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Autor Thema: super-gau in japan  (Gelesen 79255 mal)

colourize

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Re: super-gau in japan
« Antwort #240 am: 28 März 2011, 17:10:41 »

Naja nu, die Brennstäbe ändern eben hin und wieder mal ihren Aggregatzustand... mal vorübergehend flüssig, dann mal wieder fest... und bald auch gerne mal aufgrund der porösen Ausgangslage in Suspension mit dem Meerwasser.
Genau.

Und dass seit einigen Tagen keine Strahlenmesswerte für die entscheidenden Stationen mehr auf http://www.bousai.ne.jp/eng/index.html veröffentlicht werden, ist bestimmt reiner Zufall.
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Re: super-gau in japan
« Antwort #241 am: 29 März 2011, 22:29:47 »

Zitat von: Blackfire
Cäsium hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren. Ab da an fängt es zufällig an teilweise sich abzubauen.
Ich hab das jetzt hier alles nur überflogen, aber auf dieses völlig verstrahlte Kleinod würde ich dann doch nochmal gerne hinweisen.

Intellektuelle Kernschmelze vom Feinsten (um Danny's Allegorie noch mal aufzugreifen)  ;D
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messie

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Re: super-gau in japan
« Antwort #242 am: 29 März 2011, 22:54:14 »

Den Satz muss ich völlig überlesen haben ...  ;D

Wobei, Fußballersprüche sind dann doch noch etwas unterhaltsamer  :D
Mein derzeitiger Lieblingsspruch:

Zitat von: Olaf Thon
Wir lassen uns nicht nervös machen, und das geben wir auch nicht zu!

 8)
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Re: super-gau in japan
« Antwort #243 am: 30 März 2011, 00:29:26 »

Als Energieelektroniker, der im Kraftwerk gelernt hat, und später mehrere Jahre als Feld- und Qualitätsingenieur bzw. - techniker für eine japanische Klitsche gearbeitet hat, die als Subcontractor unter anderem für Sharp und Casio tätig war, gebe ich mal meinen Senf dazu:

1. Den Stromkonzernen ist es letztlich egal, wie der Strom erzeugt wird, allerdings benötigen sie Planungssicherheit seitens der Politik (milliardenschwere Investitionen in die langfristig stabile und verlässliche Energievesorgung einer Industriegesellschaft können nicht nach jeder Wahl beliebig über den Haufen geworfen bzw. verworfen werden). Da neue Atomkraftwerke in Deutschland politisch schon länger nicht mehr durchsetzbar sind, werden dementsprechend auch keine mehr gebaut oder geplant. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass es die Politik war, die die Energieversorgungsunternehmen seinerzeit massiv dazu gedrängt hat, in die Kernenergie einzusteigen. Wie ich schon an anderer Stelle mal erwähnte, sind Politiker, die meinen sich als Banker und/oder Unternehmer gerieren müssen, das perfekte Rezept für ein Disaster (den Euro-Supergau werden wir in nicht allzu ferner Zukunft live miterleben). Die Kernkraftwerke in Deutschland sind meines Ermessens Produkt sozialitisch-staatswirtschaftlicher Strukturen in unserem Lande, ich bezweifel stark, dass die Energieunternehmen jemals bereit gewesen wären, die Risiken und Kosten für den Bau, den Betrieb und die Entsorgung zu schultern, zumal das auch kein Versicherungsunternehmen der Welt versichert hätte. Die Sozialisierung der Entsorgungskosten ist äquivalent zur "alternativlosen" Rettung von (meist staatlichen) Banken, die sich komplett verzockt haben und entsprechend abgewickelt gehören, und europäischer Pleitestaaten (zur Befriedigung größenwahnsinniger Bürokratenträume von einem grosseuropäischem Reich).

2. Ich dachte, dass das Chaos, das ich bei Japanern erlebt habe, so nicht pauschalisierbar wäre. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, da Tepco und die japanische Regierung im Grossen genau das abziehen, was ich im Kleinen erlebt habe: Mitarbeiter werden verheizt, alles läuft total chaotisch und unkoordiniert ab, Probleme werden nur häppchenweise eingestanden (nämlich dann, wenn sie nicht mehr zu leugnen sind), statt Entwicklung einer sinnvollen Lösungstrategie wird Aktionismus pur zelebriert (es ist nicht so wichtig, ob das, was man tut in irgendeinem Zusammenhang mit einer Lösung des Problems steht, wichtig ist, das man seinen guten Willen demonstriert und überhaupt irgendetwas tut, z. B. versucht, mit Wasser aus Feuerwehrfahrzeugen unb Hubschraubern eine Kernschmelze in den Griff zu kriegen). Wann immer ich meinem japanischen Vorgesetzten vorschlug, für vorhersehbar auftretende Probleme schonmal Vorab-Strategien zu entwickeln, um entsprechend zeitnah und effizient darauf reagieren zu können, hat er partout nicht verstanden, was ich von ihm wollte. Welchen Sinn sollte es denn machen, ein Problem zu lösen, das noch nicht eingetreten ist? Wenn es denn tatsächlich eintritt, könne man sich immer noch darum kümmern, warum sollte man sich denn vorab darum kümmern, so in etwa die Argumentation. Wenn dann genau das prognostizierte Problem eintraf, wurde man beschimpft, nie darauf hingewiesen zu haben. Kenne ich aus anderen Unternehmen - ob nun deutsch oder international - auch anders.

3. Da die deutschen Meiler nunmal real existieren, sollte man sie auch noch nutzen und die erwirtschafteten Gewinne schon mal für die unausweichliche Entsorgung und Rückbau zurücklegen, das wird teuer genug. Alle Kraftwerke vom Netz zu nehmen halte ich so für Aktionismus, zumal das nur bedeuten würde, dass wir dann Atomstrom aus benachbarten europäischen abnehmen würden und damit andere Atomkraftwerke subventionieren würden. Und ich halte deutsche Atomkraftwerke für deutlich sicherer als beispielsweise französische oder osteuropäische, insbesondere da hier die Öffentlichkeit viel kritischer ist.

4. Sogenannte regenerative Energien sind bei Weitem (noch) nicht die glückseligmachenden Heilsbringer, als die sie mitunter dargestellt werden. Und was mich schon seit Jahrzehnten an der Diskussion stört, ist die Tatsache, dass ein Grossteil derjenigen, die vehement in den Medien gegen konventionelle Energiegewinnung wettern, meist überhaupt keine Ahnung von den Grundlagen der Energietechnik haben. Wann immer ich entsprechende Artikel, beispielsweise in der taz, gelesen habe, konnten die Autoren elementare Begriffe wie Strom, Energie und Leistung nicht korrekt zuordnen (bzw. hatten keinen blassen Schimmer, wovon sie eigentlich redeten bzw. schrieben). Was ich soll ich von grünen Politikern halten, die, wie Cem Özdemir, darüber schwadronieren, die Spitzenlast in Deutschland läge bei 80 Gigabyte? Das ist kein Versprecher, der Mann hat meines Ermessens schlichtweg null Ahnung worüber er da eigentlich redet.
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Eisbär

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Re: super-gau in japan
« Antwort #244 am: 30 März 2011, 00:54:08 »

Nun ja... da die Angaben wieder stimmen, wenn er Gigawatt statt Gigabyte gesagt hätte, geh ich tatsächlich eher von einem Versprecher aus.
So oft, wie man im Alltag den Begriff Gigabyte nutzt und wie selten Gigawatt, da ist das durchaus verständlich.

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Re: super-gau in japan
« Antwort #245 am: 30 März 2011, 01:10:44 »

Zitat
Alle Kraftwerke vom Netz zu nehmen halte ich so für Aktionismus, zumal das nur bedeuten würde, dass wir dann Atomstrom aus benachbarten europäischen abnehmen würden und damit andere Atomkraftwerke subventionieren würden.

Soweit ich das bislang verstanden habe (und "verstehen" ist hier definitiv nicht einfach, derzeit herrscht die Meldungen betreffend ziemliches Chaos, Objektivität ist da schwer zu erringen ... ;) ), ist zumindest bei den derzeit abgeschalteten Atommeilern keinerlei Gefahr, nicht einmal für die Spitzenlastzeiten, wenn man sie dauerhaft abschaltet.
Alle Atomkraftwerke abschalten würde offenbar auch funktionieren, aber nicht für die Spitzenlastzeiten. Da würde dann wohl Atomstrom aus dem Ausland importiert werden müssen.
Das ist derzeit mein Wissensstand. Deiner dazu, Inverted? :)

Was das "Importieren aus unsichereren Atomkraftwerken" angeht: Gut, dann ist das eben so.
Es geht primär nicht darum, von welchem Atomkraftwerk der Strom kommt, sondern darum, wie viele am Netz bleiben. Je weniger je besser, da das auch eine Risikominimierung bedeutet.
Das genannte Argument würde nur ziehen, wenn die "benachbarten Atomkraftwerke" dichtmachen würden, würde man den Strom von dort nicht importieren. Das ist aber -auch hier: Korrigiert mich, wenn ich da nicht aktuell genug informiert bin- derzeit überhaupt nicht der Fall.

Alles abschalten und für die Spitzenlastzeiten ausländische Atomkraftwerke zu nutzen, wäre rein energiepolitisch meiner Auffassung nach eine reine win-win-Situation: Keine Risikomeiler mehr am Netz hierzulande, das klingt doch erst einmal sehr annehmbar ;)
Politisch ist's natürlich nicht so einfach. Schließlich macht man sich damit politisch vom Ausland abhängig und damit auch verdammt erpressbar ...

Was den Aktionismus betrifft, wird derzeit nicht nur ein bisschen über die FDP geschmunzelt: Die Atombefürworterpartei möchte jetzt auf einmal alle acht Moratoriumsmeiler (na gut, sind nur 7, einer ist ja eh dicht gerade) dauerhaft abschalten, am besten sofort? Öh, halloooo? Wollen sie jetzt auf einmal die Grünen überholen? Sowas.  :D
Ok, ich fände es persönlich nicht tragisch wenn das Geforderte auch geschehen würde, aber der "klassische" FDP-Wähler wird sich dann ja wohl hoffentlich hochgradig verarscht vorkommen. ;)

Zitat
Sogenannte regenerative Energien sind bei Weitem (noch) nicht die glückseligmachenden Heilsbringer, als die sie mitunter dargestellt werden.

Das sehe ich genauso.
Ohne Kohlekraftwerke wird ein schneller (!) Atomausstieg nicht funktionieren können. Dazu sind die regenerativen Energien schlicht nicht weit genug.
Das wird auch ein Problem sein, das auf die Grünen zukommt, da sie ja zusätzlich noch gegen die Kohlekraftwerke sind (ok, in Hamburg wohl nicht wirklich  8) ).
Ihnen wird nichts übrig bleiben, um sich für eine der beiden Energieformen mittelfristig zu entscheiden. Notfalls auch gegen ihre Wählerklientel ...

Ich persönlich bin definitiv für einen mittelfristigen Atomausstieg und damit für ein mittelfristiges JA für Kohlekraftwerke - CO2 hin oder her. Letzteres nämlich ist nix im Vergleich zum Risiko eines Atom-Super-GAUs.
Das hat im Übrigen nix mit meiner Wetterei gegen die Grünen in Hamburg bezüglich des Nicht-Stopps des Kohlekraftwerks hier zu tun. Meine Kritik dort beruht darauf, dass Wahlversprechen gemacht wurden die nicht gehalten wurden, was ich für ein absolutes Unding halte. Ein "wir werden es nicht verhindern können, uns deswegen darauf konzentrieren, dass dank jenes Kraftwerks der Ausstieg aus der Kernenergie noch einfacher wird" wäre ehrlicher und auch realistischer gewesen.
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colourize

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Re: super-gau in japan
« Antwort #246 am: 30 März 2011, 01:15:38 »

Den Stromkonzernen ist es letztlich egal, wie der Strom erzeugt wird, allerdings benötigen sie Planungssicherheit seitens der Politik (milliardenschwere Investitionen in die langfristig stabile und verlässliche Energievesorgung einer Industriegesellschaft können nicht nach jeder Wahl beliebig über den Haufen geworfen bzw. verworfen werden).
Dafür dass es ihnen eigentlich egal sein soll wie der Strom erzeugt wird, verteidigen die Energierkonzerne den Atomstrom aber ganz schon vehement. Der Präsident des Deutschen Atomforums, dem Lobbyverband der Kernenergiewirtschaft, ist in Personalunion auch Geschäftsführer bei E.ON, genau wie sein Vorgänger auch. Der Präsident des Atomforums davor war Vorstandsmitglied bei RWE.

Zudem bezweifele ich, dass die Energiekonzerne Interesse an der dezentralen Produktion von Energie haben, da dies ihre Quasi-Monopolstellung gefährden würde.

Die Kernkraftwerke in Deutschland sind meines Ermessens Produkt sozialitisch-staatswirtschaftlicher Strukturen in unserem Lande, ich bezweifel stark, dass die Energieunternehmen jemals bereit gewesen wären, die Risiken und Kosten für den Bau, den Betrieb und die Entsorgung zu schultern, zumal das auch kein Versicherungsunternehmen der Welt versichert hätte.
Dass die Politik die Kernkraftwerke erst möglich gemacht hat ist schon klar, aber als Sozialist habe ich Franz-Josef Strauß, den ersten Atomminister der BRD, bislang noch nie gesehen. Auch bei seinem Amtsnachfolger (gleichfalls aus der CSU) wundert mich diese Zuschreibung ein wenig. Fakt ist, dass zur Zeit der Inbetriebnahme des ersten Kernreaktors in Deutschland (1957) eine Regierung unter Adenauer am Ruder war, und auch bei diesem Namen ist "Sozialismus" nicht das erste Wort, das mir in den Sinn kommt... 8)

Da die deutschen Meiler nunmal real existieren, sollte man sie auch noch nutzen und die erwirtschafteten Gewinne schon mal für die unausweichliche Entsorgung und Rückbau zurücklegen, das wird teuer genug. Alle Kraftwerke vom Netz zu nehmen halte ich so für Aktionismus, zumal das nur bedeuten würde, dass wir dann Atomstrom aus benachbarten europäischen abnehmen würden und damit andere Atomkraftwerke subventionieren würden. Und ich halte deutsche Atomkraftwerke für deutlich sicherer als beispielsweise französische oder osteuropäische, insbesondere da hier die Öffentlichkeit viel kritischer ist.
Klingt plausibel, aber mit der Position sind in D keine Wahlen zu gewinnen.
Selbst wenn die Wähler ein wenig nachsichtiger mit atomstrombefürwortenden Politikern wären - welcher Politiker wollte nun noch das Risiko in Kauf nehmen, die AKWs länger als unbedingt nötig am Netz zu lassen? Wenn dann etwas passiert wäre es der Abschalt-Verhinderer ja persönlich Schuld...

« Letzte Änderung: 30 März 2011, 01:19:59 von colourize »
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Re: super-gau in japan
« Antwort #247 am: 30 März 2011, 01:43:57 »

Das sehe ich genauso.
Ohne Kohlekraftwerke wird ein schneller (!) Atomausstieg nicht funktionieren können. Dazu sind die regenerativen Energien schlicht nicht weit genug.
Das sehe ich anders. Ich halte weder Kernenergie noch Kohle für die Brückentechnologie der Wahl.
In meinen Augen wäre Erdgas die Lösung, bis die regenerativen Energien die Last vollständig leisten können für das Mittel der Wahl. Und das aus mehreren Gründen:

Erdgas ist der sauberste der fossilen Brennträger, belastet also die CO2-Bilanz nur gering.
Es ist von zuverlässigen Partnern in ausreichender Menge lieferbar (vor allen Dingen aus Norwegen und ggf auch aus Rußland).
Eine gut ausgebaute Gasinfrastruktur ist eh für die einzig sinnvolle Speichertechnologie (Wasserstoff) bei massiver Nutzung regenerativer Energien nötig und dadurch weiterhin nutzbar.
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Re: super-gau in japan
« Antwort #248 am: 30 März 2011, 06:47:41 »

Den Stromkonzernen ist es letztlich egal, wie der Strom erzeugt wird, allerdings benötigen sie Planungssicherheit seitens der Politik (milliardenschwere Investitionen in die langfristig stabile und verlässliche Energievesorgung einer Industriegesellschaft können nicht nach jeder Wahl beliebig über den Haufen geworfen bzw. verworfen werden).
Dafür dass es ihnen eigentlich egal sein soll wie der Strom erzeugt wird, verteidigen die Energierkonzerne den Atomstrom aber ganz schon vehement. Der Präsident des Deutschen Atomforums, dem Lobbyverband der Kernenergiewirtschaft, ist in Personalunion auch Geschäftsführer bei E.ON, genau wie sein Vorgänger auch. Der Präsident des Atomforums davor war Vorstandsmitglied bei RWE.
Ach deshalb werden in Deutschland keine Atomkraftwerke mehr gebaut und geplant. Hatte mich schon gewundert.

Mann, natürlich wehren sich die Energieversorger dagegen, laufende profitable Anlagen vom Netz zu nehmen. Wenn von einem erwartet wird, durch den Bau millardenschwerer Kraftwerke die Energieversorgung einer industrialisierten Gesellschaft zu sichern, benötigt man entsprechende Planungssicherheit, ist doch klar, dass man solche Anlagen nicht ständig an- und abschalten kann, je nachdem aus welcher politischen Richtung der Wind gerade mal wieder weht.

Die Kernkraftwerke in Deutschland sind meines Ermessens Produkt sozialitisch-staatswirtschaftlicher Strukturen in unserem Lande, ich bezweifel stark, dass die Energieunternehmen jemals bereit gewesen wären, die Risiken und Kosten für den Bau, den Betrieb und die Entsorgung zu schultern, zumal das auch kein Versicherungsunternehmen der Welt versichert hätte.
Dass die Politik die Kernkraftwerke erst möglich gemacht hat ist schon klar, aber als Sozialist habe ich Franz-Josef Strauß, den ersten Atomminister der BRD, bislang noch nie gesehen. Auch bei seinem Amtsnachfolger (gleichfalls aus der CSU) wundert mich diese Zuschreibung ein wenig. Fakt ist, dass zur Zeit der Inbetriebnahme des ersten Kernreaktors in Deutschland (1957) eine Regierung unter Adenauer am Ruder war, und auch bei diesem Namen ist "Sozialismus" nicht das erste Wort, das mir in den Sinn kommt... 8)
Das, was in Fukushima vor sich geht, ist halt genau das, was passiert, wenn Politiker meinen, Unternehmer spielen zu müssen. In Japan werden abgehalfterte Politiker traditionell auf hoch dotierten Posten in Wirtschaftsunternehmen entsorgt, ist hier ja nun nicht unbedingt so anders. Staatliche Lenkung und Kontrolle von Wirtschafts- und Finanzwesen sind durchaus ein sozialistisches Element in dieser Gesellschaft und eines ihrer Hauptübel, bei einer Staatsquote von ca. 70% (Tendenz steigend) leben wir mitnichten in einer freien Marktwirtschaft.
« Letzte Änderung: 30 März 2011, 07:01:31 von Inverted »
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l3xi

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Re: super-gau in japan
« Antwort #249 am: 30 März 2011, 08:45:13 »

Staatliche Lenkung und Kontrolle von Wirtschafts- und Finanzwesen sind durchaus ein sozialistisches Element in dieser Gesellschaft und eines ihrer Hauptübel, bei einer Staatsquote von ca. 70% (Tendenz steigend) leben wir mitnichten in einer freien Marktwirtschaft.
Den Zunehmenden Rückzug des Staates aus vielen seiner Kernaufgabengebiete mit einer tendenziellen Steigerung der Staatsquote gleichzusetzen ist eine Umdeutung der aktuellen Lage in Reinform.

http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/110304_klartext_dgb.pdf
Zitat
Nr. 08/2011 3. März 2011
DGB Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

[...]
Denn seit langem unterzog sich der
Staat einer Abmagerungskur. Die Staatsquote fiel von
49 % im Jahr 2003 auf 43 % im Jahr 2008. Besserung
ist „„dank““ der Schuldenbremse nicht in Sicht.
[...]

Dann auch noch die Ansicht, es wäre ein Übel, dass der Staat - also die Volksvertretung als solche, das Wirtschafts- und Finanzwesen kontrolliert; diese Aussage trotz der Tatsache, dass in den letzten Jahren massiv auf Deregulierung hingearbeitet wurde und wir alle sehen konnten, wo das hinführt. Sry, aber ist das echt ernst gemeint? Die letzten 13 Jahre in diesem Land irgendwie vergessen? Fehlt nur noch die Behauptung, dass alles, was links vom Seeheimer Kreis der SPD liegt (von den Ansichten her), den bösen Kommunimus anbetet und für SED und Mauer und völliger Volksenteignung steht.  ::)

Btw. soll es in Deutschland laut Staatsvertrag nach wie vor eine soziale und keine freie Marktwirtschaft geben. Das scheint der eine oder andere immer wieder gerne zu verwechseln/vergessen!
« Letzte Änderung: 30 März 2011, 08:47:36 von l3xi »
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colourize

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Re: super-gau in japan
« Antwort #250 am: 30 März 2011, 11:12:59 »

Das, was in Fukushima vor sich geht, ist halt genau das, was passiert, wenn Politiker meinen, Unternehmer spielen zu müssen. In Japan werden abgehalfterte Politiker traditionell auf hoch dotierten Posten in Wirtschaftsunternehmen entsorgt, ist hier ja nun nicht unbedingt so anders. Staatliche Lenkung und Kontrolle von Wirtschafts- und Finanzwesen sind durchaus ein sozialistisches Element in dieser Gesellschaft und eines ihrer Hauptübel, bei einer Staatsquote von ca. 70% (Tendenz steigend) leben wir mitnichten in einer freien Marktwirtschaft.
Dein Glaube an die heilbringende Kraft einer "richtigen" freien Marktwirtschaft in Ehren, aber wenn es um die Energieversorgung geht ist mir schon der jetzige Grad an Privatisierung suspekt. Zum Ersten, weil ich der Überzeugung bin, dass Infrastrukturen, die alle Menschen in einem Land benötigen, am besten auch von der Allgemeinheit (also unter staatlicher Hoheit) erbracht werden sollten. Der Einzelne hat ja keine Wahl, ob der das Produkt "Strom" kauft oder nicht. Folglich *kann* es da gar keinen richtigen Wettbewerb auf dem Energiemarkt geben. Wenn ich nicht im Busch leben will, verhelfe ich den Energiekonzernen also gezwungener Maßen zu Gewinnen, obgleich ich die Art und Weise, wie sie ihre Produkte prodizieren, ablehne. Zwar beziehe ich selbst meinen Strom von Lichtblick, da aber die Leitungen den Energieriesen gehören, verdienen die trotzdem an mir.

Zum Zweiten finde ich es wichtig, dass die Bedingungen, unter denen potenziell umweltschädigende Infrastrukturen erstellt werden, politisch reguliert werden. Wie das aussieht, wenn es privatwirtschaftliche Unternehmen (fast) ohne staatliche Kontrolle machen, kann man gerade super in Japan sehen. Der Betreiber deklariert die Strahlungsmessungen kurzerhand zum Betriebsgeheimnis ("under survey"), die Öffentlichkeit erfährt nix. Seit Wochen spekulieren Experten weltweit, was genau in Fukushima abgeht, aber keiner weiß etwas weil Tepco sich nicht in die Karten gucken lässt. Die japanische Regierung, die offenbar nahezu garnichts machen darf was irgendwie mit einer Regulation oder Kontrolle von Wirtschaftsunternehmen zu tun hat, hebt rügend den Zeigefinger und ermahnt in geradezu rührseeliger Weise die Konzernbosse, dass sie doch bittebitte sagen was da in ihrer Kraftwerksruine der Stand ist. Zum dortigen, absolut lächerlich wirkenden Aktionismus, hast Du ja schon einiges geschrieben ("Wasserwerfer gegen die Kernschmelze", haha).

Da Tepco pleite gehen wird, muss der Steuerzahler in Japan die Zeche am Ende zahlen. Wie schön, dass die Energiekonzernbosse über Jahrzehnte die Gewinne eingestrichen haben und die Allgemeinheit auf den Kosten hängenbleiben wird. Anstelle den Laden *sofort* dichtzumachen, staatlich zu steuern  und wenigstens das dilletantische Katastrophenmanagement in Fukushima zu übernehmen und Einblick in die Vorgänge vor Ort zu erhalten, lässt man diese Deppen weiterwurscheln. Mag ja sein dass die Konzernbosse besser als der Staat verstehen, wie man die Zwangskunden melkt und Gewinne abzockt. Von Schadensbegrenzung wenn ihnen ihre explosive Fabrik um die Ohren fliegt, verstehen sie aber genausoviel wie Westerwelle von Außenpolitik.

« Letzte Änderung: 30 März 2011, 11:14:48 von colourize »
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Re: super-gau in japan
« Antwort #251 am: 30 März 2011, 12:11:37 »

Ich muß colurize da in einem wichtigen Punkt zustimmen.
Privatunternehmen sind zu unzuverlässig, wenn es darum geht, essentielle Infrastrukturen zu betreiben.
Strukturen wie Postwesen, Telekommunikation, Energieproduktion- und Verteilung, ÖPNV und dergleichen mehr gehören in die öffentliche Hand.
Es kann, darf und sollte dazu aber private Konkurrenz geben. Fahre ich mit der Staatsbahn von HH nach B oder mit dem privaten Busunternehmen. Wähle ich die preiswertere oder die komfortablere Variante? Das muß dem Staatsbürger und Verbraucher überlassen sein.
Wenn die Privatunternehmen es besser machen, werden sie entsprechend viele Kunden bekommen. Die Grundversorgung sollte aber staatlich sichergestellt sein.
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Re: super-gau in japan
« Antwort #252 am: 30 März 2011, 13:14:30 »

Ich hab ernste Zweifel, dass der Staat besser und risikobewußter wirtschaften kann als private Unternehmen. Wenn diese Annahme stimmen würde, müssten die Landesbanken besser und sicherer als private Banken wirtschaften. Tun sie aber ganz bestimmt nicht. Im Telekommunikationsbereich hat beispielsweise die Privatisierung zu einem gesunden Wettbewerb geführt, von dem der Verbraucher profitiert. Dieses Beispiel zeigt auch, dass eine ausreichende Steuerung durch den Staat auch bei privatwirtschaftlichen Branchen möglich ist.
Davon abgesehen, halte ich diese ideologische Debatte für überflüssig, da der Bundestag per Gesetz gewisse Risiken bei der Energiegewinnung verbieten kann, ohne dass man gleich den Sozialismus in Deutschland einführen (bzw. weiter ausbauen) muß. So eine Risikoberwertung der Kernenergie durch die parlamentarischen Vertreter hat auch nichts mit links oder rechts zu tun. Was Lobbyvertreter zur Thematik sagen ist nachrangig, da der Bundestag (genauer: die Mehrheit im Bundestag) die Gesetze verabschiedet und somit auch die Verantwortung für Entscheidungen trägt.

@l3xi: Welchen Staatsvertrag meinst du? Den Sozialstaat als Staatsprinzip findet man in der Verfassung. Was darunter zu verstehen ist, wurde durch die fortschreibende Rechtssprechung des BVerfG eingegrenzt. Ein explizite Aussage zur Wirtschaftsform findet man nicht im GG. Einige Grundrechte wären allerdings mit den meisten Wirtschaftsformen jenseits der Marktwirtschaft unvereinbar.
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Re: super-gau in japan
« Antwort #253 am: 30 März 2011, 13:27:52 »

Aber gerade der Energiesektor ist durch mangelnden Wettbewerb der Netzbetreiber nicht besser geworden, im Gegenteil.
Die Energiekosten sind explodiert. Die Großkonzerne schreiben Milliardengewinne, während eine staatliche Energiewirtschaft nur kostendeckend arbeiten müßte, stecken diese aber völlig unzureichend in den Ausbau und Erhalt der Netzinfrastruktur.

Und Telekommunikation soll besser geworden sein? Wo denn bitte? Bei nahezu allen Anwendern ist der Service nicht besser als vor 30 Jahren. Und die Kosten für reine Telefongespräche (Internettechnik war damals ja technisch noch nicht so weit) sind auch weit höher als die Inflation es vorgegeben hätte gestiegen.
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Re: super-gau in japan
« Antwort #254 am: 30 März 2011, 13:52:37 »

Der Wettbewerb im Energiesektor ist sicherlich stark verbesserungsfähig. Hier wären kartellrechtliche Schritte dringend nötig.


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