu studieren ist möglich, es gibt drei Zugangswege zum Studium, die ohne allgemeine Hochschulreife funktionieren.

Ich denke gern an die Hochschule zurück, und auch oft. Es war nicht immer alles leicht, aber so viel war extrem interessant - und nicht nur das, ich habe selten so frei leben und sein können wie dort. Vielleicht ist es der Weichzeichner der Erinnerung, aber mir hat das wirklich viel gegeben. Es war, und hoffentlich ist es noch, ein angenehmer Ort auch für sehr ungewöhnliche Menschen.

Wenn es Dich wirklich interessiert (oder Du herausfinden willst, ob es das wirklich ausreichend tut), kannst Du Dich ja schon in die Vorlesungen setzen, während Du Dich noch um die Zulassung als Studentin bemühst - es sind öffentliche Veranstaltungen, die jeder anhören kann, ob eingeschrieben oder nicht.

Eisbär:

--- Zitat von: RaoulDuke am 14 Juni 2022, 17:25:02 ---...
ich habe selten so frei leben und sein können wie dort. Vielleicht ist es der Weichzeichner der Erinnerung, aber mir hat das wirklich viel gegeben. Es war, und hoffentlich ist es noch, ein angenehmer Ort auch für sehr ungewöhnliche Menschen.

--- Ende Zitat ---
Ich habe gehört, dass es durch die Bologna-Reformen sehr anders geworden sein soll, ein ziemliches starres Korsett von Anwesenheitspflichten etc.

Jack_N:
Jaein. Man hat immernoch in vielen Studiengängen seine Kurse für den Bachelor und dann später für den Master eine freie Wahl der Spezialisierungen - man muss nur mit entsprechend vielen Kursen genügend Punkte erreichen, um dann die Bachelor-/Masterarbeit angehen zu dürfen.
Diese Freiheit ist aber auch gleichzeitig eine Crux. Für einige naturwissenschaftliche Studiengänge wird z.B. zwingend ein Nebenfach vorausgesetzt. Diese anderen Fächer stimmen aber untereinander bis heute die Zeitpläne nicht ab, da wird um ne halbe Stunde versetzt in der anderen Fakultät mit Vorlesungen gestartet usw...
Einige beginnen CT (also ca. 15min nach eigentlichem Start), andere ST (also pünktlich) und lassen teilweise auch niemanden nach Beginn mehr rein (selbst erlebt, mit Türwächtern).
Man musste viel Selbstdisziplin haben um sich selbst zu organisieren, die Zeiten zu organisieren etc... Ein Nebenjob in den Semesterferien war bei uns oft nicht drin, da in diesen meist (Pflicht-)Praktika lagen.

Jura im Speziellen hat mein WG-Kollege studiert - und später geschmissen. Warum? Er bekam eine längere Arbeit zurück, nicht bestanden. Er fragte beim Professor nach warum: War seine Argumentation falsch? Waren seine Schlüsse, die er zog falsch? Waren die angebrachten Gesetze falsch? Nein, alles richtig. Aber: Es bestünde ja  weniger als die Hälfte des Dokumentes aus Zitaten und Quellverweisen, das könne ja keine wissenschaftliche Arbeit sein, daher könne man das nicht bewerten.

Ich selbst hatte auch Wirtschaftsrecht als Vorlesung. Was soll ich sagen: Es geht in der Praxis nie darum Recht zu sprechen, es geht darum die vorhandenen Gesetze auf den vorliegenden Fall anzupassen. Wenn es keine passenden Gesetze gibt, dann kann der Richter sich nicht einfach neue ausdenken oder frei entscheiden - er ist an das gebunden, was ihm als Handwerkszeug gegeben wurde. Könnte dann aber eine Revision zulassen, damit es zu einer höheren Instanz weitergehen kann, die dann ggf. eher eine Grundsatzentscheidung erlassen kann, die dann wiederum als "Blaupause" für andere Gerichte dienen kann.
Zudem wagen viele niedrige Gerichte eben keine solche Grundsatzentscheidung, da sie nicht riskieren wollen, dass zu viele Urteile von ihnen kassiert werden und ihre Position so in Frage gestellt wird.
Im Endeffekt lief es darauf hinaus: Wer Rechtsgrundlagen erneuern will, der gehe lieber in die Politik. Wer sich für den Fall der Fälle wappnen will, oder einer Firma helfen will mögliche Klippen zu umschiffen, der ist im Jura-Studium gut aufgehoben.

RaoulDuke:
Mit Jura als Studienfach hatte ich auch mal ein kurzes Intermezzo. Nach dem Abi wusste ich nicht so recht, was ich anfangen sollte mit meinen vielfältigen Interessen, und zog Informatik in Erwägung, aber auch Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften. Ich hörte mich im Bekanntenkreis um, insbesondere dem meiner Eltern und bei Freunden der Familie, und schrieb mich dann in Jura ein. Bevor es losgehen konnte, war allerdings noch der Zivildienst abzuleisten. Das war auch so eine Sache für sich - ich nenne es mal Zwangsarbeit zur Sanierung maroder Staatsfinanzen. Ich hätte wirklich gern Menschen geholfen und meine Fähigkeiten und Erfahrungen in für mich fremdem Umfeld geschult, aber da hatte ich mit meiner Stelle wohl danebengegriffen.

Frustriert von einer etwas überraschenden Existenz als Fahrer, Reinigungskraft, Betreuer mit medizinischen Aufgaben die meine Kenntnisse deutlich überstiegen und verbalem Punching Ball für den Chef der Einrichtung widmete ich mich lieber schon einmal meinem bevorstehenden Studium und begann, die Grundlagenbucher zu lesen. Und ich bin so froh, dass ich das tat - denn mir wurde schnell klar, dass meine Stärken in diesem Fach nicht zum Tragen kommen würden. So war mein Kopf einfach nicht strukturiert, ich fand das alles extrem schwer nachzuvollziehen. Also las ich auch die Bücher aus den konkurrierenden Fächern und hörte mir da auch mal die eine oder andere Veranstaltung an, und dabei wurde mir klar, dass ich bei Wirtschaftswissenschaften viel besser aufgehoben sein würde. Also Jura-Platz zurückgegeben, auf neuen Platz in Wirtschaftswissenschaften mit Nebenfach Informatik beworben, hat geklappt, und los ging es. Manchmal finde ich es schade, dass ich nicht noch viel mehr Zeit hatte, mir alles anzuhören, was es gab - Physik hätte mir vielleicht gefallen, Chemie, oder auch Mathematik. Aber man hat ja nur ein Leben, und man kann nicht alles machen. Zu meinem großen Glück traf ich später einen Professor, der es schaffte, aus einem durchaus vorhandenen Interesse für mein gewähltes Fach sogar eine Leidenschaft zu machen.

Juristische Veranstaltungen habe ich später auch noch besucht, aber ich fand es weder besonders interessant, noch war ich besonders gut darin. Privatrecht, öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht und was war da noch? Irgendwas bestimmt, aber ich habe es vergessen - ich hatte schon in den aufgezählten Vorlesungen teils arge Schwierigkeiten, wach zu bleiben...

Deswegen: Vorher lesen oder rein hören ist aus meiner Sicht wirklich sinnvoll.

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