Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Griechenland & Euro  (Gelesen 10262 mal)

Eisbär

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Re: Griechenland & Euro
« Antwort #30 am: 25 Oktober 2011, 15:01:26 »

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t_g

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Re: Griechenland & Euro
« Antwort #31 am: 25 Oktober 2011, 15:03:04 »

pertu
partout
Pernod?

OnT: warum Deutschland dieses Geld zur Verfügung stellt hat damit zu tun, dass der Euro bei einer Staatspleite Griechenlands massiv an Wert einbüßen würde. So viel zur vorangestellten Frage.
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l3xi

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Re: Griechenland & Euro
« Antwort #32 am: 25 Oktober 2011, 15:33:43 »

aber was ich pertu nicht verstehen kann ist,dass Deutschland abermillionen Euro für Griechenland ausgibt während hier stellenweise Familien jeden Cent 3 mal umdrehen müssen,damit sie übern Monat hinweg kommen

Das Geschimpfe auf die Griechen nimmt kriminell-groteske Züge an. Vielleicht deshalb, weil sich bei seriöser Ursachensuche mancher Stabilitätsmahner aus Frankfurt, Brüssel und Berlin als mitschuldig entpuppen würde. Zu einem negativen Saldo gehören auch immer zwei Seiten: zum Beispiel eine deutsche, deren Protagonisten jahrelang alles darangesetzt haben, die eigene Wirtschaft durch Reform und Verzicht wettbewerbsfähiger als andere zu machen – und die sich jetzt wundern, dass die anderen nicht mehr wettbewerbsfähig sind und dann in Krisen stürzen.  All das enthebt griechische Politiker nicht der Verantwortung. Das ist nur ein Teil der Geschichte. Nicht allein der griechische Staat wird jetzt von jenen Finanzhändlern mit Panikprämien bestraft, die er – wie andere – mit viel Steuergeld gerade vor dem Absturz und steigenden Prämien gerettet hat. Eine solche Krise lässt sich weder durch plumpe Klischees noch durch Kontrollorgien gegen griechische Regierende beheben. Dazu gehört mehr: eine EU-Kommission, die aufhört, einen angeblich tollen Steuersenkungswettlauf zu predigen, den am Ende keiner bezahlen kann; eine Notenbank, die ihren Job auch darin sieht, überteuerte Wechselkurse zu verhindern; oder eine Bundesregierung, die aufhört, Moralapostel zu spielen, und stattdessen das naive Modell aufgibt, Deutschland via sinkende eigene Ansprüche auf Kosten anderer sanieren zu wollen. Und, natürlich, Finanzmarktjongleure, die sich einen anderen Job suchen sollten, bevor sie den Kontakt zur Wirklichkeit komplett verlieren und das nächste Land in den Ruin spekulieren. Quelle: FTD
(Der komplette Artikel der FTD ist (leider) kostenpflichtig!)

Wer dem Link folgt, wird ein Schaubild angezeigt bekommen, das recht anschaulich erklärt, welche Staaten so auf Grund von Krediten miteinander verbunden sind:
http://www.nytimes.com/imagepages/2011/10/22/opinion/20111023_DATAPOINTS.html?ref=opinion

Gerade in Zeiten, wo Staaten nach wie vor unfähig sind, Banken an die sichere Leine zu legen, wäre es äußerst gefährlich, strauchelnde Staaten nicht zu stützen...
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messie

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Re: Griechenland & Euro
« Antwort #33 am: 26 Oktober 2011, 01:57:35 »

Zitat
OnT: warum Deutschland dieses Geld zur Verfügung stellt hat damit zu tun, dass der Euro bei einer Staatspleite Griechenlands massiv an Wert einbüßen würde. So viel zur vorangestellten Frage.

Ja, wird er. Und? Der Euro ist eine der derzeit härtesten Währungen der Welt.
Davon konnte die D-Mark seinerzeit träumen ...
Ich glaube schon, dass hier mehr Hysterie (sicher auch angetrieben durch Börsen und Banken, die bei einer Pleite die eigentlichen Verlierer sind) im Spiel ist als es dann tatsächlich der Fall wäre, würde jener worst case eintreffen.
Wenn die Inflationsrate "dank" Griechenland um 1% vorangetrieben würde, so what? Falls die "FDP-Rettungsmaßnahme" namens Steuersenkung 2013 stattfinden würde, würde das der mittelreiche bis reiche (die Armen haben von dem Steuerpaket ja nix ...) Deutsche nicht mal merken.
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l3xi

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Re: Griechenland & Euro
« Antwort #34 am: 16 November 2011, 11:03:50 »

Mal wieder was Interessantes aus der NZZ:
Unter der Annahme, dass die 8 Mrd. € einer vierteljährlichen Tranche entsprechen, wird errechnet, dass nur 19% des Geldes für den laufenden Haushalt verfügbar bleiben. 23% fliessen derweil an griechische Besitzer von Staatsanleihen (vor allem Banken), die etwa 100 Mrd. der Gesamtverschuldung von 350 Mrd. € finanzieren. 18% kassiert die Europäische Zentralbank (EZB), die 55 Mrd. € an griechischen Staatsanleihen direkt hält. Die über den Markt finanzierte Staatsschuld wird auf 175 Mrd. € geschätzt, so dass 40% an nichtgriechische Banken und Finanzinstitute gehen.

Langer Rechnung kurzer Sinn: Rund vier Fünftel der Hilfe müssen für Zins- und Tilgungszahlungen verwendet werden, während nur knapp ein Fünftel zur Finanzierung des laufenden Haushalts übrig bleibt. Weit über die Hälfte der Tranche fliesst dabei zurück ins Ausland, wobei auch jene 23%, die griechischen Finanzhäusern zugeschlagen werden, wieder zum grossen Teil bei der EZB landen, weil Griechenlands Banken das Geld für die Refinanzierung bei der Frankfurter Behörde verwenden müssen. Die Rechnung ist zwar arg vereinfacht und unterstellt bei den Laufzeiten der Anleihen nur Durchschnittswerte. Die Grössenordnung verdeutlicht aber, weshalb der Aufschrei ausserhalb Griechenlands stets besonders laut ist, wenn Athen wieder einmal am Sinn der ausländischen «Solidarität» zweifelt. Längst kommt nämlich die von den Steuerzahlern der Geberländer finanzierte Hilfe grösstenteils den Finanzhäusern dieser Geberländer zugute.
Ich denke, der Text spricht für sich. :/

Der dt. Steuerzahler stützt also Griechenland nur indirekt und direkt die eigenen Kreditinstitute...
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Multivac

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Re: Griechenland & Euro
« Antwort #35 am: 22 November 2011, 10:28:25 »

war ein schöner artikel letztens in der faz von frank schirrmacher, in dem er ein buch von david gräber, „Debt. The First 5000 Years", bespricht:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kapitalismus/eurokrise-und-vergib-uns-unsere-schulden-11527296.html

Auszüge:

Und vergib uns unsere Schulden

Jeder Umsturz, jede Revolution beginnt mit Schulden, welche die Gesellschaft nicht mehr bezahlen kann. David Graebers großes Buch „Debt“ zeigt uns, wo wir heute stehen... Graebers Text ist eine Offenbarung, weil er es schafft, dass man endlich nicht mehr gezwungen ist, im System der scheinbar ökonomischen Rationalität auf das System selber zu reagieren. Diese Tautologie hat in den letzten Monaten im Zentrum eines funktionsunfähigen Systems dazu geführt, dass praktisch alle Experten einander widersprechen und jeder dem anderen vorwirft, die Krise nicht zu verstehen. Diese enorme Entmündigung hat nichts mehr mit Rationalität, sondern mehr mit Intuition, nichts mehr mit Wissenschaft, sondern mit Theologie zu tun...

Schulden sind ein moralisches Prinzip.
Ökonomische Schuldentheorien sind das eine. Aber Schulden sind viel mehr als Ökonomie. Weil wir das nicht mehr wissen, haben wir der Ökonomisierung aller sozialen Beziehungen Vorschub geleistet. Es sei nur Ökonomie, sagen die Vertreter der technischen Intelligenz, eine ganz einfache Rechnung zwischen Soll und Haben. Aber das stimmt nicht. Warum konnte man Papandreou „illoyal" nennen, warum sein Volk disqualifizieren, warum sind Rechtsbrüche möglich, und all das auch noch mit gutem Gewissen? Hat Griechenland Europa den Krieg erklärt? Hat es sich aus der Gemeinschaft zivilisierter Staaten verabschiedet? Die Antwort lautet: Schulden sind im Kern ein moralisches Prinzip und eine moralische Waffe - vielleicht, nach der Travestie von Menschenrechtspolitik, die letzte, die unhinterfragt zu existieren scheint...

...Die Anthropologie weiß längst, dass die auf Adam Smith zurückgehende Geschichte ökonomischen Handelns eine Fiktion ist. Noch heute glauben wir, es habe erst den Tauschhandel gegeben, der dann, aus Gründen der Bequemlichkeit, von Geld abgelöst worden ist. Dafür, so Graeber, gibt es keine einzige Quelle. Er unterscheidet recht wirkungsvoll zwischen „kommerziellen Ökonomien" und „menschlichen Ökonomien". Tatsächlich beginnt die Geschichte der menschlichen Ökonomie mit Krediten und ohne Geld. Jemand verspricht die Ware, die er erwirbt, später auf irgendeine Weise zu begleichen. Schon das englische Wort „Thank you" lässt sich auf die etymologische Wurzel zurückführen: „Ich werde mich daran erinnern, was du für mich getan hast." Geld ist dann nicht eine „Sache" mit einem immanenten Wert, sondern es beschreibt nur das Verhältnis zwischen Dingen von Wert. Erst als Geld zur Sache wurde und schließlich zu einer creatio ex nihilo, die den Wert aus sich selber schafft, begann es, massiv soziale Beziehungen zu korrumpieren.

Graeber zeigt, wie sich Verschuldung erst als neue soziale Norm etablierte, um sich dann, als moralisches und juristisches Argument, gegen die zu wenden, die drauf reinfielen. Die Unter- und die Mittelschicht Amerikas haben sich verschuldet, um sich Häuser, Stereoanlagen und Autos zu kaufen. Die Griechen offenbar auch. Nur, fragt Graeber: „Offenbar haben sich diese Leute gesagt: Wenn heute schon jeder ein Miniatur-Kapitalist werden soll, warum sollen wir dann nicht auch Geld aus nichts schaffen dürfen?" Jetzt erkennen sie, dass der AIG erlaubt ist, was ihnen verwehrt ist - ein Blick auf Mesopotamien, das antike Griechenland und Rom zeigt, dass das die Inkubation sozialer Umsturzbewegungen ist. Das Schuldensystem, das auf einer „Schöpfung aus nichts" aufgebaut ist, hat deshalb in den Augen des Anthropologen nichts mehr mit Märkten und auch nichts mit Wissenschaft zu tun (die Formeln bei AIG mussten von Astrophysikern geschrieben werden, weil sie so schwierig waren), sondern mit Theologie. Wir leben in einer Welt der doppelten Theologie, „eine für die Geldgeber und eine für die Schuldner"...

Man kann die Vielzahl der Nachweise und Beispiele hier nicht annähernd aufzählen. Das ist auch gar nicht nötig. Denn was Graeber im Kern zeigt, ist ganz einfach und sollte allen Technokraten der Krise für ein paar Augenblicke den Atem nehmen: Hohe Verschuldung ist dann eine moralische Existenzbedrohung für Gesellschaften, wenn es möglich wird, dass die, die Geld verleihen, dieses über Schulden finanzieren und dann ihre eigenen Schulden nicht bezahlen. Man kann seinem historischen Befund nicht widersprechen. Was früher Ausnahme in Kriegs- und Krisenzeiten war, ist allmählich zum systemischen Prinzip geworden. Es zerbricht regelmäßig, und das ist offenbar der historische Zeitpunkt, an dem wir uns im Augenblick befinden. Aber warum zerbricht es immer wieder? Weil, so Graebers Befund, man nicht in einem System dauerhaft verschuldet sein kann, das ewig dauert. Dann gilt: „Man muss sich verschulden, um ein Leben zu leben, das mehr ist als bloßes Überleben."

Die Kodifizierung von Schulden im globalen Ausmaß - man lese nach, wie Graeber das mittelalterliche China beschreibt, das sich durch materielle Zuwendungen über lange Zeiträume ganze Vasallenimperien kaufte - führt zu einer Veränderung von Zivilisationen, die ihren kooperativen Geist immer mehr verlieren. Was hier manchem zu humanistisch klingen mag, kann Graeber auch anders formulieren. In dem Maße, in dem der Staat seine nationalen Schulden über Zentralbanken monetarisiert, wird das Gefühl immer stärker, dass der Staat selbst ein moralischer Gläubiger ist, ein Gläubiger von Freiheit, „ein Wert, der buchstäblich von jedem Einzelnen einer Gesellschaft besessen wird". Dass dies keine Hypothese ist, zeigt die aktuelle Lage. Die Rede, dass eine ganze Gesellschaft über ihre Verhältnisse lebt, und die fast ausschließlich den angeblich wachsenden Sozialstaat meint, ist die Anwendung des ökonomischen Schuldenprinzips auf die Ebene des moralischen. Nur weil man verschuldet und also ein moralisches Versprechen eingegangen ist, kann man umgekehrt riskieren, als moralischer Gläubiger gegenüber seinem eigenen Volk aufzutreten...

Graebers Werk zeigt, dass Schulden, so sehr sie uns auch an Ratenzahlungen und den Otto-Versand erinnern mögen oder an die Abstraktion von Billionen Euro aus Brüssel, der revolutionäre Kern unaufhaltsamer gesellschaftlicher Veränderung sind. Es geht um viel mehr als überzogene Dispokredite. Das erste Wort für Freiheit in menschlicher Sprache überhaupt, zeigt Graeber, ist das sumerische „amargi", ein Wort für Schuldenfreiheit. Unsere Vorgänger, so Graeber, die Könige und Kaiser der alten Zeit, die Fürsten und Gouverneure, hatten am Ende nur drei Auswege. Sie taten nichts, dann ging es ihnen meistens an den Kragen. Sie entschuldeten sich und die Banken, dann entstand eine revolutionäre Lage, manchmal über Generationen hinweg. Oder sie entschuldeten alle...
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