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Autor Thema: Siechenland?  (Gelesen 4921 mal)

colourize

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Siechenland?
« am: 13 Juli 2015, 21:36:02 »

Inzwischen bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich mir eingestehen muss bei diesem Grexit-Thema schlichtweg nicht mehr folgen zu können.

1.) Debitorseite: Da werden den Griechen vor zwei Wochen seitens der Geldgeber irrwitzige Reform- und Sparauflagen gemacht, die zu erfüllen sind wenn sie weiterhin im Euro bleiben wollen. Daraufhin führen die Griechen ein Referendum durch, ob die Euro-Mitgliedschaft so teuer erkauft werden sollte. Ergebnis: Die Mehrheit spricht sich (auf die Empfehlung von Syriza hin) für eine Ablehnung der Sparauflagen aus. Die absurde Folge: Tsipras verhandelt mit der EU und einigt sich auf das Ergebnis, dass Griechenland im Euro bleibt - nur zu noch weitreichenderen Reform- und Sparauflagen als zuvor vorgeschlagen. Häh?

2.) Kreditorseite: Die EU gewährt einem bereits jetzt hoffnungslos überschuldeten Staat weitere Kredite. Dabei müssen doch alle Kreditgeber wissen, dass die Schulden nie nie nie zurückgezahlt werden können, da die Wirtschaftsleistung des Landes das - ganz gleich welche Reformen umgesetzt werden - niemals hergibt. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, wird vorgeschlagen, dass Griechenland Staatseigentum im Wert von (angeblich) 50 Milliarden Euro privatisiert. Dabei ist allen klar, dass die betreffenden Infrastrukturen niemals so viel wert sind - und selbst wenn sie es wären, scheint es mir nicht all zu schlau zu sein, die wenigen Infrastrukturen wie Häfen bzw. Flughäfen zu verkaufen mit denen sich Gewinne erwirtschaften lassen. Wie kann man zu so einen Murks zustimmen?

Und als wenn das noch nicht genug wäre: Auch nach dieser Einigung werden die Banken nicht wieder öffnen können. Mal ehrlich: würdet ihr in der jetzigen Situation Euer Erspartes einer griechischen Bank überlassen? Es würde im Falle einer Wiedereröffnung der Banken in jedem Fall zu einem Bank-Run kommen. Wenn die Banken folglich also nicht wieder öffnen können (und aus dem gleichen Grund die Kapitalverkehrskontrollen nicht abgeschafft werden können), wird der letzte Rest der griechischen Wirtschaft den Bach runtergehen, da in Kürze allen das Bargeld ausgehen wird und niemand einen müden Euro in das Land investieren wird. Hat ja vorher schon keiner getan - aber jetzt!? Never.
Und diesen Umstand müssen die Entscheidungsträger doch sehen. Aber niemand scheint irgendeine Idee zu haben, wie man damit umgehen soll...

Was für ein Riesenmurks. :(
Trügt mich mein Eindruck oder entbehren die aktuellen Entwicklungen wirklich jeder Rationalität?

« Letzte Änderung: 13 Juli 2015, 21:52:30 von colourize »
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Eisbär

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Antw:Siechenland?
« Antwort #1 am: 14 Juli 2015, 03:12:16 »

Wir bräuchten einen griechischen Marshall-Plan, verbunden mit einem Schuldenschnitt.

Aber: Reformen müssen auch sein. Zu allererst bräuchte Griechenland mal vernünftige Finanzämter mit funktionierender Verwaltung. Damit auch mal Geld rein kommt. Und das am besten so, dass nicht wieder nur die Armen alles bezahlen.
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Antw:Siechenland?
« Antwort #2 am: 14 Juli 2015, 06:43:37 »

Wieso? Alles läuft doch wie am Schnürchen. ;D
Die Erdölfelder von Griechenland gibt es bald für ein Appel und ein Ei 8)
Sogar for free ... wenn dort endlich der Bürgerkrieg ausbricht und wir das arme Land vor dem bösen Russen retten müssen.
Also mit "wir" meine ich jetzt nicht "uns" ... das ist ein anderes "wir" XD
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Antw:Siechenland?
« Antwort #3 am: 14 Juli 2015, 07:55:35 »

Ich hab das Gefühl, es geht längst nicht mehr darum, Griechenland zu retten, sondern nur noch um Unterwerfung. Wie Tsipras einer "Einigung" zustimmen kann, in deren Rahmen er sein halbes Land privatisieren lassen muss, damit es Teil einer äußerst zweifelhaften Währungsunion bleiben darf, ist mir absolut unverständlich, außer er war nie wirklich Grieche. Das kann es doch wirklich nicht wert sein.

1.) Debitorseite: Da werden den Griechen vor zwei Wochen seitens der Geldgeber irrwitzige Reform- und Sparauflagen gemacht, die zu erfüllen sind wenn sie weiterhin im Euro bleiben wollen. Daraufhin führen die Griechen ein Referendum durch, ob die Euro-Mitgliedschaft so teuer erkauft werden sollte. Ergebnis: Die Mehrheit spricht sich (auf die Empfehlung von Syriza hin) für eine Ablehnung der Sparauflagen aus. Die absurde Folge: Tsipras verhandelt mit der EU und einigt sich auf das Ergebnis, dass Griechenland im Euro bleibt - nur zu noch weitreichenderen Reform- und Sparauflagen als zuvor vorgeschlagen. Häh?

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Antw:Siechenland?
« Antwort #4 am: 14 Juli 2015, 18:59:16 »

Ich habe so gut wie keine Ahnung von Wirtschaft, versuche es aber mit einfacher Bauernschläue:

Z. B wenn eine natürliche Person  sich überschuldet und ständig immer wieder immer mit neuen Forderungen und Sanktionen belegt wird, dann kommt er nie auf die Beine: er bezahlt eine Rate und ist schon mit anderen im Verzug, Neustart gelingt mangels Mittel nicht mehr  (z. B kein Geld für die Bewerbungen) u.s.w. Eine Download Spirale, Irgendwann landet dieser arme Kerl bei "Alimaus"
Deswegen kam man auch hierzulande auf die Idee mit Privatinsolvenz.

Und so ein Schuldenschnitt braucht auch Griechenland und einen Marshall-Plan dazu (wie Eisbär das schon erwähnt hat). Sonst sehe ich schwarz, die einzige die sich retten, sind die Banken. Und die Griechenland wird ausbluten, die Stärkeren wandern aus, der Rest wird vegetieren auf dem Dritten-Welt-Niveau.

Aber die Mehrheit hat eh schon ihre Meinung aufgrund von "tiefgründigen Berichten" von BLÖD-Zeitung geBILDet und denkt: "Die Griechen sind selbst schuld, sie sind faul und arbeitsscheu".
Uberhaupt dieser unrühmliche Boulevardzeitung, wenn ich schon die grosse Überschriften über Griechenland sehe, dann könnte ich echt nur noch kotzen. Die hetzen ja fast wie "Der Stürmer" und das schlimmste ist: einige Dummbratzen glauben das noch und betreiben fleißig den Griechen-Bashing. "Iss nicht bei Juden Griechen"
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« Letzte Änderung: 14 Juli 2015, 20:16:57 von Black Russian »
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colourize

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Antw:Siechenland?
« Antwort #5 am: 14 Juli 2015, 22:26:02 »

@Eisbär: Zustimmung zum Thema Schuldenschnitt meinerseits. Ohne den wird garnichts gehen. Was die Reformen betrifft: Das geht nicht von heute auf morgen. Dem Land fehlen Arbeitsplätze und ein Sozialversicherungssystem. Derzeit leben dort ganze Großfamilien von Opas schmaler Rente. Daher ist das Gerede hinsichtlich Rentenkürzungen auch absurd. Ein Sozialversicherungssystem nach deutschem Vorbild wäre viel viel teurer als die bestehende (zugegeben: miese) Struktur.

@Schattenwurf: Von welchen Ölfeldern ist die Rede? - siehe hier. Selbst im allergünstigsten Fall wäre das ja ein (Öl-)Tropfen auf den heißen Stein.

@CC & Black Russian: ACK
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Eisbär

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Antw:Siechenland?
« Antwort #6 am: 14 Juli 2015, 22:41:31 »

@Eisbär: Zustimmung zum Thema Schuldenschnitt meinerseits. Ohne den wird garnichts gehen. Was die Reformen betrifft: Das geht nicht von heute auf morgen. Dem Land fehlen Arbeitsplätze und ein Sozialversicherungssystem.
Ja... aber noch dringender fehlt ein funktionierendes Finanzamt. tatsächlich läuft es momentan durch alle Bevölkerungsschichten so, dass man eben die Steuern bezahlt, auf die man Lust hat. Gerade so viel, dass keiner auf die Idee kommt, mal genauer nachzuschauen.
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colourize

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Antw:Siechenland?
« Antwort #7 am: 14 Juli 2015, 23:13:32 »

@Eisbär: Zustimmung zum Thema Schuldenschnitt meinerseits. Ohne den wird garnichts gehen. Was die Reformen betrifft: Das geht nicht von heute auf morgen. Dem Land fehlen Arbeitsplätze und ein Sozialversicherungssystem.
Ja... aber noch dringender fehlt ein funktionierendes Finanzamt. tatsächlich läuft es momentan durch alle Bevölkerungsschichten so, dass man eben die Steuern bezahlt, auf die man Lust hat. Gerade so viel, dass keiner auf die Idee kommt, mal genauer nachzuschauen.
Mag ja sein, aber auch das ist nicht von heute auf morgen lösbar. Schlüsselstelle ist nämlich die Steuermoral. Aus Deutschland wissen wir, dass nur die Arbeitnehmer Steuer zahlen *müssen*. Ob die Selbstständigen und diejenigen, die von Kapitalerträgen leben (Rentenkapitalisten), Steuern zahlen - bzw. wie viel - das hängt maßgeblich von deren Bereitschaft ab, die Steuern nicht zu hinterziehen. In einem Bananenstaat wie Griechenland ist das noch viel heftiger.
Jedenfalls kann ich nur lachen, wenn ich Meldungen wie sie heute verlautbar wurden lese: "So soll die Mehrwertsteuer für Gastronomiebetriebe von derzeit 13 auf 23 Prozent angehoben werden." (Quelle) Ich war etliche male im Urlaub in Griechenland, und zwar in sehr verschiedenen Teilen des Landes. Ich war oft in Tavernen und Restaurants dort. Und ich kann mich nicht erinnern, *jemals* einen Rechnungs-Bon bzw. eine Quittung in einem Gastro-Betrieb erhalten zu haben. Da kommt der Wirt mit nem Schreibblock an Deinen Tisch, wenn Du zahlen willst. Sprich: Keine Registrierkasse = alles schwarz. Was der bei der Steuer angibt, das ist ganz allein sein Ding.
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RaoulDuke

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Antw:Siechenland?
« Antwort #8 am: 17 Juli 2015, 00:56:41 »

Ich bin noch am überlegen, was ich eigentlich davon halte.

Ich glaube, es läuft aus so etwas ein Demokratieversagen und ein Versagen der Institutionen hinaus.

Meine Analyse der wirtschaftlichen Folgen ist noch nicht ganz zu Ende gedacht, sobald sie das aber ist, teile ich sie gern. Der Zwischenstand sieht so aus:

- Griechenland ist weiter auf dem Weg in eine nicht endende Abwärtsspirale. Das Sozialprodukt wird auf absehbare Zeit weiter sinken, möglicherweise bis zum Zusammenbruche der Versorgung und der Disfunktionalität nahezu aller staatlichen Institutionen.

- Deutschland und andere Staaten profitieren mittelfristig, solange der Zugewinn an Sozialprodukt durch künstlich niedrige Wechselkurse Euro zu Dollar die Hilfszahlungen übersteigt (die kann man ja auch durch höhere Steuern auf Einkommen an die Arbeitnehmer abwälzen)

- Langfristig entsteht durch das dauerhafte Niedrigzinsumfeld eine deutliche Überkapazität im produzierenden Sektor und eine Blasenbildung in "Real Assets", also Immobilien, Aktien usw.

- Langfristig verlieren die Institutionend er Europäischen Union ihre Legitimation, nachdem Demokratie dort jetzt schon klein geschrieben wird.

Mit etwas Pech platzt die Preisblase in dem Moment, in der die Europäische Union institutionell nicht mehr handlungsfähig ist, während wegen der Nullzinspolitik die Geldpolitik ihre Wirkung verliert und wegen der hohen Staatsverschuldung die Fiskalpolitik ebenfalls nicht mehr wirksam ist. Damit steuern wir letztlich auf eine Lage wie zu Beginn der großen Depression zu. Die Folgen eines Zusammenbruchs internationaler Institutionen mit Wirtschaftskrise, kombiniert mit zunehmenden nationalistischen Ressentiments, kennen wir nur allzu gut hier in Europa. Werden wir irgendwann einmal gegen Griechenland Krieg führen? Ich glaube, das ist zumindest nicht ausgeschlossen.

Meine einzige Hoffnung ist, dass der technische Fortschritt sich beschleunigt und durch Effizienzgewinne die "Produktionsmöglichkeitskurve" verschoben wird und wir durch den dadurch steigenden Wohlstand nicht ganz so hart auf die Nase fallen wie ohne. Einen Teil dieses Effektes kann man auch bereits beobachten, da zum einen zwar die Inhaber des Produktionskapitals im Vergleich zu Arbeitern überproportional von der Automatisierung profitieren, andererseits wir jedoch alle an der "Automatisiertungsdividende" durch niedrigere Preise bzw. das Ausbleiben von Inflation partizipieren.

Diese Gedanken gibt es auch noch irgendwann einmal "sortiert" zu lesen, aber das Sortieren kostet noch etwas Zeit.
« Letzte Änderung: 17 Juli 2015, 07:26:45 von RaoulDuke »
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Schattenwurf

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Antw:Siechenland?
« Antwort #9 am: 17 Juli 2015, 17:56:35 »

@Schattenwurf: Von welchen Ölfeldern ist die Rede? - siehe hier. Selbst im allergünstigsten Fall wäre das ja ein (Öl-)Tropfen auf den heißen Stein.
Wie gross die sind werden wir erst wissen,
wenn man reingepickt hat und der letzte Tropfen aus dem Hahn läuft. isthaltso *schulterzuck*
Aber Kaffeesatzlesen macht auch spass ... hier bitte
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« Antwort #10 am: 17 Juli 2015, 21:53:12 »

Es geht ja jetzt so: Einer macht Schulden und alle zusammen müssen sie zurückzahlen. Das ist so, als ob ich einen Fernseher kaufe und meine Nachbarn sich an der Rechnung beteiligen müssen...

Wir haben uns jetzt implizit verpflichtet, auch ohne dass unser Volk es will allen andern Ländern, die in der Bredouille stecken, Geld zu leihen, auch wenn sich die anderen, hier das griechische Volk, das gar nicht wollen. Wir machen das auch, wenn es niemals zu einer Rückzahlung kommen kann und wir die anderen und uns selbst nur immer tiefer in den Morast fahren. Das tun wir selbst dann, wenn wir uns von einer extremistischen Partei vorführen und beschimpfen lassen.

Der Spaß geht aber eigentlich erst richtig los, wenn so langsam durchsickert, dass Italien der nächste Pleitekandidat ist....

Wir leben in spannenden Zeiten!
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« Antwort #11 am: 17 Juli 2015, 22:14:00 »

Wir leben in spannenden Zeiten!

"Mögest du in interessanten Zeiten leben", wie die Chinesen angeblich zu jemandem zu sagen pflegen, den sie nicht mögen. Das einzig Positive daran ist: vielleicht geht diese kaputte Welt jetzt endlich unter und danach kommt etwas Vernünftigeres. Und wir singen im Atomschutzbunker.. *sing*
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Antw:Siechenland?
« Antwort #12 am: 17 Juli 2015, 23:53:15 »

Naja RaoulDuke das ist etwas kurz gehüpft *find*
Es ist ja nunmal so das wir ein massiven Exportüberschuss haben jedes Jahr ... und Jahr für Jahr ...
2014 waren es *moment google* ...
"Deutschland hat 2014 mit einem neuen Rekordwert den größten Exportüberschuss aller Länder erzielt.
Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts für die Nachrichtenagentur Reuters weist die sogenannte Leistungsbilanz ein Plus von 285 Milliarden Dollar auf."
...
jede Statistik ist natürlich geschönt etc. aber es geht nicht um die Zahl ... sondern um den reinen Fakt ...
wir exportieren weit mehr als wir importieren.

Die Differenz bekommen wir in?
Bekämen wir dafür Waren, wären das Importe und die Bilanz wäre ausgeglichen.
So ist es aber nicht. Wir bekommen ... Schuldscheinen ... ganz einfach. :>
Bleibt unsere Bilanz immer auf der Exportseite höher, bekommen wir nichts zurück, sondern stapeln vielmehr die Schuldscheine im Tresor.

Du kannst mal schauen wer Importweltmeister ist ... das könnte man dann auch Tributzahlungen nennen.
Aber das klingt zu sehr nach römischen Reich XD Faktisch ist es aber genau das. :D

Auch hinkt deine Analogie schon bei "Einer macht Schulden ... zurückzahlen"
Wer macht wo Schulden? ... und was passiert, wenn sie tatsächlich getilgt werden? :>

"Das ist so, als ob ich einen Fernseher kaufe und meine Nachbarn sich an der Rechnung beteiligen müssen..."
Können die in Hamburg und die Bewohner südlicher Bundesländer ein Lied von singen ...
Berlin kauft sich einen Fernseher ... ähhh Flughafen ... die anderen Zahlen ...
so ist das nunmal in einem gemeinsamen Währungsraum.
Das ist aber nichts neues ... das war schon bei Euroeinführung klar das es darauf hinauslaufen wird.
Dir nicht? Schade ... man darf dem Kohl nicht alles glauben. ;)
Blühende Landschaften ... und wird schon nichts extra kosten ... *lach*
wobei man darüber wenig findet, wenn man nach Zitaten von Kohl zu Zeiten der Wiedervereinigung sucht.

Der Euro ist wirtschaftlich für Deutschland ein mittelschweres Desaster ...
wobei man hier natürlich trennen muss ... deutsche Arbeitnehmer sind anders betroffen als zb. Kapitaleigner usw.
Der einzige sinnhafte Grund eine gemeinsame Währung zu haben ist tatsächlich das es die Länder verflechtet,
und alleine dadurch für mehr Stabilität und Zusammenhalt sorgt.
Natürlich doof wenn man diesen/den einzigen positiven Punkt dadurch negiert,
weil man als hoher Politiker von Grexit fasselt. ::)
« Letzte Änderung: 17 Juli 2015, 23:55:04 von Schattenwurf »
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Antw:Siechenland?
« Antwort #13 am: 04 August 2015, 23:09:40 »

Also wenn man nicht mehr wirklich weiter weiss und einen die graue Theorie verlässt, hilft nur eines: Die Praxis.

Was den Fall Griechenland angeht, habe ich mich doch einfach mal für eine Inaugenscheinnahme entschieden. Also eigentlich war das Ziel meiner Reise der letzten Woche dorthin nicht, empirische Forschung zum Thema Politik und Gesellschaft zu machen. Aber es bietet sich als Nebenbeschäftigung an, wenn man an wunderbaren Stränden im himmelblauen Mittelmeer schwimmen geht, mit einem kräftigen Motorroller Land, Leute und natürlich Restaurants abgrast und das alles noch mit einer äußerst diskussionsfreudigen Begleiterin.

Wohin die Reise für das Land politisch geht, kann ich immer noch nicht sagen. Ich könnte hier jetzt viel spekulieren, warum das so ist - über Demokratieversagen, ein Versagen der Europäischen Institutionen oder darüber, wie sinnvoll es ist, sich selbst zum Sklaven unveränderbarer Verträge zu machen, so wie es 1914 mit der bedingungslosen Bündnistreue zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland schon einmal der Fall war.

Das lasse ich aber, denn darüber habe ich keinerlei Erkenntnisse gewonnen. Worüber ich aber Erkenntnisse gewonnen habe, ist das griechische Volk. Den zahlreichen Bauruinen, die überall herumstehen, und den zahllosen abgemeldeten Autos am Straßenrand zum Trotz - die Griechen sind ein sehr fröhliches und gut gelauntes Volk. Vermutlich haben die einfach so lange Krisenlage durch, es wird einfach weitergelebt. Und das könnte hier der Schlüssel sein - das Leben findet statt, während man andere Pläne macht, heisst es, und in den zahllosen Hotels, den fantastischen Restaurants, den Märkten und den Stränden geht das Leben einfach weiter. Naja, nicht einfach nur so - mit einer betonten Fröhlichkeit den widrigen Umständen zum Trotz, und ohne diese zu ignorieren. Ein Beispiel: Egal, was man kauft, ob es ein Essen in einem Restaurant ist, Brot und Aufschnitt im Supermarkt oder eine Dose Cola für 50 Cent, man bekommt IMMER einer Quittung mit Steuer-ID und ausgewiesener Umsatzsteuer in die Hand gedrückt, ob man will oder nicht. Wenn man nicht will, laufen die Verkäufer sogar hinter einem her, aus dem Laden raus. Offenkundig nimmt man es nun sehr ernst mit den Steuern, bei wirklich keinem Kauf verzichtete man auf die Quittung. Aber alles mit einem Lächeln. Die Straßen sind alt und kaputt? Man lächelt, lässt einander vor, und wenn einer mal einen Fahrfehler macht, ist das alles halb so schlimm - während die Deutschen drängeln und rasen bis zum Endsieg. Es war alles irgendwie entschleunigt, und von der Politik total entkoppelt. In einem einsamen Bergdorf fragte ein mürrisch guckender Mann, aus welchem Land wir kämen. Ich antwortete, wir kämen aus Deutschland - er lächelte und sagte, dass in diesem Jahr viele Deutsche dort seien. Ich sagte, das sei schön, und er nickte.

Und so wird es auch weitergehen - diese ganze "hohe Politik"-Debatte ist irgendwie esoterisch. Ob Euro oder Drachme, ob Tsipras oder Varoufakis oder sonstwer: Die ganze hohe Politik wird von vielen Leuten einfach beharrlich ignoriert. Und dann werden weiter die Touristen betüdelt, die Fähren gefahren, die Fabriken betrieben und die Straßen geteert. Und schließlich bestehen ja "die Industrie", "die Wirtschaft" oder "die Tourismusbranche" aus genau diesen Menschen, die weitermachen wie bisher und nach Jahren der Dauerkrisen eine absolute Unerschütterlichkeit an den Tag legen. Der ganze Kram mit den Regierungen ist einfach egal. Ich drücke Griechenland die Daumen, dass nicht irgendwelche Fanatiker das ultra-entspannte griechische Gemüt aus dem Gleichgewicht bringen.

Und eine Anekdote am Rande: Die Kriminalität ist so niedrig, dass die Leute Schlüssel von Autos und Rollern oft einfach stecken lassen, mit Türen und Fenstern auf, denn es ist ja warm.
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