Schwarzes Hamburg
Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: Thomas am 10 November 2006, 08:50:27
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Genetische optimierung von Menschen vor der Geburt ?
Ich habe vor einigen Tagen besagten SciFi-Film gesehen, dessen Thematik ich (neben der düsteren 50'er-Jahre-SciFi-Optik) doch sehr interessant finde :
Infos zum Film : http://de.wikipedia.org/wiki/Gattaca
Es geht in dem Film um eine Zukunft, in der es Standard ist, sich seine Kinder quasi nach Wunsch zu basteln.Durch genetische Veränderung vor einer künstlichen Befruchtung werde nicht nur alle Krankheitsanlagen ausgemerzt, sonder auch sämtliche andere Eigenschaften optimiert bzw. nach Wunsch "eingestellt".(Ich halte es übrigens nur für eine Frage der Zeit, bis dies technisch zumindest möglich ist)
Nachteil ist, das alle normal gezeugten Menschen automatisch als minderwertig bzw. behindert gelten und so von Geburt an eine neue Unterschicht darstellen, aus der es im Prinzip keine Aufstiegsmöglichkeit gibt, da für alle "vernünftigen" Jobs nur die optimierten Menschen eingestellt werden.
Was haltet ihr von der Möglichkeit, die Eigenschaften von Menschen vor der Geburt zu beeinflußen ?
Ich persönlich würde diese Möglichkeit auf jeden Fall in Betracht ziehen, um schwere Krankheiten von vornherein auszuschließen.Und warum sollte man nicht gewissen Parameter des Menschen vor der Geburt optimieren ? Es ist doch im Prinzip nichts schlechtes daran, wenn der Mensch versucht, aus sich das beste zu machen, nur hätte er in diesem Fall ganz andere Mittel dazu.
Natürlich ist es problematisch, da ja in diesem Fall andere, wohl meist die Eltern, diese Entscheidung treffen.Vermutlich muß man irgendwo ein Grenze ziehen, damit man allzu ergeizigen Menschen nicht ermöglicht, sie Kinder nur als Angeb-Faktor zu kreieren, auch wenn das heute schon oft genug der Fall ist.
Aber insgesamt sehe ich in so einer Technik mehr Chancen als Risiken.
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Es ist doch im Prinzip nichts schlechtes daran, wenn der Mensch versucht, aus sich das beste zu machen, nur hätte er in diesem Fall ganz andere Mittel dazu.
Uiuiui!!
Da sind wir aber ganz schön schnell bei der Rassenhygiene, "besseren" und "schlechteren" Menschen.
Wenn eine Gesellschaft die medizinisch besseren Methoden hat, um Krankheiten vor Geburt zu dezimieren, wären die anderen Gesellschaften automatisch mit schlechterem Genpool belastet. Fraglich wäre hier auf jeden Fall, wer bestimmt, welche Gene besser wären und somit nicht vernichtet werden (eine Förderung/Bevorzugung reicht ja schon).
Heutzutage wird bei Schwangerschaften, bei denen erkennbar ist, dass das Kind wahrscheinlich mit Behinderung geboren wird, die Möglichkeit der Abtreibung nahe gelegt. Aber dieses "Eingreifen" auf andere Merkmale eines Ungeborenen auszuweiten...? Und wer kontrolliert, dass nur Krankheiten von dieser Auswahl betroffen sind? Welche Paare könnten sich diesen Eingriff leisten? Würde dadurch nicht automatisch eine (gewollte) Unterschicht fabriziert? Und vor allem: Wo bleibt bei dem Ganzen die Liebe und Spontanität des Kinderzeugens? 8)
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Lieben und spontanität? gibt es das denn heute noch? In Zeiten der verhütung, was ist da noch spontan... und bei den vielen alleinerziehenden Eltern, wo die Liebe? Also scheiss drauf und lasst uns die perfekten übermenschen erschaffen. Kann doch jeder seinem Hausgenetiker sagen was er haben will, wer ein paar schwächen beim Kind dabei haben will, braucht ja nur auf den Random Button zu drücken... aber das gröbsten Verunstaltungen (schwarze Haare z.b.) möchte doch jeder bei seinem Stammeshalter ausgeschlossen wissen.
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Und vor allem: Wo bleibt bei dem Ganzen die Liebe und Spontanität des Kinderzeugens? 8)
Naja, einem Menschen quasi vor seiner Existenz ein Leben mit schweren Krankheiten und/oder Behinderungen zu ersparen schätze ich grundsätzlich höher ein, als gewisse spontanität und Überraschungseffekte.
Die Gesellschaft hat ja auch keine Problem damit (ganz im Gegenteil), an kranken und/oder behinderten Menschen nach Möglichkeite durch Medikamente und/oder Operationen herumzudoktorn, um sie so der Norm anzupassen und ihnen Leiden zu ersparen oder zumindest zu lindern.Warum also dies nicht gleich von vorn herein tun ?
Wenn Kinder mit einem Herzfehler geboren werden, kriegen sie ja auch schon in jungen Jahren Herzschrittmacher.Oder Hörgeräte, bei schwerhörigkeit.Warum also nicht das Problem beseitigen, noch bevor es entsteht ?
Über alle Eingriffe darüber hinaus müßte man halt einen gesellschaftlichen Konsens finden.Wo gegen ich auf jeden Fall bin, sind "modische" Veränderungen, die über natürliche Möglichkeiten hinaus gehen, z.B Kinder mit grünen Haaren, weil das gerade in ist.
Und : Keine Chance ist ohne Risiko, aber unter dem Strich schätze ich bei einem verantwortungsvollen Umgang mit der Sache die Chancen deutlich höher ein als die Risiken.
Übrigens : Hat die westliche Gesellschaft jemals eine Chance ausgelassen, nur weil es dann zu Ungerechtigkeiten mit anderen Regionen gekommen wäre ? Soll man auch unsere Kläranlagen und Trinkbrunnen abreißen, nur weil in weiten teilen Afrikas keine sauberes Trinkwasser vorhanden ist ? Und sollen wir auf elektrischen Strom verzichten, weil es den auch nicht überall gibt ? Ungerechtigkeiten und ungleichheiten wird es auf der Welt vermutlich immer geben, warum also sollte das ausgerechnet im Bereich der Gentechnik ein prinzipielles Hinderniss sein ?
Von den diversen (tatsächlichen oder angeblichen) Ungerechtigkeiten auch innerhalb der westlichen Gesellschaft mal ganz abgesehen.Gibt auch jetzt sicherlich genug Leute in der Unterschicht, die eigentlich sehr fähig wären, aber leider einfach Pech hatten.
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Die Gesellschaft hat ja auch keine Problem damit (ganz im Gegenteil), an kranken und/oder behinderten Menschen nach Möglichkeite durch Medikamente und/oder Operationen herumzudoktorn, um sie so der Norm anzupassen und ihnen Leiden zu ersparen oder zumindest zu lindern.Warum also dies nicht gleich von vorn herein tun ?
Das was mein Veto gegen genetische Vorbeeinflussung begründet habe ich jetzt mal rot markiert im Zitat.
Leiden lindern ist natürlich toll. Wird ja auch ganz zu Recht so gemacht - niemand sollte unter seiner Behinderung leiden.
Aber man muss diesen Behinderten noch lange nicht der Norm anpassen! Wo das versucht wird, gibt es -zu Recht, wie ich finde- von den Behindertenverbänden massiven Widerstand.
Und genau da liegt die Krux der genetischen Vorbeeinflussung: Die Gefahr dass man sich nach einer Norm richtet, ist extremst groß. Und damit jene, Menschen die genau dieser Norm dann nicht (mehr) entsprechen, massivst auszugrenzen. Menschen die aber genauso verwurzelt sind in unserer Gesellschaft und Kultur wie alle anderen auch.
Ich sage dazu: Das Risiko des Drucks der dann auf Eltern ausgeübt würde, es "normgerecht" zu machen, ist es, weswegen ich lieber eine höhere Geburtenrate inklusive Behinderungen vorziehe. Denn es gibt eben die Möglichkeiten, nach der Geburt behinderungsbedingtes Leiden bei den meisten Behinderungsarten so stark zu vermindern, dass sie ein ebenso wertvoller Teil der Gesellschaft sind wie alle anderen auch. Manchmal auch etwas mehr, weil ihre Existenz Toleranz gegenüber dem Anderssein fördert.
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nebenbei erwaehnt... toiller film mit nem netten fazit
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Leiden lindern ist natürlich toll. Wird ja auch ganz zu Recht so gemacht - niemand sollte unter seiner Behinderung leiden.
Aber man muss diesen Behinderten noch lange nicht der Norm anpassen! Wo das versucht wird, gibt es -zu Recht, wie ich finde- von den Behindertenverbänden massiven Widerstand.
Vieleicht ist der Ausdruck "der Norm anpassen" etwas unglücklich gewählt, erweckt er doch möglicherweise den Eindruck, andere sollten (mehr oder weniger freiwillig) in eine Form gepresst werden.
Ich meinte damit aber, belastende Beeinträchtigungen körperlicher oder geistiger Art von vornherein zu verhindern.Wenn man das geistige (abseits von physischen Gehirnschäden) überhaupt genetisch beeinflußen kann.
Und genau da liegt die Krux der genetischen Vorbeeinflussung: Die Gefahr dass man sich nach einer Norm richtet, ist extremst groß. Und damit jene, Menschen die genau dieser Norm dann nicht (mehr) entsprechen, massivst auszugrenzen. Menschen die aber genauso verwurzelt sind in unserer Gesellschaft und Kultur wie alle anderen auch.
Ich sage dazu: Das Risiko des Drucks der dann auf Eltern ausgeübt würde, es "normgerecht" zu machen, ist es, weswegen ich lieber eine höhere Geburtenrate inklusive Behinderungen vorziehe. Denn es gibt eben die Möglichkeiten, nach der Geburt behinderungsbedingtes Leiden bei den meisten Behinderungsarten so stark zu vermindern, dass sie ein ebenso wertvoller Teil der Gesellschaft sind wie alle anderen auch. Manchmal auch etwas mehr, weil ihre Existenz Toleranz gegenüber dem Anderssein fördert.
Ich sehe das, wie gesagt, anders.Natürlich bestehen all die hier angesprochenen Gefahren, aber welche Möglichkeit ist ohne Gefahr ?
Insgesamt schätze ich die Chancen der genetischen Vorbeinflußung höher ein als die möglichen Risiken.
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Im Prinzip hat Messie es schon angedeutet und Thomas daraufhin seine "unglückliche Wortwahl" ein wenig revidiert.
Es ist erst einmal ein Unterschied zwischen "Der Norm anpassen" und "unter humanistischen Intentionen Leiden mindern/verhindern wollen" zu machen. ;)
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Das Bild, das der Technokrat von der Wirklichkeit entwirft, beruht auf einem Axiom. Dieses beinhaltet den unerschütterlichen Glauben daran, dass durch Innovationen eine Steigerung des Glücks möglich sei.
Auch wenn ich es nicht beweisen kann: ich halte diese Annahme nicht für zutreffend.
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@Colourize
Das führt dann unweigerlich zur Frage:
Ist ein solcher "Fortschritt" wirklichlich ein Segen für die Menschheit?
Ich meine, in meinem Zivildienst bin ich dem Leiden einiger Patienten ausgesetzt... und sehe die Folgen genetisch bedingter Erkrankungen.
Was zum Beispiel Diabetes angeht, und man weiß von genetischer Veranlagung, was zumind. Typ 1 betrifft, bin ich durchaus der Meinung, dass es zu ihrem jeweiligen "Glück" beitragen könnte, wenn man tatsächlich einen Weg kennen würde, eben diese Gene "auszuschalten".
Bin allerdings, muss ich gestehen, nich so der Freund gentechnischer Eingriffe und teile ansonsten deine Skepzis...
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Eine andere Frage ist auch : Mit welchem Recht würde man mögliche Verbesserungen des Lebens aus ethisch-moralischen Gründen zurückhalten ? Kann man z.B. einem Querschnittsgelähmten erklären, das er so geboren werden mußte, weil man Mittel dagegeen aus Gewissengründen nicht anwenden konnte ?
Wieviel verhinderbares Leid ist man bereit zu akzeptieren, weil die Möglichkeit des Missbrauchs besteht ?
Das wäre für mich die gleiche Liga wie z.B. die katholische Kirche, die Aids in kauf nimmt, weil sie aus moralisch-religiösen Gründen von Kondomen abrät.
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Ethisch moralisches Dilemma :\o/:
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Ich les das jetzt nicht alles...nö.
Meine Meinung: Gute Sache! In Verbindung mit einer Art Eltern-Test. Das bezieht sich nicht nur auf die genetische Vorbelastung der Eltern, sondern auch auf deren Gründe, warum sie eine genetische Optimierung ihrer Nachkommenschaft wünschen.
In Zeiten, in denen es für Benachteiligte deutlich schwerer wird, in der Gesellschaft Fuß zu fassen, sind gewisse Verbesserungen im Erbgut durchaus legitim.
Es geht ja schon los bei Kindern, die im Kindergarten oder später in der Schule gehänselt werden, weil sie irgendwie optisch aus dem Rahmen fallen. Das mag oberflächlich klingen, aber ich persönlich will kein (von aussen wahrgenommenes) hässliches Kind.
So.
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Es geht ja schon los bei Kindern, die im Kindergarten oder später in der Schule gehänselt werden, weil sie irgendwie optisch aus dem Rahmen fallen. Das mag oberflächlich klingen, aber ich persönlich will kein (von aussen wahrgenommenes) hässliches Kind.
Uih, das geht aber schon arg in's Detail.Gerade bei Veränderungen aus rein optischen Gründen wäre ich sehr vorsichtig.Wenn ich mir so manches Schönheitsideal angucke (Schlankheitswahn, halber Körper Tätowiert, 5 Kilo Bleich in Form von Piercings im Gesicht verteilt, etc.) ahne ich schreckliches :shock:
Abgesehen davon wird man Schönheit vermutlich eh' nicht beeinflußen können.