In Deutschland, wo alles rechts der CDU/CSU medial stigmatisiert und mit dem Rechtsextremismus in Verbindung gebracht wird, zieht eine gemäßigte Partei auch die radikalen an. Man kann in Umfragen sehen, dass die Sympathisanten der AfD auch in Wertefragen sehr weit rechts stehen.
In einer politischen Verortung, die nur links oder rechts kennt, muss ja alles, was nicht links ist, rechts sein - und schon werden auch Wähler vom rechten Rand angezogen und färben den Kurs einer Bewegung oder Partei so, dass das Ganze zur self fulfilling prophecy wird...
Ob es der AfD wohl möglich sein wird, dem Teufelskreis zu entkommen? Vielleicht bin ich ja allein mit dieser Ansicht, aber es müsste doch möglich sein, gegen einen weiteren Ausbau der Europäischen Union zu einem allmächtigen Superstaat zu sein, ohne dass man damit automatisch verdächtig erscheinen muss, an die Überlegenheit der Arier gegenüber diesen furchtbaren Untermenschen zu glauben, die im Moment noch den neuen Lebensraum im Osten bevölkern?
ZitatIn einer politischen Verortung, die nur links oder rechts kennt, muss ja alles, was nicht links ist, rechts sein - und schon werden auch Wähler vom rechten Rand angezogen und färben den Kurs einer Bewegung oder Partei so, dass das Ganze zur self fulfilling prophecy wird...Die AfD ist ökonomisch definitiv liberal und gesellschaftspolitisch konservativ (klassisches Familienbild, Skepsis gegenüber Homoehe etc.). Aber ihr eigentliches Anliegen war der Euro. Nicht umsonst gibt es in der AfD eine ganze Menge Querelen, weil sie eben auch sehr viele sehr, sehr konservative Personen und Netzwrke beherbergt, bspw. um Beatrix von Storch. Vor einigen Wochen haben liberale Vertreter gedroht, die AfD zu verlassen. Da ist einiges in Bewegung.
Es ist nicht automatisch "rechts", gegen die EU zu sein. Ein Erfolg der AfD liegt nach meiner Wahrnehmung darin, dass sie erfolgreich suggeriert, dass Leute, die das Demokratiedefizit der EU bemängeln, stigmatisiert würden.
Das ist auch typisch für populistische Parteien: Sie tun so, als gäbe es ein Tabu, um es dann zu brechen.
Die Frage ist m.E., von welcher Position aus man die EU kritisiert. Rechte EU-Ablehner präferieren den Nationalstaat, auch zum Preis des Friedens - wie bspw. der Front National, der die EU abschaffen will. Linke würden die die europäische Integration (d.i. die Verlagerung der Gesetzgebung auf EU-Ebene) befürworten, aber das Demokratiedefizit v.a. darin sehen, welche Kompetenzen das Europäische Parlament gegenüber der Kommission hat. Und zwischen den beiden Polen gibt es natürlich noch ne ganze Menge Schattierungen. Aber dass EU-Kritiker/-Skeptiker etc. stigmatisiert würden, das hätten manche Kreise gerne, weil sie dann so tun können, als sagten sie, was "das Volk" denke
Suggestion oder Aussprechen unangenehmer Wahrheiten? You decide.
In der Umkehrung kann mit exakt dieser Argumentation dann Parteien, die Tabus brechen, Populismus unterstellt werden. Es lebe also der Status Quo?
Dass AfD und stärker noch UKIP so einflussreich werden, ist vielleicht ein Warnschuß - und vielleicht hat das Volk angesichts der stetig neuen Krisen die Gelegenheit zu erkennen, ob es Demokratie oder Demokratur gegenüber steht. Aber da muss sich wohl jeder seine Meinung bilden.
ZitatSuggestion oder Aussprechen unangenehmer Wahrheiten? You decide. Ersteres. Europakritik war nie stigmatisiert. Was die AfD hier macht, ist ein ganz typisches Muster populistischer Parteien, wie gesagt: 1. Erklären, dass es ein Tabu gäbe. 2. Schuldige benennen, die diese Tabu aufrecht erhalten (meist "die Politiker"). 3. Sich selbst zum Tabubrecher stilisieren.
ZitatDass AfD und stärker noch UKIP so einflussreich werden, ist vielleicht ein Warnschuß - und vielleicht hat das Volk angesichts der stetig neuen Krisen die Gelegenheit zu erkennen, ob es Demokratie oder Demokratur gegenüber steht. Aber da muss sich wohl jeder seine Meinung bilden. "Das Volk" gibt es nicht Und einen "Volkswillen" erst recht nicht - jedenfalls nicht in Form dieses volonté générale, den du hier aufmachst. Wie soll der denn ermittelt werden? Wie soll der sich denn Ausdruck verleihen, außer in mehr oder minder zufällig zu Mehrheiten führenden Wahlergebnissen? Und "Demokratie oder Demokratur" ist m.E. eine Worthülse. Was ist denn der Unterschied zwischen beiden?
Es gibt Menschen, die sehen in dieser Entwicklung den sich ausbreitenden Sog eines bürokratischen Molochs, der fatal an die Sowjetunion erinnert. Weiter oben verwies ich darauf - wir wissen ja wirklich nicht, ob das Ergebnis nicht doch eine nicht enden wollende Ekstase ist. Es muss aber möglich sein, das zu hinterfragen, ohne ein Nationalist zu sein. Daher: Chapeau, AfD - man mag von ihr halten, was man will, aber diese Debatte wurde mit ihr in Deutschland salonfähig.