Ansonsten ging es mir es darum, dass der Mechanismus "sei nicht scheisse, sonst holt Dich der Mob" nicht funktioniert, gar furchtbare, grausame Folgen haben kann.
Das halte ich gar nicht für derailing, sondern vielmehr für "well reflected and fluenty expressed analysis with touches of brilliance", sogenanntes WRAFEA-WTOBing. Naja, nur von mir so genannt. Aber ich mag das Wort.
Beginnend führte ich ja aus, dass es eine Reihe von Motiven für das Anheizen eines Empörungsmobs gegen Joe Rogan geben könnte, [...]
So, dann nehmen wir das doch noch einmal auseinander. Du hast wörtlich formuliert:"Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, ihnen zu entgehen: Sei einfach nicht scheiße.Bist du es doch, und der Mob kommt dich heimsuchen, dann bist du sehr, sehr oft in einen Fettnapf getreten, der der neuen Rechten irgendwie in die Hände spielt. Du hast dich sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend geäußert."Und ich habe in deinem letzten Posting ohne Mühe schon gleich etwas gefunden, was von Leuten als "sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend" angesehen wird, nämlich das Ausschreiben oder das Aussprechen des N-Wortes bzw des Z-Wortes. An dem Punkt sind nämlich einige Gruppen in Amerika und in der Folge auch hierzulande bereits: die sogenannte use-mention distinction wird als irrelevant abgetan, es gibt keinen Grund, warum jemand, der nicht besonderen marginalisierten Gruppen angehört, diese Worte aussprechen oder ausschreiben darf. Und falls du das jetzt absurd findest: es gibt schon eine lange Liste von Leuten, die deshalb schon ihren Job verloren haben und als Rassisten gebranntmarkt wurden:https://www.tabletmag.com/sections/news/articles/mike-pesca-speakshttps://www.thefire.org/fire-warns-university-of-illinois-at-chicago-over-investigation-into-law-professors-exam-question/https://reason.com/2021/02/06/its-official-linguistic-intent-no-longer-matters-at-the-new-york-times/https://www.insidehighered.com/news/2020/09/08/professor-suspended-saying-chinese-word-sounds-english-slurHaben also diese Leute es verdient, vom Mob heimgesucht zu werden? Dann bist du aber auch dran, egal ob du es böse gemeint hast oder nicht.
Das mit der dosiert eingesetzten Provokation ist ein verloren gegangenes Stilmittel, weil es leider zur Mode geworden ist, dass sich auch auf die kleinste Äußerung, sofern sie im größeren öffentlichen Kreis getan wird, ein massiver Raubmordkopiermob von Möchtegern-White-Knights stürzt, die ihr Internet-Schild vor alles Werfen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Auch vor diejenigen, die die gezielte Provokation als solche erkannt haben und eigentlich gerne eine inhaltlich durchaus sehr spannende Diskussion führen würden. Nur wird dieses im Keim durch sehr sehr laute, sehr empörte Gegenwehr von Leuten, die inhaltlich eigentlich gar nichts mit der Sache zu tun haben, aber in der Empörung selbst ihre Bestimmung sehen, verhindert. Und dazu noch der Provokateur nicht als Diskussionsentfacher angesehen, sondern mit einem Stempel versehen und gebrandmarkt (je nach Situation als Antisemit, Kommunist, Satanist, kichenanzündender Death-Metal-Jünger etc...pp...).
Sieht nämlich erstmal so aus, als würdest du mir ein gewisses Wording vorwerfe ohne den schon angeführten Grund zu betrachten.
...der damit verbundene Verlust an Diskussionskultur ist mir in den letzten Jahren ziemlich aufgefallen und aufgestoßen
Zitat von: BaerndME am 23 Februar 2022, 13:16:33...der damit verbundene Verlust an Diskussionskultur ist mir in den letzten Jahren ziemlich aufgefallen und aufgestoßenUnd da sehe ich etwas grundlegend anders. Obama hat das sehr schön in seinem Buch beschrieben: das Problem bei vielen politischen Diskussionen heute ist, dass man sich nicht mal mehr auf die Fakten einigen an. Das ist das größte Problem. Wie soll man sich auf Handlungsstrategien oder sogar auf ethische Werte und Vorgehensweisen einigen, wenn man sich nicht mal auf sowas eigentlich banales wie Fakten einigen an?Natürlich haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Beweggründe, unterschiedliche Interessen und damit auch unterschiedliche Prioritäten. Aufgabe von Gesellschaft und Politik war und ist es, diese so gut möglich unter einen Hut zu bekommen und Kompromisse und einen Ausgleich zu finden. Und ein weiser Mann sagte mal, ein guter Kompromiss ist einer, mit dem alle Parteien gleich unzufrieden sind. Und solange das allen Beteiligten klar ist, kann man miteinander reden und verhandeln.Aber Fakten sind nun mal nicht verhandelbar. Fakten machen keine Kompromisse. Naturgesetze lassen sich weder beugen noch brechen. Wie soll man vernünftig mit jemanden diskutieren, der das nicht (an)erkennt?
Und ich wage auch (gewagte These, ich weiss) zu behaupten, dass dies nicht gut wäre, denn geschäftliche Beziehungen sind oft der erste Schritt zu einem gegenseitigen Verständnis.
frei nach dem Motto: "pecunia non olet".
Nicht wenige Menschen in Deutschland pfeifen darauf, was ein gewisser Herr Putin gerade veranstaltet, hauptsache das Gas wird wieder billiger und pünktlich geliefert.
Jeder Mensch hat Grenzen für was er sich wie stark einsetzt. Und jemand, der sich vehement für Minderheiten und deren Schutz einsetzt, kann gleichzeitig auf andere Art und Weise eine persona non grata werden, indem er einer anderen Minderheit jeglichen Schutz oder ein Existenzrecht abspricht, oder andere Dinge oder wissenschaftliche Erkenntnisse leugnet.
Das bringt dann die Außenstehenden in Erklärungsnot: Kann ich jemanden, der sich extrem gegen Antisemitismus stellt, wirklich als leuchtendes Beispiel hochhalten wenn er gleichzeitig ein vehementer Klimawandelleugner und anti-Öko-Aktivist ist?
ich bin der Meinung, dass unsere ehemalige Bundesregierung sowie die Regierungen der Länder und Kommunen in Anbetracht des teilweise totalen Blindfluges den unmöglichen Eiertanz des Pandemie-Managements im internationalen Vergleich ganz gut bewältigt hat. Ein bisschen schlechte Kommunikation hier, ein Maskenskandal da, die pragmatisch gedachte Einführung einer App, die nichts taugt obendrein, ja sicher, alles suboptimal, keine Frage, aber die Kompromisse, die man geschlossen hat, die alle unangenehm waren und unangenehm sein mussten, hat man meines Erachtens mit einem erstaunlich gutem Augenmaß geschlossen.
Da waren sie "Möchtegern-White-Knights" von Jack und haben mich zur Sau gemacht, wie ich nur so ignorant sein könne gegenüber dem ganzen Mist, den die Regierung verzapft hat und so weiter.
Aber das ist doch kein neues Phänomen. Guck mal hier in die Archive, was ich vor 15 Jahren an Shitstorms dafür erhalten habe, als ich vorschlug, einmal im Monat einen rauchfreien Abend im Kir zu haben.
Zitat von: RaoulDuke am 23 Februar 2022, 11:03:28Ansonsten ging es mir es darum, dass der Mechanismus "sei nicht scheisse, sonst holt Dich der Mob" nicht funktioniert, gar furchtbare, grausame Folgen haben kann.1. "Sei nicht scheiße, sonst holt dich der Mob" ist etwas anderes als "Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht", das ist zumindest erstmal der Teil mit der Mengenlehre/Logik. 2. "Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht, der sich aus lobenswertem Grund oder Anlass als Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik gebildet hat" ist nochmal was anders, und das war meine Aussage. Zitat von: RaoulDuke am 23 Februar 2022, 11:03:28Das halte ich gar nicht für derailing, sondern vielmehr für "well reflected and fluenty expressed analysis with touches of brilliance", sogenanntes WRAFEA-WTOBing. Naja, nur von mir so genannt. Aber ich mag das Wort. Kein Derailing, natürlich nicht, wie ich bereits ausdrücken wollte, ich halte nicht viel vom Vorwurf des Derailings und bezweifle, dass es das überhaupt gibt, zumindest in der Ausprägung und Häufigkeit, wie es Menschen vorgeworfen wird, nur der Zusammenhang zu aufgebrachten Mobs ließ mich, innerlich etwas drüber lachend, daran denken. Ansonsten hab ich über deine Wortneuschöpfung geschmunzelt, halte sie aber nicht für zutreffend. Im Moment bist du bei einer sehr selektiven radikal-überspitzenden Bewertung gesellschaftlicher Vorgänge, die sich aus deinem persönlichen Standpunkt ergibt. Zitat von: RaoulDuke am 23 Februar 2022, 11:03:28Beginnend führte ich ja aus, dass es eine Reihe von Motiven für das Anheizen eines Empörungsmobs gegen Joe Rogan geben könnte, [...]Hilf mir mal bitte, ich finde die Stelle nicht, an der du genau das getan hast.
... und es gibt auch genug Leute, die du persönlich doof findest, die sich dadurch inspirierr, motiviert und angespornt fühlen, genau die gleichen Mittel einzusetzen.
"..."Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht, der sich aus lobenswertem Grund oder Anlass als Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik gebildet hat" ist nochmal was anders, und das war meine Aussage."noch eher unüberzeugt.
... das ist das zweite: ein Mob agiert per Definition nicht rational und auf Basis von Fakten, sonst wäre er nämlich kein Mob. Ein Mob ist eine aufgebrachte Menge, die sich von ihren Gefühlen leiten lässt. ...