Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Gruppenbildungsprozesse  (Gelesen 8626 mal)

colourize

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Gruppenbildungsprozesse
« am: 25 Januar 2005, 21:53:24 »

Der Rahmen
Anlehnend an den "Warum ist man in diesem Forum?"-Thread sind mir ein paar Gedanken gekommen, die ich hier gerne diskutieren würde..

Subkulturen (wie die "Schwarze Szene") einerseits und Internet-Communities andererseits scheinen eine Gemeinsamkeit zu haben: Beides sind "soziale Räume", in denen Gruppenbildung stattfindet. Gruppen stiften Identität, und Identität ist maßgeblich für das menschliche Leben in Gemeinschaften. Wir alle suchen uns "Andockstationen", Menschen die uns irgendwie ähnlich sind, und Menschen die uns spiegeln. Und diese Suche macht eben auch nicht im Internet halt...


Das Gegenargument
Klar: vermutlich werden mir jetzt Viele entgegnen, dass das Forum für sie nicht identitätsstiftend sei, sondern man ja auch noch ein Real Life habe. Aber eigentlich ist ja die "Schwarze Szene" ebensowenig identitätsstifend, und überhaupt sind wir ja alle Individuen... Wenn wir mal diesen Teil des Selbstbetruges ausblenden, bleibt festzustellen, dass
a) auf Schwarzen Parties ein "harter Kern" von Stammgästen zu verzeichnen ist
b) dieses Forum eine Menge Stammposter hat.

(Natürlich sind die beiden Gruppen nicht deckungsgleich.)

Zu behaupten, dass kein Mitglied einer der beiden Gruppen aus seiner Gruppenzugehörigkeit bzw. Assoziation mit einer der Gruppen auch nur einen Teil seiner Identität bezieht, halte ich für Selbstbetrug.


Das Problem(?)
Natürlich ist die Schwarze Szene genau wie dieses Forum hier inhomogen, hinsichtlich vielerlei Merkmale. Tortzdem scheint es aber soziale Gruppenschließungsprozesse zu geben, die bestimmte Leute ein- und andere Leute ausschließen.
Diese "Techniken der sozialen Schließung" funktionieren auf vielerlei Ebenen, einige sind scheinbar intendiert, andere nicht.

Erstens gibt es hier ganz offensichtlich so was wie Mobbing: Durch eine "Alle gegen Einen"-Taktik werden Individuen ausgeschlossen, was die Gruppenkohärenz nach innen festigt, und die Grenzen nach außen kommuniziert.

Zweitens gibt es so etwas wie die Konstruktion von Gruppengrenzen, die von Außen kommen. In einigen Postings ist so etwas zu lesen wie "Ihr..", was ja nicht Individuen denkt, sondern eine gewisse innere Homogenität einer Gruppe voraussetzt.

Drittens gibt es symbolische Techniken, die soziale Nähe kommunizieren: Manche sprechen sich mit real names an, andere dokumentieren Gruppenkohärenz durch die Verwendung gleicher Symbole. 8)


Ja... - und?
Die Frage, die ich mir gerade stelle, ist: Ab welchem Punkt wird dieses Gruppenkuscheln zum Problem?
Gibt es diesen Punkt überhaupt?
Ist die Community irgendwann so kohärent, dass wir eine geschlossene Gesellschaft sind (was ich als nachteilig empfände)? (Andererseits gibt ja auch Foren, die viel stärkeren Wert auf innere Homogenität setzen...)
Oder habe ich einfach nur zu viele Soziologiebücher gelesen?

Wie denkt Ihr darüber?

(Sorry für die wohl zum Teil etwas komplizierte Ausdrucksweise. Ich hoffe es ist dennoch rübergekommen was ich meine. Wenn nicht: fragen.)
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Kortirion

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #1 am: 25 Januar 2005, 21:59:20 »

Ich finde die Ausdrucksweise durchaus verständlich und ziemlich zweckmäßig um ein latentes Phänomen mal relativ objektiv auf den Punkt zu bringen.

Ich teile definitiv zum einen Deine Einschätzungen über das Phänomen als solches und zum anderen Deine Beobachtungen (z.b. Realnamen, Symbole etc.).

Inwieweit das alles wirklich zu problemen führen kann/führen wird/geführt hat, kann ich grade nicht beurteilen.

Jedenfalls ist es ein netter Gedankenanstoss...danke dafür. :)
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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #2 am: 25 Januar 2005, 22:10:56 »

Ich kann mich da Kortirion komplett anschließen.

Aber eine kohärente Community in Form einer geschlossenen Gesellschaft wird es ja nie geben. Es werden immer neue User hereinkommen, die ausgegrenzt werden, weil die Ausgrenzung zur Festigung des Inneren einfach notwendig ist. Es wird dann aber auch immer "Grenzgänger" geben, die mit einigen Neuen sympathisieren und diese dann zumindest ab und zu hereinschauen.
Ich denke, es bleibt, wie es ist.
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toxic_garden

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #3 am: 25 Januar 2005, 22:12:42 »

Zitat von: ".~..RuNa..~."
Es wird dann aber auch immer "Grenzgänger" geben, die mit einigen Neuen sympathisieren und diese dann zumindest ab und zu hereinschauen.


hmm also irgendwie klingt dieser Satz aus deinem Mund (bzw. von deinem Keyboard) merkwürdig. Irgendwie ein bisschen....herablassend.  :?
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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #4 am: 25 Januar 2005, 22:18:31 »

Zitat von: "toxic_garden"
Zitat von: ".~..RuNa..~."
Es wird dann aber auch immer "Grenzgänger" geben, die mit einigen Neuen sympathisieren und diese dann zumindest ab und zu hereinschauen.


hmm also irgendwie klingt dieser Satz aus deinem Mund (bzw. von deinem Keyboard) merkwürdig. Irgendwie ein bisschen....herablassend.  :?


Herablassend? Da mußt Du mich falsch verstanden haben.
Mit Grenzgängern meinte ich User, die hier zwar fest etabliert sind, sich oft privat treffen, aber auch neuen Usern gegenüber aufgeschlossen sind.
Ich zähle mich hier absolut nicht eingeschlossen in den harten Kern, aber auch nicht als ausgeschlossener Neuling. Also beziehe ich irgendwie eine bequeme, neutrale Distanz zu dem allen. In keinster Weise betrachte ich hier etwas von oben herab.
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toxic_garden

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #5 am: 25 Januar 2005, 22:25:15 »

Zitat von: ".~..RuNa..~."
Herablassend? Da mußt Du mich falsch verstanden haben.
Mit Grenzgängern meinte ich User, die hier zwar fest etabliert sind, sich oft privat treffen, aber auch neuen Usern gegenüber aufgeschlossen sind.


schliesst das Eine denn das Andere so sehr aus, das man diesen Leuten schon eine eigene Bezeichnung verpassen muss?
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colourize

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #6 am: 25 Januar 2005, 22:28:55 »

Zitat von: ".~..RuNa..~."

Herablassend? Da mußt Du mich falsch verstanden haben.
Mit Grenzgängern meinte ich User, die hier zwar fest etabliert sind, sich oft privat treffen, aber auch neuen Usern gegenüber aufgeschlossen sind.
Ich zähle mich hier absolut nicht eingeschlossen in den harten Kern, aber auch nicht als ausgeschlossener Neuling. Also beziehe ich irgendwie eine bequeme, neutrale Distanz zu dem allen. In keinster Weise betrachte ich hier etwas von oben herab.

Hier sprichst Du etwas an, was den Kern dessen trifft, was ich aussagen wollte: Auch ich zähle mich selbst nicht zu einem "harten Kern" (weil ich annahm, dass es so einen in diesem Forum nicht gäbe). Ich muss aber feststellen, dass ich offenbar von Anderen zu einem imaginären "harten Kern des Forums" gezählt werde.

Soziale Schließungsprozesse funktionieren eben nicht nur durch Inklusion, sondern auch durch Fremdzuschreibung durch Andere... und wenn hier ein imaginärer "harter Kern" wahrgenommen wird, dann scheint es einen solchen wohl auch zu geben.
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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #7 am: 25 Januar 2005, 22:29:44 »

Zitat von: "toxic_garden"

schliesst das Eine denn das Andere so sehr aus, das man diesen Leuten schon eine eigene Bezeichnung verpassen muss?


ich verpasse leuten eine bezeichnung, wenn ich sie ohne viel worte in einer gruppe unterbringen will.
ebenso wie ich brillenträger sage, wenn ich auch sagen könnte: die menschen die unter der bedingung einer sehschwäche leiden.
ich meinte diese bezeichnung völlig wertungsfrei.
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« Antwort #8 am: 25 Januar 2005, 22:32:01 »

Zitat von: "colourize"

Hier sprichst Du etwas an, was den Kern dessen trifft, was ich aussagen wollte: Auch ich zähle mich selbst nicht zu einem "harten Kern" (weil ich annahm, dass es so einen in diesem Forum nicht gäbe). Ich muss aber feststellen, dass ich offenbar von Anderen zu einem imaginären "harten Kern des Forums" gezählt werde.


Ja das habe ich mitbekommen.

Zitat
Soziale Schließungsprozesse funktionieren eben nicht nur durch Inklusion, sondern auch durch Fremdzuschreibung durch Andere... und wenn hier ein imaginärer "harter Kern" wahrgenommen wird, dann scheint es einen solchen wohl auch zu geben.


Hm ich könnte mir auch mehrere Kerne vorstellen.
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toxic_garden

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #9 am: 25 Januar 2005, 22:33:41 »

Zitat von: ".~..RuNa..~."
ich verpasse leuten eine bezeichnung, wenn ich sie ohne viel worte in einer gruppe unterbringen will.
ebenso wie ich brillenträger sage, wenn ich auch sagen könnte: die menschen die unter der bedingung einer sehschwäche leiden.
ich meinte diese bezeichnung völlig wertungsfrei.


achso ok, dann hatte ich das tatsächlich falsch interpretiert, sorry. :)
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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #10 am: 25 Januar 2005, 22:34:46 »

Zitat von: "toxic_garden"
Zitat von: ".~..RuNa..~."
ich verpasse leuten eine bezeichnung, wenn ich sie ohne viel worte in einer gruppe unterbringen will.
ebenso wie ich brillenträger sage, wenn ich auch sagen könnte: die menschen die unter der bedingung einer sehschwäche leiden.
ich meinte diese bezeichnung völlig wertungsfrei.


achso ok, dann hatte ich das tatsächlich falsch interpretiert, sorry. :)


dann bin ich ja beruhigt  :wink:
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olli

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Re: Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #11 am: 25 Januar 2005, 23:11:42 »

Zitat von: "colourize"

Ab welchem Punkt wird dieses Gruppenkuscheln zum Problem?
Gibt es diesen Punkt überhaupt?
Ist die Community irgendwann so kohärent, dass wir eine geschlossene Gesellschaft sind (was ich als nachteilig empfände)? (Andererseits gibt ja auch Foren, die viel stärkeren Wert auf innere Homogenität setzen...)
Oder habe ich einfach nur zu viele Soziologiebücher gelesen?

Wie denkt Ihr darüber?

(1)
ein problem beim gruppenkuscheln gibt es dann, wenn einer mit ner geschlechtskrankheit diagnositziert wird, muahaha. oder wenn der unterste ans telefon gerufen wird. lustig.
klar kann es probleme geben, vielfältigster art: (zu starker) rückzug von anderen sozialen kontakten ist gerade bei internet-communities ein großes problem, wie man derzeit in südkorea beobachten kann.
(2)
eine i-community kann genau so zu einer geschlossen gesellschaft werden, wie es ein kegelclub, eine firmen-maumau-gruppe oder die freiwillige feuerwehr klein kleckersdorf werden kann. wobei es gerade von dem elan neuer mitglieder abhängt, in wieweit sie zum "harten kern" aufschließen kann.
(3)
als (ehemaliger?) soziologiestudent bestimmt, denn JEDES s-buch ist ein s-buch zuviel :)
(4)
gar nicht, ich bin da recht taoistisch veranlagt und lass mich treiben, ohne mich groß aufzuregen (höchstens punktuell).
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gottderneue

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #12 am: 25 Januar 2005, 23:24:39 »

ach wisst ihr, solange hier keiner nen "harten Kern" im kopf hat ist doch alles okay...
Ich hatte hier immer das gefühl das neue im board eigentlich auch gleich nett begrüst werden, sowie meist auch gleich eingeladen werden irgendeine der nächsten partys zu besuchen...

also ich seh das irgendwie nicht so verkrampft... am ende geh ich eh nur mit leuten weg die mir symphatisch sind...
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arpe rectum... nur nicht krampfen, dann tuts auch nicht so weh  ;-))



solly ich liebe dich, du wirst adoptiert ;)

toxic_garden

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #13 am: 26 Januar 2005, 02:03:38 »

wäre bestimmt mal ganz förderlich für die Diskussion, wenn jemand der gerade frisch hier angemeldet ist sich dazu äussern würde. :)
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Kenaz

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Gruppenbildungsprozesse
« Antwort #14 am: 26 Januar 2005, 08:04:14 »

Zitat von: "colourize"
Die Frage, die ich mir gerade stelle, ist: Ab welchem Punkt wird dieses Gruppenkuscheln zum Problem?
Gibt es diesen Punkt überhaupt?

- Ich denke, daß - in Internet-Communities ebenso wie im "richtigen Leben" - eine gewisse Cliquenbildung unvermeidlich und auch völlig in Ordnung ist: Man stellt einfach fest, daß man mit manchen Menschen mehr anfangen kann als mit anderen und dieses Gefühl einer gewissen Verbundenheit verschafft sich eben Ausdruck.

Zum Problem wird es m. E. bestenfalls dann, wenn Gruppen erstarren und ihre Grenzen undurchlässig werden, weil man sich selbst genug ist, will heißen: wenn der Austausch mit der Welt, in die jede Gruppe ja, ob sie will oder nicht, eingebettet ist, nicht mehr stattfindet, weil die Gruppenmitglieder "die Welt" durch ihre kleine, exklusive Privatwelt ersetzen, die sie nicht mehr durch Einflüsse von außen in Frage gestellt sehen wollen (und jeder neue Impuls von außen hat ja immer auch Hinterfragungscharakter im Hinblick auf das "Innen"). Diese Erstarrung äußert sich dann in festgefügten Ritualen, Rollenzuschreibungen bzw. der bereitwilligen Erfüllung von Rollenerwartungen sowie einem stetig wachsenden Zwang zu selbstbestätigendem Verhalten (sowohl im Hinblick auf die Gruppe im ganzen als auch auf deren einzelne Mitglieder). Um's mit einem Wort von Robert Anton Wilson auf den Punkt zu bringen: Der Realitätstunnel wird zunehmend enger. - Und so wird man langsam aber sicher zu seinem eigenen Abziehbild.

Zitat von: "colourize"
Ist die Community irgendwann so kohärent, dass wir eine geschlossene Gesellschaft sind (was ich als nachteilig empfände)?
- Denkbar ist das auf jeden Fall und auch ich empfände es als ausgesprochen nachteilig, weil ganz einfach: langweilig. Nichtsdestoweniger sehe ich diese Gefahr hier aber eigentlich nicht gegeben, denn so kohärent und - insbesondere - homogen ist diese Community beileibe nicht, dafür wuseln hier viel zu unterschiedliche - und eben auch immer wieder neue - Charaktere herum: Die Reibungsfläche hier ist groß genug, da ist für gute Unterhaltung weiterhin gesorgt ... :biglaugh:

Zitat von: "colourize"
Oder habe ich einfach nur zu viele Soziologiebücher gelesen?
- Find' ich gar nicht, denn es hat ja durchaus Hand und Fuß und seine Berechtigung, was Du hier ansprichst; in diesem Punkt möchte ich mich Kortirion anschließen:
Zitat von: "Kortirion"
Jedenfalls ist es ein netter Gedankenanstoss...danke dafür. :)

- So schaut es aus ...  :wink:
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