Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: identität  (Gelesen 6452 mal)

Kallisti

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« Antwort #15 am: 14 November 2004, 11:32:30 »

@seekow

... zum Einen:
ja, Schizophrenie bedarf professioneller, psychotherapeutischer bzw. psychiatrischer "Behandlung", aber das weißt du ja längst selbst.

Zum Anderen:

bist du, wie ich annehme, noch relativ jung (unter 30) (?) und da gehört es einfach zur ganz normanlen, sprich: "gesunden"/natürlichen Entwicklung (des Menschen) sich Fragen zum "Selbst", zur eigenen Identität zu stellen - wenn dies auch leider viele Menschen zu umgehen versuchen, weil es "unbequem" ist..., weil es Zweifel und Unsicherheiten, Ängste, Ambivalenzen ... aufdeckt bzw. aufwirft, an die Oberfläche bringt.

Eigentlich sollte man sich "lebenslänglich" mit dem "Selbst" auseinandersetzen!

Und: wenn man es von der philosophischen Seite angeht, dann ist das sogenannte "Selbst" bzw. "Ich" (-> was es genau ist, woraus es besteht, wie es genau "ist"..., wer man eigentlich ist...) ein "Problem", das noch nicht "gelöst" ist - wie z.B. auch das sogenannte "Bewusstsein"!

Mein Tip: Nicht immer alles nur vom psychologischen Standpunkt aus betrachten, sondern mal ein bisschen in philosophischer Literatur stöbern...!!  
Zu empfehlen wäre da beispielsweise:

Sartre: "Das Sein und das Nichts"  (für "Einsteiger" allerdings erstmal etwas schwierig/gewöhnungsbedürftig)

Antonio R. Damasio: "Ich fühle, also bin ich"

Michael Pauen: "Identitätstheorie" in: "Das Rätsel des Bewußtseins"


Ansonsten gibt es zum Thema immer wieder mal "Speziale" oder "Dossiers" im "Spektrum der Wissenschaft" (Magazin) - oder auch einfach dort (Verlag/Leserservice) nach älteren Heften zum Thema fragen und sich schicken lassen!: Das ist günstiger als gleich ein Buch zu kaufen und man bekommt erst mal einen übersichtlichen Einblick - verständlich erklärt...!

Lieben Gruß
Kallisti
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Kenaz

  • Gast
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« Antwort #16 am: 15 November 2004, 09:55:04 »

Naja, ob "Das Sein und das Nichts" so der zündende Literaturtip ist, wage ich offen gestanden zu bezweifeln, denn daß das "für "Einsteiger" allerdings erstmal etwas schwierig/gewöhnungsbedürftig" ist, ist ja wohl mal eine höfliche, doch nicht zu knappe Untertreibung; - ich jedenfalls habe daran schon ganze philosophische Seminare verzweifeln sehen.

Der Hinweis mit der philosophischen Literatur scheint mir insgesamt jedoch durchaus in die richtige Richtung zu gehen - nicht zuletzt wird in den meisten psychotherapeutischen Gesprächstherapien ohnehin nichts anderes getan, als philosophisch dilettiert. In diesem Sinne würde ich als kleinen Literaturtip ergänzen:

Sören Kierkegaard: "Die Krankheit zum Tode" - Finsterer Titel, aber hinsichtlich der Frage nach dem Selbst ausgesprochen instruktiv! - Das ganze Buch dreht sich ausschließlich um die Problematik des Selbst und analysiert akribisch die verschiedenen Formen der Verzweiflung, die aus den unterschiedlichen Positionen resultieren, welche der einzelne dazu einnehmen kann.
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Kallisti

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« Antwort #17 am: 15 November 2004, 13:19:45 »

@Kenaz


jou!: Kierkegaard!: Klar!!  Immer gerne! Aber: er geht das Thema doch sehr einseitig an...! Ist zwar genau mein Ding, seine Perspektive..., aber: eben wie gesagt ziemlich einseitig - da könnt man dann ja auch gleich noch Camus ("Der Mensch in der Revolte", vor allem aber: "Der Mythos des Sisyphos" !!) und Dostojewskij: "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" empfehlen!!: find ich alles super! Aber: ist eben doch relativ "pessimistisch" ... (für manche Menschen).

"Das Sein und das Nichts" : muss man ja nicht so hoch-fach-philosophisch (wissenschaftlich) angehen - kann man ja auch als Laie einfach mal versuchen, sich "zu Gemüte zu führen".

Hm, meiner Meinung nach wird "das" "Philosophieren" in den meisten/üblichen psychotherapeutischen "Behandlungen", Gesprächen... eher extrem wenig "praktiziert" - das läuft da eher oft so "schubladentechnisch" ab, finde ich - es wird analysiert, ja, auch spekuliert vielleicht - aber nicht nach "philosophischer Manier", leider.
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Kenaz

  • Gast
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« Antwort #18 am: 15 November 2004, 13:56:13 »

@ Kallisti

Einseitig? Findest Du? - Wegen des religiösen Einschlags, oder was? Davon aber mal abgesehen finde ich die Perspektive, die er dazu - insbesondere im genannten und in "Entweder - Oder" (speziell im Zweiten Teil) - einnimmt,  ziemlich komplex ... und schon gar nicht pessimistisch - im Gegensatz zu Sartre und Camus. Klar, der Mensch muß den Stadienweg gehen und den Mumm aufbringen, den "Sprung" zu wagen. - Doch immerhin: die Möglichkeit steht ihm jederzeit offen. Und für den Verzweifelten wohl am schönsten zu wissen: Nach Kierkegaard ist ja der einzige Weg, der Verzweiflung zu entgehen, gerade eben diese Verzweiflung: er muß sie "nur" voll und ganz durchdringen.

"Das Sein und das Nichts" finde ich für einen ungeschulten Leser ganz einfach schon rein terminologisch ziemlich verzweiflungsstiftend und -schürend; wiewohl ... mit Kierkegaard betrachtet ... :mrgreen: ... vielleicht solltest Du's tatsächlich mal lesen, Seekow ... :biglaugh:

Und was die Philosophie in den Zeiten der Psychotherapie betrifft: Eben deshalb sprach ich ja von philosophischem Dilettieren ... - freilich wird das weder sonderlich systematisch noch sonderlich konsequent betrieben, sondern eher im Freestyle-Modus ... - nichtsdestotrotz bzw. gerade deswegen neige ich nach wie vor der Behauptung zu, daß insbesondere die klassische Gesprächstherapie in der Praxis ihrer Problemerörterung primär auf philosophischen Pfaden wandelt ...
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Kallisti

  • Gast
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« Antwort #19 am: 15 November 2004, 14:50:22 »

@Kenaz

... naja, aber Kierkegaard "springt" letztlich ja dann eben doch - Camus: nicht!

Ja -  in Psychotherapien ist vor allem "Zweifeln" nicht "erwünscht" bzw. wird nicht gefördert, nicht "geduldet", sondern "plattgemacht" - soll ja gerade "ausgemerzt" werden: Zweifel, Skepsis, Unsicherheit, Ambivalenz! (<- in Psychotherapie)
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Kenaz

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« Antwort #20 am: 15 November 2004, 15:09:44 »

Zitat von: "Kallisti"
... naja, aber Kierkegaard "springt" letztlich ja dann eben doch - Camus: nicht!
- Eben. Das isses ja. Deshalb ist er in letzter Konsequenz ja weniger "pessimistisch" als Camus: Kierkegaard zeigt die Möglichkeit zum "Sprung" auf - Camus: nicht!  :wink:
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Kallisti

  • Gast
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« Antwort #21 am: 15 November 2004, 20:54:14 »

@Kenaz

... ja, aber: "Springen" "gilt nicht" - finde ich! Jedenfalls nicht, wenn man "Philosoph(in)" ist. (o diese Anhängsel : "-in" ... jaja, diese patriarchale Sprache...  aber ja: ist ein gaaaaaaaaaaaaanz anderes Thema - fiel mir nur gerade wieder - unangenehm - auf)

"Springen", d. h. "Glauben" ist in meinen Augen Flucht/Ausweichen,  Bequemlichkeit, Selbstbetrug und Schwäche. Ja, da bin ich radikal und undiplomatisch.
                                       :twisted:
                                       

Camus revoltiert halt lieber - ist das "pubertär" oder "zäh"/konsequent?
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Kenaz

  • Gast
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« Antwort #22 am: 15 November 2004, 22:09:37 »

@ Kallisti

Wer sagt das denn, daß springen nicht gilt? Irgendwann mußt Du immer springen ... - oder, um mit Nietzsche zu sprechen: Du mußt Werte setzen. - Jedes Wissen gründet in letzter Konsequent auf Glauben, d. h. auf einer Basis, die ihrerseits nicht mehr weiter durch rationale Begründungen gestützt werden kann. Selbst eben die fragliche Abqualifizierung von auf rationalem/diskursivem Wege nicht verifizierbaren Aussagen (und nichts anderes ist ja das "Verbot", zu "springen") für die philosophische Praxis basiert auf einer - letztlich metaphysischen - Setzung.

Nicht umsonst hat selbst Wittgenstein, der über den Vorwurf irgendwelchen irrationalen Obskurantismus wohl so weit als möglich erhaben ist, diesen Umstand in den berühmten letzten Sätzen seines "Tractatus" anklingen lassen:
"Meine Sätze erläutern dadurch, daß sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie - auf ihnen - über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)
Er muß diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.
Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen."


Und da die Existenzphilosophie das Subjekt in seiner radikalen Individualität zum Thema hat, kommt sie nicht umhin, die Schwelle zwischen Wissen und Glauben zu bezeichen ... - und die einen springen eben, die anderen bleiben stehen ... - Wie man das dann nennen will? - Ich weiß es nicht. - Aber Springen entspricht mehr meinem Naturell als Stehenbleiben ...  :wink:

Und was die "patriarchale Sprache" betrifft - sorry, aber damit hab' ich kein Problem. Ich sage weder "mensch" oder "man/frau" statt "man", noch spreche ich von "PhilosophInnen". - Das halte ich ganz einfach für Kinderkram. - Ich hoffe, Du verachtest mich jetzt nicht als intellektuellen Macho?!  :wink:
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Kallisti

  • Gast
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« Antwort #23 am: 16 November 2004, 09:37:50 »

Nee, ich halte das ganz und gar nicht für "Kinderkram" - und gerade als "Philosophierende" sollten wir das auch nicht.

Denn: Sprache und Denken sind untrennbar miteinander verwoben...!!

Und: "Sprache erzeugt Wirklichkeit" ... - nicht wahr...?!

Bei Männern gibt es das Problem ja interessanterweise nicht: aus einer "Hebamme" wird eben NICHT ein "Hebammer" gemacht, sondern ein "Geburtshelfer", aus einer "Krankenschwester" nicht ein "Krankenbruder", sondern ein "Krankenpfleger" etc.!!

... Ist doch "erstaunlich", dass es "in die eine Richtung" - wie immer - "geht", in die andere aber - auch: wie immer ... - nicht!!


Nein, ich denke, dass du Wittgenstein da doch sehr "pro domo" interpretierst, sorry!

Und nein: nur weil "Mensch" mit/bei "Metaphysik" (mehr oder weniger) anfing, heißt das nicht, dass wir dabei bleiben müssen...
Wir halten die Erde ja auch nicht mehr für eine Scheibe...

Spekulieren ist nicht Glauben. Da sind wir uns ja einig, denke ich (siehe PM).

Und "Wissen" ist immer nur vorläufig, aber das ist allgemein anerkannt - man maßt sich eben gerade nicht an, "Gewissheit" zu "haben" - genau das aber ist notwendige Basis jeden "Glaubens" !!

Genau diese Ungewissheit und Unsicherheit und Vorläufigkeit  und Zweifel und Skepsis gilt es jedoch auszuhalten, statt - durch den/mit dem "Glauben"- zu umgehen - ausweichen eben...: das ist springen.

Zweifeln und weiterfragen ... das hat doch nichts mit "stehenbleiben" zu tun?!

... Ja ja, ist alles eine Sache der Formulierung und Interpretation...
Was man mit Worten so alles anstellen kann...!!

Wieso "muss" ich "Werte setzen" und wieso "gründet jedes Wissen
in letzter Konsequenz auf Glauben" ???

Das: bitte nochmal genauer erläutern - danke.

Zu "den" Existentialisten: also Sartre ist meines Wissens (<- höhöhö...) ebensowenig "gesprungen" wie Camus!!
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Kenaz

  • Gast
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« Antwort #24 am: 16 November 2004, 10:26:13 »

Puh, Du merkst es sicherlich auch schon: unsere Differenzen in den grundlegenden Fragen sind ziemlich fundamentaler Natur ... - es stellt sich die Frage, ob man sich nicht evtl. besser mal auf ein Bierchen trifft und das in Ruhe Aug' in Auge weiterverhandelt ... - da versteht man danach entweder besser, was der andere meint oder man hüpft sich mit Emphase gegenseitig ins Gesicht ...  :biglaugh:

Ach, und gleich vorneweg: Die Sprachdiskussion klammere ich hier jetzt aus, denn das würde definitiv zu weit führen und hat auch kein Quentchen mehr (oder zumindest ziemlich wenig) mit dem eigentlichen Thema zu tun  ...

OK, dann will ich's noch mal versuchen:

Zitat
Nein, ich denke, dass du Wittgenstein da doch sehr "pro domo" interpretierst, sorry!
- In diesem Fall denke ich das gerade nicht. Was macht Dich das glauben?

Zitat
nur weil "Mensch" mit/bei "Metaphysik" (mehr oder weniger) anfing, heißt das nicht, dass wir dabei bleiben müssen...
- Metaphysik ist auch nur ein Wort. Es geht einfach darum, daß Du mit dem Denken und der Absicherung Deines Denkens irgendwo anfangen mußt - der berühmte Archimedische Punkt. Nun ist es so, daß es diesen festen Punkt objektiv weder gibt noch geben kann: jedes Wissen gelangt irgendwo an die Grenzen seines Bezugssystems und dahinter ist es finster. Wissen ist immer nur vorläufig. "Glauben" (wobei ich mir langsam nicht mehr so sicher bin, ob wir im Hinblick auf diesen Begriff nicht ein bißchen aneinander vorbeireden) stellt die Basis bereit, auf der Wissen aufbaut, bspw. indem ich das Postulat vom Primat der Vernunft aufstelle.  Ich hab' das im "Wahrheitsthread" schon mal ausgeführt, der Einfachheit halber kopier ich's hier noch mal rein:

Der Wiener Kreis um Carnapp und später Wittgenstein hat versucht, die "Wahrheit" im objektiven Sinne in Amt und Würden zurückzuhieven, doch das ging inne Hose. Wenn man in diese grundlegenden Gefilde vorstößt, endet man zwangsläufig im Bereich metaphysischer Setzungen - und das ist einer vornehmlich naturwissenschaftlich geprägten Kultur wie der unseren selbstverständlich eher unangenehm, weshalb man die Frage heute aussetzt oder möglichst umschifft. - Carnapp wollte den Bereich des sinnvoll Sagbaren auf einen Bereich des Objektivierbaren wuchten, indem er das sog. "Empiristische Sinnkriterium" ersann, das kurz und bündig besagt, daß sinnvollerweise nur das gesagt werden könne, was prinzipiell erfahrbar ist. – Was prinzipiell jenseits des Erfahrbaren liegt, kann, so Carnap, "weder gesagt, noch gedacht, noch gefragt werden". Das Problem ist nur, daß der Satz seinerseits ebenfalls nicht bewiesen werden kann, denn er sagt ja gerade etwas aus über Dinge, die prinzipiell jenseits des Erfahrbaren liegen. Und dasselbe gilt für seine Umkehrung: Auch die ist nicht beweisbar, da ihr der Rekurs auf etwas fehlt, das außerhalb des Bereiches liegt, über den sie etwas aussagt. Darüberhinaus: Was liegt überhaupt prinzipiell diesseits oder jenseits des Erfahrbaren? Der Satz vom Empiristischen Sinnkriterium ist ein Satz von eindeutig metaphysischem Charakter, müßte insofern also einen Sonderstatus beanspruchen, soll er als Sinnkriterium wirksam sein. Carnaps Satz vom Empiristischen Sinnkriterium ruht auf einem metaphysischen Fundament, das keine empirische Verifikation erfahren kann.

- Verstehst Du, worauf ich hinauswill?

Zitat
Wir halten die Erde ja auch nicht mehr für eine Scheibe...
- Das ist eine ganz andere Ebene: Hier handelt es sich um Sachverhalte, die im Rahmen gängiger, sich stetig entwickelnder Bezugssysteme ohne weiteres verifizierbar sind. Die Frage nach so grundlegenden Dingen wie Gott  oder Freiheit ist da ganz anders gestrickt; ich empfehle in diesem Zusammenhang die Lektüre von Kants Antinomienlehre in der "Kritik der reinen Vernunft" ... :wink:

Zitat
Und "Wissen" ist immer nur vorläufig, aber das ist allgemein anerkannt - man maßt sich eben gerade nicht an, "Gewissheit" zu "haben" - genau das aber ist notwendige Basis jeden "Glaubens" !!
- Im ersten Teil sind wir uns einig, keineswegs jedoch im zweiten: Der Glaubende hat gerade keine Gewißheit - das macht Glauben ja gerade zu einem solchen Wagnis: es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß Glaube "ganz einfach" sei. - Glaube ist ein Bewußtseinszustand, der mit einem Bein in der Psychiatrie steht - das hat Kierkegaard in "Furcht und Zittern" am Beispiel der biblischen Erzählung von Abraham und Isaak sehr eindrucksvoll herausgearbeitet. - Der Glaubende (versteht sich von selbst, daß ich hier jetzt nicht vom frommen bayrischen Kirchgänger spreche) wagt den Sprung ... - um's ein bißchen runterzukochen: wenn Du eine Liebesbeziehung mit einem anderen Menschen eingehst, heißt es auch irgendwann: Hosen runter - Vertrauen fassen! - Du weißt nie, mit wem Du's in letzter Konsequenz zu tun hast: Die Alternativen heißen: Vertrauen oder Isolation. Und keiner kann sagen, was "vernünftiger" ist: hier versagen die rationalen Kategorien. Entweder man geht das Wagnis ein oder man läßt es bleiben. - Die Wahl liegt einzig und allein beim einzelnen Individuum: in diesem Bereich gibt es keine Vereinsmeierei - jeder einzelne muß seine Wahl treffen und hat keinerlei Möglichkeit der Absicherung.

Zitat
Genau diese Ungewissheit und Unsicherheit und Vorläufigkeit und Zweifel und Skepsis gilt es jedoch auszuhalten, statt - durch den/mit dem "Glauben"- zu umgehen - ausweichen eben...: das ist springen.
- Siehe oben. Auch das Verharren in der Skepsis ist in letzter Konsequenz ein Glaube; auch Atheismus ist ein Glaube, da - wie Kant sehr schön dargelegt hat - über die Existenz Gottes nichts ausgesagt werden kann - ergo ist jedes diesbezügliche Verhalten eine Form von Glauben, auch die agnostizistische, da sie davon ausgeht, daß der Mangel an Gewißheit ein Weitergehen verbietet. Wenn ich an die Grenzscheide von "gut" und "böse", "wahr" und "falsch" gekommen bin, liegt es allein an mir: es gibt kein sinnvolles Kriterium mehr, das meine weiteren Entscheidungen bestimmen kann. - Es ist dann schlicht und einfach eine Frage des Geschmacks ...  :wink: - "Springen" ist kein Ausweichen: es ist die einzige Alternative zum Stehenbleiben oder Zurückgehen.

Zitat
Zweifeln und weiterfragen ... das hat doch nichts mit "stehenbleiben" zu tun?!
- Springen hat auch nichts damit zu tun, dann nicht mehr weiterzufragen ... man fragt nur ein bißchen anders: evetuell ein bißchen fröhlicher und gelassener ... - Nietzsche hat einmal sehr schön gesagt: "Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde" ... ... ...  :wink:

Zitat
Wieso "muss" ich "Werte setzen" und wieso "gründet jedes Wissen
in letzter Konsequenz auf Glauben" ???
- Das hab' ich glaub' ich weiter oben schon hinreichend dargelegt.

Zitat
Zu "den" Existentialisten: also Sartre ist meines Wissens (<- höhöhö...) ebensowenig "gesprungen" wie Camus!!
- Nö. Sind sie nicht. Deswegen waren es ja auch so verbiesterte, griesgrämige Nörgelköppe! ... - okay, das war jetzt ein bißchen sehr polemisch ... :biglaugh:

Summa summarum: Ich denke, es wäre sinnvoll, die Diskussion mal "real life" fortzusetzen - an mir soll's jedenfalls nicht scheitern ... :wink:

Gruß,
:<:
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Kallisti

  • Gast
identität
« Antwort #25 am: 16 November 2004, 12:37:39 »

Wow! - Jetzt bleibt mir grad erst mal die Spucke weg - mir fehlen die Worte ...

... was bei mir selten passiert...

Aber ehrlich gesagt, wird mir das jetzt auch zu umständlich, zu anstrengend: so per Schreiben.

Wegen treffen: siehe PN.

Ansonsten: bin ich genau das: ein griesgrämiger - wie nanntest du es: Nörgelkoppl??!
Man könnte auch sagen: ich bin ein pessimistischer, schwermütiger, melancholischer, nur noch ganz selten: ausgelassener, alberner, fröhlicher Mensch (geworden, jawohl! - Selbstmitleid, yeah!)

Und genau die "Geschichte" mit dem "Vertrauen oder Isolation" ist ein verdammt wunder Punkt bei mir...

... o je: jetzt hab ich mich aber ganz gewaltig weeiiiiiit aus dem Fensterchen gelehnt.... uiuiuiuiuii.....

... will ja hier keinen "Psycho-Exhibitionismus" betreiben - so "vertraut" (...   ;)  ) bin ich mit euch hier ja (noch?) nicht...


Ja, "die Wahl haben" - mit Sartre: "Der Mensch ist zur Freiheit verdammt." - Naja, auch das sehe ich etwas anders... Aber der gute Sartre hat das ja als "älterer Herr" dann selbst etwas abgemildert...

Camus war aber doch kein Griesgram?!??
... sehr "charismatischer" Mensch - hätte ich gerne persönlich gekannt...!!  ;)
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Kallisti

  • Gast
identität
« Antwort #26 am: 02 April 2005, 09:55:35 »

Da (meine persönliche) Identität für mich auch immer wieder Thema ist..., möchte ich diesen thread hier auch mal wieder "zurückholen".


Wer von euch würde sagen, dass sie/er ihre/seine Identität kennt, klar umreißen kann, "gefunden" hat...??


Meint ihr, dass es einen festen Persönlichkeitskern gibt oder dass Identität etwas ist, das wächst, das (selbst) geschaffen werden muss und immer wieder modifiziert, angepasst, ausgeweitet, neu gestaltet, neu definiert, interpretiert wird??


Wie wichtig, meint ihr, ist die eigene Identitätsfindung für einen Menschen?

Wie oft macht ihr euch Gedanken über eure (eigene) Identität und zu welchen Schlüssen... kommt ihr dabei?

Inwiefern spielt die (eigene, individuelle) Vergangenheit eine Rolle?

Ist man heute (in Deutschland z.B.) wirklich absolut "frei", sich selbst zu "erfinden", jeden Weg wählen und gehen zu können, sein Selbst wirklich frei gestalten zu können??



Also ich selbst habe da nach wie vor große Schwierigkeiten - zu definieren, wer ich eigentlich "wirklich" bin, was mich ("im Kern") ausmacht...


Gibt es in eurem Leben so etwas wie einen roten Faden? Und wenn - woraus bzw. worin (in etwa) besteht dieser???
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Thomas

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identität
« Antwort #27 am: 02 April 2005, 16:22:53 »

Zitat
Wer von euch würde sagen, dass sie/er ihre/seine Identität kennt, klar umreißen kann, "gefunden" hat...??

Ich.Das jetzt aber klar umrissen in Worte fassen bzw. tippen zu müssen, ist mir gerade zu mühselig, vieleicht später mehr  :wink:
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Dada

  • Gast
identität
« Antwort #28 am: 02 April 2005, 18:17:02 »

Zitat von: "Kallisti"
Meint ihr, dass es einen festen Persönlichkeitskern gibt oder dass Identität etwas ist, das wächst, das (selbst) geschaffen werden muss und immer wieder modifiziert, angepasst, ausgeweitet, neu gestaltet, neu definiert, interpretiert wird??

Sofern bei Dir keine Dissoziative Identitätsstörung vorliegt sollte es wohl genau einen Kern geben.
Dieser Kern sollte ständig dabei sein zu wachsen, Eindrücke aus der Umgebung auswerten und sich gegebenenfalls ändern.
Ein ständiger Lern- und Wachstumsprozeß.
Leute die aufgehört haben sich zu verändern sind meiner Meinung nach innerlich tod, bzw. im Koma.
Ich kenne ein paar Leute die so sind, die seit Jahren die gleichen Sachen machen und man merkt nie eine Änderung (außer im Erscheinungsbild).
Ich finde das grauenvoll, falls ich mal so werden sollte mochte ich bitte erschossen werden!

Zitat von: "Kallisti"
Wie wichtig, meint ihr, ist die eigene Identitätsfindung für einen Menschen?

Solange man sich keine Gedanken darum macht finde ich es nicht so wichtig.
Wenn einem die Gedanken aber ständig mit diesem Thema "nerven", dann wird es allmählich wichtig.

Zitat von: "Kallisti"
Wie oft macht ihr euch Gedanken über eure (eigene) Identität und zu welchen Schlüssen... kommt ihr dabei?

Ich habe mir schon oft darüber Gedanken gemacht und habe mehrere Teilschritte hinter mir.
Im Nov./Dez. 2004 hatte ich ne ziemlich "interessante" Phase durchlebt aus der ich Schlüsse gezogen habe, die mir extrem geholfen haben, meine Identität zu finden.
Und, ähm: "Nein, ich werde diese Schlüsse nicht hier öffentlich darlegen, das ist mir zu persönlich."

Zitat von: "Kallisti"
Inwiefern spielt die (eigene, individuelle) Vergangenheit eine Rolle?

Das läßt sich wohl kaum pauschalisieren.
Das kommt ganz auf die jeweilige Vergangenheit an.

Zitat von: "Kallisti"
Ist man heute (in Deutschland z.B.) wirklich absolut "frei", sich selbst zu "erfinden", jeden Weg wählen und gehen zu können, sein Selbst wirklich frei gestalten zu können??

Das kommt natürlich drauf an, wie der Weg aussieht, den Du gehen willst und inwieweit Du bereit bist Abstriche zu machen, bei Dingen, die sich einfach nicht realisieren lassen.

Zitat von: "Kallisti"
Also ich selbst habe da nach wie vor große Schwierigkeiten - zu definieren, wer ich eigentlich "wirklich" bin, was mich ("im Kern") ausmacht...

Die Frage sollte nicht sein: "Wer oder Was bin ich?", sondern:

- "Wer oder Was will ich sein?"
- "Wieweit bin ich davon entfernt?"
- "Was kann ich tun um das so sein, wie ich sein will?"
- "Mit welchen meiner "Fehler" kann ich leben?"
- "Welche meiner "Fehler" kann ich ändern?"
- "Wie schaffe ich es die "Fehler" zu akzeptieren, die ich sich nicht ändern lassen?"

Mit "Fehler" meine ich einfach Umstände die nicht in das Bild passen, welches Du von Deinem "Wunschleben" hast.

Ich beispielsweise wäre jahrelang gerne größer gewesen.
Tja, da läßt sich aber eben nicht viel bei machen.
Also habe ich es irgendwann akzeptiert.
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DarkAmbient

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identität
« Antwort #29 am: 02 April 2005, 18:26:33 »

Zitat von: "Kallisti"
Wer von euch würde sagen, dass sie/er ihre/seine Identität kennt, klar umreißen kann, "gefunden" hat...??


Wenn wir als Identität die Summe der Merkmale verstehen, anhand derer wir uns von anderen unterscheiden, dann würde das ausschließen, dass man diese klar umreißen kann, da diese Merkmale dann bewusst sein müssten und somit der Möglichkeit des Wechsenls durch bewusste Anstrengung unterliegen. Insofern würden sie ja nicht den Kern oder das Wesen der eigenen Persönlichkeit alias Identität ausmachen, oder?

Aber ich versuche mir keine großen Gedanken um meine Identität zu machen. Identität als Ersatz vielleicht für Originalität beruht immer sowohl auf Differenz als auch auf Gleichheit. Identität widerspricht dem Ziel einer autonomen Subjektivität, weshalb ich versuche eine einfache Identifizierbarkeit zu vermeiden. Das ist eine verwickelte Angelegenheit, denn wenn ich z.B. versuche, bei meiner Kleidung Signalfarben zu vermeiden, hat das auch einen Identitätseffekt. :hä?:

Zitat
Ist man heute (in Deutschland z.B.) wirklich absolut "frei", sich selbst zu "erfinden", jeden Weg wählen und gehen zu können, sein Selbst wirklich frei gestalten zu können??


Mit Freiheit machst Du jetzt aber wirklich ein bodenloses Fass auf.  :?
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"Es ist besser etwas zu bereuen, das man getan hat, als etwas zu bereuen, das man nicht getan hat."