Konzertbesprechung
ROME (CMI)
Di, 20.3.18, Hamburg, Nochtwache
Rückblick:
Das Konzert im Nochtspeicher 2016 bestand im wesentlichen aus experimentellem, überdrehtem E-Gitarren-Geschrubbel. Die Songs waren lediglich anhand einiger Textfetzen zu erkennen - ziemlich desolat. Kein Vergleich zum Gänsehaut-Auftritt im Leipziger Volkspalast 2009. Ich spach Jerome darauf an. AW: "Es ist langweilig immer dasselbe zu machen, ich will mich weiterentwickeln und werde keinen Neofolk mehr spielen."
Ein übriges tat der schlechte US-Country-Mensch der als Vorband gebucht war.
Rolle rückwärts ins Jahr 2018
Das Motto der Hall of Thatch Tour: Back to Neofolk!
Erste Reaktion auf die Ankündigung: Euphorie; zweite Reaktion: gebremste Euphorie ... dann wird Rome fürs WGT bestätigt ... "wir sind ja eh da", sag ich zu meiner Frau... und: "vielleicht nehmen wir Hamburg spontan mit". Am Konzerttag will jemand seine Karten loswerden und so sind wir tatsächlich spontan dabei.
Das Konzert findet im Partykeller (niedrige Bühne, niedrige Decke, ein paar Gewölbeelemente an den Raumseiten) des Nochtspeichers statt. Der ist mit 100 Besuchern gut gefüllt, aber nicht ganz ausverkauft. Nach dem Konzert vor 2 Jahren ist die Zurückhaltung der Fans nachvollziehbar. Unser erster Blick geht zum Merchandise-Stand. Die Preise sind nichts für mich... T-Shirt: 25 Euro, Oberhemd: 50, CD: 16, Vinyl Single: 20, Vinyl Album: 30, Doppel-Vinyl: 50, Road to Odessa-Box: 80 Euro.
Die Vorband St. Michael Front startet pünktlich um 20.30 Uhr. Aktustische 12-Saiten-Gitarre, eine verhallte, tief-sonore Stimme und die Backline vom Laptop - ein männliches Folk-Pop-Duo mit viel Talent und Potential. Eines der ersten Lieder enthält Trompeten die an Death in June's Studio-Trompeten (Honour the Silence, Come before Christ, Hollows of Devotion) erinnern. Zwischendurch klingt ein Lied nach David Bowie's Heros und zum Schluss geht es in Richtung Celtic Symphony von den Wolfe Tones. Insgesamt sehr viel versprechend!
https://www.youtube.com/channel/UCIiA-cQXx9q9AkHDzqWDG8ARome startet um kurz vor halb zehn das Set. Es ist tatsächlich Neofolk. Jerome steht hinter Pauke und Chime Tree (hängende Klangstäbe) und spielt seine akustische Gitarre. Flankiert wird er von einem Pauken-Percussion-Drum-Set das im Stehen bedient wird und einer dezent-elektrischen Gitarre die (über Effektgeräte) auch fehlende Instrumente simuliert. Der Sound ist gut. Akustische Gitarre und Stimme kommen gut zur Geltung und der Drummer trifft den richtigen Ton. In meinem Regal stehen die ersten vier Rome-Alben und ich ging davon aus, dass Neofolk eben auch back-to-the-roots bedeutet. Der erste ältere Titel wird aber erst nach zehn neueren Stücken gespielt. Forderungen nach mehr altem Material entgegnet Jerome launisch: "Das ist ja wie im Puff - Hauptschache alt." Zwischendurch auch immer mal wieder sarkastisch-witzige Ansagen: "Hamburg ist unser liebster Stopp, der zweitliebste ist der Off-Day." Er scheint nicht verstehen zu wollen, dass er was gut zu machen hat - und denkt lieber an den morgigen Leipzig-Termin im Felsenkelle mit einer Kapazität von 1800 Leuten. Dann gibt es ein paar brandneue, unveröffentlichte Songs die nach gutem Folk-Handwerk klingen. Erst als zum Schluss, nach einem schon angeschäkerten Swords to Rust, Rufe nach alten Songs nochmals lauter werden, gibt es noch Gin-Tonic-Versionen von Feuerodal und Neue Erinnerung. Nach ordentlichen 95 Minuten Spielzeit, mit offenbar mehr Zugaben als geplant, geht um 23.00 Uhr das Saallicht wieder an.
Fazit: Insgesamt hätte es ganz großartig werden können, wenn Jerome mehr alte Stücke gespielt hätte. Genau das bestätigt meine Frau. Ihr hat es, ohne tiefere Song-Kenntnisse und trotz Knochenschmerzen, richtig gut gefallen.