Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: CubistVowel am 07 Mai 2012, 20:49:47

Titel: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 07 Mai 2012, 20:49:47
...Monopolisierung und Werteverfall -

- zunächst am Beispiel des deutschen Gesundheitssystems. Ein langer Artikel von Hausarzt und CSU-Politiker Jan Erik Döllein. Der erste Teil entstand 2008 und befasst sich hauptsächlich mit den Folgen bzw. den zu erwartenden Auswirkungen der laufendenden Privatisierung des Gesundheitssystems und der Macht des Bertelsmann-Konzerns.

Im zweiten Teil befasst sich der Autor allgemeiner mit dem Ausverkauf der Demokratie und der Reduzierung des Menschen auf seinen Marktwert und fragt sich, ob man die essentielle Daseinsvorsorge (z. B. Elektrizitäts-, Wasser-, Gasversorgung, Bildung und Kultur, Kommunikation, Wohnen, Beförderung und Verkehrswesen, Gesundheitssystem, Rentenversicherung und Pflege) großen Konzernen und (Quasi-)Monopolisten überlassen darf:

http://www.arztwiki.de/wiki/Jan_Erik_D%C3%B6llein#Texte_von_D.C3.B6llein (http://www.arztwiki.de/wiki/Jan_Erik_D%C3%B6llein#Texte_von_D.C3.B6llein)

Zitate daraus: "Für die Querleser trotzdem eine kurze Zusammenfassung:
1. Die Grundstruktur unseres Landes wurde und wird komplett verändert. An die Stelle einer sozialen Marktwirtschaft tritt die Politik des Sozialdarwinismus, der die Schwachen noch schwächer und die Starken noch stärker machen soll. 2. Die im Grundgesetz verankerte parlamentarische Demokratie bleibt wie eine Fassade davor stehen und dient allein dazu, den Strukturwandel unseres Landes zu überwachen und Verstöße zu verfolgen. Dem einzelnen Bürger dient sie immer weniger. 3. Die selbsternannten Eliten unseres Landes bestimmen diese Veränderung über mächtigen Lobbyismus, der in allen Bundesministerien zuhause ist, der die wenigen politischen Entscheidungsträger konsequent führt oder bei Zuwiderhandlung zerstört. Viele Lobbyisten arbeiten direkt als „Leihbeamte“ in allen Ministerien und stellen die Weichen für ihre Arbeitgeber. 4. Das Ziel ist die komplette Vermarktung des Bürgers sowie dessen Kontrolle in allen Lebensphasen und die Umwandlung zu einem gefügigen Angestellten der Firma Deutschland. 5. Soziale Wärme, Solidarität und Gerechtigkeit werden als Hemmnis dieser Entwicklung verstanden und sollen zerstört werden. 6. Diese Politik betrifft nicht nur Deutschland, auch wenn wir es wieder am perfektesten veranstalten, sondern die ganze Welt und sie drückt aus, was wirklich unter dem Begriff der „Globalisierung“ zu verstehen ist.

[...]

Das ist das Problem unserer Zeit, immer mehr Bestandteile unseres täglichen Lebens gehören immer weniger Besitzern. Ich kann das gerne in verschiedensten Bereichen tolerieren, bei Gütern, die mir, wie bei den oben genannten Getränken freie Entscheidung lassen, aber in keinem Fall dürfen Grenzen überschritten werden, die die Individualität des Einzelnen verletzen, die das Leben und Überleben des einzelnen Bürgers als Wert in die Hände von Kapitalgesellschaften überantworten."

--------

Ein langer, aber lesenswerter Artikel. Hin und wieder etwas mit überflüssiger Polemik behaftet, was den Wahrheitsgehalt (leider) nicht vermindert.

Mir wird selbst ganz flau, wenn ich daran denke, dass in Großbritannien, einem der Vorreiter des Privatisierungswahns, in einigen Counties sogar die Polizei bzw. große Teile der Polizeiarbeit verstaatlicht wurden/werden sollen. Auch in Deutschland ist bereits eine Privatisierung einiger bisher staatshoheitlicher Aufgaben im Gespräch, z. B. die der Gerichtsvollzieher.

(Außerdem habe ich für mich persönlich festgestellt, dass es sich bestimmt lohnt, sich eingehender mit der Macht und Struktur des unfassbar mächtigen und einflussreichen Bertelsmann-Konzerns zu befassen - da habe ich unter Anderem schon mal diese Webseite auf der Liste:
http://www.bertelsmannkritik.de/index.htm (http://www.bertelsmannkritik.de/index.htm))
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 07 Mai 2012, 21:07:34
Einen großen Schritt in Richtung Entdemokratisierung könnte auch der Abschluss des "Fiskalpaktes" bedeuten - offensichtlich würden den Parlamenten, den gewählten Voksvertretern, unwiderruflich große Teile des Haushaltsrechts entzogen und bei "Fehlverhalten" durch Automatismen und/oder Entscheidungen der EU-Kommision ersetzt. Zur Kritik am "Fiskalpakt" siehe dieses Interview mit einem Attac-Sprecher: Selbstentmachtung der Parlamente: Der Fiskalpakt und die autoritäre Tranformation der EU (http://www.kontext-tv.de/)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 07 Mai 2012, 21:22:13
Da ich gerade von der Arbeit komme und nicht mehr der Allerfitteste bin, hab' ich jetzt nur eben kurz die geposteten Zusammenfassungen gelesen. Die dort skizzierten Analysen kann ich jedenfalls vollumfänglich unterschreiben - und frage mich gleichzeitig: Wundert das hier allen Ernstes irgendjemanden?! Dass dieser Prozess in vollem, galoppierenden Gange ist, sieht doch schon seit geraumer Zeit ein Blinder mit Krückstock!

Nicht zuletzt deshalb sage ich übrigens auch mit voller Inbrunst "Nein!" zur EU und dem ganzen Europagehubere - da geht es ausschließlich um die Auflösung nationaler und kultureller Verbundstrukturen, und zwar zu einem einzigen Zweck: Einer möglichst allumfassenden Ökonomisierung von allen & allem. Der Mensch soll ausgebeutet werden in allen Bereichen seines Seins. Und das funktioniert nun mal am besten mit entwurzelten und bezugslosen Individuen. ... Und die Forcierung dieses Entwurzelungsprozesses, die haben "sie" schon ganz gut hinbekommen: Hut ab, Hut auf! Und gleichzeitig blasen sie Euch die Ohren mit ihrem "einigen Europa" zu, dem Land ohne Grenzen, in dem bald Milch & Honig fließen soll, wenn auch alle hübsch brav mitmachen. - Dass ich nicht grimmig gackere!  ;D

Man wird noch ziemlich dicke Backen machen in diesem unserem Lande ...  ::)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: NoName am 07 Mai 2012, 22:48:31
... Wundert das hier allen Ernstes irgendjemanden?! ...
Also mich wundert es nicht. Da ich die Entwicklung aber für unumkehrbar halte, versuche ich möglichst nicht an all diese Dinge zu denken, obwohl es sehr schwer ist dem zu entkommen. Es springt einem überall ins Auge...
Und wenn ich dann daran denke, wie die "mündigen Bürger" hier alle paar Jahre treu und brav zur Wahl gehen und diesen Irrsinn "legetimieren", das ist zum haareraufen.

Zitat
Man wird noch ziemlich dicke Backen machen in diesem unserem Lande ...  ::)
Nicht genügend, die Masse wird "zufrieden" sein, wenn ihr Zuckerbrot und Spiele geboten werden. Mal sehen, was in den Wochen während die Fußball EM läuft an Schweinereien auf den Weg gebracht werden...
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 08 Mai 2012, 09:17:50
Dass dieser Prozess in vollem, galoppierenden Gange ist, sieht doch schon seit geraumer Zeit ein Blinder mit Krückstock!

Ich fürchte allerdings, die meisten Leute bemerken das gar nicht. Schließlich ist die Medienlandschaft zu großen Teilen in den Händen einiger Weniger - die, wie Friede Springer und Liz Mohn (Bertelsmann), großen Einfluss auf unsere Politiker nehmen; einerseits durch Händchenhalten beim Kaffeekränzchen, andererseits durch die Macht dieser Medien Karrieren sowohl aufbauen als auch zerstören zu können. Diese und andere extrem (einfluss)reichen "gemeinnützigen" Stiftungen steuern seit vielen Jahren oder Jahrzehnten die Richtung, in die die Politik geht. Und bringen durch ihre Medien, "Studien"ergebnisse und Bürger-Politiker-Plattformen (z. B. Bertelsmanns arvato) die Wähler auf die gewünschte Linie.

Wundert das hier allen Ernstes irgendjemanden?!

Mich jedenfalls nicht. Nicht bei einer Kanzlerin, die ungestraft von einer "marktkonformen Demokratie" spricht, und die bereits im Jahre 2005 diesen Satz in einer Rede loslies:

"Politik ohne Angst, Politik mit Mut - das ist heute erneut gefragt. Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit. Unsere Werte müssen sich im Zeitalter von Globalisierung und Wissensgesellschaft behaupten. Und wenn sie sich behaupten sollen, dann müssen wir bereit sein, die Weichen richtig zu stellen. Auch da sind wieder Widerstände zu überwinden." (Quelle mit Link zum Redeskript) (http://www.onlinezeitung24.de/article/313)

Dass die Dame bereit und schon dabei ist, "Widerstände zu überwinden" (der Bürger, des Parlaments, des Grundgesetzes), ist nicht zu übersehen. Hoffentlich hat sie inzwischen mal das Grundgesetz gelesen (Ewigkeitsklausel) (http://de.wikipedia.org/wiki/Ewigkeitsklausel) - aber auch das wird sie garantiert nicht von ihrem eingeschlagenen Kurs abbringen. Unfassbar (aber angesichts der Meinungsmanipulation in den Medien erklärbar), dass die Masse der Deutschen diese Frau förmlich anzubeten scheint. >:(


Da ich die Entwicklung aber für unumkehrbar halte, versuche ich möglichst nicht an all diese Dinge zu denken, obwohl es sehr schwer ist dem zu entkommen.

Ich befürchte auch, dass Merkels "Weichen" bereits unwiderruflich gestellt sind. Ich hoffe nur, dass dieser unsägliche "Fiskalpakt" noch zu verhindern ist, der erstens (grob formuliert) die Staaten dazu zwingen soll, zunächst alles Geld in die Schuldentilgung zu stecken und erst in zweiter Linie für das eigene Volk zu verwenden, und der zweitens auf ewig unkündbar sein soll.

Übrigens kann ich verstehen, wenn jemand die Augen davor verschließen will - schließlich klingt das alles auch für mich selbst wie eine wahr gewordene Dystopie...

Glücklicherweise gibt es in den Medien auch immer wieder lichte Momente^^ - so wie hier in der Süddeutschen:
"Kapitalismus braucht keine Demokratie" (http://www.sueddeutsche.de/kultur/2.220/thesen-gegen-die-auspluenderung-der-gesellschaft-kapitalismus-braucht-keine-demokratie-1.1255949)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 08 Mai 2012, 09:46:35
[...] Diese und andere extrem (einfluss)reichen "gemeinnützigen" Stiftungen steuern seit vielen Jahren oder Jahrzehnten die Richtung, in die die Politik geht. Und bringen durch ihre Medien, "Studien"ergebnisse und Bürger-Politiker-Plattformen (z. B. Bertelsmanns arvato) die Wähler auf die gewünschte Linie.

- Schön gesagt. Genau dieser Umstand ist es übrigens, der mich den sakrosankten Begriff "Demokratie" in den letzten Jahren zunehmend kritischer beäugen lässt. Denn was bitteschön ist eine "Demokratie" wert, in der die Herrschenden ihre Untertanen nach Gutdünken manipulieren? Und dass und wie heute so ziemlich alles mit missionarischem Demokratisierungseifer gerechtfertigt wird, erinnert mich durchaus ein wenig an die Zeit der Kreuzzüge: damals war es "Gott", heute ist es die "Demokratie" - ein "Wert", der scheinbar selbsterklärend ist und deshalb tunlichst nicht in Frage gestellt werden sollte, so man sich nicht verdächtig machen will -, die die Legitimation für alle möglichen Willkürakte abgibt.

Unfassbar (aber angesichts der Meinungsmanipulation in den Medien erklärbar), dass die Masse der Deutschen diese Frau förmlich anzubeten scheint. >:(

- Man merkt, dass Du den Glauben an "das Gute" im Menschen noch nicht ganz verloren hast.  ;)  Doch ich bitt' Dich: Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass das Gros der Masse sein Kreuzchen nach Maßgabe inhaltlicher Kriterien setzt?! - Ich kann Dir verraten, was die Grundlage der Merkel-Anbetung in der Bevölkerung ist: Sie hat so was Mütterliches ... irgendwie ... nicht umsonst hat sie ja den Spitznamen "Mutti" wech ...  ;D
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 08 Mai 2012, 10:50:01
- Man merkt, dass Du den Glauben an "das Gute" im Menschen noch nicht ganz verloren hast.  ;)

:D Außer natürlich, besagter Mensch ist in der hohen Politik tätig...

Zitat
Denn was bitteschön ist eine "Demokratie" wert, in der die Herrschenden ihre Untertanen nach Gutdünken manipulieren?

So eine Demokratie ist nur noch eine leere Staatshülle, eine Fassade, eine Rechtfertigung für angebliche Alternativlosigkeit und taugt nur noch zur Beruhigung der Bevölkerung... Letzteres allerdings in Perfektion.

Zitat
Doch ich bitt' Dich: Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass das Gros der Masse sein Kreuzchen nach Maßgabe inhaltlicher Kriterien setzt?! - Ich kann Dir verraten, was die Grundlage der Merkel-Anbetung in der Bevölkerung ist: Sie hat so was Mütterliches .

Für mich hat sie allerdings immer mehr Ähnlichkeit mit der Hexe des Westens...^^

Es wundert mich auch immer wieder, wonach die Leute eigentlich wählen. Besonders die aus den mittleren Einkommensschichten, die sich zunehmend in unrealistischer Weise mit den oberen Zehntausend (der "Elite") solidarisch fühlen und so der Politik, die diese begünstigt, die nötigen Stimmen geben. Gegen die wachsende Unterschicht von trotz Arbeit Armen und Arbeitslosen wird sich dadurch - politisch gewollt - in ängstlicher (aber wirkungsloser) Weise abgegrenzt - Divide et impera, teile und herrsche...

(Im Zusammenhang mit diesem Sprichwort fällt mir ein, dass ich als doch eher Linke vielleicht statt noch einer linken Partei mal eine oder zwei weitere rechte bis konservative Parteien gründen sollte - um diesen festen, fetten CDU-Block mal zu sprengen... ;D ;) )
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kallisti am 08 Mai 2012, 10:51:57
Was hat die Angie denn "Mütterliches"?? - Großmütterlich - allerbestenfalls mit doppelt Augen zudrücken und schwarzer Sonnenbrille oder besser überdimensionierten Fleischtomaten auf den Augen und: Weggucken.  ;D

Also wenn die "was Mütterliches" hat, dann will ich aber nix "Mütterliches" "an mir haben" - dabei dacht ich das bisher immer.

 ;)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: schwarze Katze am 08 Mai 2012, 11:32:34
Abre bitte, warum soll eine Frau in Politik mütterlich wirken?
Sie ist doch keine Hebamme, sondern eine ausgekochte knallharte Politikerin.

Politiker sind eben Soziopathen und keine Menschenfreunde
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kallisti am 08 Mai 2012, 13:32:01
Na meiner Ansicht nach muss eine Politikerin nix Mütterliches haben, allerdings sollte es ihr auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie sowas Unmögliches an sich hat  ;) - oder auch, wenn sie Mutter ist ohne "mütterlich zu wirken".

Geht ja aber hier gar nicht um Mütterlichkeit, Groß- oder Stiefmütterlichkeit  von Politikerinnen allgemein und von Angie im Besonderen (ob sie nu ein Stiefmütterchen is oder welche auf der Fensterbank hat oder ob sie gar keine Blumen mag, isst oder Mutter ist oder ob ihr Mann nen grünen, väterlichen oder zwei linke Daumen hat oder ...  ::)  ;D ) - ich konnte mir bloß mal wieder nen Kommentar (zu Kenaz´ Vorlage) nicht verkneifen (hat mich halt so "provoziert"  ;D ). ;)

Sorry für off topic.  :-\
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: messie am 08 Mai 2012, 13:40:14
Politiker werden häufig rein wegen ihres Aussehens, ihrer Wirkung nach außen gewählt. Da kommt das bei Angie schon hin, "ach, sie wirkt immer so freundlich" oder "endlich eine Frau da oben, die kann ja gar nicht so schlimm sein wie ein Mann" und was ich sonst noch so für Unsinn gehört habe, warum die Dame gewählt (!) wurde.

Dass sie schon längst nicht mehr regiert sondern die Lobbyisten machen lässt die die Gesetze zu ihren Gunsten schreiben und sie dann nur abnicken lassen, das halten viele für eine krude Verschwörungstheorie. Ich hingegen glaube genau das.

Wenn auch noch die Polizei privatisiert werden sollte, wird's ganz finster. Dann heißt es womöglich noch "entweder Sie bezahlen unsren Service oder wir kommen nicht vorbei ..." - da sind osteuropäische Verhältnisse dann nicht mehr weit.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: PlayingTheAngel am 08 Mai 2012, 15:30:06
Der TExt ist wirklich sehr interessant und empfehlenswert. Ich habe zum lesen übrigens dieses Firefox addon (https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/color-that-site/) verwendet. Damit lassen sich Webseiten "umfärben" und man starrt nicht eine Stunde lang in eine weiße Lichtquelle. Tja, die Zusammenfassung von Herrn Döllein bestätigt mit einer schmerzlichen Intensität den Eindruck, den der kleine Bürger tagtäglich beim Gang zur "privatisierten" Einrichtung mit schönem, neuem Logo bekommt, nämlich eine gnadenlose Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten.

Vor einige Zeit habe ich mal eine interessante Diskussion im Radio gehört, die das Phänomen des zügellosen Kapitalismus in Deutschland ein Stück weit mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Verbindung bringt. Solange diese noch existierte, gab es neben dem Kapitalismus noch die ernstzunehmende politische Kraft des Kommunismus. Dieses Gegengewicht bremste den frei wuchernden Kapitalismus, da er eine Art "moralische Alternative" darstellte. Nach Zusammenbruch dieses Systems fiel dann die letzte Schranke, die den Turbokapitalismus ggf. in Frage stellen hätte können. Die Folgen sehen wir jetzt, 2-3 Jahrzehnte später. Nicht zu vergessen auf welch fruchtbaren Boden der Kapitalismus in Deutschland gesät wurde, nämlich auf ein Fundament aus stabilen politischen Verhältnissen. Dieses Fundament ist weit wertvoller als viele Glauben. Welches Unternehmen siedelt sich denn gerne in ein Land am Rande des Bürgerkriegs an? Das vergessen deutsche Unternehmen gerne mal zu erwähnen, wenn sie über "zu hohe Lohnkosten" klagen.

Ich habe den Eindruck dass der "kleine Bürger" seine Rolle als Melkkuh immer mehr verinnerlicht und es als die Normalität betrachtet, immer mehr für eigentlich staatliche Leistungen an private Konzerne zu zahlen. Das beobachte ich sogar ganz deutlich an mir selbst. Neulich beim Arzt konnte ich es kaum fassen, als Kassenpatient "noch" so gut behandelt zu werden und so wenig selbst bezahlen zu müssen. Ich hätte mit weit Schlimmerem gerechnet. Vermutlich lief das nur so gut, weil der Arzt einen ganzen Einkaufszettel an Leistungen an meine "arme" Krankenkasse geschickt hat. Einblick in die "Abrechnung" hat der Patient ja nicht!

In einem Interview schwärmte der neue Bundespräsident Gauck kürzlich von dem riesigen Privileg der "Freiheit", die die Bürger in diesem Land haben. Recht hat er, wir sind damit tatsächlich sehr sehr privilegiert. Und was machen wir daraus ? Bis auf Wenige Engagierte überhaupt nichts. Wir ruhen uns aus und verfolgen unsere eigenen Ziele um unsere Schäfchen ins Trockene zu bringen bevor der große Knall kommt. Das ist auch verständlich, trotzdem aber sehr traurig, denn eigentlich haben WIR es in der Hand.

Ein Weg aus diesem verselbstständigten System, das sich mit allen Mitteln (gerade auch der Meinungsmache) verteidigt ? Vermutlich führt der einzige Weg aus diesem Schlamassel tatsächlich über mehr direkte, basisdemokratische Bürgerbeteiligung an Entscheidungen (aktuelles Beispiel: Piratenpartei: "Liquid Feedback" Programm). Mal ganz abgesehen davon, dass die Politische Landschaft und die Entscheidungswege DRINGEND transparenter werden müssen. Ich persönlich setze sehr große Hoffnungen auf die Piratenpartei. Durch die ständige Kontrolle durch deren Basis hoffe ich, dass die Piraten nicht so schnell ins etablierte System "integriert" werden und anfangen in ihren Beschlüssen wie eine Krebszelle privatwirtschaftliche Interessen vor die Interessen der Allgemeinheit zu stellen.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 08 Mai 2012, 20:44:23
Ein Weg aus diesem verselbstständigten System, das sich mit allen Mitteln (gerade auch der Meinungsmache) verteidigt ? Vermutlich führt der einzige Weg aus diesem Schlamassel tatsächlich über mehr direkte, basisdemokratische Bürgerbeteiligung an Entscheidungen (aktuelles Beispiel: Piratenpartei: "Liquid Feedback" Programm).

- Mit dem ganzen gehirngewaschenen Stimmvieh?! Dass ich nicht grimmig gackere!  ;D Die "Piratenpartei" halte ich persönlich im übrigen für ein Modephänomen, das sich relativ schnell an den Klippen des "Machbaren" aufreiben wird - aber warten wir's ruhig ab ...  8)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: PlayingTheAngel am 08 Mai 2012, 21:18:42
Ein Weg aus diesem verselbstständigten System, das sich mit allen Mitteln (gerade auch der Meinungsmache) verteidigt ? Vermutlich führt der einzige Weg aus diesem Schlamassel tatsächlich über mehr direkte, basisdemokratische Bürgerbeteiligung an Entscheidungen (aktuelles Beispiel: Piratenpartei: "Liquid Feedback" Programm).
- Mit dem ganzen gehirngewaschenen Stimmvieh?! Dass ich nicht grimmig gackere!  ;D
Unterschätzt die Kraft der Bürger nicht, wenn sie plötzlich merken, dass sie tatsächlich direkt und unmittelbar etwas bewirken können. Ich bin sicher dass sich im Falle von Volksentscheiden sofort Initiativen bilden würden, um wenigstens einen Teil des gehirngewaschenen Stimmviehs mit einfachen Fakten bezüglich der anstehenden Entscheidungen und deren Auswirkungen zu informieren und mit zu ziehen.

Die "Piratenpartei" halte ich persönlich im übrigen für ein Modephänomen, das sich relativ schnell an den Klippen des "Machbaren" aufreiben wird - aber warten wir's ruhig ab ...  8)
Ja, da sagst du was... vielleicht schafft es die Partei ja, im Rahmen des "Machbaren" tatsächlich die Eine oder Andere neue Struktur zu schaffen.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Inverted am 08 Mai 2012, 22:02:19
Ich will Eure sozialromantische Kuschelecke ja nicht aufmischen, aber der Text ist größtenteils totaler Unfug und hält keinem Reality Check stand.

Der Autor ist (wie er ja auch selber andeutet) anscheinend mal eine Runde im Internet rumgesurft (offensichtlich auf stark linkslastigen Verschwörungs- und Wutbürgerseiten) und scheint nun zu glauben, irgendwie den Durchblick zu haben, was Politik und Ökonomie angeht (ist ein bisschen so, als würde man durch die Lektüre der Apothekenrundschau pötzlich zum Experten für Humanmedizin mutieren).

Der Autor kann Keynesianismus und Neoliberalismus nicht auseinanderhalten, geschweige denn, dass er überhaupt eine Ahnung davon hätte, was diese Begriffe eigentlich überhaupt bedeuten (die Verwendung des Begriffs neoliberal ist heutzutage so eine Art Godwyn 2.0), zumal der Neoliberalismus praktisch ohnehin politisch tot ist.

Richtig absurd wird es jedoch, wenn er selbst die tumbesten Stammtischparolen gegen Hayek unreflektiert nachbetet, da der weder neoliberal war, noch in irgendeiner Form für die Exzesse der heutigen Eliten verantwortlich ist - ganz im Gegenteil: sein ganzes Werk dreht sich um die Ausgestaltung eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und dessen Schutz vor einer feindlichen Übernahme, eben um genau diese Exzesse zu verhindern. Der prononcierteste Gegener des Eurorettungswahnsinns und der Bankenbailouts im Bundestag, Frank Schäffler, beruft sich unter anderem explizit auf Hayek und andere Vertreter der Austrian Economics, ebenso wie beispielsweise Ron Paul, einer der entschiedensten Gegner des "Crony Capitalism" und imperialistischer Kriege in den Staaten. Es ist offensichtich, dass der Herr Doktor nichts von Hayek gelesen oder sich zumindest wenigstens mal anderweitig informiert hat.

Die religiös Linken wird's nicht interessieren, aber falls sich jemand für die Thematik näher interessieren sollte, findet er z. B. unter folgendem Link einen kurzen historischen Abriss zum Thema Neoliberalismus (der Wikipedia-Eintrag ist auch einigermassen brauchbar):

http://www.forum-ordnungspolitik.de/zur-ordnungspolitik/populaere-irrtuemer/575-was-verdanken-wir-den-neoliberalen

Es entbehrt ehrlich gesagt nicht einer gewissen Komik, dass gerade die grössten BILD-Zeitungshasser einen derart oberflächlich zusammengeschusterten, eindimensionalen Text lobpreisen ;)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Black Ronin am 08 Mai 2012, 22:11:38
Ha. Schönes Ding. Gut gesagt !
Winkwink. Alter Durchblicker !
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 08 Mai 2012, 22:53:10
@ Inverted
Mein Eindruck ist eher, dass sich der Herr Doktor lieber im echten Leben ein bisschen umgeschaut hat und seine eigenen Eindrücke verarbeitet und aufgeschrieben hat, anstelle sich mit Wirtschaftstheorien zu beschäftigen (was er selbst auch zugegeben hat, o Prinz des Durchblicks), die eben genau das sind: Theorien. Manche Leute bilden sich eben ihre Meinung aufgrund ihrer eigenen Erfahrung, statt vorgefertigte Theorien wiederzukäuen - von denen sich viele sowieso inzwischen als obsolet bis falsch erwiesen haben, ja: "tot" sind.

Genau deswegen finde ich den Text bemerkenswert: weil ihn nicht ein bezahlter und erfahrener Schreiberling verfasst hat, sondern ein "Normalmensch". Wenn man das dem Text anmerkt: um so besser. Die simple Schreibweise ändert jedoch nichts am Wahrheitsgehalt. Wenn du dem nur mit toten Theorien begegnen kannst: nur zu. Stell dir dann aber auch die Frage, wer hier eigentlich der Romantiker ohne Realitätssinn ist.

(Egal... mit dem Herrn Durchblicker zu diskutieren hat in etwa so viel Sinn, wie in einen alten Sportschuh hinein zu sprechen; Argumentationszugänglichkeit und Kognition dürften sich auf ähnlichem Level befinden, und zurück kommt doch nur heiße, stinkige Luft.)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: PlayingTheAngel am 08 Mai 2012, 22:53:22
Ich will Eure sozialromantische Kuschelecke ja nicht aufmischen, aber der Text ist größtenteils totaler Unfug und hält keinem Reality Check stand.
Inverted, ich bin auf dieser theoretischen Ebene wirklich nicht sehr tief im Thema und kannte den Begriff des "Keynesianismus" bis jetzt auch noch nicht. Was ich allerdings schon seit Jahren erlebe ist die Privatisierung "unserer", also der mit Steuergeldern errichteter Infrasturktur. Die Bahn, die Post, die Krankenhauslandschaft, diverse Wasserbetriebe und Energieversorger, und und und. Das ist ja wohl unumstritten. Ob man es nun "Neoliberalismus" oder "Keynesianismus" nennt halte ich für eine unwichtige Definitionsfrage. Soweit ich es überblicken kann wurde die Staatsverschuldung dadurch auch nicht nenneswert reduziert, mal ganz abgesehen von der katastrophalen Lage der Kommunen.
Und diesen Trend beschreibt der Autor wie ich finde recht treffend in seiner Zusammenfassung, die wie er selber ständig erwähnt, als Denkanstoß zum "selber informieren" dienen soll. Zugegeben, in einigen Passagen liest es sich tatsächlich wie Pamphlet eines Schülers, der gerade die ganze Nacht auf linken Seiten unterwegs war. Das Grundproblem bleibt aber!
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: RedJanet am 08 Mai 2012, 23:00:56
Inverted bestätigt den Eindruck, den ich beim Reinlesen hatte. Zum Fertiglesen konnte mich der Text nicht animieren, da ich gleich über etliche Punkte gestolpert bin. Da lässt sich ein frustrierter Arzt über das System aus - und wirft nur so mit Begriffen um sich, die er offenbar selbst nicht versteht.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Inverted am 08 Mai 2012, 23:18:49
Inverted, ich bin auf dieser theoretischen Ebene wirklich nicht sehr tief im Thema und kannte den Begriff des "Keynesianismus" bis jetzt auch noch nicht.
Der Keynesianismus dominiert heute die Wirtschaftspolitik der meisten entwickelten Staaten der Welt, leicht überspitzt formulliert präferiert er staatlichen Interventionismus gegenüber freien Märkten und suggeriert, dass man durch das hemmungslose Drucken von Geld und das Auf- und Wiederzubuddeln von Erdlöchern Wohlstand generiert.

Keynes und Hayek kamen privat ganz gut klar, waren aber erbitterte Widersacher in ökonomischen Fragen.

He, falls Du einigermassen fit in Englisch bist und Dich Hip-Hop nicht abschreckt kannste Dich sogar in das Thema einrappen lassen (mit lyrics!):

Fight of the Century (http://econstories.tv/2011/04/28/fight-of-the-century-music-video/)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Inverted am 08 Mai 2012, 23:21:50
@ Inverted
Mein Eindruck ist eher, dass sich der Herr Doktor lieber im echten Leben ein bisschen umgeschaut hat und seine eigenen Eindrücke verarbeitet und aufgeschrieben hat, anstelle sich mit Wirtschaftstheorien zu beschäftigen (was er selbst auch zugegeben hat, o Prinz des Durchblicks), die eben genau das sind: Theorien. Manche Leute bilden sich eben ihre Meinung aufgrund ihrer eigenen Erfahrung, statt vorgefertigte Theorien wiederzukäuen - von denen sich viele sowieso inzwischen als obsolet bis falsch erwiesen haben, ja: "tot" sind.

Genau deswegen finde ich den Text bemerkenswert: weil ihn nicht ein bezahlter und erfahrener Schreiberling verfasst hat, sondern ein "Normalmensch". Wenn man das dem Text anmerkt: um so besser. Die simple Schreibweise ändert jedoch nichts am Wahrheitsgehalt. Wenn du dem nur mit toten Theorien begegnen kannst: nur zu. Stell dir dann aber auch die Frage, wer hier eigentlich der Romantiker ohne Realitätssinn ist.

(Egal... mit dem Herrn Durchblicker zu diskutieren hat in etwa so viel Sinn, wie in einen alten Sportschuh hinein zu sprechen; Argumentationszugänglichkeit und Kognition dürften sich auf ähnlichem Level befinden, und zurück kommt doch nur heiße, stinkige Luft.)
Beleidigt, weil ich mich dem Mitspielen beim linken Ringelpiez mit Anfassen verweigere?
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 08 Mai 2012, 23:29:33
Zum Fertiglesen konnte mich der Text nicht animieren, da ich gleich über etliche Punkte gestolpert bin. Da lässt sich ein frustrierter Arzt über das System aus - und wirft nur so mit Begriffen um sich, die er offenbar selbst nicht versteht.

Über welche Punkte bist du denn gleich gestolpert? (Von der etwas naiven Schreibweise bitte mal abgesehen.) Welche falschen Schlüsse zieht er deiner Meinung nach aus seinen Erfahrungen? Ehrlich gesagt, ich würde mich gern davon überzeugen lassen, dass er Unrecht hat, wenn er von der Reduzierung des Menschen auf seinen ökonomischen Wert spricht, vom Lobbyismus und "Leihbeamtentum", vom Verfall der Demokratie etc. Ich würde lieber in einer Gesellschaft leben, in der das nicht so ist. Aber machen Frust und schlechter Schreibstil diese Dinge unwahr?

Beleidigt, weil ich mich dem Mitspielen beim linken Ringelpiez mit Anfassen verweigere?
Mich beleidigen oder mir sonst in irgendeiner Form zu nahe treten - das können nur Menschen, die mir etwas bedeuten (oder deren Meinung mir etwas wert ist.)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: RedJanet am 08 Mai 2012, 23:45:03
Gestolpert bin ich über z. B. über folgende Formulierung: "Alle Gesundheitsreformen der letzten Jahre hatten nur ein Ziel, nämlich die gesamten Leistungserbringer derart in finanzielle Misslage zu bringen, dass man sich förmlich nach einem Heilsbringer in Form eines professionellen Großbetriebes sehnt, der einem die Last der stetigen Existenzbedrohung von den Schultern nimmt. Durch die Reformen wurde sicherlich auch Geld für die Krankenkassen gespart, aber das war nur der nachrangige Sinn, in Wahrheit wurde hier die komplette Privatisierung der gesamten Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung vorbereitet." Das halte ich für ziemlichen Humbug, zumal die Privaten Krankenkassen immer weiter absterben und sich wieder mehr Menschen freiwillig gesetzlich versichern.

Außerdem habe ich mich gerade länger mit Gruner + Jahr und deshalb auch mit Bertelsmann (und am Rande mit Springer) befasst. Man muss wirklich kein Bertelsmann- oder Springer-Fan sein, um das, was der Autor da äußert, als Schmähkritik zu erkennen.

Sicher ist an einigen Punkten etwas Wahres dran, aber das Ganze ist so überzogen formuliert und mit Halbwahrheiten gespickt (BILD-Niveau!), dass ich es nicht ernst nehmen kann.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 09 Mai 2012, 00:31:48
Gestolpert bin ich über z. B. über folgende Formulierung: "Alle Gesundheitsreformen der letzten Jahre hatten nur ein Ziel, nämlich die gesamten Leistungserbringer derart in finanzielle Misslage zu bringen, dass man sich förmlich nach einem Heilsbringer in Form eines professionellen Großbetriebes sehnt, der einem die Last der stetigen Existenzbedrohung von den Schultern nimmt. Durch die Reformen wurde sicherlich auch Geld für die Krankenkassen gespart, aber das war nur der nachrangige Sinn, in Wahrheit wurde hier die komplette Privatisierung der gesamten Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung vorbereitet." Das halte ich für ziemlichen Humbug, zumal die Privaten Krankenkassen immer weiter absterben und sich wieder mehr Menschen freiwillig gesetzlich versichern.

Vielleicht hättest du doch mal etwas genauer lesen sollen? ;) Er spricht nämlich nicht von Privaten Krankenkassen, sondern von privaten Klinikbetreibern (wie Asklepios oder Rhön) und MVZs, die von diesen großen Konzernen aufgekauft werden. Meiner Meinung nach würde eine private Monopolisierung im Krankenhausbereich durchaus gesellschaftliche Probleme aufwerfen.

Zitat
Außerdem habe ich mich gerade länger mit Gruner + Jahr und deshalb auch mit Bertelsmann (und am Rande mit Springer) befasst. Man muss wirklich kein Bertelsmann- oder Springer-Fan sein, um das, was der Autor da äußert, als Schmähkritik zu erkennen.

Sehe ich anders. Ich verstehe aber deinen Standpunkt als Redakteurin...^^ Die zahlreichen Verflechtungen der Bertelsmann-AG mit der Politik (und der Autor zählt längst nicht alle auf) sind aber trotzdem nicht von der Hand zu weisen. Das als "Schmähkritik" zu bezeichnen, halte ich für ziemlich leichtfertig.

edit:
Zitat
Sicher ist an einigen Punkten etwas Wahres dran, aber das Ganze ist so überzogen formuliert und mit Halbwahrheiten gespickt (BILD-Niveau!), dass ich es nicht ernst nehmen kann.
Ich hoffe, du hast recht; dass das Ganze überzogen ist und man es nicht ernst nehmen muss. Ich hoffe es wirklich.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 09 Mai 2012, 10:45:05
Dass sie schon längst nicht mehr regiert sondern die Lobbyisten machen lässt die die Gesetze zu ihren Gunsten schreiben und sie dann nur abnicken lassen, das halten viele für eine krude Verschwörungstheorie. Ich hingegen glaube genau das.
Das glaubst du zurecht, Messie. Zur weiteren Vertiefung des Themas empfehle ich dir Seiten wie Lobbycontrol (http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/schwerpunkte/lobbyisten-in-ministerien/) und Lobbypedia (http://www.lobbypedia.de/index.php/%C3%9Cber_Lobbypedia). Leider erhält man keine absolut "objektiven" Informationen zum Thema, schließlich haben selbstverständlich weder die jeweiligen Regierungen noch die Interessenverbände und Konzerne ein Interesse daran, dass diese Einflussnahme größeren Bevölkerungsschichten bewusst wird.

Erst in den letzten Jahren konnte nach und nach das Ausmaß wenigstens halbwegs publik gemacht werden. Anhand dieser Daten und Fakten kann man längst nicht mehr von einer Verschwörungstheorie sprechen. Tatsache ist: Vertreter der Privatwirtschaft sitzen seit längerer Zeit in den Ministerien und wirken bei der Gestaltung von Gesetzen und Verordnungen mit. Dabei erhalten sie ihr Gehalt von den jeweiligen Privatfirmen/Interessengruppen weiter - von "objektiver Beratertätigkeit" kann daher also keine Rede sein. In Veröffentlichungen der Bundesregierung werden diese Lobbyisten (laut Wiki) als Externe Mitarbeiter (http://de.wikipedia.org/wiki/Externe_Mitarbeiter_in_deutschen_Bundesministerien), Entsendung oder Abordnung bezeichnet - wenn sie überhaupt genannt werden.

Ich halte diese Vorgänge - gerade in diesen Dimensionen und wegen der versuchten Verschleierung - für eine Aushöhlung der Demokratie. Wenn sich überspitzt formuliert jeder "Reiche" - unabhängig von der jeweiligen Regierung - seine eigenen Gesetze formulieren kann, hat eine Wahl dann überhaupt noch Sinn? Wenn der Ausgang der Wahlen für die Gesetzgebung sowieso keine Konsequenzen hat, da die "externen Mitarbeiter" ja dieselben bleiben?
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 09 Mai 2012, 10:56:35
Es ist eine klassische Argumentationsfigur der Herrschenden, Kritik an ihren Strukturen als "zu oberflächlich", "zu einfach" oder - heute besonders beliebt - am besten gleich als "populistisch" abzubügeln, um den Kritiker als ahnungslosen Schwätzer zu diskreditieren.

Außerdem habe ich mich gerade länger mit Gruner + Jahr und deshalb auch mit Bertelsmann (und am Rande mit Springer) befasst. Man muss wirklich kein Bertelsmann- oder Springer-Fan sein, um das, was der Autor da äußert, als Schmähkritik zu erkennen.

- Interessant. Geht das auch ein klitzekleines bisschen konkreter?

Sicher ist an einigen Punkten etwas Wahres dran, aber das Ganze ist so überzogen formuliert und mit Halbwahrheiten gespickt (BILD-Niveau!), dass ich es nicht ernst nehmen kann.

- Was genau sind Halbwahrheiten? Was genau ist "überzogen formuliert"? - Ernst gemeinte Frage.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: RedJanet am 09 Mai 2012, 13:08:35
Also, da ich gerade nur kurz Zeit habe, auch nur eine kurze Antwort.

Zum Punkt der Privatisierung: Ich habe durchaus gelesen, dass es zuerst um die Privatisierung der Krankenhäuser geht. Aber der Autor zieht daraus den Schluss, dass die "komplette Privatisierung der gesamten Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung" anstehe. Die Verallgemeinerung stammt also keineswegs von mir, sondern vom Autor selbst.

Zu Bertelsmann: Dass ich diese Verschwörungstheorie nicht ernst nehme, hat nichts damit zu tun, dass ich Redakteurin bin. Im Gegenteil - ich arbeite weder für Bertelsmann noch für Springer und war bisher immer in kleinen, unabhängigen Verlagen tätig. Aber Bertelsmann ist nun wirklich nicht der einzige Konzern, der politische Macht hat. Und davon hat er längst nicht so viel, wie der Autor uns glauben lassen möchte - und auch nicht so viel, wie die Mohns vielleicht gern hätten. Außerdem äußert heutzutage jeder Unternehmer, dass er etwas für die Gesellschaft tun wolle, und fast jeder Konzern investiert in Stiftungen. Das ist eben medienwirksam, aber noch lang keine "verlockende Heilsbotschaft". Deshalb ist ein Vergleich mit den "Ideen von Scientology" doch etwas überzogen.

Zu den Halbwahrheiten: Der Autor vermischt immer wieder Themen miteinander, die eigentlich nichts miteinander gemein haben (wie zum Beispiel die Privatisierung der Kliniken, die dann im nächsten Satz zur Privatisierung des gesamten Systems führt). So schreibt er etwa:  „Nahezu alle Zeitschriften mit bundesweiten Auflagen befinden sich in den Händen ganz weniger Menschen (Bertelsmann, Springer, Burda, Holzbrinck, Bauer).“ Im Satz davor greift er noch den SPIEGEL als „ein vermeintlich kritisches Blatt“ an. Ausgerechnet der SPIEGEL hat aber einen eigenen Verlag. Gruner + Jahr hält lediglich 25,5 Prozent der Anteile. Der normale Leser muss nun aber denken, dass die Zeitschrift zu den in der Klammer aufgelisteten Großkonzernen gehört.

Dieses Schema scheint sich durch den ganzen Text zu ziehen. Man merkt ihm zu sehr an, dass der Autor schlecht recherchiert hat. Oder dass dieser absichtlich Dinge voneinander ableitet, die gar keinen Bezug zueinander haben. Und damit stellte sich mir von Anfang an die Frage nach der Glaubwürdigkeit - die ich leider negativ beantworten muss.

Deshalb werde ich mich nun wichtigeren Dingen zuwenden.

Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Eisbär am 09 Mai 2012, 14:47:49
Ich vermute, die Wahrheit liegt wie üblich irgendwo in der Mitte.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: RedJanet am 09 Mai 2012, 15:31:26
Da haste recht, Eisbär.  8)

Ich meine ja auch gar nicht, dass alles Blödsinn ist, was in diesem Text steht - aber man sollte ihn vielleicht mit ein wenig Vorsicht genießen.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 09 Mai 2012, 16:44:54
Ich habe durchaus gelesen, dass es zuerst um die Privatisierung der Krankenhäuser geht. Aber der Autor zieht daraus den Schluss, dass die "komplette Privatisierung der gesamten Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung" anstehe. Die Verallgemeinerung stammt also keineswegs von mir, sondern vom Autor selbst.

- Diese "Verallgemeinerung" begründet & erläutert er aber weitaus differenzierter, als Du das hier kolportierst. Keineswegs zieht er allein aus der Privatisierung der Krankenhäuser diesen "Schluss". Er leitet von der um sich greifenden Klinikprivatisierung auf die nicht minder um sich greifende Übernahme der medizinischen Versorgung durch MVZs über, diagnostiziert vor diesem Hintergrund eine zunehmende Monopolisierung innerhalb des Gesundheitswesens, und stellt schließlich fest, dass eben diese eine drohende Komplettprivatisierung des Gesundheitssystems extrem begünstigt. - Das ist schon ein bisschen was anderes, als das, was Du ihm hier in die Schuhe zu schieben gedenkst.

Aber Bertelsmann ist nun wirklich nicht der einzige Konzern, der politische Macht hat.

- Das behauptet der Autor auch nicht. Er stellt lediglich fest, dass Bertelsmann einer der mächtigsten Konzerne ist, die bei der politischen Entscheidungsbildung mitmischen.

Und davon hat er längst nicht so viel, wie der Autor uns glauben lassen möchte - und auch nicht so viel, wie die Mohns vielleicht gern hätten.

- Nun, das behauptest Du jetzt mal so eben. Da würde sich der geneigte Leser dann schon über ein paar Argumente freuen, die diese Behauptung auch ein bisschen untermauern.

Außerdem äußert heutzutage jeder Unternehmer, dass er etwas für die Gesellschaft tun wolle, und fast jeder Konzern investiert in Stiftungen. Das ist eben medienwirksam, aber noch lang keine "verlockende Heilsbotschaft". Deshalb ist ein Vergleich mit den "Ideen von Scientology" doch etwas überzogen.

- Aufmerksame Lektüre wäre auch hier zielführend: Der Autor behauptet nirgends, Investitionen in Stiftungen seien eine "verlockende Heilsbotschaft" (was ja schon rein semantisch völliger Käse wäre), wie Du ihm unterstellst. Er formuliert vielmehr die Zielsetzung der Bertelsmann Stiftung wie folgt: "Obwohl man in den Medien kaum den Namen Bertelsmann hört, ist es doch erklärte Politik, die Gesellschaft zu verbessern, zu reformieren und zu perfektionieren, vorwiegend in den Hinterzimmern der Macht. Übrigens relativ klar formuliert von Reinhard Mohn selbst, der wohl auch aufgrund seines Alters mittlerweile die personelle Führung in die Hände seiner Ehefrau gelegt hat."  In diesem Zusammenhang konstatiert er dann im Folgesatz einen "extrem apodiktische[n] Anspruch" seitens der Bertelsmann Stiftung und bezeichnet deren Zielsetzungen (s.o.: Gesellschaft verbessern, reformieren, perfektionieren) als "verlockenden Heilsbotschaften", die ihn an "die Ideen von Scientology" erinnern.

Wer bei einem Autor Schlamperei in der Recherche und Ungenauigkeit im Stil kritisiert, sollte selbst vielleicht mit gutem Beispiel vorangehen und seine Kritik etwas sorgfältiger formulieren.  ;)

Der Autor vermischt immer wieder Themen miteinander, die eigentlich nichts miteinander gemein haben (wie zum Beispiel die Privatisierung der Kliniken, die dann im nächsten Satz zur Privatisierung des gesamten Systems führt).

- Was Du ihm hier unterstellst, gibt der Text nicht her, aber das hab' ich ja eben schon auseinanderklabüstert.

So schreibt er etwa:  „Nahezu alle Zeitschriften mit bundesweiten Auflagen befinden sich in den Händen ganz weniger Menschen (Bertelsmann, Springer, Burda, Holzbrinck, Bauer).“ Im Satz davor greift er noch den SPIEGEL als „ein vermeintlich kritisches Blatt“ an. Ausgerechnet der SPIEGEL hat aber einen eigenen Verlag. Gruner + Jahr hält lediglich 25,5 Prozent der Anteile. Der normale Leser muss nun aber denken, dass die Zeitschrift zu den in der Klammer aufgelisteten Großkonzernen gehört.

- Wenn er sorgfältig liest, muss er das keineswegs. Der Autor schreibt lediglich - in zugegeben polemischer Zuspitzung -, man solle sich in seinen Lesegewohnheiten nicht auf den Illustrierten-/Zeitschriftenmainstream beschränken, da es auf diesem Sektor "fast egal" sei, "ob es ein vermeintlich kritisches Blatt wie „Der Spiegel“ [...] oder „Die Frau im Spiegel“" ist.

Man merkt ihm zu sehr an, dass der Autor schlecht recherchiert hat. Oder dass dieser absichtlich Dinge voneinander ableitet, die gar keinen Bezug zueinander haben. Und damit stellte sich mir von Anfang an die Frage nach der Glaubwürdigkeit - die ich leider negativ beantworten muss.

- Mir stellt sich nach der Lektüre Deines Beitrages die Frage, ob Du den Text möglicherweise lediglich quergelesen hast - und die muss ich bis zum Erweis des Gegenteils leider positiv beantworten.

Deshalb werde ich mich nun wichtigeren Dingen zuwenden.

- Dito.  :)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Eisbär am 09 Mai 2012, 16:50:11
Kenaz:
Du hast aber schon gelesen, daß Red Janet extra erwähnte, aus Zeitmangel nur kurz darauf einzugehen?
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 09 Mai 2012, 17:00:21
Kenaz:
Du hast aber schon gelesen, daß Red Janet extra erwähnte, aus Zeitmangel nur kurz darauf einzugehen?

- Klar hab' ich das gelesen. Das ändert aber nichts daran, dass sie Punkte am fraglichen Text kritisiert, die dieser nicht hergibt. Und das lässt sich selbst durch den schönste Zeitmangel nicht rechtfertigen, denn: Wenn man nicht über die nötige Zeit verfügt, einen Text richtig zu lesen und/oder seine Kritik daran adäquat zu formulieren, sollte man es besser bleiben lassen. Sonst kommt eben genau das heraus, was man anderen so gerne ankreidet: BILD-Zeitungs-Niveau.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 09 Mai 2012, 18:30:12
Dem Text von Kenaz habe ich nicht viel hinzuzufügen.

Außerdem habe ich mich gerade länger mit Gruner + Jahr und deshalb auch mit Bertelsmann (und am Rande mit Springer) befasst. [...] Dass ich diese Verschwörungstheorie nicht ernst nehme, hat nichts damit zu tun, dass ich Redakteurin bin. Im Gegenteil - ich arbeite weder für Bertelsmann noch für Springer und war bisher immer in kleinen, unabhängigen Verlagen tätig. Aber Bertelsmann ist nun wirklich nicht der einzige Konzern, der politische Macht hat. Und davon hat er längst nicht so viel, wie der Autor uns glauben lassen möchte.

Ich nehme mal ganz arglos an, dein "Befassen" mit Bertelsmann geschah im Zuge deiner Bewerbungen und somit - nimm's mir bitte nicht übel - unter gänzlich anderer Schwerpunktsetzung als der in dem (von dir zwar nicht vollständig gelesenen, aber trotzdem vehement kritisierten) Text. Ich finde es sehr verständlich, wenn man sich dann eher auf die positiven Aspekte konzentriert.

Ich meine ja auch gar nicht, dass alles Blödsinn ist, was in diesem Text steht - aber man sollte ihn vielleicht mit ein wenig Vorsicht genießen.

Da gebe ich dir recht; das sollte grundsätzlich für jeden Text gelten. ;)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 18 Mai 2012, 13:55:35
Der Publizist Albrecht Müller hat den Entwurf seiner Rede vom 5. Mai d. J. auf den Nachdenkseiten eingestellt:

"Für einen Pakt aller Demokraten gegen Finanz-Zyniker und Spekulanten" (http://www.nachdenkseiten.de/?p=13253)

Er versucht, Gemeinsamkeiten zwischen der demokratischen Linken und den Konservativen darzustellen, die angesichts der seit einigen Jahrzehnten eingeschlagenen Richtung der herrschenden Politik, die er als Bedrohung der Demokratie begreift, wichtiger sein sollten als die angeblich unüberbrückbaren Unterschiede.

Ich wollte den Link zunächst nicht posten, da mir die anmaßende Wortwahl überhaupt nicht gefällt ("Ein kluger Konservativer weiß...", "In konservativen Kreisen müsste eigentlich weit verbreitet sein...", "Anständige Konservative..." etc.), aber davon abgesehen finde ich den Text und die Grundidee der Rede lesenswert: Abkehrung von ideologischen "Alternativlosigkeiten", zurück zu Inhalten und Sachlichkeit. Klingt doch simpel, oder? ;)

Zitate aus der Rede:
"Ein Pakt aller Werte schaffenden und an Werten orientierten Bürgerinnen und Bürger ist vonnöten. Er reicht von Wertkonservativen bis zur demokratischen Linken. Manch Konservativer fragt da ziemlich empört: Was soll ich mit Linken? Was soll ich mit den roten Socken? So ist die Welt heute. Geprägt von aggressiven Schlagworten und Kampagnen. – Linke fragen: Was wollen wir mit Konservativen anfangen? Ihnen verdanken wir doch die unsoziale Entwicklung in unserem Land.

Die Berührungsängste sind verständlich. Aber die Auffassungsunterschiede zwischen anständigen Wertkonservativen und demokratischen Linken sind angesichts der gegenwärtigen Bedrohung gering. Wir kommen mit der jetzigen politischen Konstellation nicht weiter. [...]

Im Interesse der Finanzwirtschaft sind wichtige gesellschaftliche Einrichtungen zerstört worden bzw. werden noch zerstört:
Öffentliche Unternehmen und öffentliche Einrichtungen werden privatisiert; Wasserwerke, Kliniken, kommunale Wohnungen, Eisenbahnen, immer mehr auch Schulen und Universitäten – über all lässt man Aktionäre mit verdienen. Zulasten der Allgemeinheit, zulasten der Kommunen, der Mieter und zulasten der Arbeitnehmerschaft.

Die öffentlich organisierte Altersvorsorge wird stückweise durch private Vorsorge ergänzt und entwertet – weil die Versicherungswirtschaft und die Banken das so wollen, nicht aus sachlichen Gründen. Der Ruf der Gesetzlichen Rente wurde absichtlich ruiniert, um den Verkäufern der Privatvorsorge das Feld zu bereiten. Zudem werden die privaten Versicherungsprodukte, die Riester-Rente und die Rürup-Rente auch noch mit Steuergeldern subventioniert. [...]

Ob ein Produkt oder eine Dienstleistung öffentlich oder privat produziert wird, ist eine Frage sachlicher Abwägung und nicht eine ideologisch zu beantwortende Frage. Dabei gibt es ein paar hilfreiche Kriterien: Welche Art der Produktion ist effizienter? Ist Wettbewerb bei Privatisierung wirklich möglich? Es macht ja keinen Sinn, ein öffentliches Oligopol oder Monopol durch ein privates zu ersetzen. Das geschieht aber am laufenden Band. Diese Tendenz müsste auch an der Sache orientierten Konservativen die Haare zu Berge stehen lassen."
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 01 Juni 2012, 09:37:19
Ein interessantes Gespräch mit dem frankfurter Soziologieprofessor Sighard Neckel über den in den letzten Jahren entstandenen Geldadel und die zunehmende Undurchlässigkeit der sozialen Schichtung:

Die Herkunft spielt eine immer größere Rolle beim sozialen Aufstieg (http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1727258/) - auch als DRadio-Audiodatei. (http://www.dradio.de/aodflash/player.php?station=3&broadcast=348687&datum=20120411&playtime=1334146171&fileid=d4179c9a&sendung=348687&beitrag=1727258&/)

Mit Feudalisierung ist hier die Übernahme der politischen Entscheidungen durch den Wirtschafts- und Geldadel gemeint. Dass dieser "Adel" gern unter sich bleibt, ist nicht neu, neu ist aber die zunehmende Ausrichtung der Politik nach den Bedürfnissen vor allem der Hochfinanz (unschlagbares Stichwort: "marktkonforme Demokratie") - zu Lasten der Demokratie, wie man kürzlich beispielsweise in Frankfurt betrachten konnte.

Die Medien spielten dabei auch mal wieder ihre unrühmliche Rolle. Bei n-tv hieß es sinngemäß: "Die Polizei konnte viele Busse voller gewaltbereiter Demonstranten bereits vorher abfangen." Da wird man schnell wieder daran erinnert, dass die meisten Medien den Nutznießern dieses Systems gehören. (Im Fall n-tv siehe zum Beispiel RTL-Group: (http://de.wikipedia.org/wiki/RTL_Group) Bertelsmann.) Klar, dass lieber pauschal sämtliche systemkritischen Demonstranten kriminalisiert wurden als über die Gründe zu berichten, warum eigentlich die Polizei die Bänker vor dem Volk, diesem gemeinen Mob, schützen muss... ::)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 10 September 2012, 14:03:40
Heute Abend um 21.45 Uhr zeigt die ARD einen Bericht über Lobbyismus und Parteienfinanzierung:

"Die Einflüsterer - Wie Geld Politik macht" (http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/wdr/2012/die-einfluesterer-100.html)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 16 Januar 2013, 17:55:49
Die EU-Kommission plant offensichtlich, die Privatisierung voran zu treiben: jetzt ist also das Wasser dran.

http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/1213/wasser.php5 (http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/1213/wasser.php5)

Wenn ihr wollt, könnt ihr hier eure Unterschrift dagegen leisten:
http://www.right2water.eu/de (http://www.right2water.eu/de)

Lasst euch bitte nicht von der Datenabfragerei abschrecken; was ich dazu hier (http://www.wdr.de/phorum/live/active/read.php?83,141605707,page=1) im Monitor-Forum fand:

"dabei Achtung: nur identische Angaben wie im Personalausweis werden als gültig gewertet,
falsche Angaben können andere Stimmen ungültig machen,
wenn Sie in die Stichprobe (Amt für Statistik) fallen
(damit wird die Fehlerquote bestimmt),
und anschließend als Fehlerquote hochgerechnet werden."
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 16 Januar 2013, 19:12:07
Die EU-Kommission plant offensichtlich, die Privatisierung voran zu treiben: jetzt ist also das Wasser dran.

- Soeben unterzeichnet. :)

Einmal mehr sehe mich vollumfänglich in meiner Einschätzung bestätigt, dass die EU der institutionelle Antichrist schlechthin ist. Ich begrüße wirklich alles, was dieses widerwärtige Konstrukt zu Fall bringt.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Schattenwurf am 16 Januar 2013, 20:10:07
Zitat
Wenn ihr wollt, könnt ihr hier eure Unterschrift dagegen leisten
Done
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: RaoulDuke am 17 Januar 2013, 10:40:33
Einmal mehr sehe mich vollumfänglich in meiner Einschätzung bestätigt, dass die EU der institutionelle Antichrist schlechthin ist. Ich begrüße wirklich alles, was dieses widerwärtige Konstrukt zu Fall bringt.

Eine Europäische Zentralregierung, die funktioniert, könnte soooo viele Vorteile haben.

So wie es ist erscheint sie maximal so halb demokratisch legitimiert und als ein zahnloser bürokratischer Moloch mit einer Tendenz zu absurden Entscheidungen.

Die USA haben es doch auch hinbekommen mit einer zentralen Regierung auf Bundesebene und einzelnen Staaten, warum schaffen wir das nicht?
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: sYntiq am 17 Januar 2013, 11:19:12
Die USA haben es doch auch hinbekommen mit einer zentralen Regierung auf Bundesebene und einzelnen Staaten, warum schaffen wir das nicht?
Weil wir es "besser" machen wollen und daher so viel daran rumbasteln bis alles kaputt ist.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 17 Januar 2013, 12:15:39
Die USA haben es doch auch hinbekommen mit einer zentralen Regierung auf Bundesebene und einzelnen Staaten, warum schaffen wir das nicht?

- Weil die USA ein vergleichweise "junges" staatliches Konstrukt sind, wohingegen die europäischen Völker auf eine deutlich längere, gewachsene Geschichte zurückblicken, in deren Verlauf sich nun mal sehr unterschiedliche Identitäten herausgebildet haben. Und die lassen sich nicht innerhalb von zwanzig Jahren gleichschalten.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Schattenwurf am 17 Januar 2013, 13:46:31
Zitat
Eine Europäische Zentralregierung, die funktioniert, könnte soooo viele Vorteile haben.
Krieg nur ich eine Gänsehaut, wenn Worte mit "Zentral-" fallen?
Zitat
Und die lassen sich nicht innerhalb von zwanzig Jahren gleichschalten.
"gleichschalten" finde ich auch äußerst gruselig. :-/
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: RaoulDuke am 17 Januar 2013, 14:14:30
Zitat
Eine Europäische Zentralregierung, die funktioniert, könnte soooo viele Vorteile haben.
Krieg nur ich eine Gänsehaut, wenn Worte mit "Zentral-" fallen?

Also wenn man einen Binnenmarkt mit einer gemeinsamen Währung und allseitiger Freizügigkeit (natürlich hier im Sinne einer freien Wahl des Wohnsitzes) möchte, dann erscheint es sinnvoll. Sonst könnte es einen Wettlauf nach unten um Sozialstandards geben, wenn Staaten um die Ansiedelung von Unternehmen konkurrieren, eine hohe Verschuldung einiger Mitgliedsstaaten im Vertrauen darauf, dass die anderen sie schon irgendwie "raushauen" werden, wenn es ernst wird, eine problematische Situation, wenn ein Mitgliedsstaat in einen militärischen Konflikt gerät, Chaos beim Verhalten gegenüber Flüchtlingen oder anderen Zuzugswilligen... Was wir alles jetzt schon sehen.

Würde man die Europäische Union konsequent als einen Bundesstaat organisieren, würde es besser funktionieren. Die Ansichten gehen hier sicherlich auseinander, aber ich glaube, dass es dazu nicht nötig ist, nationale und kulturelle Identitäten aufzugeben - im Gegenteil würde es den ökonomischen und politischen Druck abbauen helfen, der diese Identitäten in den Konflikt treiben könnte.

Oder man könnte natürlich komplett souveräne Nationalstaaten schaffen. Dieses Mischmasch-Hinundher mit Zuständigkeitsgerangel und Bürokratiewahn ist ja offensichtlich nicht so zielführend.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Eisbär am 17 Januar 2013, 14:40:23
Ich denke, dieses Mischmasch, was Du kritisierst, ist einfach nur der Zwischenschritt zwischen den einzelnen, komplett souveränen Nationalstaaten und dem Bundesstaat.

Es läuft doch nach und nach alles auf diesen hinaus. Das Mischmasch ist nur der Weg dahin, damit man sich langsam dran gewöhnen kann.
Ich finde eine derartige europäische Einigung übrigens ziemlich großartig. Bis vor ca. 70 Jahren war an ein derartig intensives Miteinander ja in keinster Weise zu denken. Man schlug sich lieber wegen jeder Kleinigkeit gegenseitig die Köpfe ein.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 17 Januar 2013, 16:10:21
Ich finde eine derartige europäische Einigung übrigens ziemlich großartig.

Die Idee eines in Frieden und wirtschaftlich geeinten Europas finde ich an sich auch ganz prima. Aber wie so oft hapert es an der Umsetzung. Viele Entscheidungen wurden und werden von teils nicht demokratisch legitimierten Gremien, Kommissionen etc. oft genug gegen den Willen der Bürger oder sogar hinter deren Rücken gefällt, die ganze Struktur ist extrem unübersichtlich, und die Einzigen, die bei der Gesetzgebung mitwirken, sind scheinbar die Lobbyisten großer Industrien und Konzerne. Das EU-Parlament scheint ahnungslos, nickt nur noch ab und vergnügt sich ansonsten mit Sonderleistungen, von denen ein Normalbürger nur träumen kann. So ergibt sich für viele Leute (auch für mich) das Bild eines teuren, undurchsichtigen lobbygesteuerten Molochs, der, statt ein Europa für die Bürger zu gestalten, ein Europa der Groß- und Finanzkonzerne entwirft. Und der - ganz in diesem Sinne - die Krise dafür ausnützt, in großem Stil den Abbau der Sozialsysteme, Arbeitnehmerrechte etc. zu betreiben.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: Kenaz am 17 Januar 2013, 18:42:02
Die Idee eines in Frieden und wirtschaftlich geeinten Europas finde ich an sich auch ganz prima. Aber wie so oft hapert es an der Umsetzung.

- So schaut es aus. Die Idee finde ich auch ganz großartig. - Aber ich finde auch die Idee des Gartens Eden klasse. Jedoch ...  ;)

Zitat
Und die lassen sich nicht innerhalb von zwanzig Jahren gleichschalten.
"gleichschalten" finde ich auch äußerst gruselig. :-/

- Das ist durchaus im Sinne des Erfinders.
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: nightnurse am 19 Januar 2013, 19:24:09
Wenn ihr wollt, könnt ihr hier eure Unterschrift dagegen leisten:
http://www.right2water.eu/de (http://www.right2water.eu/de)


...und schon das 3. Captcha konnte ich korrekt erraten \o/

(Saubande, echt. Habe schon lange nicht mehr so die Wut gehabt wie nach diesem Monitor-Bericht)
Titel: Re: Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...
Beitrag von: CubistVowel am 18 Februar 2013, 10:50:49
Eine Seite, die in Zukunft recht interessant werden könnte: LobbyPlag (http://lobbyplag.eu/#/compare/overview)

Hier soll der Lobby-Einfluss auf die EU-Gesetzgebung dokumentiert werden; wessen Text-Vorschläge in welchen Gesetzen mehr oder weniger unverändert übernommen wurden, also welche Firmen und Organisationen Einfluss auf die Gesetzgebung haben/hatten.

Die Sache wird wesentlich komplizierter und zeitraubender als beispielsweise VroniPlag, da man hier zurzeit mit wenig Automatisierung arbeiten muss. Ich wünsche den Machern jedenfalls viel Glück und Spendengelder und hoffe auf regelmäßige Zusammenfassungen, zum Beispiel hier. (http://gutjahr.biz/2013/02/neues-von-lobbyplag/)