Ja, es wäre möglich, absolut. Nehmen wir ein, die Shoah hätte nicht vor 65 Jahren ein Ende gefunden, sondern vor meinetwegen 20 Jahren und die ganzen Wirrköpfe würden jetzt noch leben und man könnte sie vor Gericht stellen. Alle hätten sie ein Anrecht auf eine faire Verteidigung und einen fairen Prozess. Todesstrafen gibt es nicht mehr. Sie würden wohl wahrscheinlich sogar nicht in Deutschland vor Gericht stehen, sondern in Den Haag. Alle dürften sie ihre Version der Geschichte erzählen und ich wette, dass sie alle sich als Opfer sehen würden. Auch bei den Nürnberger Prozessen haben sie ja alle auf "nicht schuldig" plädiert. Göring nicht schuldig, Hess sogar geistesgestört und natürlich deshalb auch noch vermindert schuldfähig und so. Ich möchte nicht wissen, in was für einer Gesellschaft wir heute leben würden, wenn da auch nur einer mit einer Bewährungsstrafe rausgekommen wäre. Wenn Mengele sich tatsächlich hätte vor Gericht verantworten müssen und er hätte einen Verteidiger gehabt, der tatsächlich das Gericht hätte davon überzeugen können, dass Mengele nicht der Massenmörder war, sondern eben der wirkliche "Todesengel von Auschwitz", der die Menschen aus reiner Menschlichkeit getötet hat, um sie vor dem schlimmeren Tod in den Gaskammern zu bewahren? Ein Retter also? Ein zweiter, nicht ganz so menschlicher Oskar Schindler? Insofern finde ich es gut, wenn so ein Film mal über den Horizont hinausschaut und uns deutlich macht, wie verführbar wir alle sind, wie schnell wir uns von einem geschickt argumentierenden Massenmörder einwickeln lassen.