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Mehrdeutige Symbolik führt zu Mißverständnissen
RaoulDuke:
Hallo,
Gestern musste ich im Rahmen einer Diskussion folgendes feststellen:
Wenn man Leuten, die sich weder mit Musik noch Szene auskennen, so manche Musik vorspielt und dazu so manche Videos gezeigt werden, führt das Ganze schnell zu Mißverständnissen. So sah sich gestern jemand den von mir hier unter "Was hört Ihr gerade?" geposteten Titel "Mädchen in Uniform" von Nachtmahr an und antwortete blitzschnell, dass in die Fantasie dazu sofort eine Tanzfläche voller Glatzen parat stünde. Ich war zunächst leicht geschockt, aber dann versuchte ich es nachzuvollziehen, und es ist ja gar nicht schwer, zu so einem Schluss zu kommen:
- Deutsche Fraktur-Schrift wurde zwar seit dem 16. Jahrhundert als deutsche Druckschrift verwendet, wird jedoch von vielen mit den Schriftstücken aus dem Dritten Reich assoziiert, die sie aus dem Geschichtsunterreicht kennen.
- Militär-Symbolik ist ja in mehreren der von mir eingestellten Titel stark vertreten.
- Deutsche Texte, die zudem oft ziemlich unwirsch wüste Dinge verkünden, die sich auch mit durch die Faschisten negativ vorbelegten Themen auseinandersetzen - aus Rummelsnuffs "Der Hund" :
"Erdverwachsen, stark im Biß,
Nur einem Herrn verpflichtet ist;
Treu und redlich und loyal,
Auch wenn der Weg katastrophal."
- Diese (wie ich auch finde) absolut peinlichen Armbinden bei Nachtmahr taten ihr übriges.
Ich bin absolut kein Nazi und stehe einem solchen Gedankengut so fern wie es nur geht!
Werdet Ihr auch manchmal "verwechselt" mit ganz anderen Leuten, für die Ihr ganz und gar nichts übrig habt? Ich hielt das immer für ein Thema, mit dem sich nur Teenies in der Identitäsfindungsphase auseinandersetzen, aber ich erinnere mich dunkel, vor kurzem rein präventiv kurz darzulegen, warum ich nicht dem Okkultismus fröhne und auch kein Satanist bin...
Warum höre ich also Nachtmahr? Ich mag die Musik, die Klamotten finde ich auch ästhetisch (das finde ich aber auch bei so manchen coolen Punk-Outfits und mittelalterlichen Gewändern bei Damen, usw. usw.), und natürlich fasziniert mich auch das Kokettieren mit dem Morbiden, und die Faszination des Bösen, die es ausstrahlt. Mich hat diese Nazi-Geschichte auch schon früher aufgeregt, bei diversen Gabber-Parties, wo man dank schwarzer Cargo-Hose, Martens-Stiefeln und schwarzem Kaputzenpullover auch leicht für jemanden vom Schwarzen Block (politisch gesehen) gehalten wurde oder für einen von diesen hohlen Faschisten.
Noch ein paar weiterführende Gedanken dazu am Rande:
Während andere den Krieg für die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln halten mögen (Carl v. Clausewitz), bin ich der tiefen Überzeugung, dass Kriege nur Verlierer kennen. Man kann hier natürlich die Diskussion eröffnen, ob es "gerechte" Kriege für die "gute Sache" gibt, aus der Überlegung heraus, dass es legitim sein könnte, Kriege zu führen, um den Frieden zu erhalten. Ich habe ganz erhebliche Zweifel daran.
Und: Das Gegenteil von Vielfalt ist in diesem Zusammenhang immer noch Einfalt.
Black Ronin:
Also ich bin mal von ner Nacbarin drauf angesprochen worden, das sie eine Freundin, die bei ihr zu Besuch war und mich im Treppenhaus gesehen hat gefragt wurde, ob im Haus Nazis wohnen.
Ich hatte da wohl Ranger, BDU Hose und ein T-shirt mit Shadow Reichenstein Motiv an.
Nun wusste die Nachbarin aber auch das ich so gar nicht ein Nazi bin und hats ihrer Freundin entsprechend klar gemacht.
Ich bin recht oft , ich sag mal, Military-mässig angezogen. Besonders im Winter: Ledermantel ( Gestapo Ledermantel Nachbau. Panzertruppen-Käppi. Stiefel ) Aber ist mir sonst noch nie passiert das irgend jemand was gesagt hätte oder dergleichen.
Naja. Einmal hat sich so ein zotteliger Bauwagenbewohner lange nach mir umgeschaut. Aber sonst...
Ich bin mal mit Offiziersmütze, kurzärmeligem Military Shirt, enger Cavalleriehose und Schnürstiefeln bis zum Knie auf ne schwarze Party gegangen, die in einem " linksalternativen Kulturzentrum" stattfand.
draussen vor dem Einlass kam ein " linker " mit " gegen Nazis" Aufnäher an der Jacke meines Weges, blieb stehen, grinste, und meinte " Hey mann! Echt cooles Outfit, geil " :o
War wohl nix mit provozieren.
Naja. Macht nix
nightnurse:
Anekdoten von damals...
Frühe 90er, ich mit Undercut, Zöpfchen und hochtoupiertem Pony (ich merke mir alle, die jetzt lachen und verhaue sie später, das am Rande), in der Bahn gröhlt mir jemand hinterher "RENEE!!".
Mein bester Freund, schon damals mit Army-Fetisch, in BW-Oliv und stoppelhaarig, tanzt in Kiel auf "Herzlos" von Stratis und wird hinterher gefragt, ob er das Lied wohl inhaltlich verstanden hätte, das wär ja eigentlich...naja, nichts für ihn.
Weil er auch mehrfach im Schwesternwohnheim gesichtet wurde, fragte man mich eines Tages ("und Du hast die Haare ja auch so ab"), ob ich "auch so´n bisschen rechts" wäre.
Andererseit hat man uns auch schon mit "Guck mal, Rocker!" begrüßt - da hatte er ne Lederjacke an, mit Nieten drauf.
Sehr ergiebig waren vor 2 Jahren 800m Fußweg in Köln in Begleitung eines Herrn im NVA-Mantel mit Schiffchen auf dem Kopf, so viele blöde Bemerkungen hab ich in vielen Jahren Kahlkopf-Begleitung nicht gehört (wir wollen mal annehmen, dass also in Köln die Hemmschwelle, echte Nazis anzumachen, dankenswert gering ist).
Generell braucht es also nicht viel für Missverständnisse mit Leuten von außerhalb der Szene...aber wie mehreren Threads hier im SHH schon zu entnehmen war, ist das innerhalb auch nicht unproblematisch.
Black Ronin:
Gelöscht, ................mit Rücksichtnahme auf Nighty´s Privatsphäre und Vergangenheit ;)
NoName:
--- Zitat von: RaoulDuke am 05 März 2012, 10:10:59 ---... bin ich der tiefen Überzeugung, dass Kriege nur Verlierer kennen. ...
--- Ende Zitat ---
Das seh ich ganz genau so - auch wenn sich dabei nur 2 Personen bekriegen, egal ob physisch oder verbal.
Die westlichen Industrieländer sind so stolz auf ihre demokratische Entwicklung usw., aber in Wirklichkeit ist deren Gesellschaft - und allen voran deren moralischen Führungseliten aus Politik und Wirtschaft - zu jeder Zeit bereit ihre "Mitbewerber im demokratischen Wettstreit" mit allen legalen (und weniger legalen) Mitteln zu diskreditieren oder gleich mundtot zu machen.
Es mag in den sogenannten Demokratien kein Blut mehr fließen, wie bei Diktaturen, die Andersdenkende ohne zu zögern physisch vernichten, aber die rücksichtslose / menschenverachtende Einstellung, die dem Handeln zu Grunde liegt, ist leider auch hier dieselbe.
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