Schwarzes Hamburg > Politik & Gesellschaft -Archiv-

Was gesagt werden muss

<< < (8/9) > >>

colourize:

--- Zitat von: käx am 11 April 2012, 19:19:45 ---
--- Zitat von: colourize am 11 April 2012, 11:47:12 ---
Seit der Gründung Israels ist dieser Staat ständig von den arabischen Nachbarländern attakiert worden. Nun scheinen die arabischen Staaten einigermaßen mit sich selbst beschäftigt zu sein, dafür wetzen seit einigen Jahren die Perser immer lauter mit dem Messer. So zu tun, als seien hier alle Beteiligten des Konfliktes gleichermaßen an der Situation Schuld, verkennt einfach die Tatsachen.


--- Ende Zitat ---

die frage ist ja, warum sie (die araber/palästinenser (....) ) das taten und tun.

wer glaubt, die agressoren wären immer alle anderen nur nicht "israel", und israel würde sich ja immer "nur verteidigen müssen" der verkennt die tatsachen.

--- Ende Zitat ---
Ich habe auch nicht behauptet dass die Staatslenker in Israel sich immer und überall richtig verhalten. Natürlich ist beispielsweise die Expansionspolitik, insb. die Siedlungpolitik im Westjordanland und im Gazastreifen, alles andere als deeskalierend. Und meiner Meinung nach auch falsch; wenn man irgendwann in Israel mal in Frieden leben möchte, sollte man damit dringend aufhören.

Aber: Ich schrieb in Bezug auf die Bedrohung durch Kernwaffen folgendes: "So zu tun, als seien hier alle Beteiligten des Konfliktes gleichermaßen an der Situation Schuld, verkennt einfach die Tatsachen." Es ist doch wohl unstrittig, dass es die Politik der arabischen Nachbarländer Israels - insb. lange Zeit Ägyptens und später dann vor allem Syriens sowie dem Iran - war, die kriegerische Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zu verstehen. Sie taten alles daran, um Israel das Leben schwer zu machen und die Gewalt allgegenwärtig im Land zu halten. Von dort kamen die Waffen für die PLO, Fatah, Hisbollah, Hamas & Co. Die Ägypter sperren den Suezkanal für israelische Schiffe. Von Syrien und Ägypten aus begannen die Angriffe auf Israel im Jom Kippur Krieg. Von diesen Staaten aus wurde die Intifada gesteuert.

käx:

--- Zitat von: colourize am 12 April 2012, 01:40:55 ---
 Es ist doch wohl unstrittig, dass es die Politik der arabischen Nachbarländer Israels - insb. lange Zeit Ägyptens und später dann vor allem Syriens sowie dem Iran - war, die kriegerische Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zu verstehen.

--- Ende Zitat ---

nur das ich da nichts falsch verstehe: welche interessen meinst du da genau ?


colourize:

--- Zitat von: käx am 12 April 2012, 07:55:00 ---
--- Zitat von: colourize am 12 April 2012, 01:40:55 ---
 Es ist doch wohl unstrittig, dass es die Politik der arabischen Nachbarländer Israels - insb. lange Zeit Ägyptens und später dann vor allem Syriens sowie dem Iran - war, die kriegerische Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zu verstehen.

--- Ende Zitat ---

nur das ich da nichts falsch verstehe: welche interessen meinst du da genau ?

--- Ende Zitat ---
Die Interessen veränderten sich über die Jahrzehnte, die Gewalt als Mittel ihrer Durchsetzung blieb hingegen gleich.
Anfangs ging es den arabischen Staaten darum, dem "palästinensischen Brudervolk" zur Seite zu stehen, indem man den jüngst gegründeten Staat Israel militärisch plattmacht. Später ging es mehr darum, dass sich Ägypten als lokale Hegemonie im Nahen Osten darstellen wollte. Überdeckt wurde dieser Konflikt vom bestehenden "Kalten Krieg", der im Nahen Osten alles andere als kalt war. Pro Forma waren Staaten wie Ägypten und Syrien kommunistisch (und ja eine zeitlang als "Vereinigte Arabische Republik" auch in einem Staat vereinigt).

Die panarabische Idee blühte Ende der 1950er Jahre auch in anderen Staaten (Jordanien und Irak schlossen sich ebenfalls zusammen), und ein nicht-arabisches Palästina war da ein Dorn im Auge der arabischen Machthaber. Die sozialistische Baath-Partei, deren Diktatoren von der UdSSR unterstützt wurden, ist ja bis heute eine Nachwehe des Kalten Krieges. Ohne die Unterstützung der USA wäre Israel ganz sicher von den arabischen Staaten überrollt worden. Die ganzen Kalaschnikows in der Hand von Hamas und Co kommen nicht durch Zufall in deren Hände. Der Nahe Osten war jedenfalls während der Zeit des Großmachtkonfliktes einer der Orte, an dem der Krieg "warm" war. Hier stießen die Großmächte aufeinander: Sozialistische, von der UdSSR gestützte Diktatoren in den arabischen Staaten bemühten sich redlich, die palästinensische Sache auf der Tagesordnung zu behalten und wendeten dazu permanent Gewalt gegen Israel an. Dadurch versicherten sie sich der Unterstützung ihres eigenen Volkes: weltweit sehen wir, dass es nie einen Staatsstreich gibt, wenn ein Land gerade im Krieg ist.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR fiel auch die Unterstützung für die "alten Verbündeten" im Nahen Osten. Die Diktatoren der Baath-Partei wurden entweder von den USA beseitigt (im Falle des Irak), oder aber von ihrem eigenen Volk gestürzt (Mubarak in Ägypten; in Syrien läuft der Befreiungskrieg ja noch). Folglich sind die Großmachtinteressen heute kein erklärender Faktor mehr für die anhaltende Gewalt zwischen Israel und seinen Nachbarn.

Seit dem Ende der sozialistischen Ideologie ist es vor allem die Frage nach der regionalen Hegemonie im Nahen Osten, die diese Gegend nicht zu Ruhe kommen lässt: Der Iran würde gerne die lokale Großmacht in der Region sein, was insb. dem verfeindeten Saudi-Arabien überhaupt nicht schmeckt. Dieser Konflikt schwelt seit Jahrzehnten und ist religiös aufgeladen (ein schiitischer Iran vs. sunnitische arabische Staaten). Der Stuhl der Machthaber in Teheran ist jedoch seit dem Tod von Khomeini vor über 20 Jahren wackelig. Markige Sprüche gegen Israel machen sich beim Volk jedoch gut. Frei nach dem Motto: Ein Feind von Außen eint nach innen. Und da man unglaubwürdig ist, wenn man *ausschließlich* Sprüche klopft, unterstützt man zumindest aktiv den "bewaffneten Widerstand" in Israel - insb. seitens der schiitischen Hisbollah. Und da wollen die arabischen Staaten natürlich nicht als diejenigen darstehen, die ihre Brüder in Palästina den Persern überlassen. Auch von Ägypten, Syrien und dem Libanon aus kommen Waffen nach Israel, und so kämpfen bewaffnete Palästinensergruppen gegen den Staat Israel, und im kleinen darunter Fatah gegen Hamas, Hisbollah gegen Islamischer Dschihad etc. um die Vorherrschaft in einem zukünftigen Palästina, das ihnen seitens der arabischen Staaten sowie dem Iran seit nunmehr über 60 Jahren versprochen wird - wenn der Sieg über Israel erstmal da ist.

messie:
Schöne Analyse - und ich bin mir sicher, dass sie nur einen kleinen Teil dessen abbildet, was da unten los ist.
Es gibt immer wieder Stimmen die sagen, dass wenn irgendwo ein dritter Weltkrieg ausbrechen könnte, dann am wahrscheinlichsten im Nahen Osten. Die Gegend ist ein einzige Pulverfass.

Jenen Kritikern, die Grass unterstellen, sich in seinem "Gedicht" zu sehr auf Israel konzentriert zu haben ohne das ganze Drumherum zumindest mal erwähnt zu haben, gebe ich deswegen da auch durchaus recht. Dass da schnell der Eindruck entstehen kann dass Grass nur in Israel die Wurzel allen Übels sieht, kann ich gut verstehen.

Wo es allerdings mächtig hakt bei der Kritik, ist die persönliche Beleidigung und Diffamierung Grass'. Wer seinen Text herunterbricht auf "der war in der SS, natürlich plärrt er gegen Israel, er ist schließlich gegen Juden", der begibt sich auf eine unpassende und unverhältnismäßige rhetorische Ebene: Denn selbst wenn der Text antisemitisch gemeint wäre (was er, da bin ich mir doch recht sicher, nicht ist), er nennt nun einmal Fakten, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Israels Atomprogramme sind nun einmal ohne Aufsicht, Israel hat nun einmal atombestückbare U-Boote geordert, und dass Israel zu präventiven Erstschlägen fähig sind, zeigt der 6-Tage-Krieg, denn dieser war genau so einer.

Ich denke, dass auch Grass das Säbelrasseln des Irans nicht recht ist. Sein Text aber trägt eher die Handschrift einer Sorge, dass sich Israel davon provozieren lässt und dann selbst einen Krieg gegen den Iran anfängt.
Was so ziemlich der Super-GAU in jener Gegend wäre. Denn wäre es soweit, dann wären ruckzuck Großmächte wie Russland, die USA, die EU-Staaten und natürlich der gesamte Balkan im Kriegszustand.

Dass das einen (heutigen) Pazifisten wie Grass umtreibt, ist nur allzu verständlich.

käx:

--- Zitat von: messie am 12 April 2012, 13:03:40 ---Schöne Analyse

--- Ende Zitat ---

ohja - und danke dafür!

ich muss gestehen, ich hatte das auch eher auf biblische (religiöse) gründe, "invasorenhass" und
arabische solidarität reduziert.

was mich halt auch seit jahren nervt - ähnlich wie bei der deutschen treue zu den usa - dass
vieles scheinbar gar nicht hinterfragt wird und von uns "freunden" so hingenommen wird, werden soll, werden muss.

frei nach dem muster'': DAS sind terroristen, DIE müssen bekämpft werden.

(das dieser "terrorist" vllt. nur ein verzeweifelter palästinensischer familienvater ist, dem
(mal wieder) das wasser, das benzin oder medizinische versorgung verwehrt wurde,
oder durch israelische polizeigewalt drangsaliert wurde, erfahren wir nicht)



Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln