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Thüringen-Wahl: "Fragwürdiges Demokratie-Verständnis"

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Jack_N:
Um es mal anders zu formulieren: Mehrere Jahrzehnte lang haben neo-nazistische Parteien in Deutschland ewig mit dem Feuer zwischen Verfassungsschutzbeobachtung und komplettem Verbot gespielt. Dabei haben sie sich aber die meiste Zeit relativ dümmlich angestellt und selbst demontiert (der DVU-Skandal als der Parteivorstand im Schwulenclub erwischt wurde), dass sie außer für sich selbst keine wirklich große Gefahr darstellten - zumindest in den alten Bundesländern. Geschichtlich wurden die Leute in den ab 1989 wieder eingegliederten Ländern offenbar nie so richtig abgeholt, was da 40 Jahre früher eigentlich so alles total schief gelaufen ist. Resultat waren zwei Generationen die entweder nur darüber gemotzt haben dass sie besetzt wurden oder aber dass nach der Wiedervereinigung ihnen auf einmal niemand mehr sagte wo es langging und die Brötchen nicht mehr 5 Pfennig kosteten.
Lange Zeit war das aber noch kein allzu fruchtbarer Nährboden für rechtsextreme Taten (wobei... Mölln 1992, schaut einfach nach wo der Ort liegt - das war dann nur 3 Jahre nach der Wende).
Zudem hatte der Rest von Deutschland dank Wirtschaftswunder-Gastarbeitern ein ganz anderes Verhältnis zu ausländischen Mitbürgern - sie waren halt einfach "da". Und viele sind, wenn es ihnen möglich war, geblieben.
Aber in einer Hälfte von Deutschland war man ja schon jahrzehntelang gewohnt, dass man nicht offen sagen durfte, was man dachte. Oder sehr vorsichtig sein musste wem gegenüber man sich wie äußerte. Ein fruchtbarer Nährboden für Ressentiments im Verborgenen.
Und jetzt auf einmal kommt da eine Partei, die inhaltlich gegen die anderen etablierten Parteien angeht. Und Dinge sagt, die vielen Leuten ein Dorn im Auge sind.
Da waren dann ein paar Politiker sehr fix dabei auf deren Zug aufzuspringen, allerdings haben sie die Inhalte des Parteibuchs sehr schnell um eigene bereichert. Und mit fantastischen Unwahrheiten und Geschichtsverdrehungen und Verharmlosungen ergänzt. Dem damaligen Parteivorstand kann man nur vorwerfen, dass hier nicht konsequent gehandelt wurde bis die Kuckukseier ausgebrütet waren. Dann war es zu spät, im Versuch das Ganze einzudämmen wurde der fette Vogel gefüttert, bis er all seine ehemaligen Nestgenossen verdrängt hat und nur sein eigenes Lied krakeelt.

Was wir jetzt haben sind die gefährlichsten alles Nazis, diejenigen mit einem Plan und einer Machtbasis. Was den bisherigen neo-nazistischen Parteien mit ihren mundatmenden Wählern verwehrt blieb, das stellt sich jetzt bei der AfD ein: "Dank" ihres Starts mit bürgerlichen Forderungen gibt es genügend Leute die es besser wissen MÜSSEN, die ihr dennoch die Treue halten. Zudem gibt es unglaublich viele Hohlbrote die das Parteiprogramm so sehr lesen wie die Deutschen in den 30ern Mein Kampf, und daher nicht verstehen, dass ein Großteil des Parteiprogramms - sollte es so durchgesetzt werden - sich in keinster Weise positiv für ihren Unterschichten-Status auswirken wird.

Was diese Menschen antreibt ist der Gedanke dass sie unter der hellblauen Fahne eine Aufwertung erleben, denn dann sind sie ja mehr wert als die Ausländer, die dann hochoffiziell aus Deutschland verjagt werden (kein Witz, so denken leider wirklich einige Wähler des Ladens :( ).

Anstatt diesen Bürgern in den letzten 30 Jahren aber mal Alternativen und Perspektiven anzubieten hat man sie immer wieder, wenn auch subtil, spüren lassen, dass sie der Politik egal sind. Gleichzeitig wurde vielen keinerlei Bewusstssein eingeimpft, dass man für Leistung (vom Staat) auch selbst eine Gegenleistung (Arbeit bzw. Steuer) erbringen muss, sonst kann das Ganze nicht funktionieren. Diejenigen, die das kapiert haben, sind weggezogen, der Arbeit nach (wenn es notwendig war). Der Rest ist geblieben und schimpft weiter.

Meine Perspektiven sind sicherlich auch nicht vollumfassend und vollkommen korrekt. Sie sind geprägt durch Verwandschaft, die in den letzten Jahren vor dem Mauerfall die Flucht gewagt hat, sowie Freunde, Studien- und Arbeitskollegen aus Gesamtdeutschland. Ich habe an einigen von ihnen selbst gesehen wie leicht man in gewisse Kreise abrutschen kann ohne sich dessen bewusst zu sein, und wie schwer es einem fallen kann wenn geliebte Menschen da involviert sind, seinen moralischen Kompass beizubehalten und nicht vor die Hunde zu gehen.

Ich hoffe, dass wie als Deutsche es langfristig besser machen als die Amis grad, und nicht weiter in Lager zerfallen die sich gegenseitig zerfleischen, sondern uns zuhören. Nicht laut aufeinander einbrüllen, sondern ruhig hören, wo die Ängste, wo die Bedürfnisse, die Hoffnungen der anderen Mitbürger liegen. Und auf dieser Basis einen gemeinsamen Konsens finden mit dem dieses Land in die Zukunft steuern kann.

Durch das Umherwerfen von Schimpfwörtern und das Aufkleben von Etiketten, um Leute in Schubladen zu stecken und zu stigmatisieren, kann das aber nicht klappen.

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