Dazu fand ich diesen offenen Brief gut und möchte ihn deshalb hier zitieren:
"Sehr geehrter Herr Bosbach,
mit großer Sorge verfolge ich die Diskussion um den Fall Daschner und auch
Ihren in der Diskussion bei "Christiansen" vertretenen
Standpunkt dazu. Daher dieser offene Brief an Sie.
Ich möchte mich kurz vorstellen:
Mein Name ist [...] ich stamme aus Sachsen und habe die damalige DDR 1989
über die Prager Botschaft der Bundesrepublik verlassen.
In der DDR habe ich erlebt, wohin es führt, wenn den Menschen Freiheiten und
demokratische Grundrechte vorenthalten werden.
Genau deshalb halte ich die Würde des Menschen für unantastbar und halte
jegliche Diskussion über deren Aufweichung, aus welchem Grund auch immer das
geschehen soll, für besorgniserregend.
Ihr Vergleich mit einer akuten Nothilfesituation hinkt aus mehreren Gründen:
1) In einer Nothilfesituation, wenn z.B. ein Täter den Finger am Abzug hat,
wird durch Nothilfe (finaler Rettungsschuss o.ä.) die aktive Durchführung
der
Tat behindert bzw. unterbrochen.
In der Frankfurter Situation hingegen sollte ein passiver Täter durch
Folterandrohung (und ggf. auch -durchführung) zu einem aktiven Handeln
gezwungen werden.
2) In einer Nothilfesituation wird eine Verletzung oder Tötung des Täters
schlimmstenfalls billigend in Kauf genommen (eine bewusste Zufügung von
Schmerz und Leid ist nicht das Ziel), es geht darum, ihn lediglich an der
Fortführung seiner Tat zu hindern.
Bei einer Foltersituation hingegen ist das Zügen von unerträglichem Schmerz
selbst das eigentliche Mittel (und nicht nur eine Inkaufnahme), den Täter zu
einem bestimmten Handeln zu zwingen (eine Todesfolge wird dabei zusätzlich
billigend in Kauf genommen).
3) In einer Nothilfesituation ist ein Schuss auf den Täter, wenn die Kugel
des Täters schon fast im Lauf ist und in Sekundenbruchteilen mit dem Tod des
Opfers zu rechnen wäre, das allerletzte Mittel in einer akuten Situation,
wenn alle anderen Möglichkeiten versagt haben.
In der Frankfurter Situation, war das alles nicht gegeben, es war keine
unmittelbar akute Situation und es bestand die Möglichkeit, dass der Täter
noch von selbst kooperativ wird, dass das Opfer auch ohne Kooperation noch
rechtzeitig gefunden wird, oder dass es bereits tot ist usw. .
Auch das Argument, der Polizei mehr Rechtssicherheit geben zu wollen, ist
fadenscheinig:
Indem sie Folter "manchmal" rechtlich zulassen oder zumindest
eine rechtliche Grauzone in der Folter möglich ist, ausweiten und dulden,
senken sie die Rechtssicherheit.
Wenn Folter hingegen absolut verboten ist und damit die Grauzone auf Null
verkleinert wird, erst dann besteht eine klare Rechtssicherheit für die
Polizeibeamten.
Ihre Argumentation, dass ein einzelner gefoltert werden darf, um vielen das
Leben zu retten, ist zynisch und eines demokratischen Abgeordneten nicht
würdig.
Um Missverständnisse vorzubeugen - ich möchte Sie nicht mit nachfolgenden
Beispielen in Verbindung bringen, ich möchte lediglich aufzeigen, dass mit
ihrer Argumentation ebenso nachfolgende Beispiele zu rechtfertigen wären:
Was ist, wenn der Täter bei gemäßigter Gewaltanwendung noch standhalten
würde, würden dann die glühenden Zangen ausgepackt? Oder vielleicht ein
Familienmitglied des Täters vor seinen Augen gefoltert oder vergewaltigt
wenn nur das noch dazu führen könnte, daß der Täter kooperativ wird?
Auch das wären ja nach ihrer Argumentation untergeordnete Rechtsgüter im
Vergleich zur Rettung möglicherweise tausender potentieller Opfer.
Die gleiche Argumentation würde auch medizinische Menschenversuche möglich
machen: was ist die Gesundheit einer Testperson im Vergleich zur Rettung
tausender todkranker Menschen?
Und genau das zeigt: Die Würde jedes Menschen ist immer unantastbar!
Der Staat darf niemals selbst Verbrechen begehen, um Verbrechen zu
verhindern!
Das zeichnet eben gerade einen humanen demokratischen Rechtsstaat aus, dass
er niemals Menschenrechte verletzen darf, egal zu welchem Zweck!
Der Zweck heiligt nie die Mittel!.
Hat der Staat wirklich schon alle Mittel ausgeschöpft um Verbrechen zu
verhindern? Ich denke nein!
Was ist mit der schlechten Ausstattung der Polizei und der schlechten
Bezahlung unserer Polizeibeamten, die eine so verantwortungsvolle Arbeit
leisten?
Wenn der Staat auf Folter zurückgreift, weil er auf anderen Ebenen versagt
hat, dann ist das beklemmend.
Klar, Folterinstrumente sind billiger, als eine gute Ausstattung der
Polizei.
Es ist immer schwerer, Werte zu schützen, ohne sie selbst zu verletzen.
Ja, Freiheit und Demokratie sind aufwendiger und teurer als eine Diktatur,
aber es lohnt sich!
Und was ich auch sehr scheinheilig finde, ist, dass sie nicht mal
"Butter bei die Fische tun" und "das Kind beim Namen
nennen".
Sie sagen verharmlosend Gewaltanwendung und Zufügen von Schmerz um eine
Aussage zu erzwingen usw. - aber genau das ist Folter!
Folter ist Folter und ein bisschen Folter oder "Folter light"
gibt es nicht.
Und das ist eine Schwelle, die der Staat niemals überschreiten darf!
Man darf auch nicht vergessen: ist der Dammbruch erst mal vollzogen, kann es
jeden Bürger treffen, keiner könnte mehr zu 100% sicher sein, nicht doch
durch ungünstige Umstände in falschen Verdacht zu geraten und dann der
Folter ausgesetzt zu sein.
Und wenn sich das mal jeder vor Augen führt, dann werden auch nicht mehr so
viele Zuschauer für ihre populistische Stimmungsmache applaudieren.
Der Staat wird nie zu 100% Schutz vor Verbrechen gewähren können, egal
welche Mittel er anwendet, darüber gibt es keine Illusion.
Aber er kann bis jetzt zumindest zu 100% garantieren, dass wir Bürger zu
100% vor staatlicher Folter geschützt sind.
Diese Sicherheit würden wir verlieren, ohne dabei jedoch absolute Sicherheit
vor Kriminalität zu gewinnen.
Ich bin froh, dass Sie mit Ihrem Standpunkt in der Minderheit sind, dass
UNO, EU, Amnesty International, Internationale Liga für Menschenrechte, die
Gewerkschaft der Polizei,
viele Politiker und viele aufgeklärte Bürger sich klar zum absoluten
Folterverbot bekennen.
Die Aufweichung des absoluten Folterverbotes erschüttert die Grundfesten
unserer Demokratie und all die Werte, für die die Humanisten der Aufklärung
gekämpft haben, für die Menschen im KZ gestorben sind, für die die Menschen
in der DDR 1989 friedlich auf die Straße gegangen sind und welche die
Gründer der Bundesrepublik und Väter unserer Verfassung nicht ohne Grund für
unantastbar hielten.
Der Staat darf niemals seine eigenen Werte verletzen um dieselben Werte zu
schützen!
Sonst gibt es irgendwann nichts mehr, was noch schützenswert wäre.
Mit freundlichen Grüßen"
Ist nicht von mir
Drückt aber haargenau meine Meinung aus.