Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Archiv => Gedankenaustausch -Archiv- => Thema gestartet von: *Alex* am 28 Juni 2011, 15:10:29

Titel: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: *Alex* am 28 Juni 2011, 15:10:29
Nach langer Abstinenz hier im Forum auf Grund meines Staatsexamens, möchte ich hier dennoch gerne einmal eure Meinung zu der Gewalt in unserem Unfeld wissen. Sollte dieses Thema schon ein Mal hier behandelt worden sein, so möchte ich mich hier entschuldigen, doch habe ich selbst durch die Suchfunktion nicht das Gefunden, was ich suche.

Immer und immer wieder hört man von Gewalttätigen ausschreitungen, Kriege und Proteste mal außen vor. Hier schlägt einer einen Obdachlosen scheinbar grundlos zusammen, dort kommt es zu einer Prügelei. Ich rede jetzt nicht nur von den Extremfällen, die in den Medien breitgetreten werden, sondern von dem, was auf der Straße so passieren kann und auch ab und an passiert. Kommt es mir so vor oder steigt die Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft? Liegt das an dem zu wenig regulierten Zugang zu Rauschmitteln oder ist es einfach das Bedürfnis sich zu profilieren? Oder sind es gar zu milde Strafen, auch in Bezug auf Minderjährige, die es ermöglichen dass Gewalt so exessiv gelebt werden kann?

Mich würde einfach mal eure Meinung interessieren, ob ihr schon ein Mal bedroht wurdet, in eine solche Situation mit Gewalteskaltion schon einmal beteiligt ward und/oder wie ihr sie lösen konntet. Ich bin zum beispiel zu der Überzeugung gekommen, dass es besser ist, wenn meine Freundin Kampfsport lernt und sich zu wehren weiß wenn es angebracht ist, damit ich mir keine Sorgen machen muss, dass ihr was passiert ist, wenn sie sich Abends mit ihren Freundinnen trifft. Ich finde es vorteilhaft, wenn sie weiß, wie sie eine Situation einzuschätzen hat und ggf. flüchten kann, bzw. dem Täter auch in Notwehr verletzen kann. Ich weiß, dass es jetzt etwas unmenschlich klingt, aber besser er kann nie wieder laufen, als sie.

Aber die Lösung kann das doch auch nicht sein.... Täter suchen sich eben Opfer und mit einer gewissen Kenntnis in Selbsverteidigung oder Kampfsport verhält man sich einfach anders, man strahlt mehr selbstbewusstsein aus und kommt vielleicht so um bestimmte Situationen herum. Auf der anderen Seite sehe ich die Gefahr, dass eine solche Ausbildung dazu verleiten kann eher den Kampf zu suchen, als einfach wegzulaufen.

Wie ihr seht drehen sich meine Gedanken gerade etwas im Kreis, darum hoffe ich ja hier etwas inspiration zu erhalten. Was meint ihr? Habt ihr schon Erfahrungen mit Gewalt gesammelt? Bisher kam ich zum Glück um solche Situationen immer herum. Also kann ich nicht sagen, wie ich in solchen Situationen reagieren würde....
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Simia am 28 Juni 2011, 16:15:02
Welcome back :)

Nach langer Abstinenz hier im Forum auf Grund meines Staatsexamens,

Wodrin? Jura? Warst Du nicht Physiotherapeut, oder erinnere ich mich da falsch?

Zu den möglichen Ursachen für die vermeintlich zunehmende Gewalt sage ich bestimmt später noch was. Nur erstmal soviel: Eine Kampfsportart oder Kampfkunst zu lernen oder zu beherrschen, macht noch keinen Schläger, der den Kampf sucht. Es ist natürlich ein Unterschied, ob man bei Kallis illegaler Hinterhof-Boxklitsche für nen Zehner auf die Hand seinen persönlichen Workout betreibt, oder ob man sich bei einem verantwortungsvollen Lehrer/Trainer ein halbwegs tradiertes System aneignet. Im letzteren Fall wird eben auch mehr auf die mentale und charakterliche Entwicklung Wert gelegt.

Folgendes sinngemäßes Zitat von ichweißnichwem ist ja fast schon ein Konsens:"Wenn es zum Kampf kommt, haben beide schon verloren". Den Kampf zu vermeiden ist die oberste Regel.

Sich verteidigen zu können bzw. Selbstvertrauen zu kriegen, damit es nicht dazu kommt, ist sicherlich der häufigste Grund, mit Kampfsport anzufangen. Es ist genau wie Du es darstellst. Man lernt, cool zu bleiben und im Ernstfall den geübten Reaktionen Bahn zu schaffen, anstatt dass der analytische Verstand das Heft in der Hand hätte (das ist vielleicht wie beim Autofahren ... Wer müsste nicht erstmal rechts ranfahren, wenn er darüber intensiv nachdenkt, was er da gerade genau macht? ;)).

Ich weiß, dass es jetzt etwas unmenschlich klingt, aber besser er kann nie wieder laufen, als sie.

Na ja, stimmt aber doch. Jeder sollte so behandelt werden, als wüsste er, was er da tut. Und der Notwehrparagraph gibt einem auch in weiten Teilen recht. 

Ich hatte noch keinen nennenswerten Ernstfall und bin auch nicht scharf drauf. Bei uns (Ninjutsu, wie schon an anderer Stelle erwähnt), und sicherlich nicht nur da, geht es zu einem großen Teil darum, eine Situation einschätzen zu können, damit man die Sache überlebt. Deeskalation sollte das Mittel der Wahl sein und auch weglaufen und Polizei rufen ist da keine Schande. Einer unserer Trainer sagte, gerade bei den so häufigen Messerstechereien darf man sich nicht überschätzen. Selbst wer darauf trainiert ist, hätte eine vielleicht 20%ige Chance, aus der Sache heile rauszukommen (ist natürlich nur eine persönliche Schätzung, aber der macht das auch schon jahrelang).
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: *Alex* am 28 Juni 2011, 16:26:57
Ja, es ist das Staatsexamen in Physiotherapie^^

Ich kam zum einen auf das Thema durch meine vielen Praktika in verschiedenen Kliniken, in denen man doch so einiges an Schicksalen mitbekommt, zum anderen weil ich seit kurzem mit Muay Thai angefangen habe und in einem Kampfsportforum einiges zu dem Thema gefunden habe. Diese Posts haben mich zum Teil sehr erschüttert, zum anderen wurden dort einige Videos gepostet, bei denen mir wirklich schlecht wurde. Da kamen mir einfach diese Gedanken, ob es da nicht sinnig ist sich auf bestimmte Situationen zu trainieren, bzw. ob es nicht sinnig ist zu wissen wie man sich selbst verteidigen kann, wenn es mal darauf ankommt und sei es nur in der Disco oder ähnliches.... Ich bin jetzt noch nicht einmal von bewaffneten Gegnern ausgegangen. Mir drängt sich halt auch die Frage auf, ob man durch eine Kampfsport-/Selbstverteidigungsart, die man im Ernstfall anwenden kann, so eine Art menschliches Wettrüsten beginnt.
Ich für meinen Teil mache Muay Thai um mich körperlich zu betätigen und Stressabbau an der Pratze/ dem Sandsack betreiben zu können. Das heißt allerdings im Umkehrschluß nicht, dass ich es nicht anwenden würde, um jemanden zu helfen. D.h. nach vorherigem Einschätzen der Situation.
Vielleicht denke ich auch einfach zu viel nach(?) und es ist alles halb so schlimm.   
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: t_g am 28 Juni 2011, 16:32:14
Liegt das an dem zu wenig regulierten Zugang zu Rauschmitteln oder ist es einfach das Bedürfnis sich zu profilieren? Oder sind es gar zu milde Strafen, auch in Bezug auf Minderjährige, die es ermöglichen dass Gewalt so exessiv gelebt werden kann?
ja.

Zitat
Mich würde einfach mal eure Meinung interessieren, ob ihr schon ein Mal bedroht wurdet, in eine solche Situation mit Gewalteskaltion schon einmal beteiligt ward und/oder wie ihr sie lösen konntet.
in 95% der Fälle, in denen ich so eine Auseinandersetzung mitbekommen habe, war (mindestens) der offensive Part des Konflikts stark berauscht. Was wiederum ein super Motor für das Folgeproblem "Profilierungssucht" oder "Machtdemonstration" sein kann. Ich habe zwar in der Vergangenheit auch stellenweise deutlich zu tief auf Partys ins Glas geschaut, aber wenn ich mir eins dabei nicht vorwerfen kann, dann in irgendeiner Form aggressiv zu werden. Selbst diesen Freitag bei einer äußerst merkwürdigen Auseinandersetzung war ich trotz intensivem Pegel eher noch der (soweit möglich) deeskalierende Part. Es muss also schon ein gewisser Grad an Grundaggressivität vorhanden sein, der durch Rauschmittel katalysiert wird, damit es tatsächlich zu Gewalt kommt. Zumindest in dieser Szene habe ich noch nie erlebt, dass sich zwei Personen nüchtern an die Gurgel gegangen sind.

Daher wird auf diversen Partys inzwischen auch ein recht deutliches Konzept eingeführt: wer sich im Vollsuff nicht benehmen kann, kommt gar nicht erst rein.

Und ich finde es keinesfalls egoistisch oder unmenschlich zu sagen "lieber der Täter wird geschädigt als das Opfer". Das ist in meinen Augen vollkommen legitim und im Umfang der Notwehr, deren erste Intention die eigene Unversertheit ist und nicht die des Täters, absolut angemessen. Aber wie Simia schon sagte, Deeskalation, gepaart mit selbstsicherem Auftreten hilft in den meisten Fällen schon durchaus. Und für Zweiteres ist ein Kampfsporthintergrund mit Sicherheit nicht das Verkehrteste. ;)
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Simia am 28 Juni 2011, 21:35:28
Ja, es ist das Staatsexamen in Physiotherapie^^

Ist das in Deutschland jetzt auch schon ein Studium? Als ich noch klein war, war das ne Ausbildung (wenn wohl auch eine ziemlich heftige).

Ich kam zum einen auf das Thema durch meine vielen Praktika in verschiedenen Kliniken, in denen man doch so einiges an Schicksalen mitbekommt, zum anderen weil ich seit kurzem mit Muay Thai angefangen habe und in einem Kampfsportforum einiges zu dem Thema gefunden habe. Diese Posts haben mich zum Teil sehr erschüttert, zum anderen wurden dort einige Videos gepostet, bei denen mir wirklich schlecht wurde.

Du meinst z.B. den Kickboxer, der auf einmal an einer Stelle wegknickt, wo das Bein gar kein Gelenk hat?

Da kamen mir einfach diese Gedanken, ob es da nicht sinnig ist sich auf bestimmte Situationen zu trainieren, bzw. ob es nicht sinnig ist zu wissen wie man sich selbst verteidigen kann, wenn es mal darauf ankommt und sei es nur in der Disco oder ähnliches.... Ich bin jetzt noch nicht einmal von bewaffneten Gegnern ausgegangen.

Hm? Meinst Du, dass z.B. Muay Thai mit dem Hintergrund des Stressabbaus und Fitness-Aspekts alleine nicht ausreicht, um einer solchen Situation gewachsen zu sein und man sowas explizit trainieren sollte? Es gibt eben viele Motivationen und für jede gibt es ein System. Allgemein wird ja unterteilt in Kampfsportarten (Karate, Judo, Taekwondo), Kampfkünste (Escrima, Ninjutsu, Systema), Selbstverteidigungssysteme und Militärische Nahkampfsysteme, wobei die Grenzen fließend sind. Aber das Selbstbewusstsein (was auch bedeutet, seine Grenzen zu kennen) wird in jedem Fall ausgebaut und das greift dann auch im Ernstfall, das ist oftmals schon mehr als die halbe Miete, egal welche Technik man im Einzelnen anwendet und warum man in seinen Verein eingetreten ist.

Oder hab ich Dich jetzt missverstanden?

Mir drängt sich halt auch die Frage auf, ob man durch eine Kampfsport-/Selbstverteidigungsart, die man im Ernstfall anwenden kann, so eine Art menschliches Wettrüsten beginnt.

Das versteh ich auch nicht ganz. Willst Du sagen, dass weil der andere das irgendwie sehen müsste, dass man was kann, er erst recht zuschlagen würde und das wäre nicht der Fall, wenn man damit noch nie was zu tun hatte? Das kann ich nicht bestätigen. In meinem Dojo laufen einige "halbe Hemden" rum, denen man "das" nicht ansieht, aber wenn ich die in Aktion sehe, staune ich immer wieder.

Ich für meinen Teil mache Muay Thai um mich körperlich zu betätigen und Stressabbau an der Pratze/ dem Sandsack betreiben zu können. Das heißt allerdings im Umkehrschluß nicht, dass ich es nicht anwenden würde, um jemanden zu helfen.

Man sollte alles, was man beherrscht anwenden, um zu helfen, egal ob Selbstverteidigung oder nicht. Wenn man der Baseball-Gott ist und gerade einen Baseball in der Hand hat, dann drauf (Im Zweifelsfall ist man dann auch weit genug weg ;)).

Zitat von: t_g
Zumindest in dieser Szene habe ich noch nie erlebt, dass sich zwei Personen nüchtern an die Gurgel gegangen sind.

Nein, Schwarzvolk ist aus Tradition eher passiv-aggressiv. Und man "löst" die Dinge eher über Intrigen und Lästereien. *g*

Und ich bin mir nicht sicher, ob die Gewalt wirklich zugenommen hat, oder ob die Medien schön in die Kerbe hauen. Man hat zumindest den Eindruck, dass Gewalt allgegenwärtig ist (wobei, wie ich jetzt diverse Male las und hörte, die Leute im 18. Jhd. innerhalb eines Jahres den Informationsgehalt einer Times-Ausgabe erhielten, kein Vergleich mit dem Overkill unserer Tage, mögliche Realitätsverzerrung inklusive). Aber ich stimme t_g zu, dass gerade Rauschmittel ein Problem darstellen, da kann ich mir gut vorstellen, dass die oftmals Auslöser (bei besagter Grundaggressivität) sind. Es ließe sich bestimmt rausfinden, wie viele (oder wenige) Schläger und Messerstecher der letzten Jahre klar im Kopf (Blut) waren.

Und andere Faktoren für eine mögliche Zunahme der Gewalt wuchsen auch, z.B. die Orientierungslosigkeit durch Werteverlust bzw. Beliebigkeit der Werte. Welche Rolle das aber wirklich spielt, kann ich nicht sagen. Und man darf nicht vergessen, dass wir an sich in sehr sicheren und ruhigen Zeiten leben. Die Vergleichbarkeit z.B. mit den 30er und 40er Jahren ist nicht gegeben, da fand die Gewaltbereitschaft ganz andere Kanäle.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 29 Juni 2011, 03:07:43
Zitat
Liegt das an dem zu wenig regulierten Zugang zu Rauschmitteln oder ist es einfach das Bedürfnis sich zu profilieren?
(Alex)

Sich profilieren? Durch Gewalttätigkeit? ? - Versteh ich nicht.   :-\


Was die Selbstverteidigung angeht - vielleicht reagiert man schneller, besser, wenn man sich darin übt (wobei es sicher auf die Art der geübten Selbstverteidigung ankommt ...)?

Aber oft ist es ja bei z.B. einem gewalttätigen Überfall so, dass der Täter sich das Überraschungsmoment zu Nutze macht, dadurch einen "Vorteil" hat - und man somit u.U. sich gar nicht mehr allzu viel verteidigen kann - insbesondere als Frau gegen einen oder mehrere Männer. (Wenn bspw. der Angreifer einen von hinten niederschlägt und dann bewusstlos. - Das kann ganz schnell gehen bzw. ist die Frage wie schnell/spontan/sofort und auf welche Weise der Angegriffene dann noch reagieren kann.)
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: PlumBum am 29 Juni 2011, 09:02:04
Meine Erfahrung ist eher, das die Gewalt so ganz im allgemeinen in den letzten Jahren eher stark zurück gegangen ist. Keiner der Leute mit denen ich unterwegs bin hat in den letzten Jahren mehr ein Messer abbekommen. In meinem Umfeld gibt es immer weniger Prügeleien oder sonst irgendwelche besonderen gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Vor 5-10 Jahren habe ich das noch ganz anders erlebt. Da kam es öfters mal vor, das wer ein blaues Auge abbekam oder mal ein Messer im Bein stecken hatte.
(Anekdote: Mein Kumpel saß auf ner Bank beim Bahnhof. Ein anderer kam an, pöbelte, und stieß ihm dann ein Springmesser ins Bein. Mein Kumpel sprang vor Schreck auf und rannte mit dem Messer im Bein davon. Für uns die wir drum herum standen war es dann ein leichtes den entwaffneten Angreifen zu überwältigen und der Polizei zu übergeben.)
Inzwischen finde ich es was Gewalt angeht viel ruhiger als früher. In den Medien sieht man davon natürlich trotzdem immer mehr.

Was Kampfsport angeht... ich habe auch einige Jahre trainiert. Mir hat es sehr geholfen vor allem selbst wesentlich ruhiger zu werden. Es hat mir einen ganz anderen Blickwinkel auf viele Alltagssituationen gegeben. Ich habe gelernt mich zu besser zu beherrschen. Und mit der entsprechenden Einstellung kann man allgemein leichter durchs leben gehen. Und sei es nur, weil man jetzt besser durchs Gedränge in einer vollen Fußgängerzone kommt. Aber da wären wir auch wieder bei richtigem und falschen Trainingsansatz. Meiner Meinung nach gehört eigentlich zu wirklich jeder Sportart, wo es um Interaktion mit anderen Menschen geht, als aller erstes dazu, wie man mit anderen Menschen umgehen sollte.
Gerade wenn auch schon Kinder trainiert werden, kann der Sporttrainer eine wichtige Bezugsperson sein und einen gehörigen Anteil an der Erziehung haben.
Ich habe da auch schon negative Erfahrungen gemacht. Wenn ein Trainer den Schülern beibringt, das jeder der nicht der "eigenen Mannschaft" angehört ein Gegner ist und man jeden Gegner so lange fertig machen muss, bis der sich nicht mehr rührt, braucht man sich nicht wundern, wenn daraus ein Schläger wird.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 29 Juni 2011, 09:48:03
Immer und immer wieder hört man von Gewalttätigen ausschreitungen, Kriege und Proteste mal außen vor. Hier schlägt einer einen Obdachlosen scheinbar grundlos zusammen, dort kommt es zu einer Prügelei. Ich rede jetzt nicht nur von den Extremfällen, die in den Medien breitgetreten werden, sondern von dem, was auf der Straße so passieren kann und auch ab und an passiert. Kommt es mir so vor oder steigt die Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft? Liegt das an dem zu wenig regulierten Zugang zu Rauschmitteln oder ist es einfach das Bedürfnis sich zu profilieren? Oder sind es gar zu milde Strafen, auch in Bezug auf Minderjährige, die es ermöglichen dass Gewalt so exessiv gelebt werden kann?
Du fragst manipulativ, weil du verschiedene Fragen vermischst. Die Fragen, ob wir in unserer Gesellschaft einen zu leichten Zugang zu Rauschmitteln haben oder wir mehr Law-and-Order in unserem Land brauchen, nimmt die Antwort auf Deine erste Frage vorweg.

Anhand der Statistik kann ich nur sagen: Die Antwort auf Deine erste Frage "Kommt es mir so vor oder steigt die Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft?" lautet: ja, es kommt Dir nur so vor.


Jahr   Gewalt-  Gewalt-
          delikte    delikte
           in HH    je 1000 Einw.
-----------------------------------------
1990   7001   4,1
1991   7913   4,7
1992   8114   4,7
1993   9210   5,4
1994   7652   4,5
1995   8882   5,2
1996   9322   5,5
1997   10277   6,0
1998   9675   5,7
1999   9254   5,5
2000   9816   5,8
2001   9554   5,6
2002   8817   5,1
2003   9139   5,3
2004   9108   5,3
2005   8916   5,2
2006   8978   5,2
2007   8866   5,1
2008   8846   5,1
2009   9574   5,5

(Quelle: Statistik Nord)

Damit erübrigen sich eigentlich die Antworten auf Deine übrigen Fragen. Dennoch ein Wort dazu: nein, wir brauchen keinen neunen Schill. Und nein, Menschen werden nicht gewalttätig, wenn sie zu viel kiffen.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: t_g am 29 Juni 2011, 10:02:41
irgendwie verstehe ich das nicht. Sagt diese Statistik nicht genau das Gegenteil? Nämlich dass die Delikte pro 1000 Einw. von 4,1 auf 5,5 gestiegen sind?
Und THC ist nur eines von ganz vielen Rauschmitteln. ;)
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 29 Juni 2011, 10:14:33
irgendwie verstehe ich das nicht. Sagt diese Statistik nicht genau das Gegenteil? Nämlich dass die Delikte pro 1000 Einw. von 4,1 auf 5,5 gestiegen sind?
So kann man es natürlich auch lesen. Oder aber zwischen 1997 und 2009 von 6,0 auf 5,5 gesunken. 8)
Aufgrund des "statistischen Rauschens" (auch Zufall genannt) macht es aber wenig Sinn, sich einzelne Jahre herauszupicken.
Der Mittelwert der Gewalttaten liegt in den vergangenen 20 Jahren bei 5,22 pro Jahr und 1000 Einwohner. Die Standardabweichung (http://de.wikipedia.org/wiki/Standardabweichung) über die vergangenen 20 Jahre liegt bei 0,45 Gewalttaten. Das bedeutet, dass alle Werte zwischen 4,76 und 5,67 Gewalttaten (Mittelwert +/- eine Standardabweichung) im Bereich des normalen liegen.  Die Jahre 1990 und 1994 stellen leichte Ausreißer nach unten dar, die Jahre 1997, 1998 und 2000 leichte Ausreißer nach oben.
Von einem Trend würde ich frühestens dann sprechen, wenn in drei aufeinanderfolgenden Jahren Ausreißer in eine Richtung zu beobachten sind. Alles andere ist Zufallsrauschen, vielleicht weil im betreffenden Jahr am ersten Mai besonders schönes Wetter war, der HSV in derselben Liga wie St. Pauli spielte oder zufälligerweise ein Naziaufmarsch mehr stattgefunden hat als im Vorjahr, oder oder oder...

Und THC ist nur eines von ganz vielen Rauschmitteln. ;)
Meine Erfahrung ist, dass bei Law&Order-Rufen ungern differenziert wird.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Schattenwurf am 29 Juni 2011, 10:20:09
Zitat
1990   7001   4,1
1991   7913   4,7
1992   8114   4,7
1993   9210   5,4
Der Anstieg nach '89 liegt daran das die ganzen Ossis rübergemacht haben  ;D
Das würde jetzt implizieren das Ossis gewaltbereiter sind ...
was ich auch so unterschreiben kann ...
liegt wohl an den breiten bildungsfernen Schichten die es dort gab ...
im Staat der Bauern und Arbeiter

/Ironieoff

Die subjektive Wahrnehmung der Gewaltzunahme ist wohl den Medien geschuldet ...
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Simia am 29 Juni 2011, 11:02:46
Meine Erfahrung ist eher, das die Gewalt so ganz im allgemeinen in den letzten Jahren eher stark zurück gegangen ist
...

Ihr seid allerdings nun auch 5 - 10 Jahre älter. Da strahlt man möglicherweise auch was anderes aus (sowas Reifes, Gesetztes :P), das das mögliche Schema "solcher Leute" kaum noch berührt (je nachdem ob Überfall oder Kräftemessen etc.). Will sagen, dass die Altersverteilung auch noch eine Rolle spielen könnte.

Zitat von: Kallisti
Sich profilieren? Durch Gewalttätigkeit? ? - Versteh ich nicht.

Wenn Gewalt die Sprache ist, die sowohl Elternhaus als auch Clique sprechen, ist das in diesem Bereich ein "probates" Mittel, sich Respekt zu verschaffen und zu zeigen, dass man sich "durchsetzen" kann. Denen braucht man dann auch nicht damit zu kommen, dass Gewalt ein Armutszeugnis ist und man es erstmal anders versuchen sollte. Da könnte man genauso versuchen, den psychisch gestörten Champion diverser Hundekämpfe zum Familienhund zu machen (ich will damit jetzt nicht den Sinn von Resozialisierungsmaßnahmen in Frage stellen).

Zitat von: Kallisti
Aber oft ist es ja bei z.B. einem gewalttätigen Überfall so, dass der Täter sich das Überraschungsmoment zu Nutze macht, dadurch einen "Vorteil" hat - und man somit u.U. sich gar nicht mehr allzu viel verteidigen kann - insbesondere als Frau gegen einen oder mehrere Männer. (Wenn bspw. der Angreifer einen von hinten niederschlägt und dann bewusstlos. - Das kann ganz schnell gehen bzw. ist die Frage wie schnell/spontan/sofort und auf welche Weise der Angegriffene dann noch reagieren kann.)

Es kann natürlich sein, dass auf einmal einer aus dem Gebüsch springt und man erstmal wie paralysiert ist. Aber in vielen "Systemen" trainiert man auch seine Intuition bzw. kommt das mit der Zeit, so dass sich einem die sprichwörtlichen Nackenhaare aufstellen oder man intuitiv einer Gruppe von Leuten ausweicht, die zunächst harmlos scheint. Man mag von Intuition etc. halten, was man will, aber es funktioniert. Dazu gehört auch das Gespür dafür, dass sich eine Kampfsituation entwickelt und dann sollte man selber der erste sein (sofern man sieht, dass es sich zuspitzt und keine andere Möglichkeit mehr gibt - und dann muss man auch nicht warten, bis man zuerst einen sitzen hat -> am Ende muss man das eben nur glaubhaft rüberbringen, dass der andere durchaus auch Interesse daran hatte, einem wehzutun  8)).
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 29 Juni 2011, 23:08:25
Zitat
Quote from: PlumBum on Today at 08:02:04

    Meine Erfahrung ist eher, das die Gewalt so ganz im allgemeinen in den letzten Jahren eher stark zurück gegangen ist
    ...


Ihr seid allerdings nun auch 5 - 10 Jahre älter. Da strahlt man möglicherweise auch was anderes aus (sowas Reifes, Gesetztes :P), das das mögliche Schema "solcher Leute" kaum noch berührt (je nachdem ob Überfall oder Kräftemessen etc.). Will sagen, dass die Altersverteilung auch noch eine Rolle spielen könnte.
(Simia)


... Da bin ich mir ganz sicher, dass das Alter eine große Rolle spielt!! Hat wohl wieder was mit Biologie (Hormonen ...) zu tun. Man weiß ja nun mal, dass Jungmännchen gewaltbereiter bzw. schneller gewaltbereit und gewalttätig sind als ältere Semester.
So ab/um die Mitte/Ende 20/Anfang 30 beruhigt sich das bei den Herren.  ;)
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: PlumBum am 30 Juni 2011, 07:50:30
Natürlich hat das was mit dem alter zu tun. Auch mit dem Umfeld, Wohnort und dem Freundeskreis. Mit den verwendeten Fortbewegungsmitteln, dem Job, dem Wetter... allem möglichen... aber alles das ändert nichts daran, das ich in meiner natürlich subjektiven Wahrnehmung inzwischen wesentlich weniger Gewalt in meiner Umgebung wahrnehme als früher.
Geht es hier irgendjemandem anders? Nimmt hier irgendwer mit den Jahren immer mehr Gewalt so in seinem direktem Umfeld wahr? Und ich meine jetzt ausdrücklich nicht durch die Medien, sondern wirklich um sich herum.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 01 Juli 2011, 00:28:18
Zitat
Natürlich hat das was mit dem alter zu tun. Auch mit dem Umfeld, Wohnort und dem Freundeskreis. Mit den verwendeten Fortbewegungsmitteln, dem Job, dem Wetter... allem möglichen...
(PlumBum)

Ja, "alles mögliche" kann eine Rolle spielen - aber das Alter ganz entscheidend halt auch - und das auch unabhängig von den anderen Faktoren.

Zitat
Physische Gewalt nimmt mit zunehmendem Alter linear ab.
Zitiert aus:
http://sport.uni-paderborn.de/gewalt/pdf/3-4Mikrostrukturelle-Bedingungen-von-Gewalt.pdf


Interessant ist dabei doch auch der Geschlechtervergleich - dass die Mädels eher (bzw. deutlich!) weniger gewalttätig werden/sind (auch wenn sie in gleich "schlechtem" Umfeld aufwachsen/leben wie Jungen) als Jungen bzw. männliche Jugendliche und Adoleszente.

Und dass natürlich Alkohol fast immer eine gewichtige Rolle spielt, ist ja nun auch keine neue Erkenntnis.  ;)
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 01 Juli 2011, 16:44:49

Jahr   Gewalt-  Gewalt-
          delikte    delikte
           in HH    je 1000 Einw.
-----------------------------------------
1990   7001   4,1
1991   7913   4,7
1992   8114   4,7
1993   9210   5,4
1994   7652   4,5
1995   8882   5,2
1996   9322   5,5
1997   10277   6,0
1998   9675   5,7
1999   9254   5,5
2000   9816   5,8
2001   9554   5,6
2002   8817   5,1
2003   9139   5,3
2004   9108   5,3
2005   8916   5,2
2006   8978   5,2
2007   8866   5,1
2008   8846   5,1
2009   9574   5,5

(Quelle: Statistik Nord)
Kleines Update, da ich eben den aktuellen Polizeibericht von 2010 gesehen habe: Im letzten Jahr gab es in Hamburg 8608 zur Anzeige gebrachte Gewalttaten, also 4,8 pro 1000 Einwohner.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: PlumBum am 01 Juli 2011, 23:22:01
Kleines Update, da ich eben den aktuellen Polizeibericht von 2010 gesehen habe: Im letzten Jahr gab es in Hamburg 8608 zur Anzeige gebrachte Gewalttaten, also 4,8 pro 1000 Einwohner.
Oh nein... die Zahl der Gewalttaten sinkt ja ins Bodenlose... wenn das so weitergeht, haben wir bald gar keine Gewalt mehr... schnell, prügelt euch um die Statistik zu retten!
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 02 Juli 2011, 02:09:23
Oh nein... die Zahl der Gewalttaten sinkt ja ins Bodenlose... wenn das so weitergeht, haben wir bald gar keine Gewalt mehr... schnell, prügelt euch um die Statistik zu retten!
Wie zuvor dargelegt, liegt 4,8 Gewalttaten pro 1000 EW vollkommen im Normalbereich. Auch wenn Ahlhaus sich für seinen Wahlkampf zwei Zahlen aus Einzeljahren rausgepickt hat und damit versucht hat, einen Kriminalitätsrückgang von 25% als seinen Verdienst zu reklamieren.

Btw. in diesem Kontext ganz interessant: Das Lüchow-Dannenberg-Syndrom (http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCchow-Dannenberg-Syndrom) - mehr Polizeipräsenz verursacht mehr Kriminalität.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: K-Ninchen am 02 Juli 2011, 15:00:55
Btw. in diesem Kontext ganz interessant: Das Lüchow-Dannenberg-Syndrom (http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCchow-Dannenberg-Syndrom) - mehr Polizeipräsenz verursacht mehr Kriminalität.

Schwierig zu sagen... Zitat aus dem selben Artikel:
Zitat
Tatsächlich hat aber die Präsenz der Polizei als solche nicht zu einem Anstieg der Kriminalität geführt. Vielmehr ist das Dunkelfeld der Kriminalität kleiner, also die Anzahl der bekanntgewordenen Straftaten größer geworden.

Interessant ist aber auch, dass die Aktivitäten von Ronald Schill, der so in den Jahren 2002-2005 aktiv war, sich nicht wirklich merkbar auf die Polizeistatistik ausgewirkt haben.

Die reine Zahl der gemeldeten Straftaten ist ein schwieriges Messinstrument, besonders, wenn es einen Graubereich gibt von Straftaten, die nicht zur Anzeige gebracht werden. Sei es aus Scham oder Angst der Opfer oder warum auch immer. Rein hypothetisch: Würde z.B. bekannt, dass ein Straftäter an einem Opfer Rache genommen hätte, würden die Statistiken sehr wahrscheinlich sinken, nicht weil weniger Straftaten begangen werden, sondern weil sich weniger Opfer trauen, Anzeige zu erstatten, aus Angst vor Rache oder weil sie kein Vertrauen in die Polizei und/oder Justiz haben.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 02 Juli 2011, 15:58:24
Das ist ein gewichtiges Argument: Was nützt Statistik, wenn die "Dunkelziffer" unbekannt ist - wenn eben viele Straftaten nicht angezeigt werden - vielleicht auch, aus Resignation - weil die Opfer nicht mit "Erfolg" rechnen bzw. die Erfahrung/Praxis zeigt, dass Straftäter nicht gefunden oder nicht "belangt werden" können ...

Auch den Rache-Aspekt kann ich nachvollziehen (als Grund, eine Straftat nicht anzuzeigen) - und ja, Scham spielt ja insbesondere bei "sexuellen Übergriffen" eine große Rolle - leider immer noch.

Was also können solche Statistiken dann eigentlich letztlich aussagen/aufzeigen?




Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 02 Juli 2011, 16:05:20
Natürlich gibt es immer eine Dunkelziffer, aber warum sollte die nicht genauso konstant sein wie die Zahl der angezeigten Straftaten, wenn doch die Rahmenbedingungen wie Polizeipräsenz über die Jahre hinweg in etwa gleichbleiben?

Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 02 Juli 2011, 16:35:56
Natürlich gibt es immer eine Dunkelziffer, aber warum sollte die nicht genauso konstant sein wie die Zahl der angezeigten Straftaten, wenn doch die Rahmenbedingungen wie Polizeipräsenz über die Jahre hinweg in etwa gleichbleiben?


Oh, das verstehe ich nun gar nicht (oder: wahrscheinlich völlig falsch ... ;) ). - Nur weil/wenn "die Rahmenbedingungen" (für Straftaten selbst oder: für die vermeintliche Vorbeugung/Vermeidung derselben?) mehr oder weniger unverändert bestehen, heißt das im Umkehrschluss, dass deshalb die Straftaten bzw. die Dunkelziffer für Straftaten auch (mehr oder weniger) unverändert bleibt?

Das würde ja heißen, dass es "irgendetwas oder jemanden" gäbe, das/der das so "plant", "steuert": dass also die Dunkelziffer für Straftaten (die also nicht angezeigt werden) in direkter Relation bzw. Abhängigkeit zu den Rahmenbedingungen steht?

Und wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, dann ändert sich auch die Dunkelziffer? - Auf welche Weise das?

Ich bin glaub ich grade wirklich "kognitiv überfordert".   ;D  Will sagen: Diese "Beziehung" schnall ich nicht.  ???  (Ich vermisse an dieser Stelle den smiley mit den drei Fragezeichen überm Kopf.)


Ist es nicht viel mehr so, dass der Begriff "Dunkelziffer" beinhaltet, dass man hierüber kaum eine Aussage machen kann - dass es sich um etwas nicht Greifbares, schlecht Erfassbares handelt? Daher finde ich, dass man auch kaum von einer konstant bleibenden "Dunkelziffer" sprechen kann.  ?


??? (Hier wieder o.gen. smiley vorstellen, bitte. Danke.  :D )

Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 02 Juli 2011, 16:39:15
Nenne einen Grund dafür, warum die Dunkelziffer schwanken sollte.

Die Zahl der angezeigten Gewalttaten bleibt ja auch über viele Jahre konstant, ohne dass "irgendetwas oder jemand" dies steuern würde.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 02 Juli 2011, 17:24:49
Na, die (unbekannte!) sogen. Dunkelziffer ist ja gerade nicht mit einer statistisch erfassten/bekannten (Zahl) vergleichbar. ?

Daher kann man doch aufgrund der Natur der Sache über eine Dunkelziffer nur sehr wenige Aussagen machen. ? Also auch über ihre "Schwankungen" keine.

Die statistischen Zahlen können "schwanken" - eben das lässt sich ja auswerten - aber wie (auf welche Weise, mit welcher Methode) soll eine Dunkelziffer "ausgewertet" und daher ihre "Schwankung(en)" bestimmt, benannt, erfasst werden können?

Warum die Zahl der statistisch erfassten Gewalttaten konstant bleibt, hat meiner Ansicht nach daher andere Gründe bzw. ist nicht vergleichbar mit der Dunkelziffer/Dunkelzahl - die man ja einfach nicht "messen", nicht wirklich erfassen, nicht auswerten kann.

?


Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 02 Juli 2011, 17:45:23
Schon mal was vom Gesetz der großen Zahlen (http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_der_großen_Zahlen) gehört?

Die Selbstmordrate in einer Gesellschaft bleibt doch auch über Jahre hinweg konstant, und das obwohl sich selbst umzubringen die persönlichste aller Entscheidungen ist und es jeder Mensch genau ein einziges mal erfolgreich schaffen kann. Es ist also immer andere Menschen, die sich umbringen. Nur halt jedes Jahr gleich viele.

Es macht statistisch gesehen keinen Unterschied, ob ich 2000 mal eine Münze werfe, 2000 mal mit einem Würfel würfele oder 2000 menschliche Handlungen betrachte. Bei konstanten Rahmenbedingungen bleiben auch die betreffenden Häufigkeiten - innerhalb eines bestimmten Konfidenzintervalls (http://de.wikipedia.org/wiki/Konfidenzintervall) - konstant.

Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: messie am 02 Juli 2011, 20:09:44
Ich folge da colourize' Logik.

Weiterhin denke ich, dass sich die Dunkelziffer lediglich dann verändert wenn es einen Grund dafür gibt, der sie vergrößern oder respektive verkleinern lässt.
Wenn beispielsweise ein Vergewaltigungsopfer vor Gericht Recht bekommt und dies in allen Medien steht, dann wird das vermutlich andere vergewaltigte Damen ermutigen, selbst Strafanzeige zu stellen.
Wenn wiederum selbst bei starken Indizien bei einem solchen Opfer der Täter nicht verurteilt werden kann weil z.B. die Polizei bei der Spurensicherung geschlampt hat, dann dürfte solch ein Fall vermutlich wiederum viele Frauen dazu motivieren die Klappe zu halten, weil sie glauben dass es bei ihnen genauso laufen würde.

Aber selbst hier kann man sich die Frage stellen, ob die Pro- versus Kontratrigger letztlich ebenfalls nicht gegenseitig aufheben. Freisprüche bei z.B. Vergewaltigungsprozessen gibt es ja genug, Verurteilungen ebenfalls.

Dass unter Schill nicht mehr Straftaten aufgedeckt werden konnten, wundert mich im Übrigen überhaupt nicht. Er kündigte zwar an mehr Polizisten einzustellen und damit möglich zu machen dass mehr Straftaten aufgedeckt werden, das ist de facto aber ja gar nicht passiert (bis auf eine Alibiaktion mit Polizisten aus Bayern). Kein Wunder, dass die Zahlen gleich blieben.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 03 Juli 2011, 03:54:17
Schon mal was vom Gesetz der großen Zahlen (http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_der_großen_Zahlen) gehört?

Die Selbstmordrate in einer Gesellschaft bleibt doch auch über Jahre hinweg konstant, und das obwohl sich selbst umzubringen die persönlichste aller Entscheidungen ist und es jeder Mensch genau ein einziges mal erfolgreich schaffen kann. Es ist also immer andere Menschen, die sich umbringen. Nur halt jedes Jahr gleich viele.

Es macht statistisch gesehen keinen Unterschied, ob ich 2000 mal eine Münze werfe, 2000 mal mit einem Würfel würfele oder 2000 menschliche Handlungen betrachte. Bei konstanten Rahmenbedingungen bleiben auch die betreffenden Häufigkeiten - innerhalb eines bestimmten Konfidenzintervalls (http://de.wikipedia.org/wiki/Konfidenzintervall) - konstant.


Nein, weder von dem einen noch dem anderen hatte ich bisher gehört. Und ja, es "überfordert" (?) mich. Denn:

Was die "2000 menschlichen Handlungen" (Beispiele also Straftat oder Suizid - wobei ich mich schon frage, wie du in diesem Zusammenhang nun ausgerechnet auf Selbsttötung kommst. bzw. ausgerechnet diese (im Thema) anführst - aber das ist eine andere Geschichte und soll ein ander Mal erzählt werden) betrifft - das Konfidenzintervall bezieht sich doch (wenn ich das richtig verstanden habe?) auf Schätzungen bzw. Schätzwerte bzw. das Gesetz der großen Zahlen auf Wahrscheinlichkeiten?

Ich verstehe noch nicht, inwieweit sich dies (Gesetz der großen Zahlen und Konfidenzintervall) auf die Dunkelziffer von Straftaten übertragen, anwenden lässt bzw. inwieweit diese beiden Phänomene, mathematischen Methoden eine Dunkelziffer erklären, welche Aussagen man mit ihrer Hilfe über eine Dunkelziffer machen kann?

Welche sind bei einem/für ein bzw. das Konfidenzintervall die "konstant bleibenden Rahmenbedingungen"?

Ich wiederhole mich: nach meinem bisherigen (?) Verständnis/Kenntnis des Begriffes "Dunkelziffer", ist diese nicht benennbar, nicht berechenbar, nicht bestimmbar. - Unabhängig von irgendwelchen "Rahmenbedingungen".

?


Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 03 Juli 2011, 05:17:21
Wir kennen nicht die Größe der Dunkelziffer. Wir wissen aber mit einiger Sicherheit, dass sie - konstante Rahmenbedingungen vorausgesetzt - konstant ist. Damit lässt sich die Zahl der Gewalttaten insgesamt (also angezeigte Gewalttaten plus Dunkelziffer) als lineare Funktion der angezeigten Gewalttaten interpretieren.

"Gewalttaten insgesamt" = "angezeigte Gewalttaten" mal Faktor x

wobei für Faktor x gilt = 1 + Zahl der nicht angezeigten Gewalttaten, die auf eine angezeigte Gewalttat entfallen

Da die Zahl der Gewalttaten insgesamt folglich eine Funktion der angezeigten Gewalttaten ist, ist es völlig unerheblich, wie viele nicht zur Anzeige gebrachten Gewalttaten auf eine angezeigte Gewalttat entfallen, um anhand der Veränderung der Zahl der angezeigten Gewalttaten die Veränderungsrate der Gewalttaten insgesamt abzulesen.

Anders gesprochen: Die Höhe der Dunkelziffer ist völlig egal, um eine Aussage darüber zu treffen, ob unser Leben im Laufe der Zeit gefährlicher geworden ist oder nicht. Dafür reicht die Betrachtung der Veränderung der zur Anzeige gebrachten Gewalttaten völlig aus.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: messie am 03 Juli 2011, 11:32:52
Ich glaube, dass die Rahmenbedingungen im Großen und Ganzen gleich bleiben und deswegen auch die Dunkelziffer im Großen und Ganzen gleich bleibt.

Anders wäre es, wenn z.B. deutlich mehr Polizisten pro Person auf Achse sind (= höhere Wahrscheinlichkeit Täter zu entdecken, zu erwischen und damit die Dunkelziffer zu verkleinern) oder sich Meldungen massiv häufen, dass man bei Anzeige einer Straftat um sein Leben fürchten muss und einem die Polizei nicht verhindern konnte dass jemand sein Leben verlor (= Dunkelziffer steigt, weil der Faktor "Angst" eine Rahmenbedigung ist, die sich verändert, hier: Vergrößert, hat).

Kurz gesagt verstehe ich die Diskussion so:
Kallisti: "Woher willst du denn wissen, dass nicht mehr Straftaten nicht angezeigt werden?"
Colourize: "Weil bei gleichen Rahmenbedingungen sich Menschen in der Masse gleich verhalten, und ich halte die Rahmenbedingungen für gleichbleibend".

Interessant finde ich die Frage dennoch: Wenn nun zwei Jugendliche auf einem U-Bahnhof jemanden zu Brei schlagen, dies gefilmt wird und sie erwischt werden, was heißt das denn dann?

a) Menschen denken "mir kann passieren dass ich auf dem U-Bahnhof totgehe, also meide ich ihn künftig" -> Folge: Kriminalstatistik sinkt, weil Täter weniger Ziele vor Ort haben
b) Potenzielle Täter sehen dass auf U-Bahnhöfen Aggressionen ausleben nix bringt wegen Kamera, also machen sie es dort wo kein Auge zuguckt -> Kriminalstatistik bleibt gleich, lediglich "Anzeige gegen xy" wechselt gegen "Anzeige gegen Unbekannt"
c) Menschen verhalten sich ängstlicher auf Bahnhöfen, werden dadurch noch viel mehr zu potenziellen Opfern und die Täter langen öfters zu als vorher -> Kriminalstatistik steigt

Just aus diesen widersprüchlichen möglichen Konsequenzen solcher Meldungen glaube ich, dass sich die Effekte gegenseitig aufheben. Weswegen ich ebenfalls glaube, dass echt viel passieren muss, bis sich die äußeren Rahmenbedingungen spürbar verändern.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 03 Juli 2011, 11:54:08
Wir kennen nicht die Größe der Dunkelziffer. Wir wissen aber mit einiger Sicherheit, dass sie - konstante Rahmenbedingungen vorausgesetzt - konstant ist. Damit lässt sich die Zahl der Gewalttaten insgesamt (also angezeigte Gewalttaten plus Dunkelziffer) als lineare Funktion der angezeigten Gewalttaten interpretieren.

"Gewalttaten insgesamt" = "angezeigte Gewalttaten" mal Faktor x

wobei für Faktor x gilt = 1 + Zahl der nicht angezeigten Gewalttaten, die auf eine angezeigte Gewalttat entfallen

Da die Zahl der Gewalttaten insgesamt folglich eine Funktion der angezeigten Gewalttaten ist, ist es völlig unerheblich, wie viele nicht zur Anzeige gebrachten Gewalttaten auf eine angezeigte Gewalttat entfallen, um anhand der Veränderung der Zahl der angezeigten Gewalttaten die Veränderungsrate der Gewalttaten insgesamt abzulesen.

Anders gesprochen: Die Höhe der Dunkelziffer ist völlig egal, um eine Aussage darüber zu treffen, ob unser Leben im Laufe der Zeit gefährlicher geworden ist oder nicht. Dafür reicht die Betrachtung der Veränderung der zur Anzeige gebrachten Gewalttaten völlig aus.


Nee, das leuchtet mir immer noch nicht ein - der Punkt mit der konstant bleibenden Dunkelziffer, in Abhängigkeit zu bzw. bei konstant bleibenden Rahmenbedingungen. Denn:

Zitat
Adolphe Quetelet ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:

    * criminalità reale = alle wirklich begangenen Delikte
    * criminalità apparente = die den Behörden bekanntgewordenen Delikte
    * criminalità legale = die ab- und verurteilten Delikte

Zitat
[...]
Ferris Annahme bezüglich eines konstanten Verhältnisses bezog sich dabei auf eine Konstanz zwischen criminalità reale und apparente. Den vermuteten Zusammenhang betitelte Wadler 1908 als das „Gesetz der konstanten Verhältnisse“. (Heinz, 1972) Mithilfe dieser, nie empirisch bewiesenen theoretischen Grundannahme, wurden in der Folgezeit mit Hilfe der Kriminalstatistiken Rückschlüsse auf die Struktur, den Umfang und die Bewegung der Gesamtkriminalität gezogen, da diesen dank der vermuteten Konstanz repräsentative Aussagekraft zugeschrieben wurde. Dadurch wurde eine Verbrechenswirklichkeit geschaffen, die einer empirischen Überprüfbarkeit entbehrte, trotzdem immensen Einfluss auf die kriminologische Wissenschaft und Kriminalpolitik hatte. „So half sich die Kriminologie, Kriminalistik und Kriminalpolitik über das Dilemma des Dunkelfeldes bislang (grundsätzlich) mit der Hypothese von der Konstanz der Verhältnisse zwischen registrierter und tatsächlicher Delinquenz hinweg…“ (Schwindt, 2001) Ergebnisse der Dunkelfeldforschungen entlarvten aber das Gesetz der konstanten Verhältnisse in seiner ursprünglichen undifferenzierten Form als Mythos und führten zu entsprechenden Modifikationen. Dementsprechend zeigte sich, dass:

    * sich die Vermutung der konstanten Verhältnisse bezogen auf einen bestimmten geografischen Raum erstens nur bei schweren Straftaten und zweitens nur innerhalb von Streubreiten (Zufallsbereichen) zu bestätigen scheint und drittens nur für Zeiträume, die in politischer Hinsicht (noch) zusammengehören, z.B. (gleich bleibende) Anzeigebereitschaft
    * sich die Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld innerhalb eines Stadtgebietes bei bestimmten Delikten (z.B. Diebstahl) voneinander derart unterscheiden, dass neben hohen Hellfeldzahlen auch Dunkelfeldzahlen stehen bzw. umgekehrt neben niedrigen Hellfeldzahlen grundsätzlich auch niedrige Dunkelfeldzahlen festgestellt werden können. (Schwindt, 2001)

Somit kam es zu einer erneuten Umdefinition der Bedeutung der Kriminalstatistiken. Weg von einem repräsentativen Messinstrument der Kriminalitätswirklichkeit, hin zu einem Indikator für die Art, Struktur und Wandlung der strafrechtlichen Sozialkontrolle und einem damit zusammenhängenden Herstellungs- und Ausfilterungsprozess.
[...]

http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Dunkelfeld


außerdem


Zitat
Hellfeld

Als Hellfeld bezeichnet man diejenige Kriminalität, welche bei den offiziellen Behörden bekannt geworden ist und dadurch in den Kriminalstatistiken erfasst wird. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das sog. Hellfeld nicht eine objektive Verbrechenswirklichkeit abbildet, da z.B. Justizirrtümer, die in den Statistiken als kriminielle Handlungen erfasst werden, verfälschend wirken.
Dunkelzifferrelation

Da eine Angabe über die Größe des Dunkelfeldes als absolute Zahl nicht sinnvoll, bzw. nicht möglich ist, wurde versucht zumindest ein Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld, im Format 1:x (eine registrierte Tat zu x nicht registrierten Taten), anzugeben.
Dunkelfeldforschung

Die „Erhellung“ des Dunkelfeldes hat sich die „Dunkelfeldforschung“ zur Aufgabe gemacht. Das Ziel der Dunkelfeldforschung war und ist es, wirklichkeitsnahe und von den Strukturen der offiziellen Sozialkontrolle unabhängige Daten zu Umfang, Struktur, Entwicklung und Entstehungsbedingungen von Kriminalität zu erhalten. Auf die Dunkelfeldforschung wird vertiefend im nächsten Abschnitt eingegangen.
Absolutes vs. relatives Dunkelfeld

Kann das Dunkelfeld weder durch die Kriminalstatistiken noch durch die Dunkelfeldforschung erfasst bzw. aufgehellt werden, wird es als "absolut" bezeichnet.

Der Begriff "relativ" kennzeichnet dagegen ein Dunkelfeld, welches nicht durch die Kriminalstatistiken erfasst, aber durch die Dunkelfeldforschung aufgehellt werden kann.



(selbe Quelle wie oben)


oder hier

Zitat
Die Relation zwischen Hell- und Dunkelfeld ist nicht konstant. D.h. beispielsweise, dass aus einem Anstieg der registrierten Fälle einer bestimmten Straftat nicht geschlossen werden kann, dass diese Straftat tatsächlich häufiger begangen wurde. Die Größe des Hellfelds ist vor Allem abhängig von Kontrollverhalten der Polizei und Anzeigeverhalten der Bevölkerung.

Die Dunkelziffern variieren je nach Delikt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hellfeld_%28Kriminologie%29


Das heißt doch: Die Zahl der bekannten, statistisch erfassten Straftaten (Hellfeld) ist abhängig von "den Rahmenbedingungen", steht in Verhältnis zu diesen, nicht aber die Dunkelziffern/das Dunkelfeld.



Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 03 Juli 2011, 12:07:01
Zitat
Interessant finde ich die Frage dennoch: Wenn nun zwei Jugendliche auf einem U-Bahnhof jemanden zu Brei schlagen, dies gefilmt wird und sie erwischt werden, was heißt das denn dann?

a) Menschen denken "mir kann passieren dass ich auf dem U-Bahnhof totgehe, also meide ich ihn künftig" -> Folge: Kriminalstatistik sinkt, weil Täter weniger Ziele vor Ort haben
b) Potenzielle Täter sehen dass auf U-Bahnhöfen Aggressionen ausleben nix bringt wegen Kamera, also machen sie es dort wo kein Auge zuguckt -> Kriminalstatistik bleibt gleich, lediglich "Anzeige gegen xy" wechselt gegen "Anzeige gegen Unbekannt"
c) Menschen verhalten sich ängstlicher auf Bahnhöfen, werden dadurch noch viel mehr zu potenziellen Opfern und die Täter langen öfters zu als vorher -> Kriminalstatistik steigt

Just aus diesen widersprüchlichen möglichen Konsequenzen solcher Meldungen glaube ich, dass sich die Effekte gegenseitig aufheben. Weswegen ich ebenfalls glaube, dass echt viel passieren muss, bis sich die äußeren Rahmenbedingungen spürbar verändern.


messie - da komm ich gar nicht mit.  - Das sind alles einzelne hypothetische (von dir subjektiv so angenommene, aber nicht "erforschte", nicht empirisch belegte) Umstände - daher lässt sich aus ihnen auch kein logischer bzw. kein auf Fakten beruhender Schluss ziehen (-> z.B. der, dass die Effekte sich gegenseitig aufheben).

Und ich verstehe aus diesem Grund auch nicht, weshalb 
Zitat
echt viel passieren muss, bis sich die äußeren Rahmenbedingungen spürbar verändern.
  ?


Zitat
Kurz gesagt verstehe ich die Diskussion so:
Kallisti: "Woher willst du denn wissen, dass nicht mehr Straftaten nicht angezeigt werden?"
Colourize: "Weil bei gleichen Rahmenbedingungen sich Menschen in der Masse gleich verhalten, und ich halte die Rahmenbedingungen für gleichbleibend".

(messie)


Nicht ganz. - colourize sagt:

Die Dunkelziffer bleibt bei konsant bleibenden Rahmenbedingungen genauso konstant wie die statistisch erfasste/bekannte Zahl (von Straftaten).

Die Dunkelziffer bleibe also genau deshalb konstant, weil und so lange die Rahmenbedingungen (welche jetzt eigentlich? Rahmenbedingungen wofür genau - für die Erfassung von Straftaten? Für die Vorbeugung von Straftaten? Für die Möglichkeit des Begehens von Straftaten? Und: von welchen Straftaten - oder von allen prinzipiell/allgemein/zusammengefasst??) konstant bleiben.

Ich frage:

Womit kann colourize aufzeigen, dass es sich so verhält - wodurch kann er die (von ihm beschriebene!) Relation konstante  Dunkelziffer bei konstanten Rahmenbedingungen "belegen", "beweisen"?

Er behandelt die Dunkelziffer (oder Dunkelzahl, Dunkelfeld) wie eine messbare, genau definierbare und entsprechend behandelbare "Größe". - Dem kann ich (noch?) nicht folgen.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 03 Juli 2011, 12:41:40
Dann geb ichs nun auf das erklären zu wollen. Bin da mit meinem Latein am Ende und weiß nicht, wie ich es noch erklären könnte. :o
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: messie am 03 Juli 2011, 13:04:23
Zitat
Womit kann colourize aufzeigen, dass es sich so verhält - wodurch kann er die (von ihm beschriebene!) Relation konstante  Dunkelziffer bei konstanten Rahmenbedingungen "belegen", "beweisen"?

Moment, sehe ich das jetzt richtig dass du gar nicht anzweifelst, dass die Rahmenbedingungen konstant sind?
Dann ist das mir auch zu hoch. Denn für mich ist es so logisch wie nur irgendwas, dass sich bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen sich die Menschen in ihrer Masse auch gleich verhalten.
"In ihrer Masse" schreibe ich deswegen, weil es natürlich immer Ausnahmen geben wird die die Regel bestätigen, diese aber bei einer großen Menge an Menschen dennoch nicht den Mittelwert ernsthaft gefährden können.

Mal anders gesagt: Wenn z.B. eine Umfrage nach "Aberglauben" gemacht wird, hat man dank dieser Umfrage eine Menge an Menschen, von denen man weiß dass sie die Straßenseite wechseln, wenn ihnen eine schwarze Katze entgegenkommt.
Nun ist es aber so, dass es die Rahmenbedingung gibt, dass öfters mal Menschen belächelt werden, wenn sie so etwas zugeben.
Also wird es Menschen geben die dies in einer Umfrage verheimlichen. Das wäre dann die sogenannte "Dunkelziffer".
Wenn man nun dieselbe Umfrage zu unterschiedlichen Zeitpunkten machen würde (z.B. 2000, 2010 und 2015), dann würde sich an der "Dunkelziffer" erst dann etwas ändern, wenn sich die Rahmenbedingung ändern würde. Beispielsweise, dass auf einmal Aberglauben als voll geil entdeckt wird und deswegen 2015 sich nicht mehr so viele Leute genieren: Die Anzahl der genannten Fälle stiege, während die Dunkelziffer sänke.

Es kommt lediglich drauf an, ob die Rahmenbedingungen dieselben sind oder nicht.
Das allerdings ist in meinen Augen (wohl nicht in deinen, wenn ich es richtig verstanden habe) die Gretchenfrage, jene, die gerne mal angezweifelt wird.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: SoylentHolger am 03 Juli 2011, 13:43:27
Zu schlimmsten NPD Wahlerfolgszeiten habe ich mir mal die BKA Statistik zu Gewaltverbrechen runtergeladen.
Mein Ergebnis: Gewalt korreliert mir der Bevölkerungsdichte, soll heißen - je dichter die Bevölkerung, desto höher die Dichte der Gewaltverbrechen.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 03 Juli 2011, 13:44:13
Ja ... also jez krieg ich das auch bald selber nicht mehr sortiert.   :-\


Aber messie - ja, ich zweifle nicht an, ob/dass die Rahmenbedingungen konstant bleiben (können), sondern dass die Dunkelziffer konstant bleibt, wenn/weil die Rahmenbedingungen konstant bleiben.

Auf dein letztes Beispiel (Aberglaube) bezogen, denke ich halt nicht, dass sich das so verhält - dass die Rahmenbedingungen genau diesen (direkten, "konsequenten" oder gar zwangsläufigen und beständigen) Einfluss auf das Verhalten von Menschen haben.

Also nur weil die Rahmenbedingungen so oder so sind, lässt sich daraus meiner Ansicht nach eben nicht auf das Verhalten von Menschen schließen - jedenfalls nicht im nicht messbaren Bereich (des Dunkelfeldes), weil man eben hierüber ja kaum etwas weiß und aussagen kann. - Nur da, wo man etwas untersuchen, beobachten, aufklären und auswerten kann ("Hellfeld" bzw. statistisch erfasste, also: bekannte Fälle), kann man den Zusammenhang bzw. das Verhältnis zu den Rahmenbedingungen auch aufdecken, aber nicht im "unbekannten", unsichtbaren, also "dunklen" Bereich.

Bei deinem Beispiel hieße das:

Nur weil die Rahmenbedingungen sind, dass Leute wegen Aberglaube nicht ernst genommen, belächelt ... werden (also negative Reaktionen auf ihr Verhalten erhalten) und (zweite "Rahmenbedingung"?) ihnen bzw. einigen  Menschen das peinlich, unangenehm ... ist (also: von denen das so bekannt ist!), lässt sich daraus m.A.n. also nicht ableiten/folgern, dass es 1. der überwiegenden Mehrheit so ergeht. Und 2. dann auch vor allem nicht, dass sich deshalb diese Mehrheit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf bestimmte Weise verhält (also nicht über ihren Aberglauben spricht, wie du schriebst)


Mit anderen Worten: Die Rahmenbedingungen (dass Leute "belächelt" werden, was vielen unangenehm ist) können durchaus so sein und konstant bleiben, welches Verhalten das aber bei (vielen, unterschiedlichen, unbekannten) Menschen (mehrheitlich! und sehr wahrscheinlich bzw. fast sicher) zur Folge hat, lässt sich meiner Meinung nach daraus nicht ableiten.



Irgendwie hab ich bloß grade das Gefühl, dass wir hier nicht (mehr) über die Dunkelziffer reden, sondern über was ganz anderes.  ???
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kallisti am 03 Juli 2011, 13:45:07
Zu schlimmsten NPD Wahlerfolgszeiten habe ich mir mal die BKA Statistik zu Gewaltverbrechen runtergeladen.
Mein Ergebnis: Gewalt korreliert mir der Bevölkerungsdichte, soll heißen - je dichter die Bevölkerung, desto höher die Dichte der Gewaltverbrechen.


Ja, das wiederum liegt ja auf der Hand, finde ich.   ;D

Aber es sagt nicht wirklich viel über die tatsächliche oder auch nur zu schätzende (unbekannte, "dunkle") Zahl der (stattfindenden) Gewaltverbrechen aus.  Oder?
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Philomel am 03 Juli 2011, 13:58:47
Um noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Kampfkunst/sport oder Selbstverteidigung zu lernen empfinde ich persönlich immer als eine gute Idee. Dadurch entsteht aber kein menschliches Wettrüsten, denn wenn man den Kram richtig lernt, liegt der Schwerpunkt in jedem Fall auf Verteidigung und nicht Angriff bzw. eher noch auf Kampfvermeidung und Konfliktdeeskalation, Weglaufen eingeschlossen. So ist z.B. die erste Regel im Shotokan-Karate "Tue niemals den ersten Schlag".
Wirklich problematisch empfinde ich Menschen, die sich nach übermäßigem Konsum diverser Kampffilme als "Kämpfer" verstehen und das unbedingt mal testen müssen.

Mir ist schon oft aufgefallen, dass Menschen, die mit einer Kampfkunstart anfangen, sich dadurch anders (ver)halten. In der Regel gehen sie dann aufrechter, schauen sich mehr um und gehen - im Idealfall - aufmerksamer durchs Leben. Dadurch erhält man einen besseren Überblick über Situationen, kann diese oft besser einschätzen und dementsprechend reagieren. Außerdem passen solche Menschen dann eher nicht in ein "Opferschema" und werden seltener angegriffen. Denn aggressive Menschen sind irgendwo auch immer Feiglinge. Um sich profilieren zu können, müssen sie ihren Kampf ja gewinnen, weswegen sie sich als schwächer wahrgenommene Personen aussuchen.

Ich selber bin zum Glück noch nie wirklich bedroht worden, bin aber in ein paar wenige Situationen geraten, die in Gewalt hätten eskalieren können. Die konnte ich verbal schlichten. Zwischen Kindern konnte ich einige Prügeleien schon beenden, aber da hat man als Erwachsener eh einen körperlichen Vorteil. Obwohl es schon einen Unterschied macht, ob man Angst hat, getroffen zu werden, oder halt nicht. Wenn ich Erwachsene sich prügeln sehe, ist mindestens einer davon stark betrunken, und da würde ich rein aus Selbstschutz nie eingreifen, außer durch das Rufen der Polizei.

Angst ist bei solchen Situationen eh ein ausschlaggebender Faktor. In der Regel hilft es ungemein, sehr ruhig zu bleiben. Ängstliche Reaktionen geben dem Angreifer ein Gefühl von Macht, aggressive Reaktionen stacheln den Anderen meist nur an. Um in gefährlichen Situationen eine solche Ruhe bewahren zu können, hilft wiederum eine Ausbildung in einer Kampfart.

Die durch die Medien so ins Zentrum gerückte Gewalttätigkeit von Jugendlichen hat, meiner Meinung nach, viel mit der Perspektivlosigkeit dieser Jugendlichen zu tun, wie Simia ja auch schon anführte.

Eine kleine Sache:
Allgemein wird ja unterteilt in Kampfsportarten (Karate, Judo, Taekwondo), Kampfkünste (Escrima, Ninjutsu, Systema), Selbstverteidigungssysteme und Militärische Nahkampfsysteme, wobei die Grenzen fließend sind. Aber das Selbstbewusstsein (was auch bedeutet, seine Grenzen zu kennen) wird in jedem Fall ausgebaut und das greift dann auch im Ernstfall, das ist oftmals schon mehr als die halbe Miete, egal welche Technik man im Einzelnen anwendet und warum man in seinen Verein eingetreten ist.

Äh, Karate gehört mit zu den Kampfkünsten. Wenn ich den Kram nicht falsch gelernt habe, besteht die Unterscheidung darin, dass Kampfkünste Körper wie Geist trainieren, es steckt also eine Art Philosophie oder sogar Ideologie dahinter, während Kampfsportarten (z.B. Kickboxen) sich auf das Körperliche konzentrieren. Ansonsten stimme ich dir zu ;)
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Simia am 03 Juli 2011, 14:18:39
Mir ist schon oft aufgefallen, dass Menschen, die mit einer Kampfkunstart anfangen, sich dadurch anders (ver)halten. In der Regel gehen sie dann aufrechter, schauen sich mehr um und gehen - im Idealfall - aufmerksamer durchs Leben. Dadurch erhält man einen besseren Überblick über Situationen, kann diese oft besser einschätzen und dementsprechend reagieren. Außerdem passen solche Menschen dann eher nicht in ein "Opferschema" und werden seltener angegriffen. Denn aggressive Menschen sind irgendwo auch immer Feiglinge. Um sich profilieren zu können, müssen sie ihren Kampf ja gewinnen, weswegen sie sich als schwächer wahrgenommene Personen aussuchen.

schön formuliert

Eine kleine Sache:
Äh, Karate gehört mit zu den Kampfkünsten. Wenn ich den Kram nicht falsch gelernt habe, besteht die Unterscheidung darin, dass Kampfkünste Körper wie Geist trainieren, es steckt also eine Art Philosophie oder sogar Ideologie dahinter, während Kampfsportarten (z.B. Kickboxen) sich auf das Körperliche konzentrieren. Ansonsten stimme ich dir zu ;)

Soweit ich weiß, wird in vielen Kampfsportarten auch wert auf die innere Entwicklung gelegt. Ich wollte darauf raus, dass Kampfsportarten sich unter anderem durch die generelle Existenz sportlicher Wettkämpfe bzw. ein Kräftemessen nach einigermaßen festen Regeln charakterisieren, was bei Kampfkünsten im engeren Sinne nicht der Fall ist. Das kommt aber auch stark auf den jeweiligen Stil/Richtung in dem System an. Unter Umständen wäre Escrima dann nämlich auch eine Kampfsportart. Viele Systeme lassen sich wohl nicht 100% zuordnen. Es ist ja auch eine Frage der Entwicklung innerhalb des Systems, also wieviel Gewicht man sportlichem Wettkampf beimisst und wieviel "Kampfkunst" noch übrig bleibt. Gerade Karate ist zu komplex, um eine generelle Aussage treffen zu können, da hast Du wohl recht.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: colourize am 03 Juli 2011, 14:28:27
Zu schlimmsten NPD Wahlerfolgszeiten habe ich mir mal die BKA Statistik zu Gewaltverbrechen runtergeladen.
Mein Ergebnis: Gewalt korreliert mir der Bevölkerungsdichte, soll heißen - je dichter die Bevölkerung, desto höher die Dichte der Gewaltverbrechen.
Ach? Das ist ja spannend. Wenn  man auf der Ebene von Städten und Landkreisen schaut, so mag das hinkommen. In kleinräumiger Betrachtung ist dies aber nicht zu bestätigen. Über die Hamburger Stadtteile jedenfalls lässt sich dieser empirische Befund kein Stück belegen. Die am dichtesten besiedelten Stadtteile Hamburgs (Eimsbüttel und Hoheluft mit 17.000 bzw. 18.000 Einwohner/km²) gelten auch nicht gerade als Hochburgen der Gewaltkriminalität. Ich habe gerade mal mit den 2009er Zahlen  (http://www.statistik-nord.de/fileadmin/regional/regional.php)(nur Stadtteile mit mehr als 500 Einwohnern) eine Korrelation (http://de.wikipedia.org/wiki/Korrelationskoeffizient) zwischen Einwohnerdichte und Gewalttaten pro 1000 Einwohner gerechnet und komme auf einen mickrigen Zusammenhang von r=0,05.

Wenn ich NPD'ler wäre würde ich nun mein Ergebnis der Korrelationsanalyse der beiden Variablen "Gewalttaten pro 1000 Einwohner" und "Ausländeranteil" dagegenhalten: diese beiden bringen es (betrachtet auf der Ebene der Stadtteile) auf einen richtig feisten Zusammenhang von r=0,42. 8) Wo viele Ausländer leben gibt es also auch viel Kriminalität. Oder, wie es die Nazis ausdrücken würden: "Die Statistik zeigt: Ausländer sind kriminell."

Da ich aber kein Nazi bin, toppe ich die gemessene Korrelation zwischen Gewaltkonzentration und Ausländerdichte noch einmal: Ein noch höherer Zusammenhang als zwischen Ausländeranteil und Gewaltdichte lässt sich für die Zahl der niedergelassenen Ärzte in einem Stadtteil und die Zahl der Gewalttaten pro 1000 Einwohner erkennen (r = 0,60). Die - offensichtlich - gemeingefährlichen und gewalttätigen Ärzte werden nur noch durch die Apotheker übertroffen: Je höher die Zahl der Apotheken (pro 1000 Einwohner) in einem Stadtteil ist, desto höher ist dort auch die Quote der Gewalttaten (r=0,63). Dagegen wirkt die Zahl der Handwerksbetriebe in einem Stadtteil mit r=0,45 fast harmlos, obgleich die Handwerker über durchsetzungsfährigeres Werkzeug zur Durchführung von Gewalttaten verfügen. :D

Die Lösung von dem Rätsel ist natürlich einfach: Die Zahl der Gewalttaten pro 1000 Einwohner ist - genau wie die Zahl der Apotheken, Ärzte, Handwerker etc. - eine Funktion der Zentralität eines Ortes (http://de.wikipedia.org/wiki/System_der_Zentralen_Orte). Wo nur wenige Menschen wohnen, aber viele Menschen einen Grund haben tagsüber hinzugehen, dort gibts eben auch eher mal eine Auseinandersetzung. So könnte man sagen, dass - gemessen an der Zahl der Einwohner! - Hamburg Altstadt das gefährlichste Pflaster in Hamburg ist (84 Gewalttaten pro 1000 Einwohner im Jahr 2009), gefolgt von St. Pauli (72), St. Georg (64), Hammerbrook (hier lebt nun wirklich fast überhaupt niemand: 43). Sternschanze ist mit 24 Gewalttaten pro 1000 Einwohner auf Platz 5. Ergo: Wo am meisten Tagbevölkerung unterwegs ist (gleich ob zur Freizeit, Arbeit oder Einkaufen), dort passiert auch am meisten.

Der Zusammenhang zwischen Gewaltkriminalität und Ausländeranteil erklärt sich übrigens daher, dass in den 1970er Jahren viele Ausländer Wohnraum in den innenstadtnahen Altbauquartieren gefunden haben und auch dort der Ausländeranteil heute noch im Vergleich zur Gesamtstadt erhöht ist (insb. St. Pauli und St. Georg). Dies sind zugleich auch genau die Stadtteile, in denen eine vergleichsweise hohe Konzentration zentralörtlicher Funktionen (Geschäfte, Kneipen und Cafes etc.) zu finden ist.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: voll pöse am 03 Juli 2011, 14:39:13
Wie traurig die Welt aussehen würde, wenn diese dort enden würde wo auch die kogntitiven Fähigkeiten mancher Leute enden. Oder mit anderen Worten:"Du schnallst es nicht, es ist aber trotzdem richtig."
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: nightnurse am 03 Juli 2011, 16:50:50
Das sähe ich gerne ergänzt durch die Variante "was du glaubst, geschnallt zu haben, ist völlig falsch".

Tante Edith hebt den Zeigefinger: Um Missverständnissen vozubeugen, das hat nichts mit irgendwas zu tun, was hier zu lesen steht.
Ist nur etwas, was mir in letzter Zeit immer wieder begegnet.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Kuschel am 19 Juli 2011, 22:11:53
Also ich habe jetzt nicht alle posts gelesen, ich sehe das aber so:
Auch ich habe das Gefühl, dass die Gewalt immer mehr zunimmt. Und ich denke auch (wie schon gesagt), dass nicht die Rauschmittel an sich die Auslöser sind, sondern diese Grundaggression schon da ist und durch Rauschmittel (welcher Art auch immer) die Hemmschwelle herabgesetzt wird.

Auch ich war schon des öfteren (sehr) berauscht, aber nie aggressiv.

Die Grundaggression hat, so ist meine Vermutung, meist seine Ursache in der Erziehung bzw. dem Umgang mit der Person von klein auf. Wer nie gelernt hat, dass er liebenswert ist, dass er nicht allein ist, dass auch auf seine Bedürfnisse eingangen wird, der aber auch Grenzen aufgezeigt bekommt und diese einhalten muss, der wird auch im Jugendalter oder so sich eben so verhalten, dass man alles erkämpfen muss, im wahrsten Sinne des Wortes - auch Anerkennung...

Und wenn ich da z.T. sehe, wie viele Kinder ihre Freizeit verbringen, wird es mir himmelangst. Zum Glück gibt es aber auch immer wieder Kinder, die es anders und besser machen wollen, und bei ihren Kindern dann die "Kurve kriegen"
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Designer am 28 Juli 2011, 17:33:36
Ich habe subjektiv weder den Eindruck, dass die Gewalt zugenommen, noch dass sie abgenommen hätte.
So wie ich das sehe, hat sich da seit meiner Schulzeit nicht viel verändert in Hamburg.
Es kann natürlich sein, dass die Gewalt zugenommen hat und da ich aber gleichzeitig weniger in Kontakt mit Gewalt komme, gleicht sich das subjektiv aus und ich empfinde den Grad der Gewalt als gleichbleibend.
Auf jeden Fall mag ich keine Gewalt und ich will nach Möglichkeit nichts damit zu tun haben.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: schwarze Katze am 28 Juli 2011, 20:37:36
Ich habe subjektiv weder den Eindruck, dass die Gewalt zugenommen, noch dass sie abgenommen hätte.
So wie ich das sehe, hat sich da seit meiner Schulzeit nicht viel verändert in Hamburg.

Sehe ich genauso. Lebe mittlereweile mehr als 10 Jahre in Hamburg und habe nicht den Gefühl, dass hier gefährlicher geworden ist. Man trifft  zwar mehr agressive ausländische Jugendliche , dafür aber weniger genauso agressive Fixer, die von gute 10 Jahren eine echte Plage waren

Kampfsport zu lernen finde ich aber immer gut, weil es stärker und selbstbewusster macht. Und selbstbewusste Menschen werden seltener Opfer (laut Viktimologie).
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Designer am 28 Juli 2011, 21:01:22
Ich habe auch schon ewig keine Übergriffe mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln mehr erlebt. Hatte früher den Eindruck, dass das regelmäßig vorkam. Kann natürlich mit der öffentlichen Diskussion zu tun haben. Auch ein Vollassi hat so was wie Schamgefühl, wenn er merkt dass etwas doch nicht so cool ankommt.
Kann natürlich auch Zufall sein, dass ich nichts mehr davon mitbekomme. Oder es liegt an meinem Lebenswandel, also dass ich mich nicht mehr zu entsprechenden Zeiten an entsprechenden Orten aufhalte.
Ich muss mich also korrigieren: Ich habe gemeint, dass die Gewalt nicht zugenommen hätte, aber jetzt wo ich drüber nachdenke, habe ich sogar den Eindruck dass sie zurückgegangen ist.
Es wird zwar immer noch relativ häufig rumgepöbelt, aber das verstehe ich nicht unter Gewalt, auch wenn diese Szenarien manch einen vielleicht einschüchtern.
Titel: Re: Gewaltspirale ?!
Beitrag von: Spambot am 13 November 2011, 14:42:48
Hier  (http://www.welt.de/wissenschaft/article13711509/Mythos-von-der-Zunahme-von-Mord-und-Totschlag.html)mal ein Artikel zum Thema Zunahme/Abnahme von Gewaltdelikten.