Schwarzes Hamburg
Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: Spambot am 14 Oktober 2010, 14:34:58
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In der politischen Diskussion, insbesondere in den Massenmedien, werden gerne die Begriffe Links und Rechts zur Einteilung von Positionen und Gruppen benutzt. Diese abstrakte Vereinfachung soll eigentlich die Diskussion um politische Positionen übersichtlicher machen und eine schnelle Orientierung ermöglichen. Beide Begriffe (Links (http://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Linke), Rechts (http://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Rechte_%28Politik%29)) sind aus der Sitzordnung im französischen Parlament von 1830 abgeleitet und haben sich inhaltlich seit dieser Zeit mehrmals verändert. Heute stehen diese Begriffe oftmals für eine tendenziell egalitäre Perspektive (links) oder eine tendenziell konservative Position (rechts).
Reicht diese Differenzierung, um politische Positionen im heutigen Deutschland zu beschreiben? Ist beispielsweise Bündnis 90/Die Grünen eine rechte Partei mit linkem Gedankengut oder eine linke Partei, die auch typisch rechte (sprich konservative) Positionen vertritt? Ist die FDP weder links noch rechts? Was ist sie dann? Kann man die CDU wirklich noch als hauptsächlich konservativ und die SPD als hauptsächlich egalitär bezeichnen?
1. Sind die Begriffe Links und Rechts (gegenwärtig) noch geeignet, um politische Positionen verständlich und zutreffend zu beschreiben oder sollte man neue Sammelbegriffe entwerfen?
mögliche Sekundärfragen:
A. Was ist die politische Linke oder Rechte in der Gegenwart?
B. Lassen sich demokratische Parteien (in Deutschland) heute noch sinnvoll in links und rechts unterscheiden?
C. Macht es noch Sinn, seine eigene politische Position als links oder rechts zu bezeichnen?
D. Gibt es bessere Sammelbegriffe, um politische Positionen verständlich zu bezeichnen (Alternative Modelle (http://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_Spektrum#Alternative_Modelle))?
E. Sind extremistische Positionen wirklich die extreme Form einer linken oder rechten Gesinnung (Extremismusforschung (http://www.bundestag.de/dasparlament/2008/47/Beilage/002.html))?
F. Welche politischen Gegensätze (http://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_Spektrum#Typische_Interpretationen) sind für eine vereinfachte Bezeichung tatsächlich relevant?
G. Gibt es eine politische Mitte (http://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Mitte) oder ist das nur ein Wahlkampfbegriff?
Natürlich werden wir hier kein Ergebnis erarbeiten. Es geht - wie immer - nur um einen Meinungs- und Gedankenaustausch.
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Ein sehr interessantes Thema, und vielleicht die "Gretchenfrage" im Bezug auf etliche andere Threads. Nun packen wir mal das Fundament an. ;)
Ich beginne mal damit
1. Sind die Begriffe Links und Rechts (gegenwärtig) noch geeignet, um politische Positionen verständlich und zutreffend zu beschreiben oder sollte man neue Sammelbegriffe entwerfen?
Das Wertedreieck bei einem Deiner Links halte ich für ganz praktisch. Denn die Position der "Freiheit" kommt gern mal unter die Räder. Z. B. bezeichnen sich viele (gerade Jugendliche) "irgendwie" als "links", pflegen aber einfach nur einen locker-chilligen Lebensstil, in dem jeder theoretisch alle Freiheiten (sic!) hat und der sicher in weiten Teilen durch die 68er ermöglicht wurde, allerdings fehlen dann gern mal "typisch linke Charakteristika" wie z.B. Engagement. In Wirklichkeit also eher "freiheitlich" (oder aber unpolitisch, wenn man das in der Wertung auch zulässt).
Sinnvoll finde ich in vielerlei Hinsicht auch die Unterscheidung zwischen kollektivistisch und individualistisch. In erstere "Schublade" passen dann konservative wie auch sozialistische Positionen, während die andere liberale, libertäre und anarchistische Ansätze vereinigt (und beide Varianten würden im Links-Rechts-Schema nicht funktionieren). Also auf Deutsch gesagt "viel Staat vs. wenig Staat". Allerdings wäre das auch wieder nur ein Modell, das nicht den Anspruch auf hunderprozentige Realitätstauglichkeit erheben kann.
C. Macht es noch Sinn, seine eigene politische Position als links oder rechts zu bezeichnen?
Ich versuche mittlerweile, das von dem einzelnen Thema abhängig zu machen. Dementsprechend kann ich gar nicht sagen, ob ich "links" oder "rechts" bin. Ich bevorzuge mal ganz allgemein formuliert eine Gesellschaftsordnung, in der jedem gezeigt wird, wie man angelt, anstatt ihm jeden Tag Fisch hinzulegen. Allerdings bin ich auch nicht so naiv, zu übersehen, dass manche Menschen aus welchen Gründen auch immer nie angeln werden können bzw. mehr Vorbereitung brauchen als andere. Links oder rechts, das kommt dann eben auf die einzelnen Fragen (bzw. Antworten) an und manchmal entziehen die sich wahrscheinlich auch einem solchen Schema.
Was die demokratischen Parteien angeht, da haben so viele Leute mitzuentscheiden (und nicht nur aus den eigenen Reihen ...), dass es schwer wird, ein langfristig gültiges Etikett bereitzuhalten. Davon abgesehen, dass der Machterhalt Menschen ja bekanntlich viele alte Einstellungen über Bord werfen lässt.
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Mir stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die links<->rechts Dichotomie überhaupt geeignet ist, eine Position im politischen Spektrum vereinfachend zu bestimmen. Ist eine politische Position immer eine Position zwischen 2 gegensätzlichen Extremen? Falls ja, wäre konservativ<->egalitär ein sehr schlechtes Beispiel, da konservativ sicher nicht das Gegenteil von egalitär ist. Richtiger wäre progressiv<->konservativ bzw. egalitär<->antiegalitär.
Bei der NPD als extremen Pol auf der rechten Seite fällt es mir auch schwer, etwas Konservatives zu entdecken. Auf der linken Seite kommt das dann mit dem extremen Egalitarismus schon eher hin. Nur was nützt eine bipolare Begriffsbestimmung, wenn sie nur auf einer Seite passt? Hinzu kommt für mich die Frage, ob eine extremistische Partei, die die Systemfrage stellt, tatsächlich eine extremere Form einer demokratischen Partei sein kann, wie es die rechts<->links Dichotomie (das Hufeisenmodell) nahelegt.
Es gibt bessere Dyaden als links<->rechts. Beispielsweise die von Simia genannte: kollektivistisch<->individualistisch. Dies sind tatsächlich gegensätzliche Pole einer politischen Dimension. Aber auch diese Vereinfachung trifft (wie ebenfalls von Simia erkannt) schnell auf ihre Grenzen, da politische Positionen von Parteien für eine einfache bipolare Beschreibung zu komplex sind. Hier würde man vermutlich ein Dutzend Dimensionen mit einem Ausschlag in eine bestimmte Richtung identifizieren. Eine einfache bipolare Positionsbestimmung funktioniert vermutlich wirklich nur noch bei einzelnen Detailthemen.
Andere denkbare bipolare Dimensionen wären z.B.:
religiös - weltlich
rechtsstaatlich - anarchistisch
demokratisch - autoritär
marktwitschaftlich - zentral gelenkte Wirtschaft
konservativ - progressiv
nationale Isolation - internationale Integration
realpolitisch - utopisch
ausgrenzend - integrierend
modern - traditionell
...
Man kann sich natürlich von dieser enggefassten Definition von rechts und links (rechts = konservativ; links = egalitär) lösen und sich auf den Standpunkt stellen, dass beide Pole allgemeine Sammelbegriffe für bestimmte Positionen seien, mit denen jeder Diskussionsteilnehmer etwas anfangen könne. Diese allgemein gültigen Deutungen von rechts und links gibt es aber nicht. In einer aktuellen Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (http://library.fes.de/pdf-files/do/07504.pdf) zum Thema Rechtsextremismus spricht man von allein 37 verschiedenen Definitionen von Rechtsextremismus in der Rechtsextremismusforschung. Über eine umständliche und wenig überzeugende Kette an Begriffsdefinitionen begründen die Verfasser der Studie dann noch, warum man Extremismus unbedingt in Linksextremismus und Rechtsextremismus unterscheiden muß (Grund: damit man Linksextremismus ignorieren kann). Diese werden nämlich von führenden Extremismusforschern als 2 Varianten eines Phänomens gesehen. Eigentlich geht es in der Studie im Kern um Ausländerfeindlichkeit, Intoleranz und den Wunsch nach einem starken Staat, die man aber einfach mal als das Hauptmerkmal des Rechtsextremismus definiert hat (ich könnte mindenstens 2 der Merkmale auch mit Linksextremismus verbinden). Somit ist das dramatische und medienwirksame Ergebnis der Studie auch gar nicht überraschend: Sehr viele gemäßigte Bürger, besonders ältere, vertreten rechtsextreme Positionen. Na, das ist ja ganz im Sinne des Auftraggebers. *Mülltonne auf - Studie reingeschmissen - Mülltonne zu*.
Die Beliebigkeit der Definition von links und rechts in der Wissenschaft, in den Medien und in der Politik ist vermutlich eines der größten Probleme bei der Verwendung dieser Begriffe. Sie werden nicht selten mißbraucht, um den politischen Gegner zu diffamieren oder die eigene Position als die Meinung der Mehrheit (die angebliche Mitte) darzustellen. Es sind schwammige Begriffe unter denen sich viele Menschen etwas unterschiedliches vorstellen.
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Natürlich ist das Rechts-Links-Schema eine starke Vereinfachung einer - logischer Weise bei all den verschiedenen Politikfeldern und politischen Rahmenideen - viel komplexeren Wirklichkeit. Im Wissen um diese Tatsache spricht nichts dagegen, immer dann solche stark reduzierenden Modelle zu verwenden, wenn etwa die Zeit für längere bzw. ausführliche Erklärungen nicht gegeben ist oder aber eine starke Vereinfachung in dem jeweiligen Kontext angemessen ist.
Beispiel: Wenn nach einer Wahl über mögliche Koalitionen der politischen Parteien spekuliert wird, dürfe eine flache "links-rechts-Denke" ausreichen, um eine Koalition zwischen der LINKE und der CDU auszuschließen, auch wenn diese ausgehend vom Wahlergebnis rechnerisch möglich wäre. Komplexere Erklärungsschemata, warum diese beiden Parteien nicht miteinander koalieren werden, wären an dieser Stelle dann einfach unangebracht, weil die Gegensätze der beiden Parteien einfach zu eklatant sind.
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Beispiel: Wenn nach einer Wahl über mögliche Koalitionen der politischen Parteien spekuliert wird, dürfe eine flache "links-rechts-Denke" ausreichen, um eine Koalition zwischen der LINKE und der CDU auszuschließen, auch wenn diese ausgehend vom Wahlergebnis rechnerisch möglich wäre. Komplexere Erklärungsschemata, warum diese beiden Parteien nicht miteinander koalieren werden, wären an dieser Stelle dann einfach unangebracht, weil die Gegensätze der beiden Parteien einfach zu eklatant sind.
Wenn man dem Schema verhaftet wäre, hätte aber auch nie im Leben in Hamburg eine Koalition zwischen der CDU und den Grünen zustandekommen dürfen.
Hmmm ... ok, ist sie ja auch nicht ;D - die CDU regiert alleine, und die Grünen dürfen so tun, als dürften sie mitmachen. :D
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Kommt drauf an, wo man die Hamburger Grünen im politischen Spektrum so ansiedelt. ;)
Davon ab waren die Koalitionsverhandlungen auch nicht so ganz leicht, aber offenbar gab es mehr Gemeinsamkeiten zwischen CDU und GAL als zwischen CDU und SPD. Was mich bei den Hamburger Grünen aber auch nicht wundert.
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1. Sind die Begriffe Links und Rechts (gegenwärtig) noch geeignet, um politische Positionen verständlich und zutreffend zu beschreiben oder sollte man neue Sammelbegriffe entwerfen?
mögliche Sekundärfragen:
A. Was ist die politische Linke oder Rechte in der Gegenwart?
B. Lassen sich demokratische Parteien (in Deutschland) heute noch sinnvoll in links und rechts unterscheiden?
C. Macht es noch Sinn, seine eigene politische Position als links oder rechts zu bezeichnen?
D. Gibt es bessere Sammelbegriffe, um politische Positionen verständlich zu bezeichnen (Alternative Modelle)?
E. Sind extremistische Positionen wirklich die extreme Form einer linken oder rechten Gesinnung (Extremismusforschung)?
F. Welche politischen Gegensätze sind für eine vereinfachte Bezeichung tatsächlich relevant?
G. Gibt es eine politische Mitte oder ist das nur ein Wahlkampfbegriff?
(Spambot)
... Ich frage jetzt mal ganz naiv (Anmerkung: ausdrücklich: nicht provozierend!):
Ist alles das (diese Einteilung(en)/Zuordnungen für mich als Bürgerin, als Person von Belang? Wenn ja - wofür, warum? - Ist nicht "der (politische) Inhalt" das, worüber man sich Gedanken machen, womit man sich auseinandersetzen sollte (möchte)? Welchen Vorteil bzw. Nutzen bzw. Relevanz bringen die Zuordnungen (in "links", "rechts" o.a.) für die "Staatsbürger" oder Einwohner einer Stadt/eines Bundeslandes ... ? Sind sie (für diese) notwendig - wofür?
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Wie colourize auch schon betonte, ist das links-rechts-Modell eine starke Vereinfachung, die in er Kommunikation eine schnelle Orientierung erlauben soll. Also wenn ich keine Zeit habe jemandem, sagen wir mal in mindestens 30 Minuten, alle meine politischen Standpunkte vorzutragen (was eh keiner hören will), kann ich nach dem Modell (es heisst eigentlich: Hufeisenmodell) auch einfach sagen, dass ich links oder rechts bin. In den Massenmedien ist dieses Modell sehr gut etabliert, so dass wir jeden Tag damit konfrontiert werden. Leider kann das Modell immer weniger politische Inhalte repräsentieren.
Die Schwächen des Modells sind so drastisch, dass links und rechts oftmals zu reinen Phrasen geworden sind. Zudem wird die geringe Aussagekraft der Begriffe gerne von politischen Akteuren zur Täuschung und Manipulation der Wähler genutzt. Dies liegt nicht nur an der (1) Beliebigkeit der Definition von links und rechts, sondern auch an der (2) einachsigen Konstruktion des Modells.
Auf den ersten Blick funktioniert das Modell zumindest für den Begriff links, da sich sowohl die SPD als auch Die Linke als linke Parteien bezeichenen (die SPD erst wieder seit dem Hamburger Programm von 2007). Hier ist das Definitionproblem etwas geringer vorhanden, dafür schlägt die Schwäche durch die einachsige Konstruktion durch. Wenn sich jemand als links bezeichnet, kann man ungefähr erahnen, dass die Person für eine starke Regulierung der Wirtschaft, einen starken Staat und das Dogma der Chancengleichheit steht (Mittel zur Durchsetzung des egalitären Standpunktes). Unklar bleibt jedoch, ob diese Ziele innerhalb der vorhandenen demokratischen Ordnung erreicht werden sollen, da sich kaum jemand freiwillig selbst als linksextrem bezeichnen wird.
Die Schwächen des Modells werden eigentlich erst ab dem realpolitischen/konservativen Flügel (Seeheimer Kreis: Gabriel, Schröder etc.) der SPD und allem was als rechts davon gilt deutlich. Grüne und FDP lassen sich nach dem Modell gar nicht zuordnen. Die Unionsparteien (nach dem Modell) gelten genauso als rechts der nicht vorhandenen Mitte, wie die NPD, obwohl es inhaltlich erhebliche Widersprüche gibt. Kein Wunder also, dass sowohl SPD als auch CDU in der Vergangenheit versucht haben, eine "Mitte" zu erfinden, um das links-rechts-Modell auszuhebeln. Kein Anhänger der Union wird sich als rechts bezeichnen, wenn rechts auch für die NPD stehen kann.
Daher bin ich der Meinung, dass man entweder auf das links-rechts-Modell in der Kommunikation verzichtet oder aber ein besseres Modell der Vereinfachung entwickelt und etabliert. Die bisher vorgeschlagenen alternativen Modelle (Wertedreieck oder politischer Kompass, s.o.) konnten mich nicht überzeugen.
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Lieber Spambot :)
... das ist sehr nett, dass du das nun nochmal erläutert hast, aber hatte das oben auch schon (so) verstanden. ;)
Die Schwächen des Modells sind so drastisch, dass links und rechts oftmals zu reinen Phrasen geworden sind. Zudem wird die geringe Aussagekraft der Begriffe gerne von politischen Akteuren zur Täuschung und Manipulation der Wähler genutzt. Dies liegt nicht nur an der (1) Beliebigkeit der Definition von links und rechts, sondern auch an der (2) einachsigen Konstruktion des Modells.
(Spambot)
und
Daher bin ich der Meinung, dass man entweder auf das links-rechts-Modell in der Kommunikation verzichtet (...)
(Spambot)
eben drum fragte ich (danach) auch. ;)
Es taugt (wenn überhaupt ja also) im Grunde (für Normalsterbliche) dann doch nur dafür :
(...) ist das links-rechts-Modell eine starke Vereinfachung, die in er Kommunikation eine schnelle Orientierung erlauben soll. Also wenn ich keine Zeit habe jemandem, sagen wir mal in mindestens 30 Minuten, alle meine politischen Standpunkte vorzutragen (was eh keiner hören will), kann ich nach dem Modell (es heisst eigentlich: Hufeisenmodell) auch einfach sagen, dass ich links oder rechts bin.
(Spambot)
Und hat also sonst keinen darüber hinaus gehenden Nutzen, keine Relevanz (für "Bürger"). ?
Alles andere ist ja doch eher gemünzt auf/als "Handwerkszeug" (bzw. Mund-Werk(s)zeug ;) ) für Personen des politischen öffentlichen Lebens ("Politiker"). ?
(Das wollte ich nur wissen.)
Ganz kleine Bemerkung: So würde ich mir das wünschen -> was Kommunikations-Umgangsformen im Forum betrifft. Spambot ist da wirklich vorbildlich. (Noch? ;) )
:)
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Auf den ersten Blick funktioniert das Modell zumindest für den Begriff links, da sich sowohl die SPD als auch Die Linke als linke Parteien bezeichenen (die SPD erst wieder seit dem Hamburger Programm von 2007). Hier ist das Definitionproblem etwas geringer vorhanden, dafür schlägt die Schwäche durch die einachsige Konstruktion durch. Wenn sich jemand als links bezeichnet, kann man ungefähr erahnen, dass die Person für eine starke Regulierung der Wirtschaft, einen starken Staat und das Dogma der Chancengleichheit steht (Mittel zur Durchsetzung des egalitären Standpunktes). Unklar bleibt jedoch, ob diese Ziele innerhalb der vorhandenen demokratischen Ordnung erreicht werden sollen, da sich kaum jemand freiwillig selbst als linksextrem bezeichnen wird.
Die Schwächen des Modells werden eigentlich erst ab dem realpolitischen/konservativen Flügel (Seeheimer Kreis: Gabriel, Schröder etc.) der SPD und allem was als rechts davon gilt deutlich. Grüne und FDP lassen sich nach dem Modell gar nicht zuordnen. Die Unionsparteien (nach dem Modell) gelten genauso als rechts der nicht vorhandenen Mitte, wie die NPD, obwohl es inhaltlich erhebliche Widersprüche gibt. Kein Wunder also, dass sowohl SPD als auch CDU in der Vergangenheit versucht haben, eine "Mitte" zu erfinden, um das links-rechts-Modell auszuhebeln. Kein Anhänger der Union wird sich als rechts bezeichnen, wenn rechts auch für die NPD stehen kann.
Stimmt irgendwie schon, man kann ahnen, wohin der Hase läuft, wenn er nach links läuft. Allerdings ist die linke Ecke auch nicht so homogen. Kommunisten sind per definitionem "linksextrem", weil sie sich gegen die sogen. "freiheitlich demokratische Grundordnung" wenden, Sozialdemokraten verbinden beides. Und sowohl "Anarchos" als auch Maoisten, Stalinisten & Co. werden dem "linken Lager" zugeschoben, können miteinander aber wohl nicht viel anfangen.
Und im "rechten Lager" hat man dazugelernt. Kann schon sein, dass man sich in der CDU oft nicht als "rechts" bezeichnen mag, wenn die NPD es auch ist. Aber Letztere bzw. ihre Gesinnungskameraden wildern heftig im konservativen Bereich und es funktioniert (Junge Freiheit, Blaue Narzisse etc.). Die "Neue Rechte" versucht die Positionen zu verbinden und der Bezugspunkte sind nicht wenige. Eine konservative Einstellung ist denen ja nicht wirklich fremd (auch wenn das wie gesagt andersrum nicht immer so flutscht).
Edit: Wobei ich auch sagen muss, dass die konservativen Grundpfeiler, besonders der starke Staat und Traditionalismus, auch nicht von allen "extremen Rechten" akzeptiert werden. Richtig verworren wird's mit unserem schönen Schema nämlich bei den "Nationalrevolutionären" bzw. "Nationalanarchisten", der anderen Fraktion der "Neuen Rechten". Gerade Letztere kommen mit ihrer Ablehnung von Totalitarismus, Führerkult, Hierarchien und gesellschaftlichen Zwängen und mit Vorstellungen einer stark dezentralen Gesellschafts(un)ordnung anarchistischer Prägung und Verwendung/Umdeutung "linksanarchistischer" Symbole etc. ziemlich aus dem rechten Klischee raus, ticken aber dennoch einschlägig (rassistisch bzw. "ethnopluralistisch" (http://de.wikipedia.org/wiki/Ethnopluralismus)). Es zeigt recht deutlich, dass das Schema wirklich eindimensional ist und aus verschiedenen Elementen besteht, die sich anscheinend auch übergreifend kombinieren lassen.
Andererseits ist "Querfront" nun auch nicht so neu.
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Den Konservativen würde ich nicht zwingend den Wunsch nach einem starken Staat unterstellen. Eher den starken Rechtsstaat als Hüter der bestehenden Ordnung. Erst wenn der Staat eine starke Umerverteilungs- und Regulierungsrolle bekommt (typisch z.B. bei egalitären Ansätzen oder Ökoregulierung) entsteht der Wasserkopf.
Die Neuausrichtung von Teilen der rechtsextremistischen Szene unter Verwendung von linksextremistischen Symbolen und Parolen wird regelmäßig von der Extremismusforschung als Indiz bewertet, dass Extremismus ein einziges Phänomen ist, dass in verschiedenen (stark unterschiedlichen) Varianten vorkommt. Es gibt beispielsweise Untersuchungen, die zeigen, dass Anhänger von Die Linke besonders oft Vorstellungen von der Gesellschaft haben, die in ihrer Struktur mit typisch rechtsextremen Vorstellung übereinstimmen. Die oben von mir zitierte Studie der FES kommt beispielsweise zu diesem Schluss. Man darf bei der Studie aber nicht vergessen, dass sie aus dem Umfeld der sog. Rechtsextremismusforschung kommt, einer politisch einseitigen Perspektive der Extremismusforschung. Der Auftraggeber der Studie hat zudem ein Interesse an der Diskreditierung der politischen Gegner und ihrer Anhänger.
Nicht nur die Nähe mancher Positionen und Grundeinstellungen von Links- und Rechtsextremisten zeigt die erheblichen Schwächen des Hufeisenmodells (eindimensionales rechts-links Schema) bei der vereinfachten Erklärung von politischen Positionen im politischen Spektrum. Auch die drastischen Unterschiede zwischen zwei extremen Positionen auf der gleichen Seite des Modells werden ignoriert. Gemeint sind Anarchismus und Marxismus, wie sie Simia schon genannt hatte. Beides sind utopisch-egalitäre Modelle, die auf eine Abschaffung des Grundrechts auf Besitz zielen. Am Ende soll es bei beiden zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft kommen. Es werden nur völlig unterschiedliches Wege eingeschlagen. Der Anarchismus in seiner Urform (aber auch die meisten Varianten) ist eine extreme Form des Liberalismus und betont die Individualität und die Rechte des Einzelnen. Der Marxismus, insbesondere der Kommunismus als spätere Idee zur Umsetzung, hingegen betont das Kollektiv und schreckt auch nicht vor einer (zumindest temporären) Unterjochung des Individuums zum Wohle des Kollektivs zurück. Daher würde ich den Anarchismus grundsätzlich als liberal-egalitäre und den Marxismus als prinzipiell autoritär-egalitäre Utopie bezeichnen. Das beide Positionen im Sprachgebrauch den gleichen Platz auf dem Hufeiesen haben, ist einfach absurd.
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Gleich voran: Ich bin völlig blöde, was Politik angeht, dass ich mich eigentlich schon mal preemtiv in den Boden schämen müsste.
Trotzdem geh ich mal auf die Fragen ein.
1. Sind die Begriffe Links und Rechts (gegenwärtig) noch geeignet, um politische Positionen verständlich und zutreffend zu beschreiben oder sollte man neue Sammelbegriffe entwerfen?
Ich glaube, "links" und "rechts" sind am ehesten noch in den Extremen erkennbar, also bei den sog. Links- oder Rechtsradikalen. Da diese aber teilweise am Rande der Unzurechnungsfähigkeit agieren ist es schwierig, da überhaupt noch politische Beweggründe zu unterstellen
A. Was ist die politische Linke oder Rechte in der Gegenwart?
Das weiß ich leider auch nicht so genau. Ehrlich gesagt hatte ich bisher immer nur so eine art "Ahnung". z.B. aus dem Schulunterricht und den Medien: "Rechts ist immer schlecht. Nazis sind alle Rechts. Demonstrieren gegen Rechts. Rechtes Gedankengut. Rechte Gewalt". Daher erst mal die naive Vorprägung, dass alles, was rechts ist, schlecht ist. Und demensprechend, indirekt, alles linke gut ist. Manchmal glaube ich, man hat uns ein ganz bisschen verarscht, denn eine Erklärung, warum das eine überhaupt "Links" oder "Rechts" genannt wurde und was dahinter steckt, blieb bis zum Ende aus.
B. Lassen sich demokratische Parteien (in Deutschland) heute noch sinnvoll in links und rechts unterscheiden?
Teilweise ja. "Die Linken" oder die CSU empfinde ich noch als klassisch links und rechts. Wie gesagt, ich empfinde das so, denn um sie genauer einzuordnen, kenne ich mich in Politik nicht so gut aus.
C. Macht es noch Sinn, seine eigene politische Position als links oder rechts zu bezeichnen?
Ist nicht einfach. Ich stelle fest, dass einige meiner eigenen Positionen in ein klassisch "Linkes" Muster passen (z.B. bin ich dafür, alles, was mit der Grundversorgung des Menschen zu tun hat durch den Staat betreiben zu lassen), anderes vielleicht eher "rechts". Ich würde mich durchaus als "Liberal" bezeichnen.
D. Gibt es bessere Sammelbegriffe, um politische Positionen verständlich zu bezeichnen (Alternative Modelle)?
Vielleicht demokratisch/undemokratisch oder nationalistisch oder eben liberal, wirtschaftlich orientiert vs. umweltorientiert, proletarisch, oberschichtenorientiert. Und am Ende eine Kombination dieser Merkmale. Eine eindimensionale Skala von a nach b reicht da nicht mehr aus.
E. Sind extremistische Positionen wirklich die extreme Form einer linken oder rechten Gesinnung (Extremismusforschung)?
Nicht immer. Man wirft der FDP vor, "Marktradikal" zu sein, also eine Marktwirtschaft in einer sehr extremen Form zu befürworten.
Den Grünen wird oft der Vorwurf gemacht, extrem wirtschaftsfeindlich zu sein, also eine art Öko-Extremismus. Ein entspr. Fall wäre z.B. einen Umgehungstunnel für 10 mio. Euro zu bauen, um eine Population von 1000 Kröten zu schützen. Also 10.000 Euro pro Kröte. Das ist ... ob man es gut findet oder nicht, extrem.
F. Welche politischen Gegensätze sind für eine vereinfachte Bezeichung tatsächlich relevant?
...verschwimmt jetzt mit der Antwort auf D. Wobei ich bei D keine tatsächlichen Sammelbegriffe genannt habe, aber eben die Gegensätze aufgezählt habe.
G. Gibt es eine politische Mitte oder ist das nur ein Wahlkampfbegriff?
Och dieses ganze Wischiwaschi der "Volksparteien" ist schon ziemlich mittelmäßig :P</polemik>
Da fehlt mir die politische Erfahrung. Jemand, der die Parteienlandschaft schon über viele Jahre beobachtet hat, wird sicher sagen können, welche Parteien, wenn, in die Mitte bewegt haben oder aus ihr kommen.
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Das mit der liberalen/libertaristischen Verortung des Anarchismus sehe ich ähnlich. Allerdings noch einige Worte zum Konservativismus
Den Konservativen würde ich nicht zwingend den Wunsch nach einem starken Staat unterstellen. Eher den starken Rechtsstaat als Hüter der bestehenden Ordnung. Erst wenn der Staat eine starke Umerverteilungs- und Regulierungsrolle bekommt (typisch z.B. bei egalitären Ansätzen oder Ökoregulierung) entsteht der Wasserkopf.
Ich würd das gar nicht so klein aufhängen, dass der Staat bei den Konservativen - gerade hinsichtlich Ordnung und Sicherheit - eine besondere Rolle spielt. Denn nur eine Gemeinschaft kann so etwas garantieren (und das muss nicht zwingend ein Rechtsstaat sein). Zumal der starke Staat nicht unbedingt ein bürokratischer Wasserkopf sein muss - wo sich mir im Gegenteil sogar die spannende Frage stellt, ob ein solcher Staat wirklich noch "stark" ist.
Konservativ ist allerdings auch nicht gleich konservativ. Da ist einerseits dieses diffuse kleinbürgerlich-sicherheitsorientierte Bauchgefühl, dann die christlich-abendländische Linie (die z.B. CDU und Zentrumspartei etc. fahren) und schließlich die davon in wesentlichen Punkten (z.B. der Rolle christlicher Werte) abweichende Konservative Revolution (http://de.wikipedia.org/wiki/Konservative_Revolution).
Last not least pflegen die Amis einen fast gegenteiligen Konservativismus, der tatsächlich das Individuum vor den Staat stellt. Ansonsten tickt "der Konservativismus an sich" aber übergreifend durchaus staatsgläubig und auch hierarchisch, also antiegalitär, wie es z.B. das Gedankengebäude des Staatsphilosophen Carl Schmitt (http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt) zeigt (der vor und während des NS eine große Rolle spielte, aber auch in den ersten Jahren der BRD Einfluss hatte und damit eines der prägnantesten Bindeglieder zwischen den "rechten Positionen" darstellt). Für ihn stand die Ordnung über den individuellen Interessen des Einzelnen bzw. sah er durch den "Pluralismus partikularer Interessen" (wie z.B. in der Demokratie) die Ordnung gefährdet. Zwar sah sich Schmitt selber angeblich nie als Konservativen, gab der "konservativen Sache" aber richtig Struktur und Aufwind (Schmitt verhält sich zum Konservativismus anscheinend so wie die Sisters oder The Cure zur Gothic-Szene ;)). Auch sein geistiger Erbe Otto Depenheuer (http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Depenheuer) sei genannt, der mit seinen Vorstellungen eines Bürgeropfers (http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgeropfer) klassische konservative Positionen vertritt. Es schwingt zwischen den Zeilen auch immer mit, dass der Staat nicht zwingend ein Rechtsstaat sein muss.
Folgendes Zitat finde ich auch ganz passend:
Konservative Revolution nennen wir die Wiedereinsetzung aller jener elementaren Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann. An Stelle der Gleichheit tritt die innere Wertigkeit, an Stelle der sozialen Gesinnung der gerechte Einbau in die gestufte Gesellschaft, … (Edgar Julius Jung)
Ich wage es nun mal, Alain de Benoist zu zitieren, die Galionsfigur der "Neuen Rechten". Das Zitat verdeutlicht ganz gut die Spanne zwischen "rechtem Selbstverständnis" einerseits und besagter Beliebigkeit des Begriffes "rechts" andererseits. Und dass es sich sehr wohl mit "konservativ" nach o. g. Senf deckt.
Ich nenne hier - aus reiner Konvention - die Haltung rechts, die darin besteht, die Vielgestaltigkeit der Welt und folglich die relativen Ungleichheiten, die ihr notwendiges Ergebnis sind, als ein Gut und die fortschreitende Vereinheitlichung der Welt, die durch den Diskurs der egalitären Ideologie der seit zweitausend Jahren gepredigt und verwirklicht wird, als ein Übel anzusehen. (Alain de Benoist)
Hui, die "konservative Randnotiz" wurd doch länger als ich dachte ... ;)
Was die Extremisten als ein einziges Phänomen angeht, so gibt es IMHO (unabhängig von rechts und links) zwei "Hauptrichtungen": die "Berufsradikalen", die nicht unbedingt in ihrer Ecke stehenbleiben, sondern sich vielleicht auch mal hier und mal dort umschauen (sozusagen "Transit-Extremisten" ;D), und diejenigen, die eine wirkliche Einstellung haben und sich irgendwann radikalisieren. Bei den einen steht das "Dagegen" im Vordergrund, bei den anderen irgendein Ideal. Beide Ausprägungen finden sich in jeder politischen/gesellschaftlichen "radikalen" Ecke.
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@ Simia:
Ich bin mir nicht sicher, ob man Konservatismus hauptsächlich als eine Tendenz zum Kollektivismus sehen sollte. Gemäßigte konservative Positionen in Deutschland umfassen gewöhnlich auch liberale und teilweise sogar tendenziell egalitäre Positionen. Diese Vermischung von liberalen, egalitären und konservativen Positionen findet man eigentlich in allen gemäßigten Parteien (Grüne, FDP, Union, SPD).
Vermutlich trifft es auf einen großen Teil des "rechten" Spektrums zu, dass kollektivistische, staatsautoritäre und ausgrenzende Positionen eingenommen werden. Allerdings trifft dies auch auf große Teile des "linken" Spektrums zu.
Das Hauptproblem bei diesen Vereinfachungen sehe ich darin, dass bestimmte politische Positionen zwar typisch für eine politische Richtung (Richtung impliziert mal wieder das Hufeisenmodell) sind, aber andererseits diese politischen Positionen nicht zwingend eine Zuordnung zu einer politischen Gruppierung bedeuten. Beispiel: Rassismus ist typisch für rechtsextreme Positionen - fremdenfeindliche Äußerungen bedeuten aber nicht zwingend, dass eine Person rechtsextrem ist. Beispiel 2: Jemand setzt sich für eine Vermögenssteuer ein (Einschränkung des Grundrechts auf Besitz) - muss diese Person linksradikal sein?
K-Ninchen hat in ihrem Post, wie ich finde, ein paar sehr wichtige Anmerkungen gemacht. Medien, Schulunterricht und andere Formen der Kommunikation nutzen das Links-Rechts-Modell, um Zusammenhänge zu vermitteln, die es nicht unbedingt gibt. Rechts ist nicht zwingend das Gegenteil von links (und umgekehrt). Hinzu kommt, dass die Komplexität des politischen Spektrums mit einer unübersichtlichen Vielzahl an politischen Positionen dazu führt, dass viele Menschen Fragmente dieser Positionen zu einer eigenen politischen Position zusammen puzzeln und diese politische Position dann möglicherweise widersprüchliche Elemente enthält. Hier würde ich mir von unseren Parteien und den Medien eine faire und sachliche Aufklärung über Hintergründe und Begründungen wünschen. Eine Demokratie lebt vom mündigen Bürger. Stattdessen werden eigene Positionen auf Parolen reduziert und gegenerische politische Positionen mit Propaganda diffamiert. Dieses Spielchen betreiben nicht nur die extremen Parteien und die Regenbogenpresse.
Die regelmäßige Verwendung des unbrauchbaren links-rechts-Modells in der öffentlichen politischen Diskussion ist für mich ein Indiz, dass die beteiligten Akteure kein oder nur wenig Interesse am politisch mündigen Bürger haben. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch beachten, dass ein großer Teil der Bevölkerung kein Interesse hat, sich genauer mit politischen Positionen auseinander zu setzen. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender setzen eher auf Sensationen und Meinungsmache, denn auf sachliche Hintergrundinformationen.
Diese Überlegungen führen mich zurück zum Anlass für diesen Thread. Eine Freundin bezeichnete sich mir gegenüber als links und vertrat gleichzeitig Positionen zur Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Gleichzeitig wurden liberale Positionen als rechts bezeichnet. Sie müssten ja rechts sein, da sie nicht links sind. Inwieweit sie tatsächlich egalitäre Positionen vertritt, habe ich dann gar nicht mehr nachgefragt.
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Was mir auch immer wieder auffällt ist ja auch der große Unterschied zwischen Theorie und Praxis bei den Parteien. z.B. gibt es da so eine gewisse Partei, deren Ideen und Grundwerte eigentlich ziemlich mit meinen eigenen übereinstimmen und deren Programm mir auch größtenteils ziemlich zusagt.
Leider musste ich dann feststellen, dass später in der Praxis diese Partei fast gegenteilig zu diesen Grundwerten, für die sie eigentlich steht, handelt.
Also jeder Bürger, der eigentlich, so wie ich, nur ein laienhaftes Verständnis von Politik hat, gerät ja spätestens dann in eine leicht politikverdrossene Haltung, wenn er feststellt, dass es am Ende vielleicht sogar "scheißegal" ist, wen man wählt, weil in der Praxis vieles ganz anders aussieht, manchmal sogar sich ins Gegenteil wandelt.
Und diese Diskrepanz ist nicht einfach nur zu beschreiben durch "kleine Kompromisse", sondern einem völlig anderen, fast gegenteiligen Kurs und ganz großer Murkserei.
Der Normalbürger versteht natürlich auch nicht unbedingt, wie kompliziert diese ganzen politischen Abläufe funktionieren, wer alles Einfluss darauf hat, wie die Gesetzeslage da aussieht usw.
Und weil das so komplex ist, winken viele schon ab und lassen sich spätestens ab dann nur noch durch emotionale Signale lenken und wählen eine Partei, weil sie die irgendwie gut finden. z.B. die SPD weil "die sind irgendwie sozial und so. Und sozial ist ja auch total gut." oder CDU weil "Die sorgen endlich mal für Recht und Ordnung und davon gibts ja immer weniger", mal ganz vereinfacht ausgedrückt. Viel mehr ist das oft gar nicht! Manchmal reicht sogar eine einfache Schlagzeile in der Bild, damit sich so eine Entscheidung bildet oder verfestigt.
Und daher dann auch das vereinfachte Bild von "Links" und "Rechts". Kaum jemand, der sich nicht aktiv mit Politik auseinandersetzt, wird den Unterschied genau beschreiben können, da gibt es eigentlich nur Haufenweise Klischees.
Politik ist für viele auch sehr schwere Kost, daher wird es den "politisch mündigen Bürger" als große Bevölkerungsschicht wahrscheinlich nie geben. Denn um die Zusammenhänge wirklich zu verstehen ist ein großer Lernaufwand notwendig. Und wenn es dann auch noch in der Praxis völlig daneben läuft, ist das nicht gerade motivierend.
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Leider musste ich dann feststellen, dass später in der Praxis diese Partei fast gegenteilig zu diesen Grundwerten, für die sie eigentlich steht, handelt.
Ich sage nur drei Worte: "Elbvertiefung", "Kohlekraftwerk" und "Grüne" und sage ... ähhh ... du hast recht.
Manchmal. Mehrmals.
Hmmm ... eigentlich, leider, viel zu oft. *seufz* :(
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Leider musste ich dann feststellen, dass später in der Praxis diese Partei fast gegenteilig zu diesen Grundwerten, für die sie eigentlich steht, handelt.
Ich sage nur drei Worte: "Elbvertiefung", "Kohlekraftwerk" und "Grüne" und sage ... ähhh ... du hast recht.
Manchmal. Mehrmals.
Hmmm ... eigentlich, leider, viel zu oft. *seufz* :(
Das ist ein sehr gutes Beispiel, obwohl ich sogar eine ganz andere Partei im Hinterkopf hatte!
Obwohl manchmal wünscht man sich, sie würden tatsächlich mal gegenteilig handeln. z.B. als "die Linken" vorgeschlagen haben, den rumänischen Scheibenputzern (ein Service, auf den alle nur gewartet haben), auch noch Gewerbescheine auszustellen *facepalm*
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Meinst Du die Jungs, die einem an der Ampel Wasser und Seife auf die Windschutzscheibe schütten und nach ihrem Geschrubbe die Hand aufhalten?
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Völlig egal ob links mitte rechts nord süd oben unten, eines hat gefühlt immer Bestand:
Regieren = Die Kunst, Probleme zu schaffen, mit deren Lösung man das Volk in Atem hält.
Ezra Pound (1885-1972), amerik. Dichter
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Meinst Du die Jungs, die einem an der Ampel Wasser und Seife auf die Windschutzscheibe schütten und nach ihrem Geschrubbe die Hand aufhalten?
Ja, genau die meine ich.
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Och, ein Gewerbeschein könnte praktisch sein. Da hängen ja auch Auflagen dran, die das ggf. unattraktiv machen (feste Erreichbarkeit, Verbot von Kaltakquise etc.). ;D
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Hier würde ich mir von unseren Parteien und den Medien eine faire und sachliche Aufklärung über Hintergründe und Begründungen wünschen. Eine Demokratie lebt vom mündigen Bürger. Stattdessen werden eigene Positionen auf Parolen reduziert und gegenerische politische Positionen mit Propaganda diffamiert. Dieses Spielchen betreiben nicht nur die extremen Parteien und die Regenbogenpresse.
Die regelmäßige Verwendung des unbrauchbaren links-rechts-Modells in der öffentlichen politischen Diskussion ist für mich ein Indiz, dass die beteiligten Akteure kein oder nur wenig Interesse am politisch mündigen Bürger haben. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch beachten, dass ein großer Teil der Bevölkerung kein Interesse hat, sich genauer mit politischen Positionen auseinander zu setzen. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender setzen eher auf Sensationen und Meinungsmache, denn auf sachliche Hintergrundinformationen.
(Spambot)
und
Der Normalbürger versteht natürlich auch nicht unbedingt, wie kompliziert diese ganzen politischen Abläufe funktionieren, wer alles Einfluss darauf hat, wie die Gesetzeslage da aussieht usw. (...)
Politik ist für viele auch sehr schwere Kost, daher wird es den "politisch mündigen Bürger" als große Bevölkerungsschicht wahrscheinlich nie geben. Denn um die Zusammenhänge wirklich zu verstehen ist ein großer Lernaufwand notwendig.
(K-Ninchen)
Um genau dies ging es in der heutigen Sendung "scobel" auf 3-sat:
http://www.3sat.de/delta/
Oskar Negt (Sozialphilosoph) sagte, dass man Demokratie lernen müsse. Und sein neues Buch heißt "Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform"
In der Sendung wurde (wieder mal) darauf hingewiesen, dass "der mündige Bürger" seiner Aufgabe halt auch nachkommen muss, um eben mündig sein zu können. Dass er also für sich Verantwortung übernehmen, sich informieren, mit politischen Themen auseinandersetzen muss/sollte ...
Dass außerdem es vonseiten der Politik(er) mehr Transparenz und Dialog mit "dem" mündigen Bürger geben sollte, dass Lobbyismus ein Problem ist usw.
Daher würde ich von euch @all gerne wissen, ob und wie ihr euch über politisches Geschehen, politische Fragen, Themen, Probleme ... informiert? Durch welche Medien (Internet - welche Seiten?, Bücher, Zeitungen, Radio, TV - welche Sendungen?)
Seid ihr der Ansicht, dass man überhaupt ein mündiger Bürger sein kann - dass man genug und leichten Zugang zu Informationen hat, die nicht nur die Fassade eines Problems beleuchten, sondern auch über komplexe Hintergründe, Zusammenhänge informiert werden bzw. sein kann - wodurch am ehesten (wenn)?
Oder ist dies so in die Tiefe gehend nur jenen wirklich möglich, die "vom Fach" sind?
Ich möchte gar nicht diskutieren, ob die Mehrheit der Deutschen dazu intellektuell befähigt ist (oder ob dies nur eine Minderheit ist) oder ob die Mehrheit der "mündigen Bürger" nicht an "Politik" interessiert ist, sondern möchte einfach nur wissen, ob es derzeit möglich ist und auf welche Weise, wirklich informiert zu sein/zu werden und wie es sich mit der Informationsbeschaffung bei euch persönlich verhält.
Und: Sollte nicht in der Schule weit mehr vermittelt, gelernt werden, wie/wodurch Mensch ein mündiger, informierter Bürger wird?!
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In der Sendung wurde (wieder mal) darauf hingewiesen, dass "der mündige Bürger" seiner Aufgabe halt auch nachkommen muss, um eben mündig sein zu können. Dass er also für sich Verantwortung übernehmen, sich informieren, mit politischen Themen auseinandersetzen muss/sollte ...
Theoretisch stimmt das ja auch.
Praktisch aber sieht es aber anders aus. Und das wissen die Politiker!
Was mich an der derzeitigen Politik sehr stört ist dieser Habitus "wir entscheiden das jetzt, weil der gewöhnliche Wähler ist ja eh zu doof dafür es zu entscheiden, weil er sich für Politik eh nicht interessiert.". Siehe Schröders "basta"-Politik, was beschlossen wird wird so gemacht, basta, weil es wäre ja das beste für das (doofe? ;) ) Volk. An die nun leider die aktuelle Regierung nahtlos anschließt.
Meiner Meinung nach haben Politiker, wenn sie denken dass der gemeine Wähler zu doof ist um ihre Entscheidungen nachvollziehen zu können (und ich zweifle nicht dran dass sie das denken), dann auch die Verpflichtung, genau deswegen weil sie es denken, ihre Entscheidungen auch entsprechend zu begründen, und zwar auf eine Art und Weise, dass es auch die in ihren Augen "doofen" Wähler kapieren.
Denn so holen sie diese endlich mal ernsthaft ins Boot, und exakt so würde sich dann auch der scheinbar "dümmste" Wähler ernstgenommen fühlen.
Momentan jedenfalls hängt man sich an den Stereotypen Links und Rechts auf, um den "doofen" Wähler damit ja schön beeinflussen zu können.
Dumm daran: Oft funktioniert's.
Gut daran: Mittlerweile nicht immer.
Ich hoffe sehr, dass die Politiker auch mal ein Interesse daran haben, das "doofe" Volk klüger zu machen, und nicht nur jenes, weil in ihren Augen zu doof, gleich abzuschreiben und für so dumm zu erklären, dass sie lieber gar nix erklären, weil es ja (in ihren Augen) eh vergebene Liebesmüh' wäre.
Soweit meine Gedanken dazu zu nächtlicher Stunde.
Gesprochen mit einem definitiven NICHT-Basta. :D
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... Naja messie, aber wie informierst du dich - angemessen/umfassend? Wie also kommst du deiner "Bürgerpflicht" ;) nach?
Und: kann man es sich wirklich so einfach machen, indem man sagt:
Ich hoffe sehr, dass die Politiker auch mal ein Interesse daran haben, das "doofe" Volk klüger zu machen, und nicht nur jenes, weil in ihren Augen zu doof, gleich abzuschreiben und für so dumm zu erklären, dass sie lieber gar nix erklären, weil es ja (in ihren Augen) eh vergebene Liebesmüh' wäre.
(messie)
? - Ist es nicht eben gerade die Aufgabe des mündigen (!) Bürgers, sich selbst "schlauzumachen", sich selbst und freiwillig, aus eigenem Interesse zu informieren?! Statt dies wieder auf Mama-/Papa - Regierung/Politik(er) abzuwälzen? Man muss doch umgekehrt als Bürger das Signal setzen, informiert sein zu wollen und: zu können. Auch wenn das in den oberen Etagen nicht wahrgenommen werden sollte/wird/werden will. ;)
Aber wie weit ist es mit der Mündigkeit her, wenn der Bürger erst wieder abgeholt/extra eingeladen, an die (väterliche) Hand genommen werden will: nicht im Sinne von ernstgenommen werden, sondern im Sinne von Informiertsein. ?
Ist es nicht z.T. tatsächlich doch so, dass wir uns einfach auch verarschen lassen?!? Eben weil wir zu uninformiert und zu desinteressiert, oft auch: zu bequem sind, uns wirklich auseinanderzusetzen (kostet halt auch Zeit und Anstrengung, die man nach einem langen, erschöpfenden Arbeitstag und mit Familienwochenenden vlt. nicht mehr so aufbringen kann/will?)?
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Nein, ich informiere mich nicht über Politik.
Wenn ich mich über alles Wichtige informieren müsste, würden die 24 Stunden am Tag überhaupt nicht ausreichen.
Eigentlich ist Information an sich fürn Arsch, wenn sie nicht die objektive und reflektierte Wahrheit darstellt.
Wir ertrinken in Informationen und hungern nach Wissen.
Ergo: Ich komme meiner Pflicht gern nach, wenn mir die zur Erreichung des Wissens nötigen Informationen geliefert werden.
Und das werden sie nie. Meine Zeit ist mir aber zu kostbar, aus allen Informationsquellen alles herauszufiltern, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und die nackten Fakten zu abstrahieren.
Das mache ich gern bei Dingen wie der Volkszählung 2011 oder anstehenden Wahlen.
Aber nicht für so einen Schwachsinn wie beispielsweise Stuttgart 21.
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@Lucas
... wofür es dir wert ist, deine Zeit für Informiertsein "zu opfern", steht ja gar nicht zur Debatte - meine Frage war, wenn man sich informiert, auf welche Weise/wodurch genau man dies tut, so dass es nicht nur oberflächlich ist (Tagesthemen bspw. =oberflächlich). Und ob man der Meinung ist, überhaupt die Möglichkeit zu haben, sich umfassend informieren zu können (anhand des Informationsangebotes).
Hast du z.T. ja beantwortet:
Ergo: Ich komme meiner Pflicht gern nach, wenn mir die zur Erreichung des Wissens nötigen Informationen geliefert werden.
Und das werden sie nie. Meine Zeit ist mir aber zu kostbar, aus allen Informationsquellen alles herauszufiltern, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und die nackten Fakten zu abstrahieren.
(Lucas de Vil)
... aha. Ok. :-\
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Keine Bange, ich bin politisch interessiert und informiere mich auch hinreichend, glaub's mir. ;) Das reicht über Nachrichten (eher wenig Mehrwert) über einschlägige Nachrichteninternetportale (eher mehr) bis hin zu direkten kontroversen Diskussionen im TV und Internet zu bestimmten Themen (am meisten).
Ist es nicht eben gerade die Aufgabe des mündigen (!) Bürgers, sich selbst "schlauzumachen", sich selbst und freiwillig, aus eigenem Interesse zu informieren?!
Ganz ehrlich: Ich kann jeden Bürger verstehen, der irgendwann die Nase voll hat und aussteigt, weil er sagt "die da oben handeln ja eh so wie sie es grade für richtig halten, egal was wir Bürger dagegen sagen".
Es ist nicht schön, das, aber unterm Strich läuft es doch so: Es können hunderttausende Unterschriften gegen etwas gesammelt werden, es kann Demonstrationen von über hunderttausend Menschen geben (siehe die Hamburger Demonstration von Schülern und Studenten damals gegen Studiengebühren und das Eckewertepapier), es können sogar Volksentscheide mit über 90% "gewonnen" werden (siehe Volksentscheid gegen die Privatisierung der Hamburger Krankenhäuser - es wurde trotzdem gemacht) - es bringt alles nichts, weil die Politiker es halt trotzdem gegen den Willen des Volkes entscheiden!
Mal ganz provokativ gefragt: Weswegen soll ich mich dann bitte noch informieren, was "politisch sinnvoll" ist oder überhaupt in Sachen Politik? Selbst dann, wenn ich komplett aufgeklärt bin, bringt meine Aufgeklärtheit halt mal so rein gar nix!
Einmal alle vier Jahre Kreuzchen machen, das darf der Bürger. Mehr nicht.
Alles andere -so kommt es beim gemeinen Bürger an- ist den Politikern anschließend schietegal.
Genau aus diesem Grund fasziniert und freut es mich auch, dass in Stuttgart die Leute seit Monaten trotzdem weiter Widerstand leisten, obwohl (!) sie rein rechtlich und politisch gesehen eigentlich nicht den Hauch einer Chance haben.
Gäbe es so etwas öfter, oder wären die Leute hier mal so konsequent wie die Franzosen und proben nicht nur, sondern machen auch den Aufstand, dann würde es wohl, daran glaube ich, weniger Dreistigkeiten seitens der Politik geben wie z.B. solche Dinge wie diese faule Nummer der Atomlobbygeschenke kürzlich oder der weltweit teuersten Medikamente, weil die Pharmalobby die Politik mal so eben in die Tasche steckt.
Ja, ich weiß, klingt polemisch, aber manchmal tut das halt auch mal not. ;)
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@Lucas
... wofür es dir wert ist, deine Zeit für Informiertsein "zu opfern", steht ja gar nicht zur Debatte - meine Frage war, wenn man sich informiert, auf welche Weise/wodurch genau man dies tut, so dass es nicht nur oberflächlich ist (Tagesthemen bspw. =oberflächlich). Und ob man der Meinung ist, überhaupt die Möglichkeit zu haben, sich umfassend informieren zu können (anhand des Informationsangebotes).
Hast du z.T. ja beantwortet:
Alles Andere hängt von der Sache ab.
Wahlen, Volksentscheide: sämtliche Wahlprogramme der Parteien (diese mehrseitigen Handouts) durchackern, abstrahieren, Fakten rauslesen, Realisierbarkeit prüfen, vergleichen.
Das kostet mich dann locker die Freizeit von zwei bis fünf Werktagen.
Volkszählung 2011: Gesetzesentwürfe, Widerspruchsschreiben, historische Belege, technische Datenblätter, halt alles, was da reinspielt.
Kostete mich knapp 20 Stunden meiner Freizeit.
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Genau aus diesem Grund fasziniert und freut es mich auch, dass in Stuttgart die Leute seit Monaten trotzdem weiter Widerstand leisten, obwohl (!) sie rein rechtlich und politisch gesehen eigentlich nicht den Hauch einer Chance haben.
Du meinst diese pubertären Weltverbesserer, die rumjammern, damals vor fünfzehn Jahren nicht gefragt worden zu sein?
Was hätten sie wohl geantwortet... "Gugugagagaaaah!" oder "Matchbox haben will!".
Und diese senilen alten Demenzkranken, die jetzt ihre Meinung von vor dreizehn Jahren geändert haben bzw. damals keinen Bock hatten das Maul auf zu machen?
Zugezogene, die in ein Gebiet eingewandert sind, welches bei den zum Zeitpunkt des Einzugs schon als feststehend angesehenen Umbauten extremer Lärmbelastung ausgesetzt ist?
Und alles für den Erhalt eines denkmalgeschützten Bahnhofs (meine Fresse, das Ding bleibt eh stehen, nur die Anbauten nicht) und irgendwelcher bedrohten Krabbelviecher, die zur Zeit der Entwurfsvorlage vermutlich eine reine Landplage waren? Ach ja, und das Grundwasser, Mineralwasser und die Berücksichtigung der Aufwertung irgendwelcher Bummelzugstrecken...
Andererseits soll aber der Standort Stuttgart für Industrie und Gäste attraktiver werden, is klar.
Welch Farce, dass nun das Volk gegen etwas ist, für dessen Realisierung seine Vertreter jahrelang vor der Bundesregierung gekämpft haben.
Man kann gegen wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen kämpfen.
Oder man kann wie ein gewisser Lanzenträger gegen Windmühlen auch gegen die Realität kämpfen.
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Mal ganz provokativ gefragt: Weswegen soll ich mich dann bitte noch informieren, was "politisch sinnvoll" ist oder überhaupt in Sachen Politik? Selbst dann, wenn ich komplett aufgeklärt bin, bringt meine Aufgeklärtheit halt mal so rein gar nix!
Einmal alle vier Jahre Kreuzchen machen, das darf der Bürger. Mehr nicht.
Alles andere -so kommt es beim gemeinen Bürger an- ist den Politikern anschließend schietegal.
Der Bürger darf natürlich deutlich mehr. Zum Beispiel hat er das Recht selber politisch aktiv zu werden. Parteien beitreten oder selber eine Gründen mit gleich gesinnten. Als unabhängiger Kandidat für öffentlche Ämter kandidieren ist auch in Deutschland möglich. Natürlich erfordert das alles einen hohen zeitlichen und persönlichen Aufwand, und ist daher deutlich schwerer als rum zu meckern, daß alles ja so ungerecht sind!
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. Natürlich erfordert das alles einen hohen zeitlichen und persönlichen Aufwand, und ist daher deutlich schwerer als rum zu meckern, daß alles ja so ungerecht sind!
so isses! da sollten sich mal alle meckerbüdel ein beispiel an den herren schröder/fischer nehmen.
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Du meinst, heute noch Steine und Mollis auf die Scheißbullen werfen und morgen dann die Exekutive des Staates dirigieren?
Ich weiß nicht recht, ob mir das liegt...
Ich werfe so ungern mit Dingen auf Leute.
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Du meinst, heute noch Steine und Mollis auf die Scheißbullen werfen und morgen dann die Exekutive des Staates dirigieren?
das wäre mir neu, dass die das getan haben.
ich erinnere mich nur an die BILD-hetzjagd die einen (angeblich) polizeiprügelnden fischer zeigten; was da dran ist
kann ich nicht beurteilen.
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Also Fischer hat zumindest seine Gewaltkriminelle Vergangenheit zugegeben:
Bis 1975 war Fischer Mitglied der linksradikalen und militanten Gruppe Revolutionärer Kampf. Er beteiligte sich an mehreren Straßenschlachten mit der Polizei („Putzgruppe“), in denen Dutzende von Polizisten zum Teil schwer verletzt wurden. Ein Foto vom 7. April 1973 zeigt den mit einem schwarzen Motorradhelm vermummten Fischer und Hans-Joachim Klein, später Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ), wie sie gemeinsam auf einen Polizisten einschlagen.[7] Als Außenminister gestand Fischer seine damalige Gewalttätigkeit ein, wollte sich aber gleichzeitig nicht von ihr distanzieren.(...)
http://de.wikipedia.org/wiki/Joschka_Fischer#Gewalttaten
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Also Fischer hat zumindest seine Gewaltkriminelle Vergangenheit zugegeben
Fand ich damals ne starke Leistung. :)
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Es können hunderttausende Unterschriften gegen etwas gesammelt werden, es kann Demonstrationen von über hunderttausend Menschen geben (siehe die Hamburger Demonstration von Schülern und Studenten damals gegen Studiengebühren und das Eckewertepapier), es können sogar Volksentscheide mit über 90% "gewonnen" werden (siehe Volksentscheid gegen die Privatisierung der Hamburger Krankenhäuser - es wurde trotzdem gemacht) - es bringt alles nichts, weil die Politiker es halt trotzdem gegen den Willen des Volkes entscheiden!
Nun ja, zur Zeiten als der Volksentscheid zum Verkauf von LBK starterte wurden die Krankenhäuser de facto schon lange verkauft. Ich weiss es rein zufällig, da ich in den Jahren 2000-2003 vei LBK beschäftigt war.
Und meine persönliche Meinung: alle Proteste in Deutschland nutzen nicht, weil es immer nur eine kleine betroffene Gruppe protestiert (z. B Studenten, Einwohner von einer Stadtteil u.s.w) In Frankreich gehen fast alle zusammen auf die Strasse, um die Rente mit 62 (!!!) zu verhindern, wir lassen uns wort- und klaglos die Rente mit 67 gefallen.
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Und meine persönliche Meinung: alle Proteste in Deutschland nutzen nicht, weil es immer nur eine kleine betroffene Gruppe protestiert (z. B Studenten, Einwohner von einer Stadtteil u.s.w) In Frankreich gehen fast alle zusammen auf die Strasse, um die Rente mit 62 (!!!) zu verhindern, wir lassen uns wort- und klaglos die Rente mit 67 gefallen.
Ähm... die Rente frühestens mit 62 und das "normale" Rentenalter von 65 auf 67 raufsetzen. Das machen die in Frankreich. Also fast das gleiche wie bei uns.
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Und meine persönliche Meinung: alle Proteste in Deutschland nutzen nicht, weil es immer nur eine kleine betroffene Gruppe protestiert (z. B Studenten, Einwohner von einer Stadtteil u.s.w) In Frankreich gehen fast alle zusammen auf die Strasse, um die Rente mit 62 (!!!) zu verhindern, wir lassen uns wort- und klaglos die Rente mit 67 gefallen.
Ähm... die Rente frühestens mit 62 und das "normale" Rentenalter von 65 auf 67 raufsetzen. Das machen die in Frankreich. Also fast das gleiche wie bei uns.
Das war mir ehrlich gesagt auch neu. Da sieht man mal wieder, selbst wenn man oft DLF oder NDR Info hört, ist man immer noch nicht voll informiert.
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Genau aus diesem Grund fasziniert und freut es mich auch, dass in Stuttgart die Leute seit Monaten trotzdem weiter Widerstand leisten, obwohl (!) sie rein rechtlich und politisch gesehen eigentlich nicht den Hauch einer Chance haben.
Du meinst diese pubertären Weltverbesserer, die rumjammern, damals vor fünfzehn Jahren nicht gefragt worden zu sein?
Was hätten sie wohl geantwortet... "Gugugagagaaaah!" oder "Matchbox haben will!".
Und diese senilen alten Demenzkranken, die jetzt ihre Meinung von vor dreizehn Jahren geändert haben bzw. damals keinen Bock hatten das Maul auf zu machen?
Zugezogene, die in ein Gebiet eingewandert sind, welches bei den zum Zeitpunkt des Einzugs schon als feststehend angesehenen Umbauten extremer Lärmbelastung ausgesetzt ist?
Und alles für den Erhalt eines denkmalgeschützten Bahnhofs (meine Fresse, das Ding bleibt eh stehen, nur die Anbauten nicht) und irgendwelcher bedrohten Krabbelviecher, die zur Zeit der Entwurfsvorlage vermutlich eine reine Landplage waren? Ach ja, und das Grundwasser, Mineralwasser und die Berücksichtigung der Aufwertung irgendwelcher Bummelzugstrecken...
Andererseits soll aber der Standort Stuttgart für Industrie und Gäste attraktiver werden, is klar.
Welch Farce, dass nun das Volk gegen etwas ist, für dessen Realisierung seine Vertreter jahrelang vor der Bundesregierung gekämpft haben.
Man kann gegen wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen kämpfen.
Oder man kann wie ein gewisser Lanzenträger gegen Windmühlen auch gegen die Realität kämpfen.
Hö? Wie bist du denn informiert?
Anscheinend gar nicht.
Stellvertretend für viele Artikel die deutlich machen, wie arrogant die Landesregierung vorging und dass die Bürgerproteste nicht erst jetzt, sondern bereits jahrelang existieren: Zeit-Artikel (http://www.zeit.de/2010/39/Bahnprojekt-Stuttgart-21?page=2)
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Hö? Wie bist du denn informiert?
Ausreichend, um diese Passage aus deinem Link so unterschreiben zu können:
"Bei Stuttgart 21 geht es längst nicht mehr nur um Argumente. »Dafür oder dagegen« ist einem »gut oder böse« gewichen. Das Projekt ist zur Glaubenssache geworden und der Bauzaun am Nordflügel zur Klagemauer."
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Hö? Wie bist du denn informiert?
Ausreichend, um diese Passage aus deinem Link so unterschreiben zu können:
"Bei Stuttgart 21 geht es längst nicht mehr nur um Argumente. »Dafür oder dagegen« ist einem »gut oder böse« gewichen. Das Projekt ist zur Glaubenssache geworden und der Bauzaun am Nordflügel zur Klagemauer."
Ich glaube (also ich weiß es tatsächlich nicht und bin gerade auch ganz ehrlich zu faul, mich durch alle Akten zu wühlen), dass dieses Projekt wirklich sehr kritikwürdig ist.
Mein Problem damit ist nur: Das sind viele andere Projekte auch! Stichwort: Elbkakofonie, Kraftwerk Moorburg, das Gedöns in anderen großen Städten Deutschlands.
Und plötzlich mischt sich ganz Deutschland da ein, nur aus einem diffusen Herdentrieb heraus, und weil es geiler ist, sich in der Herde für die "gute Sache" mittreiben zu lassen, auch wenn man ansonsten gar nichts damit zu tun hat.
Beim nächsten Kastor-Transport sind bestimmt nicht so viele Demonstranten, weil er nicht so cool und schon etwas ausgelutscht ist. Wird für den üblichen Krawall sicher ausreichen, aber nicht solche Ausmaße annehmen.
Ob man die Kastoren auf dem Betriebsgelände vergammeln lässt oder ins Lage fährt... letztendlich gammeln die am Ende irgendwo herum, ob mit oder ohne Proteste. Zum Mond schießen ist bis heute noch zu teuer.
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Beim nächsten Kastor-Transport sind bestimmt nicht so viele Demonstranten, weil er nicht so cool und schon etwas ausgelutscht ist. Wird für den üblichen Krawall sicher ausreichen, aber nicht solche Ausmaße annehmen.
Dank geplanter Laufzeitverlängerung soll es sogar mehr werden.Zum Mond schießen ist bis heute noch zu teuer.
Eher zu gefährlich. Man geht bei Raketen immer noch davon aus, daß ein nicht geringer Teil davon noch in der Atmosphäre explodiert.
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Beim nächsten Kastor-Transport sind bestimmt nicht so viele Demonstranten, weil er nicht so cool und schon etwas ausgelutscht ist. Wird für den üblichen Krawall sicher ausreichen, aber nicht solche Ausmaße annehmen.
Dank geplanter Laufzeitverlängerung soll es sogar mehr werden.
...und wenn der Medien- bzw. Internethype stimmt.
Zum Mond schießen ist bis heute noch zu teuer.
Eher zu gefährlich. Man geht bei Raketen immer noch davon aus, daß ein nicht geringer Teil davon noch in der Atmosphäre explodiert.
So ein radioaktiv verstrahlter Orbit wäre mal eine ganz andere Dimension von "Fallout".
Interessant finde ich ja auch diese Idee vom Orbit-Fahrstuhl. Damit wäre das dann tatsächlich denkbar: Kastor rauf, einen leichten Stubs in die richtige Richtung geben und ab dafür ;)
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Zum Mond schießen ist bis heute noch zu teuer.
Eher zu gefährlich. Man geht bei Raketen immer noch davon aus, daß ein nicht geringer Teil davon noch in der Atmosphäre explodiert.
So ein radioaktiv verstrahlter Orbit wäre mal eine ganz andere Dimension von "Fallout".
Interessant finde ich ja auch diese Idee vom Orbit-Fahrstuhl. Damit wäre das dann tatsächlich denkbar: Kastor rauf, einen leichten Stubs in die richtige Richtung geben und ab dafür ;)
Das müsste aber ein wirklich kräftiger Stubs sein, damit das Ding nicht sofort wieder runter kommt... ;)
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So ein Orbitfahrstuhl kann doch gar nicht funktionieren, da spielt doch die Schwerkraft nicht mit. Oder überseh ich da was?
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Hö? Wie bist du denn informiert?
Ausreichend, um diese Passage aus deinem Link so unterschreiben zu können:
"Bei Stuttgart 21 geht es längst nicht mehr nur um Argumente. »Dafür oder dagegen« ist einem »gut oder böse« gewichen. Das Projekt ist zur Glaubenssache geworden und der Bauzaun am Nordflügel zur Klagemauer."
Ein teures Riesenprojekt wie S-21 wäre wesentlich leichter zu vermitteln, wenn nicht fast überall sonst die Nebenstrecken und kleineren Bahnhöfe schlicht verrotten würden und die Züge auch sonst nicht nur halbwegs benutzbar wären.
Ich habe mir (fast) die gesamte Schlichtungssitzung auf Phönix angesehen und war sehr gespannt auf die Argumente der Befürworter; aber keine der bisher vorgebrachten Begründungen hat mich davon überzeugt, dass genau dieser Bahnhof
1. vergraben
2. um 90° gedreht und
3. zu einem Durchgangsbahnhof umgebaut werden muss.
Ich tendiere eher dazu, dem langjährigen Suttgarter Bahnhofsvorsteher Hopfenzitz zu glauben: Das Ganze sei eher ein Immobilienprojekt als ein Infrastrukturprojekt; und letztlich zahlt wieder der kleine Steuerzahler für Prestige- und Abschreibungs-(=Steuerspar-)Objekte der Politiker bzw. der großen Firmen. Ich denke aufgrund der mir bekannten Argumente, dass ein Umbau des bestehenden Kopfbahnhofs evtl. sogar "zukunftsfähiger" gewesen wäre.
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Natürlich sind Kopfbahnhöfe weniger leistungsfähig als Durchgangsbahnhöfe. Man bedenke, wie lange es dauert, bis so ein Lokführer die Steuerkontrolle ans andere Ende des Zuges geschaltet hat und dann die x-hundert Meter zum anderen Ende geschlurft ist, um dort alles klarzumachen.
Aber:
Die ganz entscheidende Frage ist, wie schnell sich die höhere Leistungsfähigkeit rentiert. Und das kann bei Kosten von ein paar Milliarden länger dauern, als das Transportsystem "Eisenbahn" noch aktuell ist.
Ich jedenfalls würde solche teure Infrastrukturprojekte bestenfalls für ein neues Verkehrssystem verstehen, z.B. für den Transrapid. Der wäre mit einem vernünftigen Ausbau in der Lage den gesamten innerdeutschen Flugverkehr abzuschaffen, man müßte nur sämtliche Städte über 500.000 Einwohner damit verbinden.
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Natürlich sind Kopfbahnhöfe weniger leistungsfähig als Durchgangsbahnhöfe.
Ah, nun kann ich endlich wieder beruhigt in die Zukunft sehen. ;)
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Natürlich sind Kopfbahnhöfe weniger leistungsfähig als Durchgangsbahnhöfe.
Ah, nun kann ich endlich wieder beruhigt in die Zukunft sehen. ;)
Da hat er aber ausnahmsweise mal recht ;)
Ich will nicht wissen, wieviele Millionen Minuten im Jahr alleine für Rangierarbeiten, die dank des Kopfes des Bahnhofs notwendig wird, dabei draufgehen!
In Zeiten der Optimierung von Warte- und Standzeiten kann da schnell mal eine ordentliche Summe zusammenkommen, vor allem im Güterzugbereich.
Das Problem, das sich hier stellt: Warum so? Warum so unglaublich teuer? Warum nicht doch einen Teil überirdisch, um es günstiger zu machen? Warum um 90 Grad drehen, obwohl es doch viel günstiger wäre, die Fläche des alten Bahnhofs weitgehend zu nutzen?
Das alles sind Fragen, auf die es keine Antworten gab.
Es ist und bleibt für mich ein Prestigeobjekt der Stadt, damit sie in Werbebroschüren später "modernster Bahnhof Europas" oder so n Schmarrn draufpappen können, obwohl sie es auch für die Hälfte des Geldes (wenn nicht noch deutlich weniger) hätten realisieren können.
Ich glaube, müssten die Politiker dann, wenn ein Projekt teurer wird als verabschiedet, aus eigener Tasche draufzahlen, dann wären sie nicht so leicht bei der Hand, die Milliarden einfach so rauszuhauen, als wäre es Taschengeld.
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Die S21-Hysterie ist sicherlich ein Beispiel für Probleme in der politischen Kommunikation. Somit ist auch ein gewisser Zusammenhang zum Topic erkennbar, da das Links-Rechts-Modell in meinen Augen auch für eine weitgehend gescheiterte Kommunikation zwischen politischen Akteuren/Massenmedien und dem Bürger steht.
Bei der Diskussion um S21 kommen allerdings noch zwei diametrale Ansichten über Demokratie hinzu. Einerseits berufen sich die Befürworter auf das Prinzip der repräsentativen Demokratie und andererseits verlangen die Gegner weitreichende plebiszitäre Elemente. Beide Parteien sehen sich als die besseren Demokraten und werfen dem Gegner die Mißachtung demokratischer Prinzipien vor. Den eigentlichen Hype um den Umbau eines Bahnhofs (denn mehr ist es eigentlich nicht) kann ich mir nur mit Veränderungen in der politischen Kommunikation erklären. Ich vermute, dass die quantitative Zunahme an Informationsquellen (Blogs, Foren, Schlagzeilen-Nachrichten) bei gleichzeitiger Reduzierung der Informationsqualität zu einer Art Massenhysterie führt. Die Grenze zwischen Meinung und Nachricht verschwimmt zunehmend, auch bei den sogenannten Qualitätsmedien. Informationen über komlexe Sachverhalte werden durch Laien und Journalisten stark vereinfacht, mit einer Portion Meinung versehen und dann als Nachricht verbreitet. Im Gegensatz zu Wissenschaftlern (manchmal auch Politikern) müssen sich Blogger und Journalisten nur selten für zweifelhafte Aussagen rechtfertigen. Die ständige Wiederholung und gegenseitiges Zitieren (Twitter etc.) erhebt dann diese stark mit Meinungen vermischten Informationen zu angeblichen Belegen. Gleichzeitig werden die Aussagen von Fachleuten in ihrer Bedeutung stark abgewertet oder sogar mit Verschwörungstheorien diskreditiert. Die Situation wird durch einige politische Akteure, die politisches Kapital aus der Sitaution schlagen wollen, dann noch zur Eskalation gebracht. Bürger die derartige Informationen aufnehmen, fühlen sich informiert und glauben dann manchmal sogar, dass sie mehr von einer komlexen politischen Situation verstehen, als eine Gruppe von 100 Fachleuten, die sich seit fast 15 Jahren mit einem Thema beschäftigt. Diese gefühlte Kompetenz ist vermutlich auch der Grund weshalb immer wieder weitreichende plebiszitären Elemente in unserer repräsentativen Demokratie gefordert werden.
Ich bin ganz froh, dass ich nur relativ selten mit irgendwelchen Volksabstimmungen belästigt werde. In meinen Augen ist es die Aufgabe der gewählten politischen Repräsentanten, diese Entscheidungen zu treffen. Die können sich auf die Fachleute in den Ministerien oder externe Berater stützen und werden abgewählt, wenn sie ihren Job schlecht machen. Eine Bürgerinitiative, die Partikularinteressen vertritt (z.B. den Wertverlust von Immobilien mit vorgeschobenen ökologischen Gründen verhindern), kann ich nicht abwählen, wenn sie mich belogen hat. Es gibt sicherlich Sachverhalte, bei denen plebiszitäre Elemente sinnvoll sind. Dazu gehören einfache Entscheidungen auf kommunaler Ebene oder wenig komlexe Grundsatzfragen auf allen Ebenen. Nicht nur das Plebiszit hat weitreichende Schwächen und birgt die Gefahr des Mißbrauchs. Auch in der repräsentativen Demokratie gibt es fundamentale Probleme, insbesondere dann, wenn die Auswirkungen einer Entscheidung oder der Mißbrauch politischer Ämter erst viele Jahre später erkennbar werden. Da es für ein Volk mit 80Mio. Einwohnern keine realistische demokratische Alternative zur repräsentativen Demokratie gibt, bleibt wohl nur die Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten des Systems übrig. Bei der Gelegenheit sollte man auch die Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern sowie die Rolle der Medien als angeblicher Vermittler kritisch hinterfragen. Die Forderung nach einer Transparenz von Entscheidungsprozessen (wie sie seit Jahrezehnten gefordert wird) sehe ich allerdings als einen rein populistischen Ansatz, da es in der Natur der Sache liegt, dass Entscheidungen hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden. Eine aufgezwungene allgemeine Transparenz würde nur zu einer Lähmung politischer Prozesse führen.
Auch wenn S21 eigentlich schon off-topic ist: Die Kosten solcher Großprojekte explodieren regelmäßig. Dies liegt soweit ich das einschätzen kann am Ausschreibungssystem für Bauvorhaben. Der Staat (und eventuell auch die Deutsche Bahn) muß immer den günstigsten Anbieter nehmen und Bauprojekte europaweit ausschreiben. In der Branche ist es üblich, dass jeder noch so kleine Fehler in einer Ausschreibung ausgenutzt wird, um ein unrealistisch niedriges Angebot machen zu können. Nach Vertragsabschluss kommt dann die Flut an Nachträgen, die zu der Kostenexplosion führt. Je komplexer ein Bauvorhaben ist, desto größer ist die Gefahr, dass es zu unerwarteten und sehr teuren Nachträgen kommt.
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Natürlich sind Kopfbahnhöfe weniger leistungsfähig als Durchgangsbahnhöfe.
Ah, nun kann ich endlich wieder beruhigt in die Zukunft sehen. ;)
Da hat er aber ausnahmsweise mal recht ;)
Ich will nicht wissen, wieviele Millionen Minuten im Jahr alleine für Rangierarbeiten, die dank des Kopfes des Bahnhofs notwendig wird, dabei draufgehen!
In Zeiten der Optimierung von Warte- und Standzeiten kann da schnell mal eine ordentliche Summe zusammenkommen, vor allem im Güterzugbereich.
Es gibt an diesem Bahnhof gar keinen Güterverkehr mehr. Ich bin ja auch für einen Ausbau des Schienen-Güterverkehrs, aber die neu geplante Strecke ist offensichtlich zu steil für die meisten Güterzüge.
Bei der Planung von S21 wurde mit einer Mindesthaltedauer von 1 Minute (Durchgang) und 6 Minuten (Kopfbahnhof) gerechnet. Eine Minute finde ich persönlich für einen so großen Knotenpunkt ziemlich lächerlich, es werden auf jeden Fall mehr. In der Zeit, in der die Leute ein- und aussteigen (was ganz sicher länger als eine Minute dauert), kann auch der Fahrer umsteigen. So ein Fahrerwechsel kommt übrigens auch an Durchgangsbahnhöfen vor.
Die prinzipiellen Vor- und Nachteile bestimmter Bahnhofsarten sind sicher vorhanden, aber den Vorwurf, speziell S21 sei (wörtlich) "auf Kante genäht" (d. h. gerade mal für die momentane Infrastruktur passend und nicht erweiterbar) konnten die Befürworter in meinen Augen nicht wirklich entkräften.
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Die Kosten solcher Großprojekte explodieren regelmäßig. Dies liegt soweit ich das einschätzen kann am Ausschreibungssystem für Bauvorhaben. Der Staat (und eventuell auch die Deutsche Bahn) muß immer den günstigsten Anbieter nehmen und Bauprojekte europaweit ausschreiben. In der Branche ist es üblich, dass jeder noch so kleine Fehler in einer Ausschreibung ausgenutzt wird, um ein unrealistisch niedriges Angebot machen zu können. Nach Vertragsabschluss kommt dann die Flut an Nachträgen, die zu der Kostenexplosion führt. Je komplexer ein Bauvorhaben ist, desto größer ist die Gefahr, dass es zu unerwarteten und sehr teuren Nachträgen kommt.
Genau dieses Vergabeverfahren begreife ich nicht wirklich.
Wie kann es angehen, dass letztlich der Staat auf den Kosten sitzen bleibt, wenn das Projekt deutlich teurer wird als die Anbieter zuerst versprechen?
In der freien Wirtschaft gibt es Vertragsstrafen, Regresszahlungen, Verzugsstrafen noch und nöcher, aber sobald der Staat dabei ist, ist davon nichts mehr zu sehen?
Das will mir einfach nicht in den Kopf.
Wenn ich mir so eine Laienlogik zurechtbastele, dann sage ich mir, dass wenn es härtere Strafen bei unzulässigen Angeben die Kosten betreffend gäbe, unisono alle Anbieter dann auch mal realistische Zahlen angeben würden und nicht irgendwelche Luftnummern, von denen so ziemlich jedem klar wird, dass es anschließend eh deutlich teurer werden wird.
Dem "einfachen" Volk (ich zähle mich da durchaus dazu) lässt sich einfach schwer bis gar nicht vermitteln, dass bei den Summen, die Stuttgart 21 und die Elbphilharmonie verschlingen, es tatsächlich die günstigste Variante gewesen sein soll.
Wenn man dann noch mitbekommt, dass die Mieten von Sozialwohnungen angehoben werden, um ein Projekt wie die Elbphilharmonie bezahlen kann, dann erklärt sich mir auch, weswegen links und rechts wieder attraktiver werden: Wenn "normale" Empörung nicht ausreicht, um solch Ungemach zu verhindern, dann ist der Schritt zu radikaler Empörung nicht mehr weit.
Ob die dann aus der linken oder rechten Ecke kommt, ist dann eigentlich ziemlich wurscht. Beide Seiten beanspruchen für sich, dass der Staat etwas massiv falsch macht. Und beide Seiten sehen auf kleine Bürger, denn auch rechts vertritt nicht irgend eine reiche Klientel, sondern den "kleinen Mann", der gerade seinen Arbeitsplatz verloren hat (und aus Sicht der Rechten ungerechtfertigt an Ausländer vergeben wird) oder aufgrund kleinsten Geldbeutels sich in Wohnghettos wiederfindet, in dem er sich als Fremder fühlt, weil auf einmal im Supermarkt umme Ecke überall nur noch türkisch und russisch gesprochen wird.
Dass die Rechten Kausalketten hinbekommen, die bei genauerem Hinsehen der Logik entbehren, sei hier mal unbenommen. Sie stellen sie aber jeweils für den "kleinen Bürger" auf, der es ebenso wie die Linken nicht nachvollziehen kann, wie auf der einen Seite milliardenschwere Großprojekte hochgezogen werden, während die Meinung des "kleinen Mannes", und sei es auch nur nach einem vernünftigen Wohnraum ohne Ghettoqualitäten, offensichtlich nicht erhört wird.
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@ Spambot
In meinen Augen ist es die Aufgabe der gewählten politischen Repräsentanten, diese Entscheidungen zu treffen. Die können sich auf die Fachleute in den Ministerien oder externe Berater stützen
Ich bewerte das anders. Es könnte der Gesellschaft nur gut tun, wenn es bei politischen Entscheidungen mehr Transparenz gäbe, sprich, wenn der Bürger den Politikern auf die Finger guckt und ggf. auch haut. Klientelpolitik und Filz sind der objektiven Entscheidungsfindung jedenfalls auch nicht zweckdienlicher.
Und die Aussage, dass die Politik sich auf Fachleute und externe Berater stützt, ist zwar wahr, aber sehr gutgläubig angewendet; sie führt nämlich letztlich dazu, dass sich jede Branche die ihr genehmen Gesetze selbst ausarbeitet, indem sie ihre Lobbyisten als Experten in die Gremien setzt.
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Beide Ansätze haben ihre großen Nachteile und beide funktionieren mit Vertrauen, auf das beide Ansätze realistisch betrachtet nicht wirklich bauen können. Es ist schon nicht von der Hand zu weisen, dass Fachleute etc. nicht unbedingt immer so unabhängig sind, wie man dann ggf. darstellt (Gefahr von Lobbyismus). Andererseits braucht es bei der sogenannten direkten Demokratie oftmals gar keine Lobbyisten, weil die "Massen" mit den richtigen Instrumenten direkt beeinflusst werden können. Experten wären dann also eher hilfreich, die Entscheidungsprozesse in einer repräsentativen Demokratie in vernünftige Strukturen zu lenken.
Kommt eben drauf an, von welchem Menschenbild man ausgeht bzw. für wie entscheidungsfreudig und mündig (da ham wa's jetzt) man den Bürger hält. Ich denke schon, dass vielen Bürgern vieles egal ist. Und irgendwo las ich vor einiger Zeit, dass Volksbegehren etc. tatsächlich eher von dem sogenannten "gehobenen Bürgertum" genutzt werden, um die eigenen Interessen durchzupeitschen (ohne lästige gewählte Zwischenposten, um es mal so zu formulieren).
Ein wenig mehr Transparenz allerdings würde ich mir ebenfalls wünschen.
Wow, jetzt sind wir vom Ursprungsthema aus (zu dem ich gern noch was sagen würde, was ich dann beizeiten nachholen werde) über Stuttgart 21 bei der Demokratie und Verbesserungsmöglichkeiten angekommen.
Genau dieses Vergabeverfahren begreife ich nicht wirklich.
Wie kann es angehen, dass letztlich der Staat auf den Kosten sitzen bleibt, wenn das Projekt deutlich teurer wird als die Anbieter zuerst versprechen?
In der freien Wirtschaft gibt es Vertragsstrafen, Regresszahlungen, Verzugsstrafen noch und nöcher, aber sobald der Staat dabei ist, ist davon nichts mehr zu sehen?
Das will mir einfach nicht in den Kopf.
Ich ließ mich aus kompetentem Mund (Immobilienbranche) genau darüber informieren und es ist tatsächlich so. Verstehen soll man es wohl nicht, aber es ist ein ungeschriebenes Gesetz. Jeder "Beteiligte" weiß davon. Ob Hochtief oder sonstwer, es wäre in jedem Fall zu Nachträgen gekommen.
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Genau dieses Vergabeverfahren begreife ich nicht wirklich.
Wie kann es angehen, dass letztlich der Staat auf den Kosten sitzen bleibt, wenn das Projekt deutlich teurer wird als die Anbieter zuerst versprechen?
In der freien Wirtschaft gibt es Vertragsstrafen, Regresszahlungen, Verzugsstrafen noch und nöcher, aber sobald der Staat dabei ist, ist davon nichts mehr zu sehen?
Das will mir einfach nicht in den Kopf.
Soweit ich weiss arbeitet die gesamte Bauwirtschaft nach diesem System. Private Bauherren müssen aber natürlich nicht zwingend den günstigsten Anbieter nehmen. Wenn Entscheidungsträger in der Politik für ihre Entscheidungen in Regress genommen werden könnten, würde niemand mehr den Job machen wollen. Oder man versucht die Verantwortung über Verträge abzuwälzen (nur wer geht so einen Vertrag ein?). Vielleicht könnte man einen Faktor für Mehrkosten berechnen, der sich nach der Komlexität und Einzigartigkeit eines Bauvorhabens richtet (berechnet anhand von früheren Bauvorhaben). Dieser Aufschlag auf die Kosten aus den Ausschreibungen könnte dann die relevante Summe für politische Entscheidungen sein.
@CubistVowel:
Politische Entscheidungen dauern meistens mehrere Monate und umfassen unzählige Beratungen in den Ministerien bevor es überhaut eine Beratung in einem (nicht öffentlichen) Ausschuss des Parlaments gibt. Ein größeres Projekt kann damit leicht hunderte Entscheidungen beinhalten. Ich vermute, dass in den Bundes- und Landesministerien jedes Jahr mehrere zehntausend Entscheidungen getroffen werden. Selbst wenn man hier eine Transparenz aufzwingen könnte, würde die Informationsflut den Bürger völlig überlasten. Hinzu kommt, dass politische Entscheidungen in einer Demokratie sehr oft Kompromisse beinhalten. Politische Akteure sind somit gezwungen von ihren ursprünglichen Forderungen zugunsten einer Einigung abzurücken. Wäre dieser Prozess öffentlich, würde es nicht mehr zu Einigungen kommen, da die politischen Akteure einen Gesichtsverlust zu befürchten hätten. Außerdem müssten politische Prozesse in ein medientaugliches Format gezwängt werden, was sich sicherlich negativ auf die Qualität der Beratungen auswirkt. Fachleute sprechen nur selten leicht verständlich und fernsehtauglich.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Filz und Korruption durch Transparenz bekämpfen kann. Niemand wird entsprechendes Verhalten öffentlich zeigen, sondern immer Wege hinter eine verschlossene Tür finden. Wir haben schon jetzt die Parlamentsdebatten als Schauspiel für das Volk. Der Zuschauer glaubt, dass dort irgendetwas beraten wird, dabei sind alle Beratungen bereits in den Fraktionenen und Ausschüssen abgeschlossen worden. Weitere Schauspiele würden keinen Vorteil bringen.
Lobbyismus ist in Deutschland (und vielen anderen Ländern) stark mit Entscheidungsprozessen verbunden. Da will ich gar nicht widersprechen. Bereits auf ministerieller Ebene sind bei wichtigen Entscheidungen die betroffenen Gruppen (Sportverbände, Kirchen, Gewerkschaften, Branchenlobbyisten etc.) einzubeziehen. Das ist Absicht. Dies wird gemacht, um Fehler zu vermeiden und gegensätzliche Standpunkte zu erörtern. Natürlich denken diese Lobbyisten zuerst nur an ihr eigenes Wohl. Es ist dann die Aufgabe der hohen Beamten in den Ministerien und der gewählten politischen Führung eine Lösung im Sinne des gesamten Volkes zu finden. Die Präferenzen können da natürlich zwischen den Parteien oder sogar einzelnen Politikern einer Partei recht unterschiedlich sein. In den seltenen Fällen, in denen Gesetze nicht von den Ministerien, sondern von Fraktionen vorgeschlagen werden, entfällt ein Teil dieser Prozesse. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob Lobbyisten in den Fachausschüssen der Parlamente gehört werden. Vermutlich nicht. Dort wird man eher Hochschulprofessoren präsentieren, die Argumente für die eigene Position liefern (da findet man ja immer genug Freiwillige auf allen Seiten). Bei kontroversen politischen Entscheidungen sind die Beratungen in den Ausschüssen der Parlamente aber oftmals auch nur eine Generalprobe für die öffentliche Debatte im Plenum oder in den Medien. Die Auschussmitglieder testen dort ihre Argumente und die Gegenargumente der politischen Gegner. Trotz der Einbindung von Ministerialbeamten, Lobbyisten und parteiischen Exerten, liegt die eigentliche Entscheidung (bei Gesetzen) immer bei den Politikern der Parlamentsmehrheit. Wenn eine Lobby ihre Interessen zu stark durchsetzen konnte, ist das nicht die Schuld der Lobby, sondern die der Parlamentsmehrheit. Die sind dann auch für ihre Entscheidungen gegenüber dem Wähler verantwortlich.
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Oder man versucht die Verantwortung über Verträge abzuwälzen (nur wer geht so einen Vertrag ein?)
Ich vermute mal: Der, der das Großprojekt haben will.
Wenn es verlässliche Vertragsstrafen gäbe, wären die angesetzten Kosten ja auch verlässlicher - und zwar von jedem Anbieter.
Letztlich wird dann wieder der günstigste Anbieter genommen (vielleicht ja sogar derselbe), aber die Mehrkosten wären kalkulierbarer.
So ein Fass ohne Boden wie die Elbphilharmonie oder so manch Berliner Bauprojekt wären dann deutlich schwieriger durchsetzbar - und das zu Recht.
Eins der Argumente der Stuttgart21-Gegner ist ja auch, dass von vorneherein abzusehen war, dass die Kosten explodieren würden und es genug Hinweise darauf gegeben hätte, die Politiker vor allem in dem Punkt beide Augen zumachten und die vorgelegten Verträge trotzdem unterschrieben.
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Da das Ausschreibungsrecht soweit ich weiß durch die EU festgelegt ist, dürfte es schwierig werden es zu ändern. Schwierig, aber nicht unmöglich.
Wenn man es nun so ändern würde, dass das finanzielle Risiko komlett auf die Baubranche (oder unrealistisch: den Architekten) abgewälzt wird, wären die Angebote sicherlich realistischer (wenn es denn noch welche gibt). Dann hätte man aber eventuell das Problem, dass sich ein Baukonzern verkalkuliert und der Steuerzahler anschließend für die Rettung der Arbeitsplätze aufkommt ;)
In einigen Industriezweigen, wie beispielsweise der Flugzeugindustrie, wird diese indirekte Subventionierung über Nachträge auch betrieben. Ohne staatliche Risikogarantien würde eine Firma wie Airbus keine neuen Flugzeuge entwickeln können. Das Risiko wäre für die Firma existenzbedrohend. Die Amis machen das bei Boeing aber auch nicht viel anders.
Die Empörung der S21-Gegner über die Ignoranz der verantwortlichen Politiker gegenüber möglichen Mehrkosten kann ich ehrlich gesagt nicht ganz verstehen. Das ist doch der Regelfall. Wozu also die Hysterie? Das Ausschreibungsystem zwingt Politiker dazu, solche Verträge zu unterschreiben (oder das Projekt aufzugeben). Da die Höhe der Nachträge nicht exakt vorhergesehen werden kann, bietet das System außerdem dem Entscheidungsträger ein paar Vorteile beim Schönrechnen der zu erwartenden Mehrkosten. Ein wenig mehr Ehrlichkeit wäre da sicherlich wünschenswert, ist aber wohl angesichts des Wettbewerbs zwischen den Parteien unrealistisch. Man darf nicht vergessen, dass die Opposition völlig absurde Forderungen aufstellen kann, für die sie nie zur Verantwortung gezogen wird, wohingegen die Regierungsparteien mit den Zwängen der Realität konfrontiert sind. Verständlich, dass man da wenig Angriffsfläche bieten will. Im Fall von S21 scheint das der Regierung in BW jedoch nicht gelungen zu sein.
Ob solche Großprojekte grundsätzlich Sinn machen, kann ich nicht bewerten. Das überlasse ich den Fachleuten, in der Hoffnung, dass die uns nicht für irgendwelche eitlen Monumente in den Ruin treiben.
Mit dem Problem der Positionsbestimmung von politischen Gruppen und Meinungen im politischen Spektrum haben diese Details zu S21 nun aber wirklich nichts mehr zu tun.
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Mit dem Problem der Positionsbestimmung von politischen Gruppen und Meinungen im politischen Spektrum haben diese Details zu S21 nun aber wirklich nichts mehr zu tun.
Here we go (das musste leider jetzt einige Tage warten, aber nu knack ich mal herzhaft mit den Fingern und leg los)
Erstmal hierzu noch ...
Ich bin mir nicht sicher, ob man Konservatismus hauptsächlich als eine Tendenz zum Kollektivismus sehen sollte. Gemäßigte konservative Positionen in Deutschland umfassen gewöhnlich auch liberale und teilweise sogar tendenziell egalitäre Positionen. Diese Vermischung von liberalen, egalitären und konservativen Positionen findet man eigentlich in allen gemäßigten Parteien (Grüne, FDP, Union, SPD).
Das ist auch eine Frage von konservativer Theorie und realpolitischer Praxis. Im Zuge der Sarrazin-Debatte oder des Steinbach-Falls und der Pleite-Koalition in Hamburg wurden schon Stimmen laut, dass die CDU ihr konservatives Profil wieder schärfen soll und damit sind m. o. w. deutliche Vorstellungen verbunden, die weder liberal noch egalitär sind. Allerdings stimme ich Dir zu, dass sich seit Längerem auch der Liberalismus in der CDU etabliert hat. Marktfreundliche Politik sollte man schon betreiben, wenn man so dicke mit der Wirtschaft ist. ::)
... Allerdings trifft dies auch auf große Teile des "linken" Spektrums zu.
Dem widerspreche ich nicht.
Das Hauptproblem bei diesen Vereinfachungen sehe ich darin, dass bestimmte politische Positionen zwar typisch für eine politische Richtung (Richtung impliziert mal wieder das Hufeisenmodell) sind, aber andererseits diese politischen Positionen nicht zwingend eine Zuordnung zu einer politischen Gruppierung bedeuten.
Ja, und das wird noch schöner. Nach den Nationalrevolutionären möchte ich nun ein weiteres Phänomen der politischen Freakshow angehen, diesmal weiter hinten links (das allerdings nicht mehr die Rolle wie vor einigen Jahren spielt): Antiimperialisten (http://de.wikipedia.org/wiki/Antiimperialisten) vs. Antideutsche (http://de.wikipedia.org/wiki/Antiimperialisten). Da stehen sich in weiten Teilen Positionen (bzw. Fronten!) exakt gegenüber und beide beanspruchen für sich, "links" zu sein bzw. werden in die Richtung gesteckt und beide haben durchaus plausible Ansätze. Erstere sind für den "Befreiungskampf" der Palästinenser (bis hin zu Boykottaufrufen gegen israelische Waren) und anderer "unterdrückter Völker" in aller Welt und tummeln sich stark in der Globalisierungsgegnerschaft, vertreten insgesamt einen großen Antiamerikanismus und pflegen die klassisch kommunistischen Vorstellungen. Die Antideutschen dagegen sind für die bedingungslose Solidarität mit Israel als einzigem "Schutzort der Holocaustüberlebenden" (bis hin zu Boykottaufrufen gegen arabische Waren) sowie den USA als einzigem echtem Verbündeten Israels und billigen teilweise die Durchsetzung US-amerikanischer Interessen in der Welt (v.a. im Nahen Osten), halten viele soziale Bewegungen in Deutschland für "Volksbewegungen" mit einem entsprechenden Beiklang (weil eben aus Deutschland) und ihre Kapitalismuskritik fällt im Sinne der Wertkritik (http://de.wikipedia.org/wiki/Wertkritik) eher sanft bis pessimistisch aus (bis hin zu einer unterstellten Bejahung) und stellt das kritische Individuum anstelle der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt.
Allerdings polarisiert die Frage "Juden oder Moslems" auch die Rechten. Einerseits solidarisiert man sich mit orientalischen Antisemiten gegen irgendeine "jüdische Weltverschwörung" und möchte zuendebringen, womit Väter und Großväter begannen. Andererseits wird heftig Beifall geklatscht, wenn der Jude Giordano sagen dürfen möchte, dass er keine Burkas auf deutschen Straßen sehen will. Ähnlich steht's mit dem Thema Homosexualität (nach dem Outing von Michael Kühnen und auch seinem Nachfolger).
Es ist einfach rundum menschengemacht, wirkt schnell konstruiert bzw. beliebig und in weiten Teilen echt hirnverbrannt. Allerdings ...
Beispiel: Rassismus ist typisch für rechtsextreme Positionen - fremdenfeindliche Äußerungen bedeuten aber nicht zwingend, dass eine Person rechtsextrem ist. Beispiel 2: Jemand setzt sich für eine Vermögenssteuer ein (Einschränkung des Grundrechts auf Besitz) - muss diese Person linksradikal sein?
Stimmt schon, wer die Political Correctness anprangert, ist noch lange kein "Rechter", wer die Integration für gescheitert hält auch nicht, ebenso wer gerne Uniformen trägt, oder einen starken Staat fordert, oder für nationale Souveränität und gegen Einwanderung ist, oder wer die Familie und die Ehe von Mann und Frau als allein gültig propagiert und Homosexualität für eine Krankheit hält, oder wer "linke" sowie "liberale" Einstellungen verbal oder physisch bekämpft. Aber wenn jemand all das bzw. das meiste davon zusammengenommen pflegt und verkörpert, dann steht er da, der Klischee-Fascho (bzw. dürfte klar sein, worauf ich raus will). Dafür sind diese künstlichen Modelle eben doch gut. Menschen müssen ein Stück weit kategorisieren, das ist wahrscheinlich so in uns angelegt und hilft uns, im Leben voranzukommen, weil wir mit einem höheren Zoom wahrscheinlich irgendwann bekloppt würden. Die Kunst ist es, trotzdem offen für die möglichen Ausnahmen zu bleiben. Und die Frage ist, ob mit Klischees wirklich Politik gemacht werden kann oder sollte.
Auf der anderen Seite muss man natürlich auch beachten, dass ein großer Teil der Bevölkerung kein Interesse hat, sich genauer mit politischen Positionen auseinander zu setzen. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender setzen eher auf Sensationen und Meinungsmache, denn auf sachliche Hintergrundinformationen.
Wird sich IMO auch nie grundlegend ändern. Aus eben jenem Grund. Blut und Spiele und Auswanderer-Reality-Dokus und ein kühles Blondes im Kühlschrank, wer will da schon Details behacken (ja, das war pauschalisiert und vielleicht nicht ganz so ernst gemeint, im Kern allerdings schon).
Diese Überlegungen führen mich zurück zum Anlass für diesen Thread. Eine Freundin bezeichnete sich mir gegenüber als links und vertrat gleichzeitig Positionen zur Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Gleichzeitig wurden liberale Positionen als rechts bezeichnet. Sie müssten ja rechts sein, da sie nicht links sind. Inwieweit sie tatsächlich egalitäre Positionen vertritt, habe ich dann gar nicht mehr nachgefragt.
Da strickt sich mittlerweile jeder sein eigenes Hemd, und das ist nicht nur in politischen Dingen so.
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Eine Vereinfachung, wie beispielsweise durch das Links-Rechts-Modell, führt natürlich immer zu einem Informationsverlust. Anders geht es nicht. Ich sehe das Problem in der politischen Diskussion (Wahlkampf eingeschlossen) darin, dass die verwendeten Vereinfachungen zu oft nicht einmal den eigentlichen Kern einer komplexen politischen Position repräsentieren.
Wenn ich die bisherigen Diskussionsbeiträge im Thread betrachte, fällt mir auf, dass es zwei grundsätzliche Probleme gibt: 1. Die tatsächliche geringe Trennschärfe zwischen Positionen gemäßigter Parteien und 2. die ungenügende Differenzierung in der Kommunikation bei radikalen bzw. extremen Positionen. Wenn man die Wahlkampfrhetorik der größeren gemäßigten Parteien (Union, SPD, Grüne, FDP) analysiert, könnte man denken, dass dort unterschiedliche Systeme angeboten werden. Sobald die Regierungsverantwortung übernommen wurde, verschwimmen diese im Wahlkampf vorgetäuschten großen Unterschiede sofort. Man vergleiche nur mal die Politik der derzeitigen Regierung und die der rot-grünen Koalition. War die rot-grüne Regierung von Schröder wirklich eher egalitär und weniger konservativ als die Merkel-Regierung?
Anders sieht es bei den Extremen aus. Dort versuchen die Akteure in der politischen Diskussion die Illusion zweier diametraler Pole aufrecht zu erhalten. Man denke nur an den traditionellen antifaschistischen Kampf der "linksgerichteten" Gruppen oder den antikommunistischen Kampf der "rechten" Gruppen. Vereinigungen wie die amerikanische Tea Party beschwören die Angst vor Sozialismus, während beispielsweise die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung oftmals den Extremismus als ein alleiniges Phänomen der "rechten" Positionen ansieht.
Angesichts der äußerst unterschiedlichen Positionen extremistischer Gruppen und deren teilweise völlig irreführende Zuordnung zu einem der angeblichen Pole im politischen Spektrum, tendiere ich immer mehr zum sogenannten Extremismusmodell, wie es von Eckhard Jesse, Uwe Backes und anderen Politikwissenschaftlern vorgeschlagen wird. Dort wird einerseits grob zwischen gemäßigten und extremistischen politischen Positionen unterschieden und andererseits die Unterschiedlichkeit extremistischer Positionen anerkannt. Die Unterscheidung verschiedener extremistischer Positionen ist in dem Vereinfachungsmodell aber eigentlich nur für die Wissenschaft interessant.
Natürlich hat auch dieses Vereinfachungsmodell Schwächen. Es impliziert die Existenz einer politische Mitte und setzt tendenziell alle Extremisten, vom Stalinisten über den Neonazi bis hin zum Islamisten, auf eine grundsätzliche Stufe. Alle Parteien, die für eine freiheitlich demokratische Grundordnung stehen, gehören zu dieser großen "Mitte". Da systemkritische politische Positionen relativ leicht den Extremisten zugeordnet werden können, würde ich das Vereinfachungsmodell als tendenziell konservativ oder zumindest anti-radikal bezeichnen. Hier besteht die Gefahr, dass neue Ideen bereits im Ansatz abgewürgt werden, da sie nicht zur "Mitte" gehören. Diese Schwäche hat aber auch das Links-Rechts-Modell. Das Extremismusmodell wäre auch nur dann sinnvoll, wenn man neben der groben Vereinfachung auch noch eine etwas präziesere Vereinfachung zur Differenzierung von gemäßigten politischen Positionen anbieten kann. Hierbei stößt man allerdings wieder auf das Problem, dass es teilweise drastische Diskrepanzen zwischen Wahlprogrammen, Wahlkampfpositionen und der Realpolitik einer Partei gibt. Die Grünen in der Opposition haben beispielsweise nicht viel mit den Grünen auf der Regierungsbank gemeinsam.
Edit:
Ich hab grad noch ein interessantes Modell (http://wiki.piratenpartei.de/Politisches_Spektrum) bei den Piraten gefunden. Das Modell ist gar nicht mal so schlecht wie manch andere Ansätze, hat aber auch ein paar große Nachteile. Die Dreiachslösung macht eine gewisse Schwerpunktbildung bei der Positionierung nötig. Man kann daher eine politische Gruppe nicht auf allen drei Achsen gleichzeitig bestimmen. Hinzu kommt, dass man sich über die Auswahl der Achsen und der Pole streiten kann. Ich würde beispielsweise progressiv nicht als Gegenpol von konservativ wählen. Egalitäre Einstellungen wurden offensichtlich einfach mit Kollektivismus gleichgesetzt. Da springt der Anarchist im Kreis ;)
Vielleicht sollte man sich einfach damit abfinden, dass bipolare Achsen ungeeignet zur vereinfachten Darstellung des politischen Spektrums sind.
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Ich funke mal kurz dazwischen mit einem sehr interessanten Link:
Das Parlameter (http://p.zdf.de/)
Solche Anwendungen sind doch schon ein kleiner Schritt weiter zum "Mündigen Bürger" *find*
So kann man sich wenigstens ein Bild darüber machen, wer in welcher Partei was befürwortet und was nicht und vieles mehr!
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Ich finde solche Anwendungen im Rahmen der politischen Bildung grundsätzlich sehr nützlich. Das ZDF-Parlameter zeigt sehr anschaulich, dass Entscheidungen im Parlament fast ausschließlich durch die Parlamentsmehrheit getroffen werden und dass sich die große Mehrheit der Abgeordneten nach der Fraktionsdisziplin richtet. Schlecht ist allerdings, dass das Tool den Eindruck erweckt, dass nur wenige Entscheidungen getroffen werden. Tatsächlich wurde letzte Woche (http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2010/31998560_kw43_de_angenommen_abgelehnt/index.html) wesentlich mehr beschlossen.
Vor Bundestagswahlen gibt es auch den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für Politische Bildung (http://www.bpb.de/). Das Tool hat allerdings den großen Nachteil, dass man die Aussagen im Wahlkampf nutzen muß, obwohl klar ist, dass manche Aussagen Wahlkampftaktik sind. Ein "objektiver" Wahl-O-Mat ist daher leider utopisch.
Eigentlich gibt es eine Vielzahl an Bildungsangeboten in der politischen Bidlung. Die Bundeszentrale und Landeszentralen für politische Bildung verschenken Informationsmaterial, das sich allerdings eher an Schulklassen und sehr interessierte Bürger richtet. Angebote zur schnellen Orientierung vermisse ich da. Ganz düster wird es bei den Stiftungen der großen Parteien und der Gewerkschaften, die angeblich auch politische Bildung betreiben. Leider müssen (oder wollen) sich die Sozialwissenschaftler in diesen Stiftungen prostituieren, um mit wissenschaftlichen Methoden Argumente für die politische Diskussion zu generieren. Ich würde deren Arbeit eher als politische Manipulation, denn als politische Bildung bezeichnen. Abgesehen von den einseitigen Studien bieten viele dieser Stiftungen aber auch durchaus interessante Exkursionen im Rahmen der politischen Bildung.
Im Sinne einer Förderung des politisch mündigen Bürgers würde ich mir mehr sachliche und leicht verständliche Angebote wünschen. Man muß einfach akzeptieren, dass die Mehrheit der Bürger keine 500-Seiten Bücher zu einem Themenkomplex lesen möchte. Diese neuen Angebote müßten natürlich auch so platziert werden, dass eine große Anzahl an Rezipienten erreicht wird. So ein Projekt würde aber vemutlich an der angestrebten "Sachlichkeit" scheitern, da es immer eine politische Gruppierung gibt, die einen Ansatz als parteiisch oder manipulativ bewertet.
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Natürlich hat auch dieses Vereinfachungsmodell Schwächen. Es impliziert die Existenz einer politische Mitte und setzt tendenziell alle Extremisten, vom Stalinisten über den Neonazi bis hin zum Islamisten, auf eine grundsätzliche Stufe. Alle Parteien, die für eine freiheitlich demokratische Grundordnung stehen, gehören zu dieser großen "Mitte".
"Die Mitte" ist eben auch nur ein Konstrukt und eine logische Konsequenz der Definition von Extremen (Mir scheint, in den letzten Jahren wurde auf dem Thema "politische Mitte" mehr als früher herumgeritten). Aber wie brauchbar ist eine Abgrenzung von Aspekten eines Modells, das selber nicht viel taugt? Der rote Faden ist hier allein das Bekenntnis zur Demokratie, und selbst das zieht sich noch ein wenig zu beiden Seiten hin (oder wie viele es nun auch immer sind), bis die Extreme beginnen. Wo ist die Grenze, wenn nur Teilaspekte der "freiheitlich demokratischen Grundordnung" oder in unterschiedlicher Gewichtung akzeptiert oder interpretiert werden (z.B. repräsentative Demokratie vs. direkte Demokratie)?
Ich sehe ebenfalls die Gefahr, dass mit diesem Modell die gängige Praxis zementiert wird und wichtige Impulse "von außen" ignoriert und verteufelt werden. Davon abgesehen, wie gesagt, lässt sich jede Position radikalisieren und spätestens hier hakt die Behauptung, es wäre in Wirklichkeit nur eine einzige Suppe (es sei denn, die Methoden werden so dominant und sich immer ähnlicher, dass das Ideal verschwimmt).
Die Grünen in der Opposition haben beispielsweise nicht viel mit den Grünen auf der Regierungsbank gemeinsam.
Wie sagt die Bibel so schön: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. ;)
Der Piraten-Vorschlag ist schon einen deutlichen Schritt weiter, aber eben auch nur ein Versuch und - ganz nebenbei - natürlich zwangsläufig subjektiv eingefärbt. Ganz genau, die CDU wird sich z.B. wohl auch als progressiv bezeichnen (schließlich sind die Arbeitslosenzahlen ganz ohne verblendendes Herumgerechne und -geschiebe auf einem Rekordtief, wenn das mal nicht ganz unbestreitbar das Resultat schwarz-gelber Fortschrittspolitik im Sinne des Menschen ist ... ::)).
Vielleicht sollte man sich einfach damit abfinden, dass bipolare Achsen ungeeignet zur vereinfachten Darstellung des politischen Spektrums sind.
Genau. Also genauer hinschauen, wie wir ja bereits herausgestellt haben. Aber schön und gut, wenn man eine komplexe politische Position in ihre Bestandteile zerlegt. Leider liegt die Schwierigkeit noch eine Ebene tiefer, nämlich bei der Bedeutung. Denn viele bringen ihre eigene Deutung auch gleich mit. Man denke z.B. an den Westerwelle-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft". Also ist die FDP in der Lesart sozial. Oder die Vertreter von besagtem Ethnopluralismus (zu dem sich auch die NPD offen bekennt), die sagen "Wiiir sind doch keine Rassisten. Wir treten ein für eine Welt, in der alle Völker gleichberechtigt und in Harmonie koexistieren [aber: jedes an seinem "angestammten" Platz, mit Identität überladen und so homogen wie möglich]. Dieser (natürlich oftmals forcierte) "Relativismus" erschwert die Orientierung immens.
So ein Projekt würde aber vemutlich an der angestrebten "Sachlichkeit" scheitern, da es immer eine politische Gruppierung gibt, die einen Ansatz als parteiisch oder manipulativ bewertet.
Einmal das. Und weiter ist der "mündige Bürger" in erster Linie eine Hol- und keine Bringschuld. Es hilft nicht viel, die Informationen mundgerechter zu verpacken, wenn das Interesse generell fehlt. Mag sein, dass man Leute so leichter an Themen ranführt, aber den Großteil muss der Einzelne selber leisten. Und so lange Wahlkampfgeschwurbel und realpolitische Praxis so weit auseinandergehen, sehe ich da in vielen Fällen schwarz (nicht politisch gemeint ...).
Wobei mir das Parlameter irgendwie gefällt. Das wäre ein guter Ansatz (wenigstens für mehr Transparenz für die, die es interessiert).