Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Lebt der Mensch artgerecht?  (Gelesen 14125 mal)

CubistVowel

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #15 am: 06 November 2010, 12:27:29 »

Irgendwie ist die Frage in einer Hinsicht ziemlich bigott. Auf der einen Seite werden wir dabei wie ein normales Tier betrachtet, auf der anderen Seite steht die Forderung nach Einklang mit der Natur.
Ich verstehe nicht ganz, wo du bei der Frage nach der Artgerechtigkeit Bigotterie (Scheinheiligkeit) siehst. Meintest du Diskrepanz? Genau diese Widersprüchlichkeit ist doch ein essentieller Teil des Themas.

Wenn man uns als ein Tier betrachtet, muß man auch sehen, daß wir Teil der Natur sind. Und somit ist die Autobahn die wir bauen nichts anderes, als eine Ameisenstraße und ein Wolkenkratzer in Neuwiedenthal ist nichts anderes als ein Damm von Bibern.

Oder man geht eben doch den "Krönung der Schöpfung"-Gedanken bis zum Ende, formuliert es weniger breligiös und sagt eben, wir haben uns von vielen normalen biologischen Bereichen emanzipiert und damit sind wir eben kein normaler Bestandteil der Natur mehr und damit gelten für uns auch nicht die gleichen Voraussetzungen wie für andere Tiere.

Vielleicht müsste man das auch etwas weniger schwarz-weiß betrachten: Könnte man nicht auch sagen, es gibt hierbei nicht nur ein entweder "dummes Tier" oder "Krone der Schöpfung", sondern ein Mittelding? Dass wir tatsächlich eine Sonderstellung zwischen den Tieren einnehmen, aber eben nicht die "Herren der Erde" sind?


Wie ich schon sagte: Artgerechte Lebensweise in Bezug auf Mensch (heute!) geht meiner Ansicht nach mit Lebensqualität einher bzw. könnte meiner Ansicht nach Lebensqualität ein Definitionsmerkmal (?) für menschliche artgerechte Lebensweise sein.
Finde ich einen möglichen Ansatz. Aber ist das so weit entfernt von Eisbärs Aussage, "das ist doch recht einfach: wir Menschen gestalten uns unsere Umwelt doch so, wie wir sie gerne hätten"? BTW Danke für die Links, hatte allerdings noch keine Zeit nachzulesen.^^


die frage die sich mir vor allem stellt, wie könnte man bei aller überzeugung, dass das system (global) scheisse läuft, eine bessere, gerechtere, artgerechte, naturschützendere (...) gesellschaft neu erfinden bzw. organisieren ?
Wäre aber eine gerechtere, bessere, umweltbewusstere etc. Gesellschaft tatsächlich artgerechter als die jetzige? Sind die Menschen gemäß ihrer Art vielleicht einfach ausbeuterische Umweltsäue?




Mit dem Menschen ist es ungefähr so, wie Douglas Adams es schon beschrieben hat:
"Viele kamen allmählich zu der Überzeugung, einen großen Fehler gemacht zu haben, als sie von den Bäumen heruntergekommen waren.
Und einige sagten, schon die Bäume seien ein Holzweg gewesen,
die Ozeane hätte man niemals verlassen dürfen!"
Hähä, ich glaub, ich muss mich tatsächlich mal dazu überwinden den zu lesen. :D
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CubistVowel

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #16 am: 06 November 2010, 12:41:03 »

Ich frage mich manchmal, ist unser Leben noch artgerecht? Evolutionsbedingt? Degeneriert?
Ich frage mich hingegen, ob der Mensch überhaupt ein natürliches Habitat hat.
Diese Frage würde ich differenzieren zwischen dem heutigen Menschen und unseren Vorfahren. Jedes Lebewesen hat - ursprünglich - einen natürlichen Lebensraum. Die Frage nach dem Habitat des heutigen Menschen hat ja auch etwas von der Frage nach der Henne und dem Ei - was schafft wen.
Wie weit müsste man also in die Vergangenheit zurück um zu sehen, wann sich der frühere Lebensraum des Menschen so weit entwickelt hat, dass man von einem neuen Lebensraum sprechen kann?
Deinen obigen Ausführungen folgend lebte der Mensch vor wenigstens 5000 Jahren - also unsere Vorfahren - ja noch im Einklang mit der Natur. Die Tages- und Jahreszeiten bestimmten den Rhythmus, die Arbeit war nicht entfremdet, Konsum diente nur zum Überleben und Kapitalismus gabs nicht.

Defnitiv war aber vor 5000 Jahren schon die gesamte Welt von Menschen bevölkert, von einigen ziemlich unwirtlichen Anökumenen, die wir heute gleichfalls zu meiden versuchen, einmal abgesehen. Natürlich war die Bevölkerungsdichte geringer, aber nahezu überall wo es irgend möglich war, lebten auch Menschen. Sie lebten allerdings kulturell angepasst an ihre jeweilige Umwelt, es gab verschiedene Bekleidungen, Jadgtechniken, soziale Vergesellschaftungsformen.

Spricht das nicht dafür, dass es kein "natürliches Habitat" des noch-nicht-entfremdeten Menschen gibt, sondern der Mensch in Abhängigkeit seiner Kulturtechnik quasi überall leben kann?


Vor allem spricht es dafür, dass die Antwort auf meine Frage "Wie weit müsste man also in die Vergangenheit zurück um zu sehen, wann sich der frühere Lebensraum des Menschen so weit entwickelt hat, dass man von einem neuen Lebensraum sprechen kann?" also definitiv nicht 5000 Jahre ist. ;) Ich hatte ehrlich gesagt auch eher in fast schon geologischen Dimensionen gedacht, in letzter Konsequenz also vorkulturell. So kurz nach den Bäumen...
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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #17 am: 06 November 2010, 13:04:20 »

Wie definiert man was artgerecht ist, was nicht. Wenn man von der Norm ausgeht: Dann würden Menschen die im Einklang mit der Natur leben NICHT artgerecht leben. Denn es ist mittlerweile doch völlig normaler standard, dass wir eben nicht im Einklang mit ihr leben.
Ich verstehe den Ansatz: Artgerecht ist das, was mittlerweile Norm ist. Aber kann man das wirklich so einfach sagen? Sagen, die Menschheit hat sich eben weiter entwickelt, das ist eben Evolution, egal wie unglücklich und unzufrieden viele Menschen mit der allgemeinen und ihrer persönlichen Situation sind, wie viele sich beklagen über die Sinnlosigkeit und Leere des Lebens, den Mangel an Einklang mit der Natur vermissen?

Denn wenn ich den letzten Post von colourize richtig verstanden habe, ist seine Definition (oder ein Teil davon) von artgerechtem Habitus doch gerade der Einklang mit der Natur, und so sehe ich das auch.

Was genau "Einklang mit der Natur" bedeutet, ist wahrscheinlich für den heutigen Menschen ebenso schwer zu definieren, würde mich aber auch interessieren.
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Eisbär

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #18 am: 08 November 2010, 17:30:43 »

Ich denke nicht, daß wir Menschen zerstörerischer mit unser unmittelbaren Umwelt umgehen, als es andere Tiere täten, wenn deren Population überregional so beherrschend wären. Gäbe es derartig zuviele Schafe um die Welt verteilt, würden sie sich in kürzester Zeit dadurch reduzieren, daß sie sich die Nahrungsgrundlage weggefressen hätten und sie hätten dadurch aus weiten Wiesen Wüsten gemacht.
Die meisten Tierarten nutzen die Ressourcen, die ihnen ihre Region bietet und wenn die nicht mehr reichen , ziehen sie weiter. Dann erholt sich die Region und kann wieder bevölkert werden. Wir Menschen aber sind seßhaft geworden, gestalten die Regionen durch Landwirtschaft so um, daß sie viel mehr Nahrung abwirft und zudem sind so ziemlich alle Regionen besetzt. Wir haben die gesamte Welt bevölkert. Alle Klimazonen, alle geologischen Strukturen. Wir leben auf hohen Bergen und in Senken, wir leben auf kleinen Inseln und in großen Wüsten, in den Polarregionen und in den Tropen. Wir haben ständig Menschen im Orbit. Wir schaffen künstliche Inseln, über- und durchqueren die Ozeane. Wohin sollten wir ausweichen, wo nicht schon jemand ist?
Die verschiedenen Ökosysteme haben nicht mehr die Möglichkeit sich von unserem Raubbau zu erholen, weil wir zu viele sind und nicht mehr gehen.
Wir sind die beherrschende Spezies auf dem Planeten. Und das sind wir, weil wir eine der flexibelsten Spezies sind. Das macht uns zu evolutionären Siegern und beantwortet in gewisser Weise auch die Frage nach dem natürlichen Habitat: Durch unsere Anpassungsfähigkeit an äußere Umstände ist der Planet Erde unser Habitat.
Und als Jäger und Sammler, die wir waren, ist es natürliches Verhalten, Nahrung zu besorgen und danach zu faulenzen, bis die Vorräte verbraucht sind. Wie man das auf artgerechtes Verhalten heute ummünzen will... keine Ahnung.
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messie

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #19 am: 08 November 2010, 18:46:52 »

Das Ding ist doch, dass wir uns um Artgerechtheit einen Scheiß kümmern müssen - zumindest noch in diesem Jahrhundert. ;)
Solange der Raubbau an der Umwelt funktioniert, damit wir dadurch einigermaßen vernünftig leben können, wird halt alles, was nicht passt, passend gemacht und nicht etwa umgekehrt, dass wir uns der Umwelt anpassen, damit unsere Spezies länger (ewig?) davon leben kann.

Irgendein Philosoph meinte mal, dass Kriege und biologische Waffen etc. rein evolutionär betrachtet die einzig logische Konsequenz wären anhand unserer Überlegenheit gegenüber der Natur: Es ist die einzige Möglichkeit, die Überbevölkerung der Menschheit von seiten der Natur in den Griff zu kriegen.
Konsequent zu Ende gedacht heißt das, dass wir uns irgendwann, wenn wir uns weiter um Artgerechtheit von uns und der Natur einen feuchten Kehricht scheren, irgendwann selbst ausrotten werden: Plausiblerweise durch irgend einen biologischen Kampfstoff, der dummerweise nicht nur den Feind, sondern gleich alle Menschen dahinrafft.
Aus Sicht von Mutter Natur wäre das das beste, was ihr passieren kann.  :D
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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #20 am: 08 November 2010, 23:35:08 »

Der Philosoph war dann aber ziemlich doof.
Die Natur macht nicht etwas aus einem bewußten Antrieb oder mit einer Zielsetzung, das macht Natur "macht", ist eine Aneinanderreihung von Zufällen.
Wenn der Mensch ausstirbt, ist das ein Zufall.

Im übrigen ist dieses "was nicht paßt, wird passend gemacht" eben unsere Form der Anpassung. Und sie scheint -evolutionär betrachtet - extrem erfolgreich zu sein.
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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #21 am: 09 November 2010, 09:01:07 »

Die Natur macht nicht etwas aus einem bewußten Antrieb oder mit einer Zielsetzung, das macht Natur "macht", ist eine Aneinanderreihung von Zufällen.
Wenn der Mensch ausstirbt, ist das ein Zufall.
Ich stimme dir beim ersten Satz zu, die Evolution ist ein ziel- und planloser Vorgang. Aber ich könnte mir ebenfalls Szenarien ausdenken, ähnlich wie messie schrieb, wo der Mensch nicht zufällig ausstirbt, sondern an seinem Untergang direkt beteiligt ist. Indem er z. B. seine eigene Art dermaßen dezimiert oder so verseucht, dass eine normale Fortpflanzung nicht mehr stattfinden kann. Auch bei anderen Tierarten gibt es natürliche Mechanismen, die eine Überpopulation regeln, z. B. dass die Weibchen ab einer bestimmten Individuenzahl einfach nicht mehr fruchtbar werden oder Ähnliches. Auch das Beute-Jäger-Verhältnis ist so eine Regulierung, man könnte auch Krankheiten dazu zählen, die nur in Überpopulationen aufkommen.

Der heutige Mensch aber ist diesen natürlichen Mechanismen scheinbar nicht mehr unterworfen, er ist insgesamt gesehen fruchtbarer denn je, trotzt mehr oder weniger (bisher zumindest) jeder Massenkrankheit, hält sich Vieh, ernährt kranke Artgenossen etc. Ich zumindest könnte mir vorstellen, dass eine Spezies, die sich derart den natürlichen Mechanismen entzieht (man könnte auch sagen, sich über die Natur erhebt), biologisch langfristig aus genau diesem Grund zum Scheitern verurteilt ist.

Im Moment läuft es scheinbar gut, der Mensch kann sich glücklich als evolutionären Sieger betrachten, da es ihm gelingt, viele andere Spezies zu verdrängen, auszurotten oder für seine eigenen Zwecke zu benutzen. Aber wie lange noch, bis die Natur einen wie auch immer gearteten Mechanismus gegen diesen zerstörerischen Parasiten entwickelt? Als Segen für die anderen Millionen Arten auf dieser Welt...


Und als Jäger und Sammler, die wir waren, ist es natürliches Verhalten, Nahrung zu besorgen und danach zu faulenzen, bis die Vorräte verbraucht sind. Wie man das auf artgerechtes Verhalten heute ummünzen will... keine Ahnung.
Wenn man davon ausgeht, dass der Mensch sich selbst die Umgebung schafft, in der er leben möchte, also sich sein artgerechtes Habitat selbst erschafft, muss man sich aber fragen, warum gerade in unserer hochzivilisierten, der Natur stark entfremdeten Gesellschaft so viele Leute "eigentlich" lieber naturnäher, mehr im Einklang mit der Natur leben möchten. Ist unsere heutige Lebensweise eventuell nicht nur eine Frage der evolutionären Anpassung, sondern schlicht Gewöhnung, eine Art Goldener Käfig, aus dem es keinen Ausweg gibt? In dem man aus Bequemlichkeit, Mangel an Alternative oder fehlender Vorstellungskraft hocken bleibt?

Evolution ist nicht umkehrbar - aber sollte/muss der Mensch sich ausgerechnet in diesem einzigen Punkt der Natur unterwerfen und einfach so weiter machen wie bisher?
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Eisbär

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #22 am: 09 November 2010, 10:20:14 »

Indem er z. B. seine eigene Art dermaßen dezimiert oder so verseucht, dass eine normale Fortpflanzung nicht mehr stattfinden kann. Auch bei anderen Tierarten gibt es natürliche Mechanismen, die eine Überpopulation regeln, z. B. dass die Weibchen ab einer bestimmten Individuenzahl einfach nicht mehr fruchtbar werden oder Ähnliches.
Hast Du da konkrete Beispiele? Außer bei schwarmbildenden Tieren?
Zitat
Auch das Beute-Jäger-Verhältnis ist so eine Regulierung, man könnte auch Krankheiten dazu zählen, die nur in Überpopulationen aufkommen.
Jupp. Und auch das ist auf dem Menschen anwendbar. Man geht ja davon aus, daß die Bevölkerungsexplosion irgendwann gebremst wird, wenn es einfach keine Nahrung mehr für noch mehr Menschen gibt.

Zitat
Der heutige Mensch aber ist diesen natürlichen Mechanismen scheinbar nicht mehr unterworfen, er ist insgesamt gesehen fruchtbarer denn je, trotzt mehr oder weniger (bisher zumindest) jeder Massenkrankheit, hält sich Vieh, ernährt kranke Artgenossen etc. Ich zumindest könnte mir vorstellen, dass eine Spezies, die sich derart den natürlichen Mechanismen entzieht (man könnte auch sagen, sich über die Natur erhebt), biologisch langfristig aus genau diesem Grund zum Scheitern verurteilt ist.
Genaugenommen sind die Gründe, die Du aufzählst diejenigen, wegen deren wir zur Zeit so erfolgreich sind. Das einzige, was uns da tatsächlich ausbremsen könnte, ist die Tatsache, daß Erbkrankheiten eben nicht aussterben, sondern sich dank der modernen Medizin immer weiter im Genpool der Spezies Mensch verbreiten. Mit der Genforschung wird aber auch das in absehbarer Zukunft der Vergangenheit angehören.

Zitat
Im Moment läuft es scheinbar gut, der Mensch kann sich glücklich als evolutionären Sieger betrachten, da es ihm gelingt, viele andere Spezies zu verdrängen, auszurotten oder für seine eigenen Zwecke zu benutzen.
Nein, zum evolutionären Sieger macht ihn die schiere Zahl an Exemplaren und die überregionale Verbreitung die ihn wiederum stark vor einer Ausrottung schützen. Damit die Menschheit ausstirbt, müssen von der Ursache alle Regionen der Welt erreicht werden und es müssen bald 7 Milliarden unterschiedliche Individuen davon betroffen werden. Stell Dir ein Massensterben aufgrund irgendeiner neuen ominösen Krankheit vor. Es wird garantiert abgelegene Gebiete geben, die ein Virus nicht erreicht, es wird Menschen mit natürlicher Immunität geben. Vielleicht sind letztere nur einer von einer Million, aber dann hätten wir immer noch 7000 Menschen und die könnten sich wieder vermehren.

Zitat
Aber wie lange noch, bis die Natur einen wie auch immer gearteten Mechanismus gegen diesen zerstörerischen Parasiten entwickelt? Als Segen für die anderen Millionen Arten auf dieser Welt...
Boah, das ist ja bio-misantropische Polemik pur. Der Mensch ist kein Parasit, er ist ein Allesfresser. Das überleben von tausenden Arten hängt zur Zeit vom Menschen ab und ich spreche da nicht nur von Haus- und Nutztierrassen, sondern auch von Kulturfolgern, wie z.B. Ratten.
Und so blöd das auch klingt: es ist völlig natürlich, daß eine Art andere Arten verdrängt und diese anderen dann aussterben. Das nennt man Evolution.

Wir sind nur die erste Art, die in der Lage ist, sich darüber Gedanken zu machen und die sogar versucht, ihre eigene Ausbreitung so zu steuern, daß durch uns bedrohte Arten Rückzugsräume geschaffen werden, die diese vorm Aussterben bewahren sollen.


Zitat
Wenn man davon ausgeht, dass der Mensch sich selbst die Umgebung schafft, in der er leben möchte, also sich sein artgerechtes Habitat selbst erschafft, muss man sich aber fragen, warum gerade in unserer hochzivilisierten, der Natur stark entfremdeten Gesellschaft so viele Leute "eigentlich" lieber naturnäher, mehr im Einklang mit der Natur leben möchten.
Im Einklang wollen wir komischerweise nur leben, seit es eine ökologische Bewegung gibt, die sich darüber mokiert, wie sehr wir die Natur verändern und dort Lebensräume für andere Arten zerstören. Und das uns das stört, ist Teil unseres Verstandes, also eine logische Überlegung, da eben auch für uns essentielle Bereiche zerstört werden können.
Trotzdem bevorzugen die meisten Menschen einen gepflegten Garten, keinen verwilderten.
Zitat
Ist unsere heutige Lebensweise eventuell nicht nur eine Frage der evolutionären Anpassung, sondern schlicht Gewöhnung, eine Art Goldener Käfig, aus dem es keinen Ausweg gibt? In dem man aus Bequemlichkeit, Mangel an Alternative oder fehlender Vorstellungskraft hocken bleibt?
Die Menschheit kam vor Jahrzehntausenden aus der afrikanischen Savanne. Allerdings hat sie sich extrem schnell in total andere Habitate eingelebt. Offensichtlich ist unsere Lebensweise genau diese: die regionalen Gegebenheiten annehmen, sich in gewissen Maße daran anzupassen und sie weiterhin zu unserem Nutzen zu gestalten.

Zitat
Evolution ist nicht umkehrbar - aber sollte/muss der Mensch sich ausgerechnet in diesem einzigen Punkt der Natur unterwerfen und einfach so weiter machen wie bisher?
Wie gesagt: unser Verhalten ist vermutlich völlig natürlich.
Die Tatsache, daß wir nicht so weitermachen, ist tatsächlich die zivilisatorische, also unnatürliche. Und sie ist bei unsere Zahl bitternötig.
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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #23 am: 09 November 2010, 13:28:32 »

Zitat
Aber wie lange noch, bis die Natur einen wie auch immer gearteten Mechanismus gegen diesen zerstörerischen Parasiten entwickelt? Als Segen für die anderen Millionen Arten auf dieser Welt...
Boah, das ist ja bio-misantropische Polemik pur.
Zugegeben. ;) Aber ich glaube, ich bin nicht die einzige, der manchmal bei Betrachtung des menschlichen Verhaltens der Gedanke an "Ungeziefer", Parasiten, Viren oder einen sonstigen Befall in den Sinn kommt.^^

Zitat
Das überleben von tausenden Arten hängt zur Zeit vom Menschen ab
Stimmt wahrscheinlich. Ein interessanter, aber in vieler Hinsicht ziemlich unangenehmer Gedanke, finde ich.

Zitat
Im Einklang wollen wir komischerweise nur leben, seit es eine ökologische Bewegung gibt, die sich darüber mokiert, wie sehr wir die Natur verändern und dort Lebensräume für andere Arten zerstören
Da muss ich dir widersprechen, es gibt genügend alte Kulturen, z. B. unter den ursprünglichen Völkern Nordamerikas, die ein solches Ziel anstrebten und eine für sich praktikable Lösung fanden und lebten. Ohne diese jetzt glorifizieren zu wollen - es gab innerhalb dieser Kulturen viele Praktiken, die wir heute selbst (trotz biologischer Logik) als höchst seltsam bis grausam klassifizieren würden, z. B. das Aussetzen von Alten und Kleinkindern bei Nahrungsmangel. Aber eine andere weit verbreitete Praktik war z. B. die, der Natur nie mehr zu entnehmen als unbedingt lebensnotwendig - eine solche Genügsamkeit wäre in unserer konsumorientierten Gesellschaft fast schon subversiv. Und im Hinblick auf unsere übermäßig große Zahl inzwischen sowieso hinfällig, denke ich.

Zitat
Wie gesagt: unser Verhalten ist vermutlich völlig natürlich.
Die Tatsache, daß wir nicht so weitermachen, ist tatsächlich die zivilisatorische, also unnatürliche. Und sie ist bei unsere Zahl bitternötig.
Habe ich das richtig verstanden, eine selbst gewollte Richtungsänderung hältst du zwar für nötig, aber auch für unnatürlich? Weiter oben hattest du ja geschrieben, es wäre eine logische Überlegung, uns selbst nicht die Lebensgrundlage zu entziehen. Ich fand die Bemerkung über den gepflegten Garten übrigens sehr treffend. Wenn ich das richtig interpretiere, meinst du damit, dass der Mensch eben entgegen besseres Wissen seine Gewohnheiten nicht ändern wird?
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Bombe

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #24 am: 09 November 2010, 13:35:27 »

Im Einklang wollen wir komischerweise nur leben, seit es eine ökologische Bewegung gibt, die sich darüber mokiert, wie sehr wir die Natur verändern und dort Lebensräume für andere Arten zerstören
Da muss ich dir widersprechen, es gibt genügend alte Kulturen, z. B. unter den ursprünglichen Völkern Nordamerikas, die ein solches Ziel anstrebten und eine für sich praktikable Lösung fanden und lebten. […] eine andere weit verbreitete Praktik war z. B. die, der Natur nie mehr zu entnehmen als unbedingt lebensnotwendig

Ich glaube, hier zäumst du das Pferd von hinten auf. Es wurden (z.B. von den Indianern) nur so viele Bisons, Yaks und was-weiß-ich-wie-die-Tiere-alle-heißen gejagt, wie notwendig waren, um zu überleben, da a) die Jagd zu anstrengend war, um mal eben noch 20% mehr zu holen als man wirklich braucht und b) man eh nichts aufbewahren konnte, weil es keine Kühlmöglichkeiten gab. Es spielt hierbei also mitnichten – wie impliziert – ein Bestreben nach ökologischem Gleichgewicht eine Rolle, das ganze ist eine sehr einfache Kosten-Nutzen-Rechnung und damit extrem egoistisch. Man könnte es auch „Natur“ nennen, denn dieses Muster findet man einfach überall.
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Manchmal fragt man sich, ob sich die Rettungsversuche überhaupt lohnen. Lohnt es sich, die Menschheit zu retten? So wie ich die Sache sehe, ist die Intelligenz bereits ausgerottet, und es leben nur noch die Idioten.

CubistVowel

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #25 am: 09 November 2010, 14:24:36 »

Es spielt hierbei also mitnichten – wie impliziert – ein Bestreben nach ökologischem Gleichgewicht eine Rolle, das ganze ist eine sehr einfache Kosten-Nutzen-Rechnung und damit extrem egoistisch. Man könnte es auch „Natur“ nennen, denn dieses Muster findet man einfach überall.
Finde ich einen guten Punkt. Aber die Frage nach dem Einklang mit der Natur stellt sich in einer Kultur, die sowieso in einem solchen Einklang lebt, womöglich gar nicht. Gründe für den Respekt vor der Natur gab es zuhauf. In vielen dieser Kulturen wurde die Natur vermenschlicht (z. B. Mais und Bohnen als Schwestern der Menschen angesehen) oder mit hütenden Geistern bevölkert, die man nicht verärgern durfte. Biologisch gesehen ist natürlich letztlich fast alles eine Kosten-Nutzen-Frage, aber widerspricht doch nicht unbedingt dem bewussten Bestreben nach ökologischem Gleichgewicht aus welchem Antrieb auch immer. Einige unserer grundlegendsten gesellschaftlichen Regeln und Tabus haben ja auch heute noch ihren Ursprung in biologischen Faktoren, z. B. bei Inzest oder Mord.


edit: das war jetzt bissel konfus, glaube ich... Ich wollte nur ausdrücken, dass ein biologischer Faktor durchaus Grundlage sein kann für ein bewusstes Streben. In diesem Fall wäre der biologische Vorteil der Nachhaltigkeit die Grundlage für umweltverträgliches Handeln.
« Letzte Änderung: 09 November 2010, 14:48:18 von CubistVowel »
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Simia

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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #26 am: 09 November 2010, 14:35:23 »

Zitat von:  CubistVowel
Biologisch gesehen ist natürlich letztlich fast alles eine Kosten-Nutzen-Frage, aber widerspricht doch nicht unbedingt dem bewussten Bestreben nach ökologischem Gleichgewicht aus welchem Antrieb auch immer.

Ganz genau. Klar dass die Indianer etc. auch nicht blöd waren. Die haben schon - so rein verstandesmäßig - begriffen, wie sie mit dem System um sie herum umzugehen haben, um auch den nächsten Generationen ein Überleben sichern zu können. Und im ständigen Überlebenskampf war kein Platz für Naturromantik.

Man sah allerdings auch keine Notwendigkeit, den Proto-Kühlschrank zu erfinden, um mehr horten zu können oder die Jagd effektiver zu machen. Das Bewusstsein war schon ein anderes. Man kann tatsächlich von einem respektvollen Umgang mit "der Natur" sprechen. Es wurde z.B. von vielen Indianerstämmen der imaginierte Geist des Tieres sozusagen dafür "um Verzeihung gebeten", dass in wenigen Sekunden ein Pfeil ins Gehirn klatscht (Dass das dem Tier herzlich egal war, ist stark anzunehmen, darum geht es aber ja auch nicht).

Im Einklang mit der Natur heißt doch eigentlich "im Einklang mit der eigenen Natur", wird aber gern mit dem Wohlgefühl angesichts unberührter Flora und Fauna gleichgesetzt. Von daher kann ich dem Eisbären nur zustimmen, finde aber auch die Theorie vom Mängelwesen äußerst interessant (das muss ich für mich erstmal noch einordnen). Ich denke schon, dass der Mensch "natürlich" handelt. Die Natur ist auf gewisse Weise grausam. Ameisen z.B. halten sich auch Vieh (die Läuse, die von ihnen gemolken werden). Hier ist es einfach eine Frage der Möglichkeiten, der Komplexitätsgrad ist bei den Menschen am Höchsten, die Motivation muss sich allerdings nicht unterscheiden.

Unbestreitbar allerdings ist, dass der Mensch sich tatsächlich von der Natur im direkten Sinne, der Flora und Fauna, entfernt hat. In einem Neubaublock lebt (im biologischen Sinne) nicht so viel wie in den Wiesen vor der Stadt. Wobei ich gar nicht weiß, warum sich das Streben nach dem einen und dem anderen gegenseitig ausschließen soll. Ich geh gern Essen oder ins Kino und freue mich über die Errungenschaften der Zivilisation, aber wenn ich ne Woche Mecklenburgische Seen durchpaddel oder in einem menschenleeren Waldstück tatsächlich eine Art von Zuhause-Gefühl erlebe, dann ist das genauso real (jenen unbeschreiblichen Zustand allerdings habe ich mit Sicherheit nicht allein der Öko-Bewegung zu verdanken  -- vielleicht sind's ja meine Gene, die sagen "Hey, sowas kenn ich von früher!" ;D).
« Letzte Änderung: 09 November 2010, 14:46:49 von Simia »
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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #27 am: 09 November 2010, 16:10:16 »

Im Einklang mit der Natur heißt doch eigentlich "im Einklang mit der eigenen Natur" [...] Unbestreitbar allerdings ist, dass der Mensch sich tatsächlich von der Natur im direkten Sinne, der Flora und Fauna, entfernt hat.
Mein persönlicher ursprünglicher Eindruck und Grund, sich immer wieder mit diesem bodenlosen Thema zu beschäftigen war u. a., dass sich der zivilisierte Mensch mit der Entfernung von der "direkten" Natur auch ein großes Stück von seiner "eigenen", also inneren Natur entfernt hat. Deswegen hatte ich in meinem Eingangsposting hauptsächlich Beobachtungen aufgezählt, die das zivilisierte Individuum betreffen. Ich hatte und habe das Gefühl, dass das Individuum (nicht jedes) eine Menge Nachteile durch die Evolution seiner Spezies hat. (Was ja in der Biologie im Sinne der bestmöglichen Artentwicklung auch nichts Besonderes wäre.)
« Letzte Änderung: 09 November 2010, 16:21:12 von CubistVowel »
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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #28 am: 09 November 2010, 16:42:08 »

[...]das ganze ist eine sehr einfache Kosten-Nutzen-Rechnung und damit extrem egoistisch. Man könnte es auch „Natur“ nennen, denn dieses Muster findet man einfach überall.
Also doch.  :)
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Re: Lebt der Mensch artgerecht?
« Antwort #29 am: 24 November 2010, 18:18:56 »

Zitat von: Eisbär
Und so blöd das auch klingt: es ist völlig natürlich, daß eine Art andere Arten verdrängt und diese anderen dann aussterben. Das nennt man Evolution.
Ich muss vehement ergänzen!!!
Evolution ist ein Prozess ständiger Anpassungen, der
- Konkurrenz-Vermeidung (<-- Pendant zur Verdrängung)
- Sexuelle Selektion
- Bildung von Abhängigkeitsverhältnissen (Jäger-Beute, Bestäuber, Mutualismus usw.)
- Emergenz ökologischer Systeme

beinhaltet.
Ich denke mal, dass dir das eigentlich klar sein dürfte und du nur aus einem dem Diskurs entwachsenen Affekt so einseitig Evolution beschrieben hast!
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