Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: CubistVowel am 03 August 2010, 15:12:04

Titel: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 03 August 2010, 15:12:04
Ist der Umgang der Politiker, der Ämter und der Medien mit den "Hartz IV"-Empfängern eigentlich noch mit der Menschenwürde und den Menschenrechten vereinbar, die doch jedem Menschen ohne Rücksicht auf soziale Herkunft etc. zustehen?

ALG II-Empfänger werden in der Öffentlichkeit direkt und indirekt dargestellt als schwarzarbeitende Sozialschmarotzer, die gerne und mit voller Absicht arbeitslos sind, die ihre Kinder, die sie nur wegen des Kindergeldes produzieren, vernachlässigen, um sich lieber Alkohol und Zigaretten zu kaufen, die unmäßig und verantwortungslos Mietnebenkosten verursachen, den ganzen Tag dumm, fett und faul vor dem Fernseher hocken und auf Staatskosten in Saus und Braus (in sogen. "spätrömischer Dekadenz") leben. Sie gelten als verachtenswerte, lebensunfähige Loser, die quasi ganz allein die Schuld am desolaten Staatshaushalt tragen.

Es gibt Vorschläge, ihnen die Heizkosten zu streichen, sie in 25-qm-Wohnungen zu sperren, sie mit Gutscheinen zu entmündigen, ihnen das Sorgerecht zu entziehen, sie zu Kochkurse zu zwingen (!), wenn ihre Kinder zu dick sind. Es wird darüber gestritten, ob einem Arbeitslosen ein neuer PC gehören darf oder ob sein Kind von 2,50 Euro am Tag satt werden kann, und ob diesem Kind Sportverein und Musikunterricht überhaupt zustehen, da es ja sowieso als bildungsfern gilt. Oder ob ein Sozialhilfeempfänger auch mal mit Freunden ausgehen darf. Oder wieviel Zähne er im Mund haben muss und ob er bei Krankheit wirklich jedes Medikament braucht.

Man drängt die Arbeitslosen zu unterbezahlter Billiglohnarbeit (die Arbeitgeber freut's) oder verpflichtet sie gleich zu "Bürgerarbeit" oder 1-Euro-Jobs, die wiederum neue Arbeitslose schaffen, und gängelt sie mit falsch berechneten Bescheiden, unberechtigten Forderungen, Drohungen und Repressionen, die in ganz erheblichem Umfang von den Sozialgerichte wieder aufgehoben werden. Man steckt sie in meistens nutzlose Um-, Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen - oft gegen ihren Willen und wegen der Statistik. Man setzt sie der Willkür teils nur angelernter Sachbearbeiter aus und durchschnüffelt ihr Privatleben, ob man ihnen nicht doch irgendwie eine Bedarfsgemeinschaft anhängen könnte. Man drängt Jugendliche in Arbeit oder Lehre, auch wenn sie lieber eine weiterführende Schule besuchen möchten.  ...

Ich finde, so sollte man nicht mit Menschen umgehen. Dadurch nimmt man denen, die oftmals sowieso schon nichts mehr haben, auch noch einen Teil der Würde und Selbstbestimmung. Und der Motivation. Vielleicht bin ich einfach zu empfindlich. Aber mir stellt sich immer mehr die Frage, wie kalt es in Deutschland noch werden kann. Und warum wieder mal ausgerechnet die Schwächsten als Sündenböcke für eine seit Jahren verfehlte Sozialpolitik herhalten müssen. Vielleicht ist es die Angst vor dem eigenen Abstieg, die Menschen dazu verleitet, den Arbeitslosen jeden einzelnen Cent zu missgönnen... Oder der Neid auf vermeintlich unverdiente Leistungen vom Staat.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: tyrannus am 03 August 2010, 15:31:14
Ist der Umgang der Politiker, der Ämter und der Medien mit den "Hartz IV"-Empfängern eigentlich noch mit der Menschenwürde und den Menschenrechten vereinbar, die doch jedem Menschen ohne Rücksicht auf soziale Herkunft etc. zustehen?

ALG II-Empfänger werden in der Öffentlichkeit direkt und indirekt dargestellt als schwarzarbeitende Sozialschmarotzer, die gerne und mit voller Absicht arbeitslos sind, die ihre Kinder, die sie nur wegen des Kindergeldes produzieren, vernachlässigen, um sich lieber Alkohol und Zigaretten zu kaufen, die unmäßig und verantwortungslos Mietnebenkosten verursachen, den ganzen Tag dumm, fett und faul vor dem Fernseher hocken und auf Staatskosten in Saus und Braus (in sogen. "spätrömischer Dekadenz") leben. Sie gelten als verachtenswerte, lebensunfähige Loser, die quasi ganz allein die Schuld am desolaten Staatshaushalt tragen. [...]

Wenn man sich die tägliche Ration Demagogen-TV mit Maybrit, Johannes und Klöppel spart, dann ist die Welt in Deutschland gar nicht so schlimm. Das sind alles Ablenkungsmanöver, um andere Dinge, die sich im Lande bewegen, zu verheimlichen und das Volk gegeneinander auszuspielen.  ;)


EDIT: ,,
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 03 August 2010, 15:53:01
Ich sehe da Theorie und Praxis: Manch Politiker verlangt Dinge, die nur aufgrund irgendwelcher theoretischen Annahmen gemacht wurden, ohne die Praxis wirklich zu kennen. Vielmehr aber werden Aussagen auch einfach nur gemacht, um sich bekannter zu machen und ins Gespräch zu bringen, durchaus wohl wissend, dass der Vorschlag eh wieder in der Versenkung verschwinden wird, weil völlig unrealistisch und von den Gerichten eh wieder einkassierbar.

Zitat
Es gibt Vorschläge, ihnen die Heizkosten zu streichen, sie in 25-qm-Wohnungen zu sperren, sie mit Gutscheinen zu entmündigen, ihnen das Sorgerecht zu entziehen, sie zu Kochkurse zu zwingen (!), wenn ihre Kinder zu dick sind. Es wird darüber gestritten, ob einem Arbeitslosen ein neuer PC gehören darf oder ob sein Kind von 2,50 Euro am Tag satt werden kann, und ob diesem Kind Sportverein und Musikunterricht überhaupt zustehen, da es ja sowieso als bildungsfern gilt. Oder ob ein Sozialhilfeempfänger auch mal mit Freunden ausgehen darf. Oder wieviel Zähne er im Mund haben muss und ob er bei Krankheit wirklich jedes Medikament braucht.

All diese Vorschläge wurden von wem gemacht? - Ja, genau: Irgendwelchen Politikern, die weniger Entscheidungsträger sind, sondern gerne mal Säbelrasseln betreiben. Ob sie das wirklich denken? Gute Frage, nächste Frage. Denn ob es ihnen primär nur darum geht, sich ins Gespräch zu bringen, weiß man nicht.
Dasselbe gilt dann auch für jene, die eine Reichensteuer fordern, weil die Reichen ja Sozialschmarotzer wären, oder einen Aufschlag der Mehrwertsteuer für Luxusgüter, etc. - auch das ist höchst demagogisch, und auch da weiß man nicht, was davon ernst gemeint ist oder nicht.

---

Auf Kommunalebene und vor allem auf der Verwaltungsebene sieht es -glücklicherweise- anders aus.

Da zeigt sich dann z.B. gegenüber der Krankenkasse, dass die das ziemlich entspannt sieht: O-Ton "wir wissen ja, dass ein schlechtes Gebiss die Berufschancen schmälert, also haben wir ein Interesse daran, dass es gerade bei HartzIV-Empfängern in Ordnung ist" (habe ich in irgend einem Magazin mal gesehen, fragt bloß nicht wo, hab's vergessen ....).
Deutschlandweit gibt es Sozialstellen, die kostenlos PCs an Bedürftige abgeben, teils durchaus auch vom Staat gefördert.
Es gibt in der Tat zahlreiche Vereinbarungen der Ämter mit Mieterschutzbund, Sportvereinen, Musikschulen, etc ..., in dem Wissen, dass all dies dazu führt, dass ALGII-Empfänger neben der finanziellen Armut nicht auch noch sozial ausbluten. Auch hier in dem Wissen, dass sozial Entwöhnte länger bis ewig arbeitslos bleiben, weil die Integration in einen Job, wo Sozialkompetenz gefragt ist, irgendwann nicht mehr möglich ist.
Wer sich von Menschen entwöhnt hat, wird irgendwann beinahe automatisch zu dem Sesselpuper, von dem alle reden, es wäre eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Es ist also nicht so, dass Ämter oder auch Mitbürger sofort an lebensunfähige Loser denken, wenn ihnen ein HartzIV-Empfänger begegnet. Vor allem im Zug der Finanzkrise, als Menschen arbeitslos wurden, für die die Arbeitslosigkeit das Schlimmste aller Übel ist, als Menschen arbeitslos blieben die sogar hochqualifiziert sind, erfolgte dort auf der gesellschaftlichen Ebene ein Umdenken.

Aber, wie überall, gibt es dann jene, die auf Stammtischniveau der Zeitung mit den großen vier Buchstaben denken.
Tja, und da gibt es dummerweise Politiker, die Sprüche, die dazu passen, raushauen. Denn diese sind es, die sie in die Schlagzeilen bringen.
Siehe oben: Es wird nicht von oben runtergeguckt, es wird einfach nur ein Thema gesucht, das schön politisch unkorrekt und markig ist, um seinen eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern.

Was davon schlimmer ist? - Ich weiß es nicht.
Subjektiv gesehen kommt's aufs Gleiche raus: Dass mit jedem bekloppten Vorschlag das Image gegenüber einfach zu beeinflussenden Menschen weiter verschlechtert wird.

---

Das Problem kennen andere Berufsgruppen aber auch:

*Studenten etwa sind ja auch nur alles faulenzende Langschläfer, die sich auf Staatskosten einen faulen Lenz machen (natürlich gibt es die, ich schätze diese Gruppe aber auf weit unter 10%),

* Beamte arbeiten ja eh alle langsam und sind total unmotiviert, weil ihre Kohle sicher ist (dass heute kaum jemand mehr verbeamtet wird und überdies mir noch kein Beamter begegnet ist, der nicht in Arbeit umkommt, obwohl er Vollgas gibt, wird gerne übersehen),

* Anwälte sind ja eh alles Rechtsverdreher, die zu viel Geld verdienen, weil sie es ja nehmen können (auch hier kenne ich nicht einen Anwalt, der unter einer 60-Stunden-Woche, alles inklusive, wegkommt. Aber nine-to-five-Arbeitende regen sich drüber auf ...),

* Azubis sind ja alles faule Säcke, die man heutzutage ja gar nicht einstellen oder übernehmen könne (dass jede Menge Qualifizierte nicht übernommen werden, weil die Arbeitgeber lieber 1-Euro-Jobber nehmen, ist ja günstiger, wird auch gerne mal übersehen ...),

und so weiter, und so weiter.

---

Zu HartzIV & Co. noch einmal:
Das meines Erachtens größte Problem in der Ecke sind die sogenannten Aufstocker.
Ich kann und will nicht verstehen, dass es hierzulande Jobs gibt, bei denen Menschen 40 Stunden die Woche arbeiten und nicht einmal das absolute Existenzminium erhalten, das ein Arbeitsloser erhält, sondern der Staat ihnen Geld zuschießen muss, damit er den HartzIV-Satz hat! DAS ist der eigentliche Skandal!

Westerwelles "Arbeit muss sich lohnen" stimmt.
Aber dann muss man die Arbeit finanziell absichern über gesetzliche Mindestlöhne, um Ausbeutung zu verhindern, und nicht etwa die HartzIV-Gegebenheiten unattraktiver.
Die sind eh schon am unteren Ende. Spielraum nach unten (auch wenn das manch Politiker gerne behauptet) gibt es hier eh keinen mehr.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Philomel am 03 August 2010, 18:51:26
Dazu passt doch diese wunderbare, neue Studie (http://www.freie-publizistin.de/studie.pdf) laut der ein junger Mann hierzulande problemlos von 160€ im Monat leben kann. Wenn ich mir deren Berechnungen ansehe, wird mir schwindelig.
Es wurde schon mehrfach kritisiert, das besonders die Berechnungen für Lebensmittelkosten auf Preisen für große Mengen basieren und allein dadurch schon für den Normalverbraucher unrealistisch sind. Es sind nun aber diese Berechnungen, auf die sich populistische Journalisten und Politiker stürzen.
Alle Leute, die sich über die "spätrömische Dekadenz" der Hartz IV-Empfänger aufregen, dürfen gern mal ein-zwei Monate mit diesen angeblich so hohen Sätzen leben. Darüber sollten sie mal eine Doku drehen.

Der fette, faule, ketterauchende Sozialschmarotzer, der den Tag saufend vor der Glotze verbringt und keinerlei Interesse an Arbeit hat, ist natürlich ein grandioses Feindbild, das massen- und medienwirksam ausgeschlachtet werden kann. Dadurch kann die Politik auch super begründen, dass die Staatsschulden durch Minderung der Leistungen für diese unnützen Mitbürger gesenkt werden können. Ich finde ja immer noch, dass Politiker erstmal ihre Diäten wieder senken dürfen, und wenn sie schon dabei sind, ihre Rentenbezüge gleich mit. Damit würde auch einiges an Geld wieder in die Kassen kommen.
Was diese Gutscheinidee angeht: so schlecht finde ich das nicht. Bei den Kita-Gutscheinen klappt das schließlich auch und Berschwerden hab ich da bis jetzt keine gehört. Familien, die das Geld eh für diese Dinge ausgegeben haben, kümmert es meist wenig, in welcher Form das ins Haus kommt.


Ich muss Messie zustimmen: mit das größte Problem ist es, dass viele Menschen trotz Vollzeitjobs unter dem Existenzminimum leben und mit Sozialgeld/ALG II aufstocken müssen. Warum sich die Regierung weiterhin gegen gesetzlich festgelegte Mindestlöhne sträubt, ist mir ein Rätsel.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Strigoi_69 am 03 August 2010, 19:28:36
Ja, die aaaarmen Hartz IV Empfänger.....

Sollen sie doch auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung auch noch ein Menü im Restaurant gesponsort bekommen- ein bisschen Sozialleben muss doch sein. Der Geringverdiener, aber auch der Durchschnittsverdiener, der sich trotz dieser Tatsache selbständig auch seine Grundansprüche wie Bett, Kleiderschrank, Klamotten, Strom finanzieren muss hat eben Pech- was arbeitet er auch für die paar Kröten. Wenn ich das schon wieder lese- sehr, sehr viele Menschen in Deutschland arbeiten und können sich dennoch nur das Nötigste leisten. Aber diese haben ja nur sehr geringe Ansprüche- im Gegensatz zum gemeinen Hartz IV Empfänger. Es gibt sicher auch Menschen, die aufgrund von Alter oder Krankheit keinen Job mehr finden- zum Glück können wir es uns noch leisten dort zu helfen. Aber es sind auch junge, gesunde Leute darunter- diese zeigen der gemeinen arbeitenden Spezies grinsend den gepflegten Stinkefinger. Ich bin nicht für die Abschaffung des Sozialstaates, aber für gemeinnützige Arbeit der Leute, die fit und gesund sind. Schließlich leben sie vom Geld der Allgemeinheit, da erwarte ich eine Gegenleistung. Ich finde die strengeren Regeln gut- man bedenke, in anderen Ländern bekommt man NIX. Wenn unser Schuldenberg noch weiter wächst- und das tut er- können wir uns soviel soziales Gutmenschentum sowieso nicht mehr leisten. Natürlich nicht von heut auf morgen, damit der Deutsche sich langsaaaaaaam daran gewöhnt. Demonstrieren tut der doch sowieso nicht ;).  Ich finde, kostenloses Wohnen, Essen u.s.w. sollte man nicht mehr für selbstverständlich halten- dies ist es einfach nicht! Sicherlich ist der Satz knapp bemessen- aber auch der Geringverdiener muss sich sein Geld einteilen. Es gibt auch genügend Leute, die kein Hartz IV zusätzlich erhalten und dennoch auf eine Waschmaschine, Restaurant etc. sparen müssen. Deutschland ist immer noch ein Luxusland, welches auch die Faullenzer und Tagträumer ernährt- diese gibt es auch zuhauf. Ich bin im Kundenkontakt und bekomme sehr viel mit, das Anspruchsdenken so mancher HartzIV Empfänger ist sehr hoch. "Bekomme ich einen Rabatt- ich bin Hartz IV!!"   

Wenn ich schon im Videotext lese: "Mit diesen Tricks 50% mehr Arbeitslosen/ Wohngeld!" Das Ausbeuten/ Austricken des Staates- Oh, das sind ja wir alle- ist noch immer schick. Und ja, es gibt auch sehr viele Schwarzarbeiter- diese verdienen insgesamt besser als so manche Vollzeitkraft.

Sicherlich, das "Amt für Arbeit" hat diesen Titel nicht verdient und ist mir ebenfalls ein Dorn im Auge. Ebenso wie die zum Teil unsinnigen "Fortbildungsmaßnahmen" ohne Aussicht auf einen Job.
 
Ja, Arbeit muss sich lohnen- aber an eine Änderung glaube ich nicht.     

Ich wünsche mir einfach mehr Kontrollen und härtere Strafen- damit nicht die wirklich Bedürftigen darunter leiden. Außerdem sollten Empfangende auch- notfalls durch Sprachkurse- fähig sein, überhaupt in diesem Land eine Arbeit finden zu können.   

Tut mir leid, dieses Thema ist ein sehr, sehr rotes Tuch für mich und ich bin heut eh geladen.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Strigoi_69 am 03 August 2010, 19:33:13
Ich finde ja immer noch, dass Politiker erstmal ihre Diäten wieder senken dürfen, und wenn sie schon dabei sind, ihre Rentenbezüge gleich mit. Damit würde auch einiges an Geld wieder in die Kassen kommen.
Ja, aber wieso sollten sie? Der Deutsche meckert zwar nur- nimmt es dann aber hin.

Warum die Regierung sich gegen gesetzlich festgelegte Mindestlöhne sträubt? Weil die Macht das Geld hat- und dieses hat nunmal die Wirtschaft ;). Nur ne Vermutung...  
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Philomel am 03 August 2010, 20:05:01
Ich finde ja immer noch, dass Politiker erstmal ihre Diäten wieder senken dürfen, und wenn sie schon dabei sind, ihre Rentenbezüge gleich mit. Damit würde auch einiges an Geld wieder in die Kassen kommen.
Ja, aber wieso sollten sie? Der Deutsche meckert zwar nur- nimmt es dann aber hin.

Warum die Regierung sich gegen gesetzlich festgelegte Mindestlöhne sträubt? Weil die Macht das Geld hat- und dieses hat nunmal die Wirtschaft ;). Nur ne Vermutung...  

Mit der Vermutung liegst du sicherlich richtig.  Es stellt sich mir aber die Frage, wie man denn die Politiker zum selber sparen zwingen kann? In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit werden streikende Arbeiter schließlich einfach ersetzt.

Strigoi: falls es dir aufgefallen ist, galt ein Großteil der geäußerten Systemkritik der Tatsache, dass selbst Vollzeit arbeitende Menschen unter dem staatlich errechneten Existenzminimum leben. Keiner sagte: mehr Geld für Hartz IV-Empfänger, sondern: nicht noch weniger. Denn es ist wirklich ein Minimum.

Die meisten Tricks und Tipps zum "Austricksen" des Staates braucht ein normaler Mensch, um in den 30-seitigen Formularen nichts falsch auszufüllen. Und wenn ich dann mitkriege, wie ehemalige Hartz IV-Bezieher, die sich wegen eines neuen Jobs rechtzeitig abgemeldet haben, plötzlich von ihrem neuen Gehalt sämtliche Bezüge zurückzahlen sollen, wird mir schlecht.
Eine Agentur, deren Beratung schon unter aller Sau ist, traue ich keinerlei Kontrollen zu. Und der Schwachsinn, der heutzutage schon Strafen nach sich zieht, widerspricht häufig jedweder Logik.

Das Thema ist ein absolutes Streitthema, und ich gebe zu, dass es einige schwarze Schafe gibt, aber das ist immer noch die Minderheit.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 04 August 2010, 02:24:07
Zitat
Strigoi: falls es dir aufgefallen ist, galt ein Großteil der geäußerten Systemkritik der Tatsache, dass selbst Vollzeit arbeitende Menschen unter dem staatlich errechneten Existenzminimum leben. Keiner sagte: mehr Geld für Hartz IV-Empfänger, sondern: nicht noch weniger. Denn es ist wirklich ein Minimum.

Exakt.

Es geht nicht darum, HartzIV-Empfänger besser zu stellen, sondern darum, dass seitens der Politik eingesehen wird, dass ein Schlechterstellen nicht mehr möglich ist, da zumindest in Städten das untere Ende der Fahnenstange längst erreicht ist und dass das viel dringendere Problem ist, die Aufstocker loszuwerden. Denn diese sind jene HartzIV-Empfänger, denen der Staat Geld gibt, das ihnen der Arbeitgeber geben müsste. Und zwar nicht sollte, sondern müsste, weil ein Vollzeitjob unterhalb des Existenzminimums nur einen, nämlich den Chef des Arbeitgebers, reich macht, auf Kosten des Staates und der Allgemeinheit.

Rein volkswirtschaftlich gesehen sind ALGII-Empfänger im Übrigen eine Goldgrube: Es ist die einzige Gruppe, die 100% des erhaltenen Geldes auch postwendend wieder ausgibt (weil Sparen auf dem Niveau eine absolute Illusion ist). Das kurbelt kräftig die Binnenwirtschaft an, sichert Arbeitsplätze (!) und sorgt dafür, dass die Richtigen das Geld erhalten, nämlich gerade nicht irgendwelche Banken, sondern der Händler von nebenan.

Zitat
Der Geringverdiener, aber auch der Durchschnittsverdiener, der sich trotz dieser Tatsache selbständig auch seine Grundansprüche wie Bett, Kleiderschrank, Klamotten, Strom finanzieren muss hat eben Pech- was arbeitet er auch für die paar Kröten.

Geringverdiener haben heutzutage ebenfalls bereits Möglichkeiten, günstig an Möbel etc. heranzukommen. Wobei mit "Geringverdiener" maximal 800€ netto gemeint sind.
Wo der Haussegen eher schief hängt, ist die Definition "Durchschnittsverdiener": Da liegt das Jahresbruttogehalt bei 30.879 Euro jährlich (2009, Quelle (http://www.forwarddarlehen-vergleich.de/blog/durchschnittseinkommen-in-deutschland-2009-2010/) ), demzufolge ca. 1580€ netto monatlich Minimum, das ist mehr als das Doppelte des Maximums für HartzIV-Empfänger (nach Bundesländern unterschiedlich, i.d.R. um die 720 Euro).

Weswegen ich zum Durchschnittsverdiener schlicht sagen kann: Was das sich leistenkönnen der Grundansprüche angeht, lassen wir da die Kirche ja wohl mal besser im Dorf, nech? ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 04 August 2010, 02:48:55
Zitat
Dazu passt doch diese wunderbare, neue Studie (http://www.freie-publizistin.de/studie.pdf) laut der ein junger Mann hierzulande problemlos von 160€ im Monat leben kann. Wenn ich mir deren Berechnungen ansehe, wird mir schwindelig.

Hihi, die Berechnungen sind lustig. Wo haben die eingekauft? Da will ich auch hin!  :D

* 5 Cent für 100 Gramm Brot? Also 25 Cent für ein 500-Gramm-Brot? Coool! Habenwollen  :D
* 37 Cent für ein Kilo Kartoffeln? Nehme ich! Sofort!
* 13 Cent für einen Liter Mineralwasser? Hey, dafür kann ich's nicht selbermachen!
* Einen Wintermantel für 9€ hätte ich dann auch mal gern.  :D Achja, die Winterschuhe für 9,90€ selbstverständlich auch.
* Und der Friseur erst! 6€, was für ein Fest!
* Die Kochtöpfe für 5,99€ halten sicher lange ...
* Internet? Ist nicht! Im günstigen Fall dann gerne mal im günstigsten Internetcafé für 3 Stunden pro Woche. Tja, die üblichen 5 Bewerbungen pro Woche lassen sich damit schon rüberjagen. Recherche im Internet selbstverständlich inbegriffen  :D
* 23€ pro Monat für eine Fahrkarte. Jep, immerhin kriegt man eine CC-Abo-Monatskarte für 24,60€. Für eine Zone, versteht sich. Mehr ist ja Luxus. 8)

Die Studie ist an und für sich schon stimmig: Sie setzt voraus, dass man im günstigsten Landkreis wohnt, dort dann nichts anderes tut als ständig den gesamten Monat über die günstigsten Läden ansteuert, sämtliche Sonderpreise im Umland mitnimmt und von allem das Billigste vom Billigsten kauft. Wozu normales Brot? Toastbrot den Monat über tut's doch auch.  :D Wozu eine vernünftige Frisur, wenn der günstigste Friseur Kohle sparen hilft? Wozu eine gute Zahnpasta, wenn es noch eine günstigere gibt? Etc. pp.

Stimmt, das ist der absolute Mindestsatz. Tiefer geht's wirklich nimmer.
Aber dass dieser so gut wie nirgendwo, in Großstädten erst recht nicht, erreichbar ist, braucht ja auch nicht erwähnt zu werden. Wieso auch, das verwirrt Politiker doch nur.  ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 04 August 2010, 06:51:28
Wenn ich schon im Videotext lese: "Mit diesen Tricks 50% mehr Arbeitslosen/ Wohngeld!" Das Ausbeuten/ Austricken des Staates- Oh, das sind ja wir alle- ist noch immer schick.

Da bist du aber reingefallen: diese Tricks dienen mit 5,99-Euro-pro-Minute-Faxabrufen etc. nur dem Abzocken der Arbeitslosen selbst... ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Strigoi_69 am 04 August 2010, 07:56:36
Wenn ich schon im Videotext lese: "Mit diesen Tricks 50% mehr Arbeitslosen/ Wohngeld!" Das Ausbeuten/ Austricken des Staates- Oh, das sind ja wir alle- ist noch immer schick.

Da bist du aber reingefallen: diese Tricks dienen mit 5,99-Euro-pro-Minute-Faxabrufen etc. nur dem Abzocken der Arbeitslosen selbst... ;)
DAS weiß ich  ;) Mir ging es darum, dass es überhaupt angeboten wird. Die Nachfrage scheint ja vorhanden zu sein ;). Mir geht es um die Mentalität der Leute, irgendwo noch was rauszuschlagen. Dabei vergessen sie, dass wir ALLE der Staat sind.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Strigoi_69 am 04 August 2010, 08:02:01
Shit, mein vorheriges ausführliches Posting ist weg.   :o Ist das ärgerlich... dann nur ganz kurz: Ich habe als ich gestern mich geäußert habe nur das erste Posting gelesen- hab nen ganzes Weilchen gebraucht und daher erst hinterher die weiteren Kommentare gelesen. 
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 04 August 2010, 08:14:49
Alle Leute, die sich über die "spätrömische Dekadenz" der Hartz IV-Empfänger aufregen, dürfen gern mal ein-zwei Monate mit diesen angeblich so hohen Sätzen leben. Darüber sollten sie mal eine Doku drehen.

Das Problem: ein paar Monate kann man durchaus einigermaßen mit dem Geld auskommen. Eine solche Doku wäre gar nicht hilfreich, weil normalerweise erst nach 1 oder 2 Jahren die ersten wirklichen Probleme auftauchen.

Ich muss jetzt seit einigen Jahren krankheitsbedingt vom Sozialgeld-/Hartz-4-Satz leben. (Ich bekomme eine Voll-Erwerbsminderungsrente, die mit Sozialgeld aufgestockt wird.) Ich kann also aus eigener Erfahrung sprechen.

Ca. ein Jahr lang geht alles ganz ok, man kauft hauptsächlich Lebensmittel und andere Dinge des "täglichen Bedarfs." Man geht eben zum Discounter, zum Sozialkaufhaus, in die Möbelscheunen, auf die Flohmärkte, und auch da kauft man nur das Allernötigste. Auto, Tageszeitung und Mobiltelefon habe ich nicht mehr bzw. nie besessen. Ich rauche auch nicht und trinke so gut wie nie Alkohol. Meine Haare lasse ich seit Jahren einfach wachsen, das spart den Frisör. Ich lebe in einem runtergekommenen Loch, das niemand einem "normalen" Bürger zumuten würde.

Probleme gab es aber schon: Ich vertrage z. B. nur bestimmte, leider teure Körperpflegeprodukte und muss regelmäßig mehrere, ziemlich teure (für meine Verhältnisse) Medikamente selbst kaufen.

Wie gesagt, das funktioniert ein paar Monate oder wenige Jahre. Aber so nach und nach geht es ans Eingemachte: mein PC macht gerade schlapp, der Fernseher ist kaputt, meine alte Stereoanlage schon lange. Das Rad mus repariert werden, die Katzen brauchen eine Impfung und demnächst wohl eine Zahnsteinbehandlung. Eine neue Brille ist längst fällig, das gebraucht gekaufte Sofa von der Möbelscheune ist eklig und stinkt doch zu sehr nach Kellermuff, um es zu behalten, und der Staubsauger, den ich auch gebraucht gekauft habe, schwächelt ebenfalls.

Normalerweise würde ich einiges davon sofort erledigen, auf das andere eben sparen. Ich kann aber nicht sparen. Ich habe es versucht mit dem, was mir am meisten am Herzen lag, und zwar mit den abzusehenden Tierarztkosten. Aber sogar diesen Spartopf musste ich leider wieder auflösen. Und inzwischen muss ich mir auch langsam Gedanken über eine "neue" Waschmaschine machen...

Im Kino, Theater oder Restaurant war ich seit Jahren nicht. Das ist an sich kein Problem, es geht ohne. Das Schlimme ist aber: alle meine Freunde gehen, und zwar ohne mich. Durch Krankheit und Armut verliert man soziale Kontakte. Es nervt nicht nur mich, wenn alles umsonst sein muss, was man machen kann, und auf Dauer wollen wohlhabendere Leute mehr machen als immer nur Spazierengehen etc. Ich würde auch gern mal ein paar von den SHH-Wurstnasen persönlich kennen lernen - aber eine Fahrkarte und irgendein Verzehr kostet einfach zu viel.

Ich bin also seit Jahren nicht mehr ausgegangen. Bis vor einem Jahr war ich noch regelmäßig mit einer Freundin shoppen, aber jetzt nicht mehr. Shoppen ohne zu kaufen: kein Problem! Aber sie will natürlich zwischendurch ins Restaurant oder Café. Zuerst bin ich noch mitgegegangen und habe nichts bestellt, was aber auf Dauer alle Beteiligten nervt. Ich bin dann auch aufs Klo gegangen, um mein mitgebrachtes Mineralwasser zu trinken und ggf. am Waschbecken wieder aufzufüllen. Allein das zu schreiben ist mir schon ziemlich peinlich...und peinlich ist es auch, wenn man immer nur eingeladen wird und sich nie revanchieren kann.

Es geht mir nicht besonders um materielle Dinge, ich war nie reich, im Gegenteil, ich bin es gewohnt von sehr wenig Geld zu leben. Aber wie gesagt, das Schlimmste ist, dass man soziale Kontakte verliert und - gerade hier auf dem Land - so gut wie nichts mehr unternehmen kann. Fast alles kostet. Und es ist auch sehr zermürbend, weil man sich ständig Sorgen um (das nicht vorhandene) Geld macht. Das nimmt auf Dauer viel zu viel Platz im Leben ein. Ich werde auch sehr schwer damit fertig, dass rings um mich alles nach und nach kaputt geht, und ich davon kaum etwas ersetzen kann. Es ist ein bisschen so, als ob sich das eigene Leben auflöst...

Ich bin jetzt 41 und finanziell ganz unten angekommen. Ich kann also in etwa abschätzen, wie Langzeitarbeitslose leben müssen. Und im Gegensatz zu mir leben die auch noch unter einem fürchterlichen Druck durch die Ämter. Wenn ich also täglich von neuem Druck, neuen geplanten Kürzungen, neuen Maßnahmen lese, die diesem "nutzlosen unverschämten Schmarotzerpack" angedacht sind oder schon Wirklichkeit sind, werde ich einfach nur wütend und traurig. Nicht umsonst und zum Glück haben viele Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht, bereits mehrere dieser menschenverachtenden Gesetze aufgehoben, als letztes (glaube ich) die übermäßigen Repressionen bei jungen Menschen unter 25. Ich hoffe, dass dieses unsägliche Gesetzespaket bald in der Versenkung verschwindet oder erheblich nachgebessert wird.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Strigoi_69 am 04 August 2010, 09:06:32
Oh man, dann verstehe ich dein Posting sehr gut. Mir geht es um die wirklichen Schmarotzer und das durch diese der Rest leiden muss. Ich weiß, wie man vom "Amt für Arbeit" getriezt wird und man nur ein Bittsteller ist. Ich hatte mehr Stress damals als jetzt und selbst 3 Jahre nach Jobantritt nervten sie noch! Meine Mama ist auch krank und muss realitätsferne Schulungen mitmachen. Körperlich arbeiten kann sie nicht mehr und mit 54 im Büro? Bei den heutigen Anforderungen- abgesehen vom Alter- hat sie keine Chance. 

Es gibt aber eben auch junge, gesunde Leute. Warum setzt man diese nicht für die Säuberung unserer Stadt ein, im Tierheim, der Tafel und in anderen sozialen Einrichtungen? Ist doch zumutbar und sie tun etwas fürs Geld. Es bekommen ja auch Leute Geld, die niemals welches eingezahlt haben- dies können sich nur sehr wenige Länder "leisten".

Auch ich muss sparen, für größere Anschaffungen, Tierarzt (habe eine alte Katze und da sind baldige Kosten auch abzusehen, dies ist mir auch am wichtigsten und es tut mir leid, dass du dafür nichts zurücklegen kannst!)etc.

Kenne es auch, soziale Kontakte zeitweise einschränken zu müssen- einladen lasse ich mich nur sehr, sehr ungern. Zum Glück sind diese Zeiten aber erstmal vorbei...

Finde das Arbeitslosengeld auch viel zu niedrig angesetzt- aber man darf nicht vergessen, dass es nicht selbstverständlich ist. Irgendwann ist auch dafür nix mehr da, da ja unser Land überaltert und die Arbeitskraft abnimmt, wir uns noch mehr verschulden... Bin kein Wirtschaftsexperte- aber die Zukunft macht mir Angst.

Ich hoffe für dich, dass sich deine Situation bald bessert. Vor ein paar Jahren ging es mir auch sehr schlecht, kann es sehr gut nachvollziehen. Hoffentlich bin ich dir nicht zu nahe getreten  :-[

Meine Meinung: Es ist nicht im Interesse der Regierung, seine Bürger zu schützen und für ihr Wohlergehen zu sorgen- sondern sie zu lenken, ruhigzustellen und abzukassieren. Die Regierung dient nur ihren eigenen Interessen und der Wirtschaft- aber dies ist ja nicht neu.  Wenn man eine Änderung möchte, muss man kämpfen. Aber dafür muss man sich einig sein, stattdessen werden die verschiedenen Schichten/ Nationalitäten gegeneinander aufgehetzt. Fernsehen, Sport ist doch nur Ablenkung- wie damals die Gladiatorenkämpfe ;) Ja, ich weiß, sehr einfach und platt ausgedrückt- habs aber nicht so mit Politik und denke daher eher einfach gestrickt *schäm*.   Könnte noch viel mehr schreiben- aber ich möchte nicht für "Volksverhetzung" belangt werden.

Wirklich, alles Gute für dich! Mir ist ein bisschen übel, nicht nur, weil ich heute tatsächlich krank zu Haus bin...



 


   
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 04 August 2010, 09:37:11
Warum sich die Regierung weiterhin gegen gesetzlich festgelegte Mindestlöhne sträubt, ist mir ein Rätsel.
Weil es nicht in die in die aktuell vorherschende Ideologie hier in Deutschland passt. Da zählt nur "nur niedrige Löhne sind gute Löhne" und "50% Beteiligung an der sozialen Absicherung des abhängig Beschäftigten ist eh Teufelszeug"

Wenn ich schon im Videotext lese: "Mit diesen Tricks 50% mehr Arbeitslosen/ Wohngeld!" Das Ausbeuten/ Austricken des Staates- Oh, das sind ja wir alle- ist noch immer schick. Und ja, es gibt auch sehr viele Schwarzarbeiter- diese verdienen insgesamt besser als so manche Vollzeitkraft.
Ist da jetzt der Schwarzarbeiter schuld daran, dass da Vollzeitkräfte extrem schlecht bezahlt werden? Mal überlegt, dass an H4 irgendwas falsch sein könnte, wenn Klagewelle um Klagewelle durchrollt und in den meisten Fällen die klagenden H4-Bezieher Recht bekommen und die Regierung da durch einen steinigeren Weg hin zur Klage gegenhält?

Aber wenn ich sowas schon lese:
Ich bin nicht für die Abschaffung des Sozialstaates, aber für gemeinnützige Arbeit der Leute, die fit und gesund sind. Schließlich leben sie vom Geld der Allgemeinheit, da erwarte ich eine Gegenleistung. Ich finde die strengeren Regeln gut- man bedenke, in anderen Ländern bekommt man NIX.
Von der Leyen führt die Bürgerarbeit ein und alle jubeln. Das ist noch mehr Sklavenarbeit als es 1€-Jobs und Zeitarbeit ohnehin schon sind.

Edit: passt nicht ganz. Links entfernt. Sry

Wenn unser Schuldenberg noch weiter wächst- und das tut er-
...sollten wir mal aufhören, ständig irgendwelche Steuern abzuschaffen oder zu senken anstatt immer folgendes zu denken ...
können wir uns soviel soziales Gutmenschentum sowieso nicht mehr leisten.
und entsprechend im Sozialen Bereich zu kürzen. Mal überlegt, wieso Bismarck damals den ganzen Kram eingeführt hat?

Ich finde ja immer noch, dass Politiker erstmal ihre Diäten wieder senken dürfen, und wenn sie schon dabei sind, ihre Rentenbezüge gleich mit. Damit würde auch einiges an Geld wieder in die Kassen kommen.

Der Grundgedanke hinter Diäten ist jener, dass die Abgeordneten nicht darauf angewiesen sein sollen, neben ihrer Tätigkeit noch auf anderem Weg Geld verdienen müssen. Diäten senken wäre also der falsche Weg. Wesentlich sinnvoller wäre es, Abgeordneten - vor allem in Schlüssel/Spitzenpositionen - mit einer Sperre zu versehen, dass sie 1. während ihrer Abgeordneten-Zeit nur sehr selten durch Vorträge/Aufsichtsratspositionen/etc. hinzuverdienen dürfen und 2. am Ende der Amtszeit ebenfalls mit einer gezielten Sperre versehen werden, damit sie nicht den Drehtüreffekt ausnutzen können und durch ihre geknüpften Kontakte nach ihrer kurzen/langen Amtszeit erst richtig Karriere machen. Wiele Unternehmen zählen ja geradezu auf bestehende Kontakte/Netzwerke von Politikern. Negativbeispiele gibt es in der Hinsicht massig.

H4 != Menschenwürde
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 04 August 2010, 09:40:56
doppelpost
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 04 August 2010, 09:45:25
eindeutig zu früh heute -.-"
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 04 August 2010, 09:45:53
Das sind alles Ablenkungsmanöver, um andere Dinge, die sich im Lande bewegen, zu verheimlichen und das Volk gegeneinander auszuspielen.  ;)

Also unrecht hast du nicht...Hier (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/hartz-IV-eliten?page=1) ist z. B. ein Interview mit dem Soziologen Michael Hartmann, in dem er genau das behauptet:

"Das heißt, dass dieser sehr kleine Teil der Bevölkerung, der nahezu ein Viertel des gesamten Vermögens in Händen hält, fast 150 Milliarden dazugewonnen hat. Darüber wird nicht geredet; dabei wäre es doch nahe liegend zu fragen, ob nicht sie ihren Anteil leisten müssten. Schließlich hat die staatliche Rettung der Banken vor allem ihr Geld gesichert.

Frage: Danach müsste die Masse der Steuerzahler fragen.

Hartmann: Das zu verhindern ist der Sinn all dieser Äußerungen. Die Mittelschichten sollen glauben, mit denen oben in einem Boot zu sitzen. Sloterdijk weitete seinen Begriff der Leistungsträger von Interview zu Interview mehr aus, selbst Westerwelle spricht inzwischen von der Krankenschwester, die man in Schutz nehmen müsse gegen die Hartz-IV-Empfänger, die von ihren Steuern lebten. Es gibt einen massiven Versuch, die Fronten so zu ziehen. Und er scheint zu funktionieren. "



Ich finde es durchaus plausibel, dass gewisse Teile der Gesellschaft (die "Oberschicht" oder deren Sprecher) von ihren eigenen Privilegien ablenken wollen, indem sie ganz bewusst suggerieren, die unterste Schicht würde viel mehr bevorzugt als die oberste, würde also viel mehr vom Staat profitieren als die Reichen. Also im Sinne von: Die eigentlichen Abzocker des Staates sitzen nicht in den glitzernden Türmen über Frankfurt und in Chateaus in den Schweizer Bergen, sondern in den Sozialwohnungen von Kirchdorf-Süd und Mümmelmannsberg.

Genauso leuchtet es mir ein, dass angestrebt wird, dass sich möglichst viele Menschen der Mittel- und Unterschicht mit den Reichen solidarisieren sollen. Deswegen wird den arbeitenden Menschen weis gemacht, der ALG-II-Empfänger bekäme ohne Arbeit genau so viel Geld wie sie. Das schürt Angst, Hass und Neid auf Menschen, die sich ohne Lobby und Einfluss nicht wehren können.

Ich gebe Messie (und sogar Herrn Westerwelle!!) recht, dass es nicht sein dürfte, dass in Vollzeit arbeitende Menschen von ihrem Lohn nicht leben können. Aber die Tatsache, dass sie das oft nicht können, ist nicht die Schuld der Arbeitslosen, sondern die der Politiker, die sich vehement gegen den Mindestlohn wehren, und der Arbeitgeber, die freudig die Löhne senken und dem neuen Arbeitsvertrag gleich den Antrag auf Aufstockung beilegen.


@ Strigoi: Nein, du bist mir nicht zu nahe getreten. :) Ich wollte auch nicht jammern, aber momentan sieht es eben nicht so besonders toll aus. Mir geht es vor allem um den Umgang mit Menschen, die es sowieso schon schwer haben. Ich ärgere mich auch, wenn irgend so ein Asi gepflegt den Mittelfinger hebt. Leider ist sowas sehr öffentlichkeitswirksam, und dieser Asi bringt dafür 20 "anständige" Arbeitslose in Verruf.

Für mich sitzen allerdings die echten Asozialen immer noch ganz oben in den Bankentürmen und den Mercedes-Limousinen Richtung Schweiz.

Edit: Rechtschreibung *g*
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Strigoi_69 am 04 August 2010, 10:06:07
Der Grundgedanke hinter Diäten ist jener, dass die Abgeordneten nicht darauf angewiesen sein sollen, neben ihrer Tätigkeit noch auf anderem Weg Geld verdienen müssen. Diäten senken wäre also der falsche Weg.
Sicherlich sollen sie mit diesem Geld auskommen und nebenbei nicht noch kellnern müssen- aber reichen da nicht auch 2000 Euro netto? Wieso sollen sie so viel mehr verdienen? Wofür? Volksnah sollen sie sein- da ist es doch nur nützlich, wenn sie auch so leben? Nur so könnten sie einschätzen, wie lange bei diesen Lebenshaltungskosten die Kohle reicht. Wieso zahlen die nix in die Rentenkasse und leben auch nach ihrer Tätigkeit noch sehr, sehr gut? Selbst wenn sie Mist bauen..

Schwarzarbeit ist unmoralisch und schadet der Allgemeinheit. Habe auch nicht geschrieben, dass der Schwarzarbeiter schuld an den derzeitigen Löhnen ist. Aber, Moment, spart der Arbeitgeber dadurch nicht eine Menge und nimmt daher hohe Strafen in Kauf? Hmm...

Deutschland ist schon komisch, wieso ist es selbstverständlich, fürs Nichtstun ausgehalten zu werden? Die meisten Amis haben 2 oder 3 Jobs (die können sich keine Arbeitslosigkeit leisten) und auch bei uns zeichnet dies sich leider langsam ab. Ich rede nicht von kranken oder alten Menschen. Mal überlegt, dass noch so gute Ideen auch bezahlt werden müssen?  Abgesehen davon, für Überlegungen sind unsere hochbezahlten Politiker da- ich gab lediglich meinen Senf dazu und habe nicht wirklich vor, noch mehr Zeit zu investieren. ;)    


Menschenwürde, da gucke ich lieber zu den Nationen, die von den reichen Ländern ausgebeutet werden und den Müll, Elektroschrott dafür von der Wegwerfgesellschaft zurückbekommen.  Aber- dies ist ein anderes Thema,

Viel Vergnügen noch  ;D  
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 04 August 2010, 10:26:32
Der Grundgedanke hinter Diäten ist jener, dass die Abgeordneten nicht darauf angewiesen sein sollen, neben ihrer Tätigkeit noch auf anderem Weg Geld verdienen müssen. Diäten senken wäre also der falsche Weg.
Sicherlich sollen sie mit diesem Geld auskommen und nebenbei nicht noch kellnern müssen- aber reichen da nicht auch 2000 Euro netto? Wieso sollen sie so viel mehr verdienen? Wofür? Volksnah sollen sie sein- da ist es doch nur nützlich, wenn sie auch so leben? Nur so könnten sie einschätzen, wie lange bei diesen Lebenshaltungskosten die Kohle reicht. Wieso zahlen die nix in die Rentenkasse und leben auch nach ihrer Tätigkeit noch sehr, sehr gut? Selbst wenn sie Mist bauen..
Das es bei der Diätenverteilung Handlungsbedarf besteht, will ich ja gar nicht bestreiten. Wichtig ist aber, sich von dem Gedanken zu verabschieden, "nur" eine Senkung der Diäten würde Besserung versprechen.
Schwarzarbeit ist unmoralisch und schadet der Allgemeinheit. Habe auch nicht geschrieben, dass der Schwarzarbeiter schuld an den derzeitigen Löhnen ist. Aber, Moment, spart der Arbeitgeber dadurch nicht eine Menge und nimmt daher hohe Strafen in Kauf? Hmm...
Anstatt Arbeitslose zu kontrollieren, die vllt. keinen Anspruch auf Leistungen haben - aus welchen Gründen auch immer - wäre es wesentlich sinnvoller, Unternehmen gescheit zu prüfen. Aber ist halt einfacher, bei den Schwachen anzusetzen. :(
Deutschland ist schon komisch, wieso ist es selbstverständlich, fürs Nichtstun ausgehalten zu werden? Die meisten Amis haben 2 oder 3 Jobs (die können sich keine Arbeitslosigkeit leisten) und auch bei uns zeichnet dies sich leider langsam ab. Ich rede nicht von kranken oder alten Menschen.
Nur weil es die Amis machen müssen, weil deren soziale Absicherung für den Allerwertesten ist, heißt es noch lange nicht, dass es ein erstrebenswertes Ziel ist oder unser System auch gegen die Wand gefahren werden darf.
Mal überlegt, dass noch so gute Ideen auch bezahlt werden müssen?
+
Irgendwann ist auch dafür nix mehr da, da ja unser Land überaltert und die Arbeitskraft abnimmt, wir uns noch mehr verschulden... Bin kein Wirtschaftsexperte- aber die Zukunft macht mir Angst.
Jajaja...lustig, dass immer wieder die Demographie-Keule rausgeholt wird. Weil Hochrechnungen auf 20-50 Jahre ja sooo viel Aussagekraft haben. ::) Soll ja auch geburtenschwache Jahrgänge geben, oder Kriege, oder Epidemien...lässt sich ja alles so wunderbar vorhersagen, nicht wahr?
 Abgesehen davon, für Überlegungen sind unsere hochbezahlten Politiker da- ich gab lediglich meinen Senf dazu und habe nicht wirklich vor, noch mehr Zeit zu investieren. ;)    
Dumm nur, dass die zunehmend nicht mehr selbst denken, sondern riesige Firmen das übernehmen und so sich bestimmte Lobbygruppen ihre Gesetze teilweise selbst schreiben können. Das ist viel schlimmer, als ne Hand voll alte Leute, die wir im Jahr mehr haben.
Menschenwürde, da gucke ich lieber zu den Nationen, die von den reichen Ländern ausgebeutet werden und den Müll, Elektroschrott dafür von der Wegwerfgesellschaft zurückbekommen.  Aber- dies ist ein anderes Thema,
Nur weil es da beschissen läuft, muss ich nicht die eigenen Probleme runterspielen. Deutschland hat ein massives Problem der Kinderarmut. Die Tafeln werden auch immer stärker frequentiert. Das beste dabei ist ja sogar noch, dass das gefeiert wird. Der Staat wird kaputt geschrumpft, kann seine Führsorgepflicht nicht mehr gescheit erfüllen, die Tafeln müssen einspringen und das ganze wird auch noch gelobt, weil sich ja die Bevölkerung engagiert.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 04 August 2010, 11:03:50
Was diese Gutscheinidee angeht: so schlecht finde ich das nicht. [...]

Ich finde Gutscheine für Sport und Musik bei Kindern etc. unangebracht. Erstens, weil vorausgesetzt wird, dass die Eltern das Geld nicht in irgendeiner Form den Kindern zukommen lassen, zweitens wegen des zu erwartenden bürokratischen Mehraufwands. Für mich ist das eine Art der Bevormundung und Herabwürdigung. Auch wenn Armut im Prinzip kein Grund für Stigmatisierung und Diskriminierung sein sollte - sie ist es in Wirklichkeit eben leider doch. Den Kindern, die Gutscheine abgeben müssen, ist es bestimmt nicht angenehm, wenn alle gleich wissen, dass sie arm sind.

Dazu kommt, wie erwähnt, die Bürokratie. Möglicherweise wollen nicht alle Musiklehrer, Schulen und Vereine Gutscheine annehmen. Dann muss man wieder neue Gesetze schaffen, oder den Kindern bleiben dann bestimmte Bildungsangebote vorbehalten. Also alles wie gehabt. Und womöglich wollen die Ämter dann noch mitreden, welche Sportart/welches Instrument für H4-Empfänger angebracht ist, vorstellbar ist das auf jeden Fall. Also hieße es dann wahrscheinlich: Fußball und Gitarre ja, Kendo und Harfe nein...

Aber am schlimmsten finde ich Gutscheine für Lebensmittel, das habe ich vor mir an der Kasse be L!dl schon miterleben müssen (ich nehme an, es waren Asylanten.) Da hat die Kassiererin tatsächlich angefangen, einen oder zwei Gegenstände auszusortieren, es war beschämend...

Dazu auch der Sprecher des Erwerbslosen-Forums Deutschland. (http://www.elo-forum.net/Aktionen/Aktionen/-2010080220483.html)



Zitat
Dumm nur, dass die [Politiker] zunehmend nicht mehr selbst denken, sondern riesige Firmen das übernehmen und so sich bestimmte Lobbygruppen ihre Gesetze teilweise selbst schreiben können.

Fast alle großen Branchen sogar, würde ich sagen. Banken, Kfz-Industrie, Anwälte, Steuerberater, Pharmaindustrie, Energiekonzerne, Nahrungsmittelindustrie... Zudem gehören viele der Abgeordneten etc. sowieso haupt- und/oder nebenberuflich in eine dieser Sparten, also ist die Gesetzgebung natürlich auch entsprechend. Die sägen doch nicht am eigenen Ast...Ärgerlich finde ich die bevölkerungsverarschende Rechtfertigung: Wenn es der Industrie gut geht, geht es auch der Bevölkerung gut. Das war früher vielleicht mal so. Heutzutage ist diese Behauptung angesichts weltumspannender Konzerne und Minilöhnen ein schlechter Witz.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 04 August 2010, 12:04:48
[...]Ich bin nicht für die Abschaffung des Sozialstaates, aber für gemeinnützige Arbeit der Leute, die fit und gesund sind. Schließlich leben sie vom Geld der Allgemeinheit, da erwarte ich eine Gegenleistung.[...]
Dazu ist mir noch folgendes eingefallen:

(http://www.spiegelfechter.com/img/kraft_q_2.jpg)
Quelle: Spiegelfechter.com
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Astuzia infernale am 04 August 2010, 12:41:12
Ich hab den unteren Teil gar nicht wahrgenommen (kein Scherz) und dachte es sei ein Bild aus der NS-Zeit...  :o :o
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Svendra am 04 August 2010, 12:46:33
Nein, wirklich?  ::) 

Und wenn du uns einen ganz großen Gefallen tun willst, dann google mal nach Stichworten wie "Fotomontage", "Mash-up" oder "Plakat-Remix". Wahlweise auch "Satire". Danke.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: tyrannus am 04 August 2010, 13:34:14
Das sind alles Ablenkungsmanöver, um andere Dinge, die sich im Lande bewegen, zu verheimlichen und das Volk gegeneinander auszuspielen.  ;)

Also unrecht hast du nicht...Hier (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/hartz-IV-eliten?page=1) ist z. B. ein Interview mit dem Soziologen Michael Hartmann, in dem er genau das behauptet:

"Das heißt, dass dieser sehr kleine Teil der Bevölkerung, der nahezu ein Viertel des gesamten Vermögens in Händen hält, fast 150 Milliarden dazugewonnen hat. Darüber wird nicht geredet; dabei wäre es doch nahe liegend zu fragen, ob nicht sie ihren Anteil leisten müssten. Schließlich hat die staatliche Rettung der Banken vor allem ihr Geld gesichert.

Frage: Danach müsste die Masse der Steuerzahler fragen.

Hartmann: Das zu verhindern ist der Sinn all dieser Äußerungen. Die Mittelschichten sollen glauben, mit denen oben in einem Boot zu sitzen. Sloterdijk weitete seinen Begriff der Leistungsträger von Interview zu Interview mehr aus, selbst Westerwelle spricht inzwischen von der Krankenschwester, die man in Schutz nehmen müsse gegen die Hartz-IV-Empfänger, die von ihren Steuern lebten. Es gibt einen massiven Versuch, die Fronten so zu ziehen. Und er scheint zu funktionieren. "



Ich finde es durchaus plausibel, dass gewisse Teile der Gesellschaft (die "Oberschicht" oder deren Sprecher) von ihren eigenen Privilegien ablenken wollen, indem sie ganz bewusst suggerieren, die unterste Schicht würde viel mehr bevorzugt als die oberste, würde also viel mehr vom Staat profitieren als die Reichen. Also im Sinne von: Die eigentlichen Abzocker des Staates sitzen nicht in den glitzernden Türmen über Frankfurt und in Chateaus in den Schweizer Bergen, sondern in den Sozialwohnungen von Kirchdorf-Süd und Mümmelmannsberg.
Nicht nur, dass gewisse Medien gerne Personen zu Wort kommen lassen, welche diese Art von Ablenkung verbreiten, bzw. selbst der Meinung anhängen und daher gerne auf die entsprechenden PR-Abteilungen zurückgreifen (s. fast aktuell: http://www.nachdenkseiten.de/?p=5907), nein, hinzu kommen die ganzen tollen Lebenserzählungen über die Entkernung und Sanierung von "Messiewohnungen", 14 jährige Chantals mit 2 Kindern und Langzeitarbeitslosen, die besoffen preisgeben, dass sie keine Lust haben zu arbeiten. Manch eine Talkshow schafft es sogar einen dieser Arbeitsverweigerer in die Sendung zu bekommen, man müssen da viele von rumlaufen. Der elitäre Zuschauer erkennt natürlich sofort, dass alle Hartz IV Empfänger so sind und steigt entspechend in die Diskussion ein.  ;)  ;)  ;)

Diese Diskussion lohnt insgesamt überhaupt nicht. Man wird die Gutgläubigen nicht überzeugen, die Idee irgendeines unwichten Sommerlochüberbrückungsbeauftrageten aus der Politik dafür aber bekannt machen, auch wenn man dagegen argumentiert. Außerdem sind die Gutscheine eh alte Kamellen: http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/merkel-gegen-gutscheine-fuer-hartz-iv-empfaenger/1637078.html  ::)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: colourize am 04 August 2010, 13:52:18
Interessant finde ich vor allem, dass gegen die Erhöhung der SGB II-Regelsätze seitens konservativer Politiker keineswegs ins Feld geführt wird, dass die bisherigen Sätze okay seien und ein menschenwürdiges Leben ermöglichten, sondern vielmehr, dass eine Anpassung der sozialen Transferleistungen den Einkommensunterschied zwischen durch Arbeit erwirtschaftetem Einkommen und den SGB II Sätzen marginal werden ließe.

Das Argument finde ich ja geradezu großartig. Man muss sich mal klarmachen, was das eigentlich heißt:

a) Die Erkenntnis, dass mit Hartz IV kein menschenwürdiges Leben in Deutschland fristen kann, ist auch in Kreisen konservativer Politiker angekommen
b) Viele Menschen erwirtschaften, obwohl sie Vollzeit arbeiten, einen regelrechten Hungerlohn, der kaum oberhalb der Armutsgrenze liegt
c) Um zu verhindern, dass Menschen, die von ihrem Arbeitslohn kaum überleben können, ihre beschissen entlohnte Arbeit aufgeben und lieber SGB II beziehen, müssen die SGB II Sätze unterhalb der Armutsgrenze gehalten werden.

Was ist dies bitte für ein asoziales Menschenbild, das hinter dieser Argumentation steckt?! Anstatt sich für eine Lohnerhöhung der Geringverdiener einzusetzen und einen gesetzlichen Mindestlohn in allen Branchen politisch durchzusetzen, schlagen dieser bierwänstigen Tantiemenkassierer tatsächlich vor, dass es doch lieber mehr Armut in Deutschland geben sollte!

Wenn man sich dazu noch vor Augen hält, wie lax viele Finanzämter mit Steuerhinterziehung durch Millionäre  (http://www.fr-online.de/politik/spezials/steuerfahnder-affaere/weimars-wahrheiten/-/1477340/2776330/-/index.html)umgehen, wodurch den Sozialkassen jedes Jahr einige Milliarden durch die Lappen gehen, kann man wirklich nur kotzen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: snakepit am 04 August 2010, 15:45:42
Mir fällt zu diesem Thema einfach nichts Positives ein, da ich selbst von der "Krankheit" Hartz4 einige Zeit betroffen und damit wirklich mal ganz unten war....Zum Schluss musste ich mir das Essen von der Tafel holen und private Insolvenz beantragen!

Jetzt hab ich zwar seit gut 3 Jahren nen festen Vollzeit-Job, also irgendwie nochmal die Kurve gekriegt (allerdings musste ich dafür meine Heimat, Freunde und Verwandte verlassen und hause nun in nem Dreckloch auf der tollen Veddel)  -  auf nen "grünen Zweig" komme ich dank Hungerlohn + Insolvenz  trotzdem nicht...
Zudem hat mich die Arbeitslosigkeit dermaßen geschröpft und auch mental kleingemacht, dass ich daran heut noch zu knabbern habe...und dies wird wohl auch noch ne gewisse Zeit so bleiben....

Eigentlich fast ein kleines Wunder, dass ich es überhaupt noch da rausgeschafft habe.....Ich hatte die Hoffnung nach 2 Ausbildungen, diversen ABMs, Zeitverträgen, Nebenjobs und unzähligen Bewerbungen eigentlich schon aufgegeben....
Geholfen hat mir die Arge dabei jedenfalls nicht. Den Job hab ich mir selbst beschafft und dafür viel auf mich genommen.....Immerhin wurde mir der Umzug (knapp 1000€) gezahlt....Rücklagen hatte bzw. habe ich selbstverfreilich keine!

Jetzt habe ich wenns hoch kommt nur 100€ mehr als jemand der Hartz4 bezieht, aber es fühlt sich einfach besser an, sein Geld selbst zu verdienen!!!! Ich bin wirklich froh, nicht mehr dieser Willkür ausgeliefert und vom A-Amt abhängig zu sein!!!


p.s.: das ist jetzt doch persönlicher geworden, als ich es eigentlich wollte. Aber zwangsläufig, wenn ich darüber nachdenke, kommen Erinnerungen hoch!
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 04 August 2010, 18:10:00
p.s.: das ist jetzt doch persönlicher geworden, als ich es eigentlich wollte. Aber zwangsläufig, wenn ich darüber nachdenke, kommen Erinnerungen hoch!
Bei mir ist es auch viel persönlicher geworden als geplant, aber das Thema Gerechtigkeit in Deutschland ist für mich einfach ein Dauerärgernis. Und ich habe es sogar noch relativ gut, da ich - wie gesagt - den Druck vom Amt nicht habe. Und zum Glück auch (noch) keine Schulden. Und ich kann z. B. auch froh sein, dass ich bisher keinen Handwerker gebraucht habe; da sind ein, zwei Monatsbudgets schnell weg.


Zitat
c) Um zu verhindern, dass Menschen, die von ihrem Arbeitslohn kaum überleben können, ihre beschissen entlohnte Arbeit aufgeben und lieber SGB II beziehen, müssen die SGB II Sätze unterhalb der Armutsgrenze gehalten werden.
Das nennen sie dann heuchlerisch "Anreize schaffen" - wenn ich das schon immer höre :P


Mag ja sein, dass im Moment Sommerloch ist, aber dieses "asoziale Menschenbild" (colourize) zieht sich schon viel länger durch die Gesellschaft... Ich habe neulich jemanden sagen hören, "ALG-II-Empfänger sind die neuen Juden". Bitte nicht gleich Godwin schreien, er meinte nur, jetzt sind sie der neue Sündenbock und Prügelknabe der Nation. Wir reden hier von ca. einem Zehntel der Bevölkerung, und da sind die Aufstocker (glaube ich) noch gar nicht mitgezählt. Man müsste sich nur mal klar darüber werden, was für eine politische Macht das eigentlich wäre...


Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 05 August 2010, 11:18:58
Zitat
Wir reden hier von ca. einem Zehntel der Bevölkerung, und da sind die Aufstocker (glaube ich) noch gar nicht mitgezählt. Man müsste sich nur mal klar darüber werden, was für eine politische Macht das eigentlich wäre...

... wäre sie, würde sie mit einer Stimme sprechen, und wäre diese Gruppe nicht doch sehr heterogen.

Ich kenne das Phänomen von Studierenden her: Mal gesetzt den Fall, Studenten würden allesamt für ein ganzes Semester streiken und ein halbes Jahr lang auf die Barrikaden gehen, dann würden sie mit Sicherheit mehr erreichen, als sie es momentan tun.
Das aber scheitert daran, dass es zu viele unterschiedliche Interessen gibt: Es gibt genug Studierende, die dieses halbe Jahr niemals nie "verlieren" möchten und deswegen eher auf die Barrikaden gehen, wenn die Unis dichtgemacht werden würden seitens der Streikenden!
Das habe ich selbst erlebt. Und da ging es grade mal um einen Streik für zwei Tage ...

HartzIV ist auch nicht gleich HartzIV: Da gibt es jene wie dich, die durch chronische Krankheiten arbeitsunfähig werden und damit zum ALGII-Fall werden, da gibt es aber auch ehemalige Immigranten, die kein Wort Deutsch können, für ihr sechstes Kind aber dennoch diesen Kinderzuschuss neben HartzIV haben wollen, oder tatsächlich den arbeitslosen Schmarotzer, der sagt "wieso? Geld kassieren und schwarz was dazuverdienen hin und wieder ist doch geil, für mich muss hier nichts geändert werden!"
Es gibt die ehemaligen Studierenden, die sofort HartzIV-Empfänger sind und das eh als vorübergehenden Zustand ansehen und sich deswegen genauso wie obige genannten Studierenden verhalten würden, es gibt den 58jährigen entlassenen Arbeiter, der keinen Ärger mehr haben möchte und die Zeit bis zur Rente einfach nur aussitzen will.
Dann gibt es wiederum die Hochmotivierten, denen die derzeitige Situation mächtig stinkt, weil sie kein Praktikum länger als 2 Wochen genehmigungslos machen dürfen und auf die Barrikaden gehen, oder jene, die sich ehrenamtlich engagieren und es untragbar finden, dass dies nicht in irgend einer Form seitens des Staates honoriert wird.
Und, und, und ...

Da mit einer Stimme zu sprechen und damit sich die Lobby heranzuziehen, die notwendig wäre, um wirklich aufzubegehren, gleicht der Quadratur des Kreises.


Ansonsten brachte es colourize sehr schön auf den Punkt: Es ist schon perfide, dass man das Problem "zu kleiner Abstand zwischen Niedriglöhnen von Arbeitenden zu Geldern für die Arbeitslosen" momentan so gelöst werden soll, dass man nicht die Ausbeutungslöhne anhebt, sondern dafür sorgen möchte, dass man die Gelder für die Arbeitslosen gerne unters Existenzminimum drücken möchte, und das rein nur deswegen, damit sich die Ausgebeuteten nicht mehr ganz so ausgebeutet fühlen, bzw. Arbeitslose dazu motiviert werden, Jobs anzunehmen, in denen ihre Arbeitskraft hoffnungslos ausgebeutet wird.

Wie sonst soll man sich erklären, dass es überhaupt Aufstocker gibt. Vom Arbeitgeber nicht mal das Existenzminimum zu erhalten, obwohl man sich 40 Stunden die Woche für ihn krumm macht, ist nun wirklich pervers.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 05 August 2010, 13:09:44
Wie sonst soll man sich erklären, dass es überhaupt Aufstocker gibt. Vom Arbeitgeber nicht mal das Existenzminimum zu erhalten, obwohl man sich 40 Stunden die Woche für ihn krumm macht, ist nun wirklich pervers.
Ich bin ja kein Jurist, aber ich behaupte mal, daß Arbeitsverträge zu Vollzeitjobs, die eine Entlohnung vorsehen, die das Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht gewährleisten, sittenwidrig sind.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Philomel am 05 August 2010, 14:39:01
Wie sonst soll man sich erklären, dass es überhaupt Aufstocker gibt. Vom Arbeitgeber nicht mal das Existenzminimum zu erhalten, obwohl man sich 40 Stunden die Woche für ihn krumm macht, ist nun wirklich pervers.
Ich bin ja kein Jurist, aber ich behaupte mal, daß Arbeitsverträge zu Vollzeitjobs, die eine Entlohnung vorsehen, die das Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht gewährleisten, sittenwidrig sind.

Würden die Arbeitnehmer dagegen klagen, könnte man eventuell schrittweise was ändern. Aber wenn man das tut, ist man sofort den Job los. Es gibt ja schließlich genügend, die händeringend nach irgendetwas an Job suchen.
Vor einiger Zeit war da doch was in den Medien mit den Hungerlöhnen der Friseure und Reinigungskräfte, die zwischen 1,30 und 4,80 die Stunde variierten. Rechtliche Konsequenzen? Pfft. Da steht halt keine finanzstarke Lobby hinter.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 05 August 2010, 18:23:27
Sittenwidrig bestimmt. Hartz IV eben. Es ist doch der Staat selbst (die BA, die ARGEn), der die H4-Empfänger dazu zwingt, JEDEN auch noch so mies bezahlten Job anzunehmen, ansonsten droht die Kürzung der Bezüge. Komm deiner ARGE mal mit "sittenwidrig", die lachen sich tot, und dann wird erst mal gekürzt...und dann wird die 51jährige Bürokauffrau nämlich doch für 1,58 Euro pro Stunde Hotelzimmer putzen gehen.

Das ist doch das Perfide. Von den "Hartz IV"-Gesetzen und natürlich der Arbeitslosigkeit allgemein profitieren nur die Arbeitgeber.

1. Weil alle Arbeitnehmer viel mehr Angst vor dem Jobverlust haben und so gezwungenermaßen auf Lohnerhöhungen, Sonderzahlungen usw. verzichten und lieber die Klappe halten, statt ihre Rechte durchzusetzen.

2. Weil sie ihre Arbeit für jeden Dreckslohn anbieten können - solange die BA ihre "Kunden" in diese Jobs zwingt.

3. Weil inzwischen viele Arbeitgeber Arbeitsplätze, die bisher regulär waren, durch 1-Euro-Jobs ersetzt haben, z. B. in privat geführten Krankenhäusern oder Gärtnereien mit Parkpflege. Kostet sie keinen Cent mehr - im Gegenteil, sowas wird noch mit extra Steuergeld belohnt.


hinzu kommen die ganzen tollen Lebenserzählungen über die Entkernung und Sanierung von "Messiewohnungen", 14 jährige Chantals mit 2 Kindern und Langzeitarbeitslosen, die besoffen preisgeben, dass sie keine Lust haben zu arbeiten. Manch eine Talkshow schafft es sogar einen dieser Arbeitsverweigerer in die Sendung zu bekommen, man müssen da viele von rumlaufen.
Weniger unterhaltsam, aber genau so ärgerlich sind die "Positivbeispiele", die hin und wieder mal durch die Medien geistern; die Mutter (34, Hartz-IV-Empfängerin), die ihre achtköpfige Familie ganz prima mit 150 Euro im Monat mit Bioprodukten ernähren kann, den Kindern noch neue Markensportklamotten und die neue PS3 kaufen kann, Ballett-, Reit- und Geigen- und Nachhilfestunden finanzieren und nebenbei noch für größere Ausgaben und die eigene Rente Geld ansparen kann... ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 06 August 2010, 11:57:13
Ich tendiere mittlerweile eher dazu, es ähnlich zu sehen wie auf der verlinkten Page. (z. B. 2010-08-05). (http://www.hartgeld.com/sozialsysteme.html)

Bin schon auf Messies Kommentar zu der Site gespannt  ;D
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 06 August 2010, 15:02:01
Hö? Wieso sollte ich da groß etwas dazu sagen? Dass das derzeitige Gesundheitssystem, vor allem deren Transparenz, dringend überarbeitungsbedürftig ist, steht für mich doch außer Frage und habe ich auch schon mehrfach hier im Forum geschrieben.
Ich würde mir auch wünschen, dass alle Beiträge einzahlen, auch ALGII-Empfänger, aber das ist nun einmal bei dem derzeitigen HartzIV-Satz nicht zu machen, da die 359€ zum Leben für alles das absolute Minimum sind und sich davon wirklich nichts mehr abziehen lässt, ohne ALGII-Empfänger in Schwarzarbeit zu treiben.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 07 August 2010, 08:58:58
Ich würde mir auch wünschen, dass alle Beiträge einzahlen, auch ALGII-Empfänger

Die Krankenkassenbeiträge für Arbeitslose etc. zahlt das jeweilige Arbeits- oder Sozialamt. Das Arbeitsamt muss übrigens auch die Kosten für die private Krankenkasse übernehmen, wenn ein H4-Empfänger bei einer PKV versichert ist (den vollen Basistarif.)

Allerdings sollen die Beiträge zur Rentenversicherung für H4-Empfänger in Zukunft leider wegfallen (das tolle "Sparpaket".) Bisher zahlte das jeweilige Amt bei ALG I 80 % der bisherigen Beiträge, bei ALG II pauschal knapp 41 EURO. Auch dieser geringe Beitrag soll jetzt wegfallen. Damit auch jeder, der mal länger arbeitslos war, dieses wenigstens auch später bei der Rente zu spüren bekommt...und gefälligst auch als Rentner aufs Amt angewiesen bleibt. Das nenne ich mal Kundenbindung... ;)


@Inverted:
Kranken-, Arbeitslosen-, Unfall- und Pflegeversicherungen sind nun mal Risikoversicherungen und keine Sparverträge oder Geldanlagen, genauso wie Berufsunfähigkeits-, Gebäude-, Hausrat-, Haftpflicht- oder Kfz-Versicherungen! Jeder, der sie nicht in Anspruch nehmen muss, sollte sich glücklich schätzen - statt diejenigen zu verachten oder sogar zu beneiden(!), die das Pech haben, sie in Anspruch nehmen zu müssen.

Die Übertragung bestimmter Lebensrisiken vom Einzelnen auf die Allgemeinheit ist eine große Errungenschaft der Gesellschaft. Gäbe es keine Pflichtversicherungen, könnten sich Arme gar keine leisten, und Kranke würden überhaupt nicht aufgenommen. Wenn das dein alternativer Gesellschaftsentwurf ist...o.o
Die wahren "Blutsauger" liegen doch nicht in den Krankenbetten; dass die Finanzierung der Sozialsysteme so aus dem Ruder läuft, ist nicht die Schuld der Kranken und Arbeitslosen, sondern Folge einer seit Jahrzehnten verfehlten (Klientel-)Politik!

Diese Politik schafft es ja nicht mal, die wirklich Reichen angemessen an der Finanzierung der Gesellschaft und der Sozialsysteme zu beteiligen - im Gegenteil: Schonung und Vorteile zu Lasten der Allgemeinheit (letztes Beispiel: die "Möwenpick-Gesetze"). Wer reich ist, kann sich legal aus sämtlichen (Sozial-)Systemen völlig ausklinken. Solange der Gewinn stimmt, hat der Staat sich gefälligst raus zu halten; die Verluste allerdings darf die Allgemeinheit wiederum gerne tragen...

Diese Einstellung in den Chefetagen der Konzerne, Banken, Industrie usw. schadet der Gesellschaft ungleich mehr.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 07 August 2010, 11:53:45
Zitat
Die Krankenkassenbeiträge für Arbeitslose etc. zahlt das jeweilige Arbeits- oder Sozialamt.

Das weiß ich. Allerdings zahlt sich der Staat ja das Geld quasi selbst, es wird nur von einem Topf (im Extremfall dem Schuldentopf, den die Steuerzahler tragen) in einen anderen geschoben. Dass das die Staatsfinanzen nicht verbessert, dürfte einleuchten ;)

Was die Menge der eingezahlten Einträge angeht, funktioniert es wie jede andere Versicherung auch.
Ein Beispiel etwa zu einer Hausratversicherung: Lass die Leute 80€ jährlich dafür bezahlen, und das 40 Jahre lang. Macht immerhin auch schon 4200€. Nichts passiert, das Geld ist weg.
Eine andere Person zahlt genauso viel ein. Bei ihr wird eingebrochen, Schaden: 40 000€. Die Versicherung muss zahlen. Tut sie auch, weil sie es aus den Beiträgen z.B. jenes anderen auch bezahlen kann.
Wenn nun jeder, der in die Hausrat eingezahlt hat, am Ende des Jahres seinen Beitrag zurückerhalten würde wenn nichts passiert ist, könnte die Versicherung nie im Leben den Schaden bezahlen, sondern nur das, was derjenige in jenem Jahr eingezahlt hat - nämlich die 80€ zurückzahlen. ;)
So funktioniert es eben nicht.

Also zahlen alle ein. Viele auch, ohne finanziell den Gegenwert zu erhalten.
Dafür wissen sie aber auch, dass sie ein Leben lang dafür versichert sind, dass falls ihnen etwas Schlimmes passiert, ihnen die adäquate Versorgung zugute kommt.
Ein Unfall, 10 Operationen am ganzen Körper, 150 Tage Krankenhausaufenthalt, und schon hättest du mehr bezahlt bekommen als du jemals eingezahlt hast.

Dieses Solidarprinzip ist soweit ok.
Nicht ok ist, dass keine Transparenz herrscht und Ärzte abrechnen können wie sie lustig sind, weil eh keine Sau merkt, was sie abgerechnet haben, da der Patient davon erst gar nicht informiert wird.
Nicht ok ist auch, dass hierzulande dieselben Medikamente bis zu 10x mehr kosten als in Nachbarländern. Da müsste eine EU-weite Deckelung der Kosten für Medikamente her.
Dort lässt sich Geld sparen. Und zwar eine ganze Menge mehr als beim ALGII-Empfänger, für den ein möglicherweise selbst gezahlter Krankenkassenbeitrag der Unterschied zwischen Überleben und Vegetieren ist.

*edit* Betragsfehler im letzten Absatz gemacht, umformuliert auf CubistVovels Hinweis, danke für. :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 07 August 2010, 12:41:20
Die 41 € waren Rentenversicherung, wieviel der Staat an die KV zahlt, weiß ich im Moment nicht...aber passend dazu:
http://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/versicherte-sollen-an-arztkosten-beteiligt-werden-4943.php (http://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/versicherte-sollen-an-arztkosten-beteiligt-werden-4943.php)

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 07 August 2010, 19:39:48
Was die Menge der eingezahlten Einträge angeht, funktioniert es wie jede andere Versicherung auch.
Ein Beispiel etwa zu einer Hausratversicherung: Lass die Leute 80€ jährlich dafür bezahlen, und das 40 Jahre lang. Macht immerhin auch schon 4200€. Nichts passiert, das Geld ist weg.
Eine andere Person zahlt genauso viel ein. Bei ihr wird eingebrochen, Schaden: 40 000€. Die Versicherung muss zahlen. Tut sie auch, weil sie es aus den Beiträgen z.B. jenes anderen auch bezahlen kann.
Wenn nun jeder, der in die Hausrat eingezahlt hat, am Ende des Jahres seinen Beitrag zurückerhalten würde wenn nichts passiert ist, könnte die Versicherung nie im Leben den Schaden bezahlen, sondern nur das, was derjenige in jenem Jahr eingezahlt hat - nämlich die 80€ zurückzahlen. ;)
So funktioniert es eben nicht.
Würde die Hausratversicherung über eine staatliche Zwangssteuer finanziert, betrüge der Beitrag 5% des monatlichen Bruttoeinkommens oder so, im Schnitt wahrscheinlich mindestens das 12-fache, mit Sicherheit wäre eine Monatsrate jedoch höher als heutzutage eine Jahresrate. Bei schlechterer Leistung, versteht sich. Der gigantische bürokratische unproduktive Verwaltungsapparat, der dann aufgebaut werden würde, müsste ja schliesslich finanziert werden. Und nach ein paar Jahren würden sich jede Menge Lohnsklaven finden, die sich nicht zu dumm wären, diesen grotesken Moloch begeistert als "soziale Errungenschaft" zu feiern.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 07 August 2010, 23:59:17
Was die Menge der eingezahlten Einträge angeht, funktioniert es wie jede andere Versicherung auch.
Ein Beispiel etwa zu einer Hausratversicherung: Lass die Leute 80€ jährlich dafür bezahlen, und das 40 Jahre lang. Macht immerhin auch schon 4200€. Nichts passiert, das Geld ist weg.
Eine andere Person zahlt genauso viel ein. Bei ihr wird eingebrochen, Schaden: 40 000€. Die Versicherung muss zahlen. Tut sie auch, weil sie es aus den Beiträgen z.B. jenes anderen auch bezahlen kann.
Wenn nun jeder, der in die Hausrat eingezahlt hat, am Ende des Jahres seinen Beitrag zurückerhalten würde wenn nichts passiert ist, könnte die Versicherung nie im Leben den Schaden bezahlen, sondern nur das, was derjenige in jenem Jahr eingezahlt hat - nämlich die 80€ zurückzahlen. ;)
So funktioniert es eben nicht.
Würde die Hausratversicherung über eine staatliche Zwangssteuer finanziert, betrüge der Beitrag 5% des monatlichen Bruttoeinkommens oder so, im Schnitt wahrscheinlich mindestens das 12-fache, mit Sicherheit wäre eine Monatsrate jedoch höher als heutzutage eine Jahresrate. Bei schlechterer Leistung, versteht sich. Der gigantische bürokratische unproduktive Verwaltungsapparat, der dann aufgebaut werden würde, müsste ja schliesslich finanziert werden. Und nach ein paar Jahren würden sich jede Menge Lohnsklaven finden, die sich nicht zu dumm wären, diesen grotesken Moloch begeistert als "soziale Errungenschaft" zu feiern.

Wie gesagt, das Gesundheitssystem gehört gründlich überarbeitet, der Meinung bin ich auch. Ich denke auch, dass die monatlichen Beiträge um mindestens die Hälfte sinken würden, würde man es ordentlich organisieren.
Mit der HartzIV-Debatte per se hat das aber nichts zu tun. Was an Geld hereinkäme, würden ALGII-Empfänger selbst einzahlen auf dem notwendigerweise sehr niedrigen Niveau, sind Peanuts z.B. im Vergleich dazu, wie viel Geld für viel zu überteuerte Medikamente verbrannt wird.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 08 August 2010, 08:15:32
Würden H4-Empfänger (und andere Arme) ihre Krankenkassenbeiträge oder Arztkosten selbst zahlen müssen, bekäme der zynische Begriff des "sozialverträglich frühen Ablebens" ganz neue Dimensionen.


@Inverted: Aus deinen Beiträgen (nicht nur in diesem Thread) lässt sich herauslesen, dass du Arbeitslose verachtest. Die Menschen mit Arbeit allerdings bezeichnest du - ebenso verächtlich - als "Lohnsklaven". Beides ist also schlecht: Arbeit haben und keine Arbeit haben. Was wäre denn deine Alternative?
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 08 August 2010, 09:19:12
Aus "ARD-DeutschlandTrend" (http://www.presseportal.de/pm/6694/1660063/ard_das_erste) 05.08.2010

"Die Mehrheit der Deutschen findet die Hartz IV-Sätze in Deutschland nicht zu niedrig. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend halten 45 Prozent die Hartz IV-Sätze für "angemessen" (-7 im Vergleich zum März 2010). Neun Prozent finden, dass die Hartz IV-Sätze "eher zu hoch" seien (+1). 41 Prozent sind hingegen der Meinung, dass die Hartz IV-Sätze "eher zu niedrig" seien."

"Die Überlegungen im Familienministerium, bestimmte Hartz IV-Leistungen für Kinder in Form von Gutscheinen auszugeben, damit das Geld nicht von den Eltern für andere Zwecke verwendet werden kann, wird von einer großen Mehrheit der Deutschen begrüßt. 83 Prozent finden, dass dieser Vorschlag in die richtige Richtung geht. Nur 16 Prozent finden, dass er in die falsche Richtung geht."
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: K-Ninchen am 08 August 2010, 18:56:04
Zu den "Gutscheinen": Ich finde ja, dass, wenn es um Kindergarten, Schule und die Verpflegung dort geht, dies allen Schülern frei stehen sollte, incl. Lehrmaterial. Ganz einfach.
So ist zumindest die nachfolgende Generation nicht vom Status der Eltern so dermaßen abhängig, wie es heute ist.
In so einem Fall wäre es nicht in Form von Gutscheinen, sondern, das das Geld direkt in die Einrichtungen fließt. Also das fände ich dann besser, als den Eltern 100 Euro "Schulgeld" zu geben und zu sagen: "Kauf den Kindern davon mal Schulsachen". Aber das ist wieder ne andere Baustelle...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 08 August 2010, 19:06:31
Tja, was die Gutscheine für Schulsachen etc. angeht, wäre das generell eine gute Sache, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Denn ich kann mich an meine Schule und meine Mitschüler damals erinnern: Die Eltern stinkreich, da wurde mitm fetten Benz vorgefahren und die Mama stolzierte mit dem 8000 Mark-Pelzmantel, behängt mit Klunkern wie ein Weihnachtsbaum, vor, aber für Sportsachen fürs Kind war plötzlich kein Geld da. DA kriegt man dann auch auf so manch Elternteil eine Hasskappe.  >:(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: K-Ninchen am 09 August 2010, 00:45:24
Tja, was die Gutscheine für Schulsachen etc. angeht, wäre das generell eine gute Sache, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Denn ich kann mich an meine Schule und meine Mitschüler damals erinnern: Die Eltern stinkreich, da wurde mitm fetten Benz vorgefahren und die Mama stolzierte mit dem 8000 Mark-Pelzmantel, behängt mit Klunkern wie ein Weihnachtsbaum, vor, aber für Sportsachen fürs Kind war plötzlich kein Geld da. DA kriegt man dann auch auf so manch Elternteil eine Hasskappe.  >:(
Der Fall ist sicher etwas seltener, aber folgende Konstellationen sind möglich, wenn man nur "Schulgeld" ausgeben würde:

- Eltern bevorzugen ihr Kind, kaufen nur das beste für die Schule, verzichten dafür aber auf viel anderes und leiden selber zu stark darunter
- Eltern kaufen lieber Zigaretten von dem Geld, das Kind kann ja in den Schulatlas des Nachbarn mit reingucken
- Einige Kinder sind sehr benachteiligt, weil besonders wohlhabende Eltern ihren Kindern wesentlich bessere Schulsachen kaufen

...das ist sogar gesundheitlich ein Thema, wenn z.B. das Geld für einen ordentlichen Schulranzen nicht reicht und das Kind den ganzen Kram einseitig belastet immer nach Hause schleppen muss.
Hab ich übrigens nie verstanden, warum wir hier (zumindest in allen Schulen, die ich besucht habe), keine Spinte oder Fächer für die schweren Schulsachen hatten.

Aber egal, schluss mit dem Schulkram, das war fast etwas off-topic jetzt.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 09 August 2010, 08:05:46
Ach, ich finde, die gesundheitlichen Folgen der Geldknappheit sind durchaus nicht am Thema vorbei. ;)


Jetzt fühlte sich auch Wolfgang Franz, der Chef der Wirtschafts"weisen" bemüßigt, die Diskussion um den Arbeitszwang weiter anzuheizen: (http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Arbeitspflicht-fuer-Hartz-IV-Bezieher_aid_891160.html)

"Jeder Hilfebedürftige kann den ungekürzten Regelsatz bekommen, aber er muss dafür arbeiten. Vorzugsweise auf dem ersten Arbeitsmarkt oder falls dort nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, in einer Arbeitsgelegenheit bei einer kommunalen Einrichtung oder bei Wohlfahrtsverbänden", so Franz.

Äh, laut diesem Wirtschaftsscheißer sollen ALG II-Empfänger vorzugsweise auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten, um den vollen H4-Regelsatz zu bekommen?? Im Klartext: Zwangsarbeit in Firmen, sonst Kürzung der H4-Bezüge? ???

Wie kann man nach so einer Äußerung diesen (steuerfinanzierten) Wirtschaftsnazi, der in seinem Leben wahrscheinlich noch nie richtig gearbeitet hat, noch ernst nehmen... :P
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: K-Ninchen am 09 August 2010, 13:08:31
Das ist eben das Ding... viele merken nicht, dass es teilweise schon so etwas wie Zwangsarbeit gibt. Und das für Menschen, die meist in ganz anderen Qualifikationen gerne und gut und für anständiges Geld gearbeitet hätten.

Davon mal abgesehen:

Gibt es hier eigentlich irgendeinen, der jemals einen vernünftigen Job über die Arge/Arbeitsamt bekommen hat? Also ich nicht (hab mich selber beworben, war dann auch gut so).
Also... was machen die da außer Arbeitslosigkeit nur zu verwalten?!
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: sYntiq am 09 August 2010, 14:17:32
quote]

Das weiß ich. Allerdings zahlt sich der Staat ja das Geld quasi selbst, es wird nur von einem Topf (im Extremfall dem Schuldentopf, den die Steuerzahler tragen) in einen anderen geschoben. Dass das die Staatsfinanzen nicht verbessert, dürfte einleuchten ;)
Das wäre aber auch nciht anders, wenn der H4-Empfänger selbst zahlen müsste. Dann würde es halt nicht mehr "Arge--->Kasse" sein, sondern "Arge-->H4-Empfänger-->Kasse"  Macht also keinen Sinn da nur einen Zusatzschrit einzubauen, der bloss mehr Arbeit und Kosten verursacht.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 09 August 2010, 15:10:09
quote]

Das weiß ich. Allerdings zahlt sich der Staat ja das Geld quasi selbst, es wird nur von einem Topf (im Extremfall dem Schuldentopf, den die Steuerzahler tragen) in einen anderen geschoben. Dass das die Staatsfinanzen nicht verbessert, dürfte einleuchten ;)
Das wäre aber auch nciht anders, wenn der H4-Empfänger selbst zahlen müsste. Dann würde es halt nicht mehr "Arge--->Kasse" sein, sondern "Arge-->H4-Empfänger-->Kasse"  Macht also keinen Sinn da nur einen Zusatzschrit einzubauen, der bloss mehr Arbeit und Kosten verursacht.

Ok, da hast du auch wieder recht  :D
Ich sollte mal mein Logikhirn wieder auf Trab bringen *lach*
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: colourize am 09 August 2010, 15:12:42
Das ist eben das Ding... viele merken nicht, dass es teilweise schon so etwas wie Zwangsarbeit gibt. Und das für Menschen, die meist in ganz anderen Qualifikationen gerne und gut und für anständiges Geld gearbeitet hätten.

Davon mal abgesehen:

Gibt es hier eigentlich irgendeinen, der jemals einen vernünftigen Job über die Arge/Arbeitsamt bekommen hat? Also ich nicht (hab mich selber beworben, war dann auch gut so).
Also... was machen die da außer Arbeitslosigkeit nur zu verwalten?!
Leute zur Aufnahme von irgendwelchen Scheissjobs drängen, um die Arbeitslogik in unserer Gesellschaft nicht aufzugeben. Obwohl eigentlich auch denen im Amt längst klar sein dürfte, dass es für einen Großteil ihrer "Kunden" in unserer heutigen Wissensgesellschaft überhaupt keine Verwendung gibt.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Philomel am 09 August 2010, 15:54:41
Das ist eben das Ding... viele merken nicht, dass es teilweise schon so etwas wie Zwangsarbeit gibt. Und das für Menschen, die meist in ganz anderen Qualifikationen gerne und gut und für anständiges Geld gearbeitet hätten.

Davon mal abgesehen:

Gibt es hier eigentlich irgendeinen, der jemals einen vernünftigen Job über die Arge/Arbeitsamt bekommen hat? Also ich nicht (hab mich selber beworben, war dann auch gut so).
Also... was machen die da außer Arbeitslosigkeit nur zu verwalten?!
Leute zur Aufnahme von irgendwelchen Scheissjobs drängen, um die Arbeitslogik in unserer Gesellschaft nicht aufzugeben. Obwohl eigentlich auch denen im Amt längst klar sein dürfte, dass es für einen Großteil ihrer "Kunden" in unserer heutigen Wissensgesellschaft überhaupt keine Verwendung gibt.


Das mit der Wissensgesellschaft scheint bei der Arge aber noch nicht angekommen zu sein, die haben mir bei der Jobberatung nach Uniabschluss attestiert "schwer integrierbar" zu sein. Und ich habe nicht mal eins der "Orchideenfächer" studiert. Vom Amt hab ich übrigens seitdem kein einziges Jobangebot erhalten.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: K-Ninchen am 09 August 2010, 16:36:07
...es ist halt das Arbeitslosenverwaltungsamt/agentur. Mit Beschaffung von angemessener Arbeit hat das da überhaupt nichts zu tun.
Wieder so ein Fall, bei dem die Bezeichnung "Arbeitsagentur" oder wie früher "Arbeitsamt" völlig irreführend ist.

Das ist so, als ob man davon ausginge, in einem Supermarkt Super tanken zu können oder die U-Bahn geformt sei wie ein U usw :P
Ein zynischer Euphemismus eben.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 09 August 2010, 16:52:41
Wiki: "Eine Agentur ist ein Büro [...], das für bestimmte Personengruppen die Vertretung ihrer Interessen übernimmt." Bei der Arge fragt man sich schon manchmal, wessen Interessen das wohl tatsächlich sind...

Gibt es hier eigentlich irgendeinen, der jemals einen vernünftigen Job über die Arge/Arbeitsamt bekommen hat?
Ich nicht. Nach dem Studium hatte ich mich arbeitslos gemeldet, habe aber kein Geld bekommen, sondern war Jobben (Spielhalle etc.) Die Dame in Buchholz sagte zu mir, "Mit Ihrer Bildung kann ich Sie doch nicht Kisten packen lassen."
Ich habe dann auf eigene Initiative eine Umschulung ergattert und mich nach bestandener Prüfung wieder arbeitsuchend gemeldet. Erstes Angebot war - ungelogen - Kistenpacken in einer Süßwarenfabrik...  ::) Und die lag auch noch irgendwo in der Seevetaler Pampa, wo nur 2x am Tag ein Schulbus fuhr, obwohl ich extra gesagt hatte, dass ich kein Auto habe und mich nach HH orientieren müsse.
Ein paar ähnliche Klopse gab es später auch noch. Das Arbeitsamt hat mir nicht einen einzigen vernünftigen Vorschlag machen können - allerdings war ich höchstens mal wenige Wochen am Stück wirklich arbeitslos.

Außerdem hatte ich bei vielen Sachbearbeitern das Gefühl, dass die (Un)Freundlichkeit direkt proportional zur (In)Kompetenz war.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 09 August 2010, 16:59:21
Dann würde es halt nicht mehr "Arge--->Kasse" sein, sondern "Arge-->H4-Empfänger-->Kasse"  Macht also keinen Sinn da nur einen Zusatzschrit einzubauen, der bloss mehr Arbeit und Kosten verursacht.
Ein Mangel an Sinn hat noch keinen Politiker an der Einführung eines Gesetzes gehindert. ;D
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 09 August 2010, 17:06:06
Da muss ich mal ausnahmsweise andere Erfahrungen kundtun.
Bislang waren alle Sachbearbeiter mit denen ich zu tun hatte, egal ob am Empfang oder der Arbeitsberater selbst, immer sehr freundlich, höflich und auch sehr bemüht.
Auch die Jobangebote passten verhältnismäßig gut. (Genommen haben mich die Firmen indes dennoch nicht, insofern ist das natürlich wieder relativ ;) )

An den Sachbearbeitern vor Ort habe ich in der Tat nichts auszusetzen. Die machen ihren Job so gut es eben geht.
Das Problem sind wirklich die politischen Vorgaben. Solange Billigstlöhne, die nur wenig mehr oder eben auch mal weniger als der ALGII-Satz existieren, solange werden auch haufenweise Arbeitsplätze nicht geeignet sein, weil sie an der Situation des Arbeitslosen nichts verändern und an der Situation des ausgebeuteten Arbeitnehmers erst recht nicht.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 08 September 2010, 08:04:02
Und wieder mal ein Beispiel dafür, wie wenig Ahnung unsere politische Elite vom wirklichen Leben hat: Frau Merkel forderte kürzlich, Langzeitarbeitslose sollten in der Alten- und Krankenpflege eingesetzt werden.

Nun sollen Hartzer statt Parkanlagen also Kranke und Alte pflegen? Ich meine, Unkraut zupfen und Müll sammeln kann jeder, aber Menschen pflegen? Für mich ist das ein Tritt ins Gesicht jedes Menschen, der einen Pflegeberuf gewählt hat. Schließlich sind das Berufe mit extremen physischen und psychischen Anforderungen, und vor allem: Berufe, die eine größtenteils sehr umfangreiche Ausbildung erfordern. Schon jetzt gibt es anteilsmäßig zu viele un-/angelernte Helfer. Und unglaublich unterbezahlt sind diese wichtigen Berufe auch.

Der Zwang, eine unterbezahlte Arbeitsstelle anzunehmen, ist ja nichts Neues für ALG-II-Empfänger. Es spricht im Prinzip auch nichts dagegen, den Leuten eine richtige Ausbildung zu empfehlen/zu ermöglichen, aber unqualifizierte Leute quasi zur Altenpflege abkommandieren? Altenpflege ist eben nicht mal nur 'n bissel mit dem Rollstuhl durch den Park (und selbst das kriegen manche nicht unfallfrei hin...), sondern ein hochqualifizierter Beruf! Statt also die Pflegeberufe durch besseres Entgelt attraktiver zu machen, sollen fehlende Fachkräfte einfach durch ungelernte "Zwangsarbeiter" ersetzt werden?

In meinen Augen eine üble Herabsetzung eines Berufsstandes, der wesentlich wichtigere Arbeit für unsere Gesellschaft leistet als Merkels Verein. Und selbst wenn dieser Vorschlag nicht umgesetzt wird, so zeugt er doch von einer traurigen Unwissenheit dieser Kanzlerin. :(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 08 September 2010, 10:43:03
Ja, dass ausgerechnet von einer Kanzlerin solch ein Vorschlag kommt, erstaunte mich auch nicht wenig. Eigentlich erwartet man dass jemand in dieser Position weiß, wie viel Gewicht die eigenen Worte haben, und dass man so einen "Testballon" nicht mal so eben starten sollte, wenn man nicht die Hintergründe kennt.

Ich würde es begrüßen, wenn man das freiwillige (!) soziale Jahr um einiges aufwerten würde. Wenn nun ein ALGII-Empfänger eine Ausbildung in einem Pflegeberuf anstrebt und vom Amt bezahlt haben möchte, warum das dann nicht als Voraussetzung vorschalten? Es würde denselben Hintergrund haben den Merkel vermutlich angestrebt hat - mehr günstige Arbeitskräfte im unterversorgten Pflegebereich - mit dem Unterschied, dass man so die Leute dann tatsächlich in Arbeit kriegt im Anschluss an die Maßnahme.
Es hätte auch den Vorteil, dass jene, die im FSJ gemerkt haben "das ist doch nichts für mich", dann nicht eine für sie verkehrte Ausbildung vom Steuerzahler finanziert bekommen würden.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 08 September 2010, 12:00:55
Ja, dass ausgerechnet von einer Kanzlerin solch ein Vorschlag kommt, erstaunte mich auch nicht wenig.
Eher nicht. ^^"
Eigentlich erwartet man dass jemand in dieser Position weiß, wie viel Gewicht die eigenen Worte haben, und dass man so einen "Testballon" nicht mal so eben starten sollte, wenn man nicht die Hintergründe kennt.
Die kennt die Frau mit Sicherheit. Es war halt auch nur wieder ein Antesten von oben, wie weit man mit dem Fußvolk so aktuell gehen kann.
Ich würde es begrüßen, wenn man das freiwillige (!) soziale Jahr um einiges aufwerten würde.
Dem stimme ich zu
- mehr günstige Arbeitskräfte im unterversorgten Pflegebereich -
Das Berufsfeld braucht alles, aber nicht noch mehr günstige Arbeitskräfte. Willst du im Alter von nem schlecht bezahlten und damit weniger motivierten Pfleger betreut werden? Ich nicht. Durch Aussagen wie der von Fr. Merkel wird die aktuelle Situation ja nicht besser. Wenn man nicht gerade genug Geld für ne zusätzliche private Pflegeversicherung übrig hat, ist man auf Gedeih und Verderb im Alter dem ausgeliefert, was sich in diesem Land aktuell immer mehr herauskristalisiert: Wer alt und arm ist, ist gesellschaftlicher Ballast und verstirbt hoffentlich mit 67. Mit Arbeitslosen bzw. H4-Empfängern läuft das ja schon ne Weile. :(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 08 September 2010, 12:02:30
Ich finde, dass Merkels Vorschlag gefährdet Menschenleben:

nicht jeder Mensch ist psychisch dazu zustande, in Altenpflege zu arbeiten. Obwohl man während dreijährigen Ausbildung schon die Labile aussieben kann (sie halten oft nicht durch, oder fallen auf), passieren in die Pflege immer wieder die Vorfälle, wie z. B. Misshandlungen(nicht unbedingt aus Bösartigkeit, sondern weil einige Personen einfach psychisch überfordert sind). Und sowas könnte zunehmen, wenn ungelernte Menchen, die dazu noch oftmals mit eigenen Problemen belastet sind, in die Pflege geschickt werden.

Auch befürchte ich, dass einige ehemalige Süchtige (trocken Alkoholiker und besonders cleane Junkies) durch die Belastung rückfällig werden, Pflegeberuf ist generell sehr suchtgefährdend.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 08 September 2010, 13:01:53
Zitat
Das Berufsfeld braucht alles, aber nicht noch mehr günstige Arbeitskräfte.

Ich vermute ja auch nur, dass das ihre Intention war.
Vorstellbar ist auch, dass sie es in Hinsicht auf einen möglichen Wegfall der Wehrpflicht sagte. Denn wenn diese wegfällt, fällt ja auch der Zivildienst weg und damit ein ganzer Haufen an ungelernten fast unbezahlten Arbeitskräften, die von heute auf morgen Knall auf Fall einfach mal fehlen.
Wirklich freiwillig machen diese den ja auch nicht, es ist für einige nur das kleinere Übel im Vergleich zum Bund, fertich. Vielleicht kam deswegen Merkel auf die Idee, dass es ja gaaanicht so schlimm wäre, wenn man einen ähnlichen Zwang bei ALGII-Empfängern einführen würde.
Dass sie damit aber dann gleich jene mitverhaftet die wirklich überhaupt keinen Bock auf Pflegen haben (und im genannten Fall zum Bund gegangen wären), schien ihr wohl nicht aufgefallen zu sein.

Aber stimmt schon. Ist n Testballon. Vielleicht ja auch um andere, im Vergleich dazu weniger einschneidende,0 Maßnahmen, dann dagegen harmloser aussehen zu lassen.
Jedenfalls glaube ich nicht daran, dass diese Dame das genau so meinte wie sie es sagte. Da steckt garantiert mehr dahinter.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 08 September 2010, 13:04:31
Hm... dann könnten die ALG II Empfänger ja stattdessen sich auch einfach freiwillig beim Bund verpflichten ::)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 08 September 2010, 13:19:40
Hm... dann könnten die ALG II Empfänger ja stattdessen sich auch einfach freiwillig beim Bund verpflichten ::)
Der Versuch wird doch schon unternommen. Die BW ist - soweit ich das mitbekommen habe - immo fleißig dabei, mehr Werbung für sich z.B. an Schulen zu machen.

Auf der Gamescom in Köln hatten sie auch nen Stand und das ist "nur" ne Spielemesse.

Ist doch für Kinder aus H4-Familien "DIE" Chance - Studium/Ausbildung, Kanonenfutter, Meatshild für die Panzer...Das Beste daran ist doch, dass es alles dann Kinder von Familien sind, die in diesem Land eh nix zu melden haben. Amerikanische Verhältnisse also. Was will armes Kind denn mehr? Kopf hinhalten für ein Land bzw. eine Wirtschaftsideologie, welche/s die eigene arme Familie wie Dreck behandelt.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 08 September 2010, 13:24:12
edit: -.-"
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 08 September 2010, 14:39:13
Generell würde ich eine Karriere beim Bund, z.B. als Zeitsoldat nie mit einer bei den amerikanischen Streitkräften vergleichen. Da sind doch gewaltige Unterschiede in den Karrierewegen, den Möglichkeiten der Arbeit nach dem Militär, den Chancen auf Auslandseinsätze zu müssen, aber auch gerade in der Verantwortung des einzelnen Soldaten, selbst zu denken.

 
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 08 September 2010, 15:45:14
Bei der Bundeswehr gibt es genauso Auswahlverfahren (Assessment Center) für Zeit- und Berufssoldaten, wie bei der Personalrekrutierung vieler großer Unternehmen. Wer also H4 wegen fehlender Schulbildung bezieht, wird auch keinen dauerhaften Platz in einer technich entwickelten Armee finden. Hinzu kommen noch ein Maximalalter für Bewerber (ich glaub 25 Jahre) und sportliche/gesundheitliche Anforderungen.
Soweit ich weiss besucht die Bundeswehr nur Schulen, wenn dies von den Schülern und den Lehrern gewünscht ist.




Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 08 September 2010, 15:58:27
Generell würde ich eine Karriere beim Bund, z.B. als Zeitsoldat nie mit einer bei den amerikanischen Streitkräften vergleichen. Da sind doch gewaltige Unterschiede in den Karrierewegen, den Möglichkeiten der Arbeit nach dem Militär, den Chancen auf Auslandseinsätze zu müssen, aber auch gerade in der Verantwortung des einzelnen Soldaten, selbst zu denken.
Also wenn man sich so anschaut, wer bei den amerikanischen Streitkräften so alles im Ausland - Irak/Afghanistan - rumrennt, dann sind da in der Masse eher weniger Söhne und Töchter aus wohlhabenderen Familien oder Familien, wo Papa im Repräsentantenhaus sitzt. Michael Moor hat das mit einem seiner Filme auch deutlich gemacht.

Btw. der Grenni, der sich schützend vor/hinter seinen Schützenpanzer stellt, wird sicher nicht vorher n paar Jahre studieren geschickt. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 08 September 2010, 16:52:55
Hm... dann könnten die ALG II Empfänger ja stattdessen sich auch einfach freiwillig beim Bund verpflichten ::)

Öh - nein. Wie lange muss man heute mindestens sich verpflichten? 4 Jahre? Das ist n büsschen mehr als das Jährchen, das bei der Wehrpflicht abgeleistet wird und als "vorübergehender Beruf, bis ich was Besseres gefunden habe" nicht wirklich zielführend. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 08 September 2010, 16:58:20
Btw. der Grenni, der sich schützend vor/hinter seinen Schützenpanzer stellt, wird sicher nicht vorher n paar Jahre studieren geschickt. ;)
Natürlich nicht. Allerdings dürfte das eh eine aussterbende Spezies in einer modernen Armee sein.

Hm... dann könnten die ALG II Empfänger ja stattdessen sich auch einfach freiwillig beim Bund verpflichten ::)
Öh - nein. Wie lange muss man heute mindestens sich verpflichten? 4 Jahre? Das ist n büsschen mehr als das Jährchen, das bei der Wehrpflicht abgeleistet wird und als "vorübergehender Beruf, bis ich was Besseres gefunden habe" nicht wirklich zielführend. ;)
Erstens war das ein ironischer Vorschlag, ja fast schon ein Godwin... zweitens soll ja angeblich mit der Aussetzung der Wehrpflicht auch so eine Art Probezeit oder ein kurzer freiwilliger Dienst (in Wehrpflichtlänge) möglich werden.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 08 September 2010, 17:38:20
Es wird mit Umstellung auf Berufsarmee dennoch darauf hinauslaufen, dass die Soldaten prozentual gesehen eher wenn nicht gar größtenteils aus den Schichten Mitte bis ganz Unten in eben dieser landen werden.

In den USA wollte kein Abgeordneter freiwillig sein Kind/seine Kinder nach Afghanistan bzw. in den Irak schicken. Das wird hierzulande nicht anders laufen. Nur ist es dann vllt. irgendwo in Afrika - Kongo oder Somalia vllt. Ist doch auch total bequem und viel einfacher, wenn man die Söhne und Töchter anderer Eltern in Kriegs/Krisengebiete schickt, wo Verlusten gerechnet werden kann/muss, als die eigenen.
Wenn deren Eltern dann obendrein nur Hartzer sind, dann hat man mit der Entsendung sogar noch nen Dienst am Volk geleistet, weil man die Nachkommen der Schmarotzer in den Staub geschickt hat. (Achtung: Äußerung kann Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten)

Bei der Bundeswehr gibt es genauso Auswahlverfahren (Assessment Center) für Zeit- und Berufssoldaten, wie bei der Personalrekrutierung vieler großer Unternehmen. Wer also H4 wegen fehlender Schulbildung bezieht, wird auch keinen dauerhaften Platz in einer technich entwickelten Armee finden. Hinzu kommen noch ein Maximalalter für Bewerber (ich glaub 25 Jahre) und sportliche/gesundheitliche Anforderungen.
Nur weil das Kind aus ärmlicheren Verhältnissen kommt, ist es nicht zwangsläufig dümmer als andere. Die Voraussetzungen, den gleichen Bildungsgrad zu erreichen sind schlechter, aber unmöglich ist es nicht. Von daher H4 mit fehlender Schulbildung gleichzusetzen ist in dem Zusammenhang eindeutig viel zu pauschal ausgedrückt. Das betrifft im Übrigen auch die sportliche Leistungsfähigkeit.

Ich wollte damit auch nur sagen, dass die Berufsarmee für die unteren Bevölkerungsschichten mehr und mehr als Möglichkeit des sozialen Aufstiegs wahrgenommen werden wird. Wahrscheinlich sogar noch stärker als es heute schon der Fall ist. Fehlt nur noch eine etwas stärkere Priese Patriotismus. Aber da sind sie aktuell ja schon fleißig bei. :/

Edit:
Soweit ich weiss besucht die Bundeswehr nur Schulen, wenn dies von den Schülern und den Lehrern gewünscht ist.
Aus gegebenem Anlass hier ein Link zu einer veröffentlichten Rede von Herrn Stephan Lippels (Lehrer):
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15609
Zitat von: nrhz
Der Redaktion der NRhZ war eine Rede aufgefallen, die zum Antikriegstag im DGB-Haus in München von Stephan Lippels gehalten wurde. Wir möchten sie unseren LeserInnen nicht vorenthalten. Er sagt in bemerkenswerter Kürze, dass es in Deutschland inzwischen ums Ganze geht. „Es geht wegen des Kriegskurses um unser Leben!“, sagt Lipptels. Aber merkt das wieder niemand? Lippels ist Lehrer der AG Friedliche Schule in München. Die Redaktion.
Im Zusammenhang mit dem zitierten Satz von Spambot ist mir folgender Absatz in der Rede aufgefallen:
Zitat
Also greift man nach der Jugend

Direkt: Man drückt in die Schulen mit Jugendoffizieren, welche zumindest die nächste Generation von der herrschenden Politik überzeugen sollen. Und man versucht die Schulen durch Kooperationsverträge zwischen Ministerium und Bundeswehr zu zwingen, diesen Einsätzen zuzustimmen. Solch ein Abkommen ist erst kürzlich auch für Bayern unterschrieben worden. Indirekt: Man greift nach der Lehrerausbildung, auf das die kommenden Lehrer wenn gleich äußerlich zivil mit der Kriegrethorik im Kopf die deutsche Kriegspolitik den Kindern nahe bringen. Auch dies ist im Kooperationsabkommen festgelegt.

Die Mittel und Methoden der Beeinflussung sind didaktisch und methodisch auf dem neuesten Stand und die finanziellen Mittel aus unseren Steuergeldern stehen zur Verfügung. Dazu gehört u.a. das Planspiel POL&IS, bei welchem man Weltpolitiker spielen darf und von dem ein Jugendoffizier begeistert erzählt, wie er Lichterkettenträumer dazu bringt, Kriege zu führen.
Ich weiß, es hat weniger mit Arbeitslosen Mitbürgern zu tun, aber es betrifft die Nebendiskussion BW und wen das Thema interessiert, kann sich ja die ganze Rede durchlesen. :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 29 September 2010, 10:27:36
So viel Gegacker das ganze Jahr, und dann dieses 5-Euro-Kuckucksei... :(

Ich kann im Moment rein fachlich/sachlich gar nichts dazu schreiben...nur ganz persönlich. Ehrlich gesagt, ich war in den letzten 3 Tagen so dermaßen wütend und niedergeschlagen, dass ich sämtliche Medien möglichst gemieden habe. Ich hatte nämlich - irgendwie - doch auf eine relevante Erhöhung gehofft, und jetzt bleibt alles wie gehabt.

Ob die Neuberechnung durch Trickserei so kassen- und massenkompatibel ausgefallen ist, ist meines Erachtens eher eine grundsätzliche Frage; Politik ohne gibt's nicht. Ich selbst komme mir einfach nur noch verhöhnt vor. Kein Alkohol und Tabak mehr? Ich selbst habe von dem Geld nie Alkohol oder Zigaretten gekauft, sondern Medikamente oder (nicht vorgesehenes) Katzenfutter. 2,72 Euro für einen Monat Internet? OK, den Anbieter nehme ich sofort. Nicht mal die Ausgaben für die Krankenkassengebühr sind ausreichend.

Statt dessen wird auf die "Statistik" verwiesen. Wäre sicherlich mal interessant zu erfahren, wie die Befragten zusammengesetzt sind, um auf einen statistischen Wert von z. B. 2,72 Euro/Monat fürs Internet zu kommen, aber dazu bin ich im Moment einfach zu mutlos. Und zum Satz "Eigentlich müssten die Kinderregelsätze gesenkt werden" fällt mir auch nichts mehr ein... :-\

Angeblich ist Hartz4 deswegen so niedrig, weil es "ja nicht auf Dauer angelegt" ist und "Anreize zur Arbeitsaufnahme schaffen soll". Mir verschafft dieses Gelaber gerade nur Brechreiz. Es gibt unter den Hartzern so viele, die keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt haben. Auch lässt man gerne diejenigen unter den Tisch fallen, die - wie ich - krankheitsbedingt (oder aus was weiß ich für Gründen) für den Rest ihres Lebens vom Sozialgeld leben müssen: derselbe Betrag, für uns aber auf Dauer.

Ich hatte schon auf Seite 1 oder 2 dieses Threads geschrieben, dass ich durchaus finde, dass man vom H4-Satz für einige Zeit leben kann, wenn auch mit vielen Einschränkungen. Aber eben nicht auf Dauer, weil so vieles kaputt geht, was man nie wieder ersetzen kann, soziale Kontakte fallen weg etc. Die ständige Sorge ums Geld zermürbt einen und beherrscht das ganze Leben. Da wird beispielsweise selbst die grüne Tube Elmex zum Luxusgut, obwohl es die einzige Zahnpsta ist, auf die ich nicht allergisch reagiere.

Was ich auch sehr bedenklich finde: Jetzt soll/kann den Kommunen die Entscheidung überlassen werden, wieviel Warmmiete sie den Leistungsempfängern bezahlen wollen. Da sind Kürzungen und noch zunehmende Gettoisierung vorprogrammiert. Und über die geplante gesetzliche Pflicht für ALG-II-Empfänger, "Rücklagen für unregelmäßige Bedarfe zu bilden", kann ich gerade nur noch den Kopf schütteln. Dazu fällt mir nun echt nichts mehr ein. (naja, eigentlich doch, aber hier lesen auch ein paar Minderjährige mit...)

Sorry fürs Mimimi, aber im Moment bin ich einfach nur ziemlich down.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 29 September 2010, 12:34:05
Soweit ich das verstanden habe, hat sich die Statistik nicht an einem Bedarf orientiert, sondern daran, was Leute, die Niedrigsteinkommen knapp über HartzIV-Niveau beziehen, tatsächlich ausgeben.

Genau da liegt dann aber auch schon der Fehler, das dann "Bedarf" zu nennen ist alleine schon das perfekte Wort für 'ne Mogelpackung.
Es wird hier ja nicht der Bedarf gemessen, sondern das, was die Leute erzwungenermaßen ausgeben, weil sie sich das, was sie eigentlich bräuchten, eh nicht leisten können.

Kleines Beispiel: Ich fragte mich, wie diese kuriose Summe für die Praxisgebühr pro Monat herauskommt (2 Euro irgendwas monatlich), bis mir gestern wer sagte "na, ist doch ganz einfach: Die Statistik sagt, dass die Leute nur an 3 von 4 Quartalen zum Arzt gehen, also werden auch nur 3 bezahlt."
Das bedeutet im Klartext: ALGII-Empfänger dürfen nur an 9 von 12 Monaten mal krank werden (also 3x im Jahr, wenn's ungünstig verteilt ist). Ein viertes Mal krank werden dürfen sie nicht, weil können sie sich dann ja eh nicht leisten. ;)

Das zweite Beispiel Internet: Sicher gibt es n Haufen Geringverdiener, die kein Internet beziehen. Dass der Durchschnitts"bedarf" dadurch sinkt, ist dann ja logisch.
Aber haben sie kein Internet weil sie keins brauchen oder haben sie keins, weil sie es nicht bezahlen können, aber es eigentlich dringend bräuchten? Tja, das ist die Frage. ;)
Ach ja, der spezielle Bedarf von ALGII-Empfänger wurde genau hier übersehen: Wer sich bewirbt, ist auf das Internet dringender angewiesen als jemand, der einen Job hat und sich nicht bewerben muss. Eigentlich logisch, schließlich laufen über 90% aller Bewerbungen mittlerweile übers Internet.
Ein Arbeitsloser, der erst bis Montag warten muss, um dann bei einer ARGE morgens anzustehen, einen der wenigen Internetarbeitsplätze ergattert, dort dann noch einmal von Hand seine Bewerbungen losschicken muss (selbstverständlich ohne Anhänge, weil Stick mit vorbereiteten PDFs reinstecken 'is nich'), hat im Vergleich zu einem Menschen mit Internet einen klaren Wettbewerbsnachteil.

Es wäre schon viel geholfen, würde Telefon/Internet vom Bedarf her zusammengelegt und der jeweils günstigste Anbieter zum Zeitpunkt der Bewilligung als Berechnungsgrundlage zugrundegelegt, änderbar alle 6 Monate. Das wäre dann auch der tatsächliche Bedarf.

Ich erwarte aber, dass diese Nummer durchgeht. Im Bundesrat wird mit der SPD dann verhandelt dass sie irgendwo anders etwas kriegen, wo die CDU gerade "nö" (teils sicher auch aus parteitaktischen Gründen) sagt, z.B. Bewilligung eines Gesetzes für Mindestlöhne, und schon sind alle Politiker glücklich.
Die Politiker, versteht sich. Nicht die Menschen an der Armutsgrenze. Die dürfen sich nur entscheiden, wen sie dann später (hoffentlich nicht) wählen werden: Jene, die HartzIV eingeführt haben, oder jene, die das Konzept ebenso dufte finden.

Dann gibt's ja noch die (gute) Frage, wieso sich die Leute eigentlich trotzdem so viel leisten können ... nun, ganz einfach: Soweit ich das überfolgen habe, ist der Bedarf für Lebensmittel tatsächlich realistisch geraten. Dumm nur, wenn die meisten anderen Posten es aber nicht sind, denn dann wird eben exakt dort gespart. Dann wird halt auf's Frühstück verzichtet, schließlich muss das Geld für Windeln ja irgendwo herkommen, und bevor der Strom abgestellt wird, verzichtet man auf die "Bildungsgelder" von 2 Euro schießmichtot etc.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Simia am 29 September 2010, 13:05:39
Die Sache hakt v.a. an zwei Punkten:

1. "Hartz-IV-Bezieher dürfen nicht mehr Geld erhalten als Berufstätige" -- An sich ja nicht verkehrt, aber Mindestlöhne wenigstens in einigen Bereichen und die Relationen sehen wieder anders aus.

2. Wenig Geld mag hier und da ein Anreiz zu "Veränderungen" sein, aber dann gibt's die vielen, die trotzdem nicht können und diejenigen, die nicht wollen und einfach noch erfinderischer (oder tatsächlich kriminell) werden oder woanders sparen, wie messie sagt.

Ich wiederhole hier wahrscheinlich Aspekte aus dem Thread, aber ich hab nicht die Zeit, den jetzt nochmal durchzulesen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 29 September 2010, 13:39:04
Zitat
oder woanders sparen, wie messie sagt.

Nicht ganz: Die gibt es natürlich auch, die berühmten Beispiele etwa, die sich lieber ne Playstation besorgen anstatt auch nur irgendwas an Kleidung im Jahr zu leisten etc.
Ich rede aber eher von woanders sparen müssen, weil das Geld trotzdem ausgegeben werden muss. Gesetzt den Fall, man war in den 1. drei Quartalen beim Arzt (Heuschnupfen, Grippe, Hexenschuss) und bekommt im 4. mörderische Zahnschmerzen. Da muss die Person ja woanders sparen, um den Zehner für den Zahnarzt aufbringen zu können.

Es ist eine Sache, es dann nicht ständig zu machen weil man nicht so oft krank wird, aber eine ganz andere, nicht zu oft krank werden zu dürfen, weil das nicht vorgesehen ist. Das widerspricht doch schon ziemlich eindeutig dem derzeitigen Sozialprinzip.

Im Übrigen hat Frau Merkel eben die Vermieter indirekt dazu aufgefordert, dass Modernisierungskosten künftig stärker auf den Mieter umgelegt werden sollen. Die aber sind im Warenkorb erst gar nicht drin. Soviel zum Sozialgedanken der aktuellen Regierung ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: weak am 29 September 2010, 16:11:46
also monatlich für Telefon/Internet 31,96 Euro find ich machbar.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 29 September 2010, 16:42:45
Ich finde 10 € im Quartal (!) für evtl. Arztbesuche auch machbar.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 29 September 2010, 18:32:15
Ich finde 10 € im Quartal (!) für evtl. Arztbesuche auch machbar.
Sind's aber nicht. Es sind 7,92€ im Quartal. Damit lässt sich keine Praxisgebühr finanzieren ;)

Zitat
also monatlich für Telefon/Internet 31,96 Euro find ich machbar.

Hab ich mir nun auch nochmal angesehen: "Nachrichtenübermittlung" heißt das also. Das wiederum ist in Ordnung (und damit mein Internetargument da oben hinfällig).

Dann noch mal weiter aufgedröselt:

22,78€ für Verkehr ... dafür gibt's im Monat nicht mal ne CC-Karte für 1 (!) Zone im Abo (günstigster Tarif). Für Großstädte, insbesondere Hamburg, München oder Frankfurt, ist da der Bedarf definitiv zu niedrig. 40,40€ (CC-Karte im Abo für den Großbereich) wären da realistischer.

Bildung, 1,39€ -  :D - also 1x/Jahr ein Fachbuch kaufen? ;)

Energie- und Wohnungsinstandshaltung ist mit 30,74 recht knapp bemessen: Damit muss schließlich die Stromrechnung bezahlt werden, da bleibt i.d.R. für den Rest nix mehr. Geht mal eine Glühbirne kaputt, wird eine neue Energiesparlampe das Budget bereits übersteigen.

Gesundheitspflege: 15,55 Euro. Hmm, ok, das könnte hinkommen. Auch wenn richtig gut riechen so natürlich nicht klappt, aber übertreiben wir's mal nicht. ;)

Freizeit, Unterhaltung, Kultur: 39,96 Euro. Durchaus realistisch, von einer "sozialen Vereinsamung" kann hier nun nicht geredet werden ... logischerweise auf niedrigem Niveau (Theater etc. sind tabu), aber wer ein hohes einfordert ist da nicht Realist.

Bekleidung und Schuhe: 30,40 Euro - im Second-Hand-Bereich klappt's. Würde man die Sachen neu brauchen, nicht. Bei Kindern allerdings klappt's definitiv nicht, die wachsen bekanntlich in nullkommanix aus ihren Klamotten 'raus. Erwachsene müssen ihre Sachen halt abtragen oder eben schon Getragenes an haben.

Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen: 7,16 Euro - also 1x/Monat inne Kneipe, 2-3 Getränke (2 Cola, 1 Wasser) trinken, das war's. Da dürfte man wohl vom "Freizeit"-Pool 'was rüberschieben müssen ...

Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände: 27,41 Euro - Spannender Posten! Wie oft gehen solche Geräte kaputt? Ich vermute, dass da einiges abgewohnt werden muss, damit dieser Betrag dauerhaft ausreicht. Aber gut, dafür müssen die Leute auch nicht arbeiten, um es sich dann später leisten zu können.

Andere Waren und Dienstleistungen: 26,50 Euro - damit sind vermutlich der Friseur und jene Rücklagen gemeint die man bilden soll, wenn mal was Größeres kaputtgeht. Darüber lässt sich jetzt nun trefflich streiten: 1 PC kostet 300 Euro (niedrig gerechnet), eine Waschmaschine nicht viel weniger. Also soll das Geld gespart werden, um Geräte wuppen zu können, wenn sie kaputt gehen ...? Ich sage es mal so: Gewagte These, dass man damit hinkommt.

Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke: 128,46 Euro - dazu sagte ich weiter oben schon etwas: Es ist gar nicht mal unrealistisch gerechnet, das.  Wirklich gesund kochen lässt sich damit nun nicht über den ganzen Monat (dazu ist Obst+Gemüse einfach verdammt teuer), aber wenn man an Organisationen wie die Hamburger Tafel denkt, könnte das selbst dann hinkommen.
Nur: Ist es wirklich Sinn der Sache, einen Warenkorb auszurechnen, der Leute entweder nicht besonders gesund leben lässt oder auf Almosen angewiesen sein lässt ...? Auch das ist eine offene Frage.

-------------

Nachdem ich mir das jetzt mal genauer angesehen habe, muss ich sagen:
Die Empörung (auch meine eigene) bezüglich Internet lässt sich nicht halten. Mit Telefon zusammengezogen reicht das Geld dafür aus.
Lebensmittel betreffend ist es nicht üppig, aber machbar. Kein Warenkorb, der zum Hungern einlädt.
Viele Posten sind perspektivabhängig, da kann man drüber streiten, muss man aber nicht.

Wo es m.E. definitiv hakt, sind die Posten "Verkehr" und "Bildung". Ersteres betreffend sind Städter eindeutig benachteiligt, Letzteres betreffend hat jemand, der sich weiterbilden möchte oder muss, keine Chance. Nicht alles lässt sich im Internet machen. Selbst, wer nur einen Bibliotheksausweis beantragt um sich Fachbücher ausleihen zu können, zahlt bei der geringen Summe monatlich bereits drauf.
Ebenso halte ich die Wohnungs/Energiekosten sowie vor allem für Hamburg die Verkehrskosten zu niedrig. Mobilität ist wichtig, man denke nur an Vorstellungsgespräche und Bewerbungen, die besser persönlich abgegeben werden wollen, und wenn "Gaststättendienstleistungen" drin sind, muss man zur Gaststätte ja auch erstmal hinkommen ...

Selbst wenn ich kleinkariert rechne, komme ich auf einen Mehrbedarf für Hamburg von mindestens:

17,22€ Verkehr
3,61€ für Bildung (1 Fachbuch a´15 Euro alle 3 Monate)
4,76€ Energie (konservativ geschätzt angesichts dessen, dass jene die viel zuhause sind, auch mehr Strom im Monat verbrauchen)
0,69€ Praxisgebühr,

also 26,28€, abgerundet 26€, bzw. 31€ im Vergleich zu jetzt.

Es versteht sich aber von selbst, dass eine derartige Erhöhung nur in Kombination mit Mindestlöhnen machbar ist. Es sind derzeit viel zu viele Jobs viel zu dicht am ALGII-Niveau dran, als dass sich eine so starke Erhöhung rechtfertigen ließe, da dann tatsächlich so einige Menschen auf einmal Aufstocker wären, weil sie weniger verdienen.

*edit* Quelle vergessen: http://www.ftd.de/politik/deutschland/:wasser-statt-bier-das-ist-drin-im-neuen-hartz-iv-satz/50174893.html





Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: weak am 29 September 2010, 19:00:40


22,78€ für Verkehr ... dafür gibt's im Monat nicht mal ne CC-Karte für 1 (!) Zone im Abo (günstigster Tarif). Für Großstädte, insbesondere Hamburg, München oder Frankfurt, ist da der Bedarf definitiv zu niedrig. 40,40€ (CC-Karte im Abo für den Großbereich) wären da realistischer.


in hamburg gibt es die sozialkarte.
"Ab dem 1. Januar 2009 gewährt der HVV Inhabern der Sozialkarte einen Preisnachlass von 18 Euro pro Monat."
http://www.hamburg.de/sozialkarte (http://www.hamburg.de/sozialkarte)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 29 September 2010, 19:22:35


22,78€ für Verkehr ... dafür gibt's im Monat nicht mal ne CC-Karte für 1 (!) Zone im Abo (günstigster Tarif). Für Großstädte, insbesondere Hamburg, München oder Frankfurt, ist da der Bedarf definitiv zu niedrig. 40,40€ (CC-Karte im Abo für den Großbereich) wären da realistischer.


in hamburg gibt es die sozialkarte.
"Ab dem 1. Januar 2009 gewährt der HVV Inhabern der Sozialkarte einen Preisnachlass von 18 Euro pro Monat."
http://www.hamburg.de/sozialkarte (http://www.hamburg.de/sozialkarte)

Ok. Stimmt, die gibt's ja auch noch.

Also reduziert sich das Ganze um 18€ (da so ja nicht einmal 22,78 für Verkehr anfallen).
Macht 8€, also 13€ im Vergleich zu jetzt.
Jetzt dürfte es aber wirklich wasserdicht sein :)

Ich persönlich dachte spontan, als in den Medien von 20€ Erhöhung die Rede war, dass das eine realistische Größe wäre, um die minimalen notwendigen Kosten decken zu können. Gut, jetzt komme ich hier auf 13, das wiederum aber auch sehr konservativ gerechnet. An Mehrbedarf lauern höhere Stromkosten, Kosten wie Zwangskabelgebühren in Mietwohnungen, Modernisierungskosten seitens des Vermieters und Kosten für Medikamente, die allesamt nicht berücksichtigt werden. Es gibt zahlreiche Unwägbarkeiten, die diesen Minimalwarenkorb schnell alt aussehen lassen.

Kinder betreffend kommt der Warenkorb erst recht nicht hin. Das aufzudröseln war mir dann aber doch zu mühsam ...

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 29 September 2010, 20:35:25
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es sich überhaupt lohnt, über die Aufstellung des Warenkorbes für die Bemessung der Regelsätze zu diskutieren.
ALG II-Regelsätze können nach unten hin durch die Parlamentsmehrheit kaum verändert werden, da gewisse Standards als Existenzminimum festgelegt wurden (oftmals durch die Judikative!). Bei der Erhöhung der Regelsätze hingegen gibt es tatsächlich für die Legislative einen gewissen Spielraum, der irgendwann durch das Einkommensniveau schlecht bezahlter (Vollzeit) Arbeitnemer (Anreiz arbeiten zu gehen) und die Lage des Staatshaushaltes begrenzt wird. Das Festlegen der Höhe der Transferleistungen innerhalb dieses Spielraumes ist eher eine moralische Entscheidung, da entschieden wird, wieviel Grundsicherung ewerbsfähige Hilfebedürftige als Transferleistung von den steuerzahlenden Bürgern erhalten. Durch das Urteil des BVerfG ist in der öffentlichen Diskussion und bei politischen Akteuren (Lobbyisten mal eingeschlossen) offensichtlich der Eindruck entstanden, man könne diese moralische Entscheidung versachlichen, in dem man ein paar Statistiken als Grundlage für die Berechnung heranzieht. Sehr wahrscheinlich wurde erst die Erhöhung um 5 Euro durch die politische Führung beschlossen und danach das Ministerium mit der Entwicklung einer juristisch wasserdichten Begründung beauftragt. Das hätte eine andere Regierung prinzipiell auch nicht anders gemacht. Einen "gerechten" ALG II Satz kann man nicht sachlich bestimmen, da Gerechtigkeit ein moralischer Begriff ist. Man denke nur in diesem Zusammenhang an "soziale Gerechtigkeit" und "Leistungsgerechtigkeit". Beide Varianten des Gerechtigkeitsbegriffes beschreiben zwei gegensätzliche Perspektiven, die jeweils den Anspruch auf die "wahre" Gerechtigkeit erheben.
Daher halte ich die Diskussion um die Zusammensetzung des Warenkorbes in den Medien für ein Schauspiel, welches die Beteiligten größtenteils zur Profilierung ihrer Person oder Organisation betreiben. Der Warenkorb ist doch nur die pseudo-sachliche Begründung einer moralischen Entscheidung, die die Parlamentsmehrheit als Vertretung des Volkes unter Berücksichtigung der Haushaltslage getroffen hat.

Auch wenn ich die Diskussion um den Warenkorb für ein politisches Schauspiel halte, habe ich ein paar Gedanken zu Messies Rechnung: 1. Wieso sollte man sich ein Fachbuch kaufen? Gibt doch Bibliotheken und das Internet 2. Wenn das Geld für die Stromrechnung nicht reicht gibts einen Zuschuss (http://www.konsumo.de/news/1423-Harz-IV-Empf%C3%A4nger:-Bevor-der-Strom-abgestellt-wird,-zahlt-die-Arge). Für kranke und behinderte Menschen gibt es dann auch noch den sog. Mehrbedarf. Bei den Kosten für die Wohnung und Umzüge springt die ARGE auch ein (Beispiel der Regelungen in Berlin) (http://www.berliner-mieterverein.de/presse/sonstigesarchiv/fl136.htm).

Der einzige wirklich interessante Punkt in der Debatte um die neue Begründung der ALG II Regelsätze ist in meinen Augen nicht die Erhöhung um 5, 10 oder 20 Euro, sondern die Abschaffung des Elterngeldes für Leistungsempfänger. Hier reden wir über 300 Euro weniger im Monat für zeugungsfreudige Familien.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 29 September 2010, 21:08:09
Ich halte das auch größtenteils für ein Schauspiel. Ich hatte nur einfach mal kurz Lust aufzuzeigen, dass selbst bei konservativster Rechnung jene der Regierung nicht hinkommt ;)

Zitat
1. Wieso sollte man sich ein Fachbuch kaufen? Gibt doch Bibliotheken und das Internet
2. Wenn das Geld für die Stromrechnung nicht reicht gibts einen Zuschuss

1. Bibliotheken kosten Gebühren, die ebenfalls meist über dem genannten Satz liegen,
2. ... der zurückgezahlt werden muss.

Die Kernfrage auf politischer Ebene ist derzeit eh eine andere: Wofür ist Geld da, wofür nicht? Ist die Subventionierung von Hotels wichtiger als zwei Euro mehr pro Arbeitslosem? Sind Vermieter wichtiger als Mieter? (bezüglich Merkels Aussage, dass sie Wärmedämmungskosten ja auf den Mieter umlegen könnten bzw. sollten) Ist eine Bankenrettung wichtiger als Elterngeld? Wird's wichtiger, Energieriesen zu unterstützen als einen stromsparenden Mieter? Die Finanzierung eines milliardenschweren Bahnhofs wichtiger als die Reparatur von Fahrradwegen (die ja H4-Empfänger bevorzugt nutzen sollten)? usw.

Die SPD ist auch kein Chorknabe, schließlich hat sie mit der Agenda 2010 vieles, das heute existiert, zu verantworten. Ihre Kritik, dass Geld für lobbystarke Industriezweige da ist, aber nicht für die unteren Lohngruppen (ich beziehe da die Diskussion um Mindestlöhne da mal mit ein), allerdings ist nicht ohne Substanz.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 29 September 2010, 21:57:23
Ich finde 10 € im Quartal (!) für evtl. Arztbesuche auch machbar.
Sind's aber nicht. Es sind 7,92€ im Quartal. Damit lässt sich keine Praxisgebühr finanzieren ;)
Sorry, aber diese fehlenden 2 € sollte man doch irgendwie noch aufbringen können, falls (!) man jedes Quartal zum Arzt muß. Jedenfalls kenne ich Hart IV-Empfänger, bei denen das funktioniert.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 29 September 2010, 22:55:06
Ich wäre generell dafür, die Praxisgebühr für ALG II-Empfänger, Kinder, Studenten und Rentner abzuschaffen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 30 September 2010, 10:20:21
Ich wäre generell dafür, die Praxisgebühr für ALG II-Empfänger, Kinder, Studenten und Rentner abzuschaffen.

Bin ich natürlich auch für. ;) Zumal es mit Zahnarzt dann schon 20 € Praxisgebühr pro Quartal sind. Und viele Leistungen zahlt die Kasse sowieso nicht mehr, z. B. Brillen.

@Messie/Spambot: Bildung besteht ja nicht nur aus Fachbüchern, sondern man könnte vielleicht mal einen Sprachkurs bei der VHS oder so machen wollen...

Und obwohl Tostedt noch zum HVV gehört, bekomme ich keine Ermäßigung, da es die Sozialkarte nur mit Wohnsitz in HH gibt.

Sehr ärgerlich macht mich, dass Haustiere überhaupt nicht vorgesehen sind. Das geht doch völlig an der Lebensrealität vorbei. Meine beiden Katzen kosten ca. 40 € im Monat (plus 100 € Tierarzt für Impfung im Jahr, wenn sonst nichts ist). Ich verlange von keinem, dass er meine Katzen finanziert, aber so einen großen und wichtigen Posten im Leben vieler Menschen einfach überhaupt nicht zu berücksichtigen, kommt mir ziemlich willkürlich vor.

Und hoffentlich brauche ich niemals einen Handwerker, denn dafür hat man schnell mal ein, zwei Hunderter auf der Rechnung... :(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 30 September 2010, 11:16:41
Ich finde 10 € im Quartal (!) für evtl. Arztbesuche auch machbar.
Sind's aber nicht. Es sind 7,92€ im Quartal. Damit lässt sich keine Praxisgebühr finanzieren ;)
Sorry, aber diese fehlenden 2 € sollte man doch irgendwie noch aufbringen können, falls (!) man jedes Quartal zum Arzt muß. Jedenfalls kenne ich Hart IV-Empfänger, bei denen das funktioniert.

Klar, tun sie ja auch. Sie sparen dann halt am Essen. ;)
Ist ja nur ein kleines von vielen Beispielen, dass der Warenkorb merkwürdig berechnet ist. Man geht ja davon aus, dass die Leute das Geld exakt für das ausgeben, genau so wie's da drinsteht. Würden sie das tatsächlich tun, dann würde man feststellen, dass das Geld an wichtigen Stellen fehlt.
2,99€ für Getränke pro Monat sind auch so ein Beispiel: Es bliebe "Spielraum nach oben für Fruchtsäfte", weil ja beim Discounter zwölf Liter Wasser 1,85€ kosten würden. Aha. Wer also für mehr als 1,14€ im Monat Orangensaft kauft, der muss das woanders einsparen, und schon passt's mit dem Warenkorb nicht mehr.

Ich weiß, dass das kleinkariert wirkt. Nun behauptet das aber ja die Regierung selbst, dass alles seine Richtigkeit hat und die Leute exakt das verbrauchen würden, was da drin steht. Und, nun ja - das stimmt halt nicht.

Haustiere betreffend bin ich zwiegespalten: Einerseits kann ich die Idee dahinter verstehen: Wer arbeitslos ist, muss sich nicht gleich noch ein Tier ins Haus holen, das schließlich viel Geld kostet und aus Perspektive der Regierung Luxus ist (ebenso wie ein Auto).
Nur wirkt es reichlich herzlos, denn was denn mit jenen tun, die arbeitslos werden und Haustiere haben? Qua Warenkorb müssten sie diese dann weggeben, im Extremfall ins Tierheim.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 30 September 2010, 11:27:29
Klar, tun sie ja auch. Sie sparen dann halt am Essen. ;)
Nee, an der Playstation...  ::)


Gesundheitspflege: 15,55 Euro. Hmm, ok, das könnte hinkommen. Auch wenn richtig gut riechen so natürlich nicht klappt, aber übertreiben wir's mal nicht. ;)
Warum sollte "richtig gut riechen" damit nicht klappen? Das kann man auch ohne teures Parfüm. Für 15,55 € kann man sich zumindest regelmäßig waschen. Und ein Parfum hält ewig, wenn man sich mal eins zusammengespart hat, oder zum Geburtstag bekommen hat.




Was Haustiere betrifft: ich finde das schwierig. Ganz hart gesagt: Haustiere sind kein Muß, man braucht sie nicht zwingend, um zu über-leben. Allerdings sind sie für manche sehr wohl wichtig, besonders, wenn man z. B. eine Katze schon lange Jahre hat.

Auch schwierig ist es für Menschen, die - wie CubistVowel schrieb - aus Krankheitsgründen keine Chance haben, aus Hartz IV rauszukommen, und dazu noch teure Medikamente benötigen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 30 September 2010, 11:33:16
Sehr ärgerlich macht mich, dass Haustiere überhaupt nicht vorgesehen sind. Das geht doch völlig an der Lebensrealität vorbei. Meine beiden Katzen kosten ca. 40 € im Monat (plus 100 € Tierarzt für Impfung im Jahr, wenn sonst nichts ist). Ich verlange von keinem, dass er meine Katzen finanziert, aber so einen großen und wichtigen Posten im Leben vieler Menschen einfach überhaupt nicht zu berücksichtigen, kommt mir ziemlich willkürlich vor.

Eine gewisse Willkür lässt sich bei einem Transfersystem, dass einheitlich für eine große Bevölkerungsgruppe gilt vermutlich gar nicht vermeiden. Die Starrheit im System soll eine Gleichbehandlung sicherstellen und vor noch größerer Willkür (z.B. durch einzelne Sachbearbeiter) und Mißbrauch (durch Leistungsempfänger) schützen. Dabei werden individuelle Bedürfnisse dann nur noch im extremen Fall berücksichtigt (z.B. Mehrleistungen bei Behinderung).
Haustiere können für den Einzelnen sicherlich eine wichtige Rolle im Leben spielen. Ein Grundrecht auf Haustierhaltung würde ich aber daraus nicht ableiten. Ich habe beispielsweise immer auf Haustiere verzichten müssen, da ich früher viel umgezogen bin und meine berufliche Tätigkeit sehr wenig Zeit für ein Haustier gelassen hätte. Wenn man von Berufstätigen diesen Verzicht verlangen kann, wird es schwierig eine entsprechende Transferleistung als allgemeine Regel zu rechtfertigen.
Werden Weiterbildungsmaßnahmen gar nicht mehr von der ARGE übernommen? Soweit ich weiß gab es da früher immer ein paar Programme zur beruflichen Qualifizierung (ob Sprachkurse dabei waren, weiss ich nicht). Diese Angebote werden glaube ich von der jeweiligen Stadt finanziert und dürften sich daher regional stark unterscheiden. Diese förderale Gliederung bei der Finanzierung des ALG II wird wohl auch der Grund sein, weshalb man in Tostedt kein Sozialticket für HH bekommt. Dort wird man vermutlich argumentieren, dass ein klappriges Fahrrad als Fortbewegungsmittel in Tostedt ausreicht.
Die Erhebung der Praxisgebühr für Leistungsempfänger erscheint auf der ersten Blick überflüssig. Wenn man allerdings den eigentlichen Sinn der Praxisgebühr, die Vermeidung von Arztbesuchen, berücksichtigt, macht diese Gebührenerhebung als Maßnahme der Kostenreduzierung im Gesundheitssystem auch für Leistungsempfänger wieder Sinn. Ob diese Praxisgebühr tatsächlichen den gewünschten Sinn erfüllt (insbesondere bei chronisch kranken Menschen), ist dann wieder eine andere Frage.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 30 September 2010, 11:56:28
Klar, tun sie ja auch. Sie sparen dann halt am Essen. ;)
Nee, an der Playstation...  ::)

*lach* das natürlich auch, aber ich glaube, jene ALGII-Empfänger haben auch noch ganz andere Geldquellen ... ;)

Zitat von: kaffeebohne
Gesundheitspflege: 15,55 Euro. Hmm, ok, das könnte hinkommen. Auch wenn richtig gut riechen so natürlich nicht klappt, aber übertreiben wir's mal nicht. ;)
Warum sollte "richtig gut riechen" damit nicht klappen? Das kann man auch ohne teures Parfüm. Für 15,55 € kann man sich zumindest regelmäßig waschen. Und ein Parfum hält ewig, wenn man sich mal eins zusammengespart hat, oder zum Geburtstag bekommen hat.

Ach, das war jetzt auch nicht so bierernst gemeint, deswegen ja auch das "nicht übertreiben" - das Budget ist knapp, aber machbar, und man muss sich ja nicht gleich sündhaft teure Parfums kaufen. Die muss der Staat nun wirklich nicht mitfinanzieren. ;)

Zitat

Was Haustiere betrifft: ich finde das schwierig. Ganz hart gesagt: Haustiere sind kein Muß, man braucht sie nicht zwingend, um zu über-leben. Allerdings sind sie für manche sehr wohl wichtig, besonders, wenn man z. B. eine Katze schon lange Jahre hat.

Auch schwierig ist es für Menschen, die - wie CubistVowel schrieb - aus Krankheitsgründen keine Chance haben, aus Hartz IV rauszukommen, und dazu noch teure Medikamente benötigen.


Um mal von dem Kleinkarierten meinerseits wegzugehen: Es sieht m.E. überall dort übel aus, wo die Leute sich vorher etwas aufgebaut haben und dann von diesem Warenkorb leben müssen.
Viele Haushalte haben Haustiere und Zimmerpflanzen, weil sich das im Lauf des Lebens eben so ergeben hat. Beides müsste konsequenterweise auf einmal abgeschafft werden.
Wer ein Auto da 'reinbringt, der darf es noch behalten, aber nicht mehr fahren, denn laut Warenkorb sind 0,00€ für Benzin vorgesehen. Wohl dem der eine Garage hat, da braucht er es wenigstens nicht mehr zu waschen ;)
Menschen die wegen Krankheit dauerhaft ALGII beziehen, werden sofort Probleme bekommen, sobald etwas im Haushalt kaputtgeht. Es ist bei dem knappen Budget m.E. eine absolute Illusion zu erwarten, dass z.B. 300€ für ne Waschmaschine zurückgelegt werden, nur für den Fall dass sie mal kaputtgeht oder dergleichen.

Da wäre ich dann auch für eine Zweiteilung der ALGII-Empfänger: Jene, die arbeiten können, und jene die es nicht (mehr) können. Letztere sollten einen etwas größeren Warenkorb erhalten, weil sie dauerhaft davon leben müssen. Bei ersteren, wie gesagt, fehlen ein paar Euro (viele sind's ja nun nicht, "nur" 13, s.o.) damit's mit dem Warenkorb passt, aber das ist und soll ja auch nur ein vorübergehender Zustand sein.

Es soll ja kein Geld der Sorte "boah, gebt mir so viel, damit ich davon bequem leben kann" sein, sondern eins der Sorte "ok, viel ist es nicht, aber ich komme damit zumindest grade so eben über die Runden, wenn ich mich an die Ausgabevorgaben halte".

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 30 September 2010, 12:05:37
Es wird immer wieder von der Regierung betont, daß das Geld ja nur eine Übergangslösung sein soll, bis die Leute wieder in Arbeit sind.
Was für ein Blödsinn. Vollbeschäftigung wird es nicht mehr geben. Ein Großteil der ALG II_Empfänger sindn Menschen mit derartig niedrigem Ausbildungsstand, daß die unvermittelbar bleiben.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 30 September 2010, 12:10:19
Viele Haushalte haben Haustiere und Zimmerpflanzen, weil sich das im Lauf des Lebens eben so ergeben hat. Beides müsste konsequenterweise auf einmal abgeschafft werden.
Wieso denn Zimmerpflanzen?!


Zum Thema Waschmaschine: war es eigentlich mal so, daß man eine bekommen konnte, wenn die alte nun kaputt ging? Ich meine, sowas mal gehört zu haben, bitte klär mich da mal jemand auf.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 30 September 2010, 14:15:03
Zum Thema Waschmaschine: war es eigentlich mal so, daß man eine bekommen konnte, wenn die alte nun kaputt ging? Ich meine, sowas mal gehört zu haben, bitte klär mich da mal jemand auf.

Soweit mir bekannt ist, sollen solche Ausgaben aus dem laufenden Bezug finanziert werden. Mit Einführung der Hartz-Gesetze wurde der monatliche Bezug im Vergleich zur damaligen "Sozialhilfe" leicht erhöht, weil es keine Sonderzahlungen etc. mehr gibt. Es gibt allerdings noch eine Art "Erstausstattung" für junge Familien oder so. Eventuell kann man ein Darlehen bekommen, aber die Voraussetzungen dafür kenne ich auch nicht.

Ab 2011 soll es übrigens eine Pflicht zur Rücklagenbildung für Hartz4-Empfänger geben, wohl gerade für solche Fälle. Das öffnet doch wieder der Willkür der Sachbearbeiter neue Möglichkeiten. Waschmaschine kaputt, keine Zwangsansparung vorhanden, also erstmal Sanktionen...?

Weil es thematisch gut passt, hier ein Artikel von Franz Walter zur Solidarität. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,720078,00.html)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 30 September 2010, 14:36:26
Zitat
Wieso denn Zimmerpflanzen?!

Ok, nicht abschaffen, aber wenn sie eingehen, keine neuen mehr. Zählen halt als Luxus. ;)

Zitat
Soweit mir bekannt ist, sollen solche Ausgaben aus dem laufenden Bezug finanziert werden.

Das ist auch mein Wissensstand.
Leider weiß ich nicht mehr, in welcher Sendung (Panorama?) es war, als das thematisiert wurde und ein Spezialist das kanz dezidierte erzählte, dass größere Reparaturen im Satz mit eingerechnet wären, im Gegensatz zur ehemaligen Sozialhilfe, bei der es zuvor noch anders war.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 30 September 2010, 14:45:47
Tatsächlich hat die Bundesregierung so einige Positionen ersatzlos (und scheinbar willkürlich) aus der Liste gestrichen, so dass sich laut Gegen-Hartz.de eine Gesamt-Kürzung von 28,99 € ergibt. Unter anderem auch Zimmerpflanzen und, wie bekannt, Alkohol und Tabak. (Was meiner Meinung nach wirklich nicht zum Existenzminimum gehört. Aber bisher hat man ggf. das Geld eben für andere Zwecke verbraucht. Eine Kürzung ist eine Kürzung.)

http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-regelsatz-wird-um-2899-euro-gekuerzt-2011.php (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-regelsatz-wird-um-2899-euro-gekuerzt-2011.php)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: PlumBum am 30 September 2010, 16:09:28
Ich hab mir jetzt nicht alles hier bis ins kleinste durchgelesen und finde es auch ein leidiges Thema, sich über kühl kalkulierte, mathematisch faire Regelsätze zu unterhalten.

Nachdem ich heute morgen schon ein Hörspiel des "Manifest der Kommunistischen Partei" nach Karl Marx/Friedrich Engels gehört habe, fiel mehr wieder einmal auf, wie sehr sich unsere heutige Gesellschaftliche Situation, dem dort beschriebenen wieder einmal annähert.

Es geht darin ja unter anderem darum, das sich die Bourgeoisie selbst zum Untergang verurteilt, dadurch das sie den ihnen untergebenen Klassen die Existenzgrundlage entzieht. Denn eine Klasse kann nur so lange herrschen, wie sie den beherrschten die Möglichkeit gibt, ihren Lebensstandard zu erhalten und ihnen nicht die Existenzgrundlage entzieht.
Die Bourgeoisie nährt sich immer weiter an allen ihnen untergebenen. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Irgendwann kommt der Umbruch. Das Proletariat muss von der Bourgeoisie künstlich aufrecht erhalten werden, wenn dieses sich nicht mehr selbst erhalten kann. Womit dann eben die Bourgeoisie zum Untergang verurteilt wäre.

Also frei wiedergegeben.

Worauf ich hinaus will... brauchen wir langsam mal wieder eine richtige Revolution? So mit Bürgerkrieg und sowas?
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 30 September 2010, 16:33:01
Worauf ich hinaus will... brauchen wir langsam mal wieder eine richtige Revolution? So mit Bürgerkrieg und sowas?

Nein. Die Situation ist nicht mal annähernd mit der Situation zu Zeiten von Marx und Engels vergleichbar. Die beiden gingen damals auch von einigen Annahmen aus, die heute nicht mehr haltbar sind. Und selbst damals war die kommunistische Revolution eine äußerst schlechte Idee. Das kommunistische Paradies mit all seinen Vorzügen kann man noch in Nordkorea und Kuba bewundern. Alle anderen Völker haben dieses Projekt bereits aus guten Gründen aufgegeben.
Bei uns hat jeder die Möglichkeit eine Partei zu gründen und damit bestimmte Interessen demokratisch durchzusetzen, wenn es denn die Mehrheit will. Jeder darf eine Demo organisieren. Gerwerkschaften können Löhne mit den Arbeitgebern aushandeln. Das Streikrecht ist garantiert. Ein gewalttätiger Umbruch könnte also nur das Ziel der Abschaffung der Demokratie haben.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: PlumBum am 30 September 2010, 17:23:55
Worauf ich hinaus will... brauchen wir langsam mal wieder eine richtige Revolution? So mit Bürgerkrieg und sowas?

Nein. Die Situation ist nicht mal annähernd mit der Situation zu Zeiten von Marx und Engels vergleichbar. Die beiden gingen damals auch von einigen Annahmen aus, die heute nicht mehr haltbar sind. Und selbst damals war die kommunistische Revolution eine äußerst schlechte Idee. Das kommunistische Paradies mit all seinen Vorzügen kann man noch in Nordkorea und Kuba bewundern. Alle anderen Völker haben dieses Projekt bereits aus guten Gründen aufgegeben.
Bei uns hat jeder die Möglichkeit eine Partei zu gründen und damit bestimmte Interessen demokratisch durchzusetzen, wenn es denn die Mehrheit will. Jeder darf eine Demo organisieren. Gerwerkschaften können Löhne mit den Arbeitgebern aushandeln. Das Streikrecht ist garantiert. Ein gewalttätiger Umbruch könnte also nur das Ziel der Abschaffung der Demokratie haben.
Ehm nein! Also NEIN! Oder anders gesagt: nein.

Ich habe nicht davon gesprochen, das wir hier den Kommunismus einführen sollten. Von Gewalttätigem Umbruch ist auch nicht die Rede. Es geht auch nicht um das was in Nordkorea oder Kuba los ist. Was anderswo als Kommunismus praktiziert wurde oder ähnliches. Das ganze basiert sogar noch viel mehr auf einer zeitgenössischen Betrachtung Englands (also das hier: http://www.argument.de/wissenschaft/manifest.html). Ich habe nur die in dem Manifest beschriebene Situation ein wenig mit der momentanen Gesellschaftlichen Situation verglichen. Klar es ist noch ein wenig anders... aber wie viel und wie lange noch. Es gibt da ja alle möglichen verschiedenen Vorhersagemodelle. Je nachdem welcher gefälschten Statistik man am liebsten glauben möchte. Vielleicht sind wir gar nicht so weit davon entfernt. Die zwei Klassen Gesellschaft ist ja nicht nur hier ein großes Thema.

Klar geh ich wählen. Aber trotzdem fühle ich mich immer seltener von den Politikern wirklich vertreten.
Die Politik ist in der Hand verschiedener großer Wirtschaftslobbys. Der Sozialstaat bröckelt.

Und wenn ich hier gerade auch in diesem Thread so die eine oder andere Ausführung lese, sehe ich da eben schon deutliche Parallelen. Die Hartz IV Empfänger als neue, unterste Klasse unserer Gesellschaft. Auch wenn es noch lange nicht zum großen Umbruch reicht, ist es noch lange kein Grund die Situation immer weiter systematisch zu verschlechtern.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 30 September 2010, 21:18:52
Der Sozialstaat wird tatsächlich irgendwann mal bröckeln. Auch wenn es für Betroffene anders erscheinen mag, leistet sich Deutschland einen im internationalen Vergleich relativ großzügigen Sozialstaat. Wenn sich die demographische Bevölkerungsentwicklung weiter wie bisher fortsetzt, wird die Finanzierung immer schwieriger. Die abnehmende Anzahl erwerbstätiger Menschen bei gleichzeitig (im Schnitt) mindestens konstanter Anzahl der Empfänger von Transferleistungen bleibt nur finanzierbar, wenn man die Ausgaben pro Empfänger kürzt. Da direkte Kürzungen sehr unbeliebt sind, wird halt indirekt gekürzt (z.B. kein Inflationsaugleich, höhere Mehrwertsteuer, Praxisgebühr).
Nun könnte man natürlich sagen, dass der Staat das Geld aus Steuereinnahmen nur anders verteilen müsste, damit man die Höhe der Transferleistungen zumindest konstant halten kann oder sie vielleicht sogar erhöht. Nur wo soll man das Geld einsparen? Der Haushalt für Sozialausgaben ist bereits der größte Posten im Haushaltsgesetz.
Angenommen, eine Regierung hat die Möglichkeit die Höhe von Transferleistungen deutlich zu erhöhen (z.B. durch höhere Steuereinnahmen oder Umschichtungen im Haushalt). Sie wird dies sehr wahrscheinlich trotzdem nicht tun, da sich ab einer bestimmten Grenze die Erwerbstätigkeit in zahlreichen Branchen mit sehr niedrigen Einkommen für das Individuum nicht mehr lohnen würde. Also würde die Erhöhung gleichzeitig auch die Anzahl der Leistungsempfänger erhöhen, was den Staat erneut vor ein unlösbares Finanzierungsproblem stellt. Nun gut, dann könnte man ja über Mindestlöhne das Lohnniveau dieser Beschäftigten soweit steigern, dass es sich doch wieder lohnt arbeiten zu gehen. Das wäre dann eine win-win Situation. Und da sind wir dann doch wieder bei der Systemfrage angekommen, denn ausreichend hohe Mindestlöhne sind in einer Marktwirtschaft äußerst problematisch.
In der Marktwirtschaft muß alles einen Gegenwert haben, den jemand bereit ist zu zahlen. Dies gilt auch für Arbeit. Zur Realisierung von Mindestlöhnen gibt es 2 Möglichkeiten: 1. Der Staat gleicht zwischen dem marktwirtschaftlich realistischen Einkommen und dem Mindestlohn aus (wie die derzeitigen Aufstocker) 2. Der Staat zwingt Arbeitgeber (alle oder nur gewisse Branchen) per Gesetz ein bestimmtes Lohnniveau (welches eventuell mit den Gerwerkschaften ausgehandelt wurde) zu bezahlen und setzt dieses dann auch durch. Variante 1 führt wieder zu einem drastischen Finanzierungsproblem durch mehr zusätzliche Leistungsempfänger und einer Verstärkung bürokratischer Strukturen. Schon jetzt zahlt der Staat jährlich 9,2 Mrd Euro (http://www.sozialticker.com/verwaltungskosten-fuer-die-durchfuehrung-der-grundsicherung-fuer-arbeitsuchende-sgb-ii-hartz-iv_20100521.html) für die Verwaltungsgebühren (SGB II). Variante 2 ist nicht weniger problematisch, da nicht nur die Tarifautonomie untergraben wird, sondern auch Waren und Dienstleistungen künstlich verteuert werden. Selbst ein hoher Mindestlohn wie in Frankreich, wo ca. 1000 Euro netto (ca. 8,50 Euro pro Stunde brutto) gesetzlich vorgeschrieben ist, erzeugt nur eine geringe Differenz zur Höhe von Transferleistungen, wenn man diese merklich erhöhen würde. Schon jetzt kann die Summe der Transferleistungen (ohne Krankenversicherung) in Hamburg leicht 800 Euro übersteigen (Regelsatz + Kaltmiete (http://www.pro-wohnen.de/Wohnungssuche-ALG-2-Sozialhilfe-Grundsicherung.htm) + Warmwasser + GEZ etc.). Hinzu kommt die Gefahr, dass ein hoher Mindestlohn Arbeitsplätze vernichtet und damit wieder die Zahl der Empfänger von Transferleistungen erhöht.
Einen einfachen und sicheren Weg zur Erhöhung von Transfereistungen gibt es daher nicht. Ich persönlich glaube auch nicht, dass die Oppositionsparteien weniger schlecht in Regierungsverantwortung arbeiten würden. Aus der Opposition heraus ist es immer leicht unrealistische Forderungen zu stellen.

Die Höhe von Leistungen für Empfänger von Sozialgeld (also Personen, die gar nicht erwerbsfähig sind) ist von diesen oben genannten Überlegungen natürlich ausgenommen, da kein Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung aufrecht erhalten werden muß. Die Festlegung dieser Sätze ist tatsächlich relativ willkürlich und richtet sich vermutlich hauptsächlich nach Kassenlage. Da diese Sätze auf Dauer bezahlt werden, sollten sie in meinen Augen etwas höher sein als ALG-II Leistungen für erwerbsfähige Personen, die prinzipiell als temporäre Lösung gedacht sind. Der zynische Hinweis, man hätte ja eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können, nützt diesen Menschen im Nachhinein auch nichts.
 
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 12 Oktober 2010, 23:56:25
@Spambot


... das ist alles zutreffend.  :)    :-\

Und ist das

Zitat
Der Sozialstaat wird tatsächlich irgendwann mal bröckeln.

nicht bereits der Fall/im Verlauf?! Was schon lange abzusehen war. Oder nicht?

Habe nun nur dein (letztes) posting gelesen, deshalb die Frage (weiß nicht, ob es in diesem thread schon darum ging): Wäre dem nicht abzuhelfen mit einem "bedingungslosen" Grundeinkommen? Vor allem auch diesbezüglich

Zitat
Schon jetzt zahlt der Staat jährlich 9,2 Mrd Euro für die Verwaltungsgebühren (SGB II)
(Spambot)

eine nicht unerhebliche Einsparung? (Btw. woher hast du diese Zahl? Rein aus Neugier. ;) )

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 13 Oktober 2010, 00:04:18
Zitat
Btw. woher hast du diese Zahl?

Öhm, die Zahl war ein Link. Mussu nur draufklicken.  8)

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen bin ich btw. nicht, wohl aber für Mindestlöhne. "Arbeit muss sich lohnen" (O-Ton Westerwelle) kommt nicht so gut, wenn der 40-Stunden-Arbeiter 50 Cent im Monat mehr verdient als der 0-Stunden-Arbeiter ... und nein, das funktioniert nicht über das Absenken der ALGII-Sätze, sondern doch eher durch Anhebung der Mindestlöhne und damit der Ausrottung von Ausbeutungslöhnen, aus verschiedenen Gründen. Die Erhöhung der Summe die verkonsumiert wird und der damit einhergehenden Ankurbelung der Wirtschaft ist nur einer davon.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 13 Oktober 2010, 00:17:44
Zitat
Dann noch mal weiter aufgedröselt:

22,78€ für Verkehr ... dafür gibt's im Monat nicht mal ne CC-Karte für 1 (!) Zone im Abo (günstigster Tarif). Für Großstädte, insbesondere Hamburg, München oder Frankfurt, ist da der Bedarf definitiv zu niedrig. 40,40€ (CC-Karte im Abo für den Großbereich) wären da realistischer.

Bildung, 1,39€ -  Lächelnd - also 1x/Jahr ein Fachbuch kaufen? Zwinkernd

Energie- und Wohnungsinstandshaltung ist mit 30,74 recht knapp bemessen: Damit muss schließlich die Stromrechnung bezahlt werden, da bleibt i.d.R. für den Rest nix mehr. Geht mal eine Glühbirne kaputt, wird eine neue Energiesparlampe das Budget bereits übersteigen.

Gesundheitspflege: 15,55 Euro. Hmm, ok, das könnte hinkommen. Auch wenn richtig gut riechen so natürlich nicht klappt, aber übertreiben wir's mal nicht. Zwinkernd

Freizeit, Unterhaltung, Kultur: 39,96 Euro. Durchaus realistisch, von einer "sozialen Vereinsamung" kann hier nun nicht geredet werden ... logischerweise auf niedrigem Niveau (Theater etc. sind tabu), aber wer ein hohes einfordert ist da nicht Realist.

Bekleidung und Schuhe: 30,40 Euro - im Second-Hand-Bereich klappt's. Würde man die Sachen neu brauchen, nicht. Bei Kindern allerdings klappt's definitiv nicht, die wachsen bekanntlich in nullkommanix aus ihren Klamotten 'raus. Erwachsene müssen ihre Sachen halt abtragen oder eben schon Getragenes an haben.

Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen: 7,16 Euro - also 1x/Monat inne Kneipe, 2-3 Getränke (2 Cola, 1 Wasser) trinken, das war's. Da dürfte man wohl vom "Freizeit"-Pool 'was rüberschieben müssen ...

Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände: 27,41 Euro - Spannender Posten! Wie oft gehen solche Geräte kaputt? Ich vermute, dass da einiges abgewohnt werden muss, damit dieser Betrag dauerhaft ausreicht. Aber gut, dafür müssen die Leute auch nicht arbeiten, um es sich dann später leisten zu können.

Andere Waren und Dienstleistungen: 26,50 Euro - damit sind vermutlich der Friseur und jene Rücklagen gemeint die man bilden soll, wenn mal was Größeres kaputtgeht. Darüber lässt sich jetzt nun trefflich streiten: 1 PC kostet 300 Euro (niedrig gerechnet), eine Waschmaschine nicht viel weniger. Also soll das Geld gespart werden, um Geräte wuppen zu können, wenn sie kaputt gehen ...? Ich sage es mal so: Gewagte These, dass man damit hinkommt.

Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke: 128,46 Euro - dazu sagte ich weiter oben schon etwas: Es ist gar nicht mal unrealistisch gerechnet, das.  Wirklich gesund kochen lässt sich damit nun nicht über den ganzen Monat (dazu ist Obst+Gemüse einfach verdammt teuer), aber wenn man an Organisationen wie die Hamburger Tafel denkt, könnte das selbst dann hinkommen.
Nur: Ist es wirklich Sinn der Sache, einen Warenkorb auszurechnen, der Leute entweder nicht besonders gesund leben lässt oder auf Almosen angewiesen sein lässt ...? Auch das ist eine offene Frage.

-------------

Nachdem ich mir das jetzt mal genauer angesehen habe, muss ich sagen:
Die Empörung (auch meine eigene) bezüglich Internet lässt sich nicht halten. Mit Telefon zusammengezogen reicht das Geld dafür aus.
Lebensmittel betreffend ist es nicht üppig, aber machbar. Kein Warenkorb, der zum Hungern einlädt.
Viele Posten sind perspektivabhängig, da kann man drüber streiten, muss man aber nicht.

Wo es m.E. definitiv hakt, sind die Posten "Verkehr" und "Bildung". Ersteres betreffend sind Städter eindeutig benachteiligt, Letzteres betreffend hat jemand, der sich weiterbilden möchte oder muss, keine Chance. Nicht alles lässt sich im Internet machen. Selbst, wer nur einen Bibliotheksausweis beantragt um sich Fachbücher ausleihen zu können, zahlt bei der geringen Summe monatlich bereits drauf.
Ebenso halte ich die Wohnungs/Energiekosten sowie vor allem für Hamburg die Verkehrskosten zu niedrig. Mobilität ist wichtig, man denke nur an Vorstellungsgespräche und Bewerbungen, die besser persönlich abgegeben werden wollen, und wenn "Gaststättendienstleistungen" drin sind, muss man zur Gaststätte ja auch erstmal hinkommen ...

Selbst wenn ich kleinkariert rechne, komme ich auf einen Mehrbedarf für Hamburg von mindestens:

17,22€ Verkehr
3,61€ für Bildung (1 Fachbuch a´15 Euro alle 3 Monate)
4,76€ Energie (konservativ geschätzt angesichts dessen, dass jene die viel zuhause sind, auch mehr Strom im Monat verbrauchen)
0,69€ Praxisgebühr,

also 26,28€, abgerundet 26€, bzw. 31€ im Vergleich zu jetzt.

Es versteht sich aber von selbst, dass eine derartige Erhöhung nur in Kombination mit Mindestlöhnen machbar ist. Es sind derzeit viel zu viele Jobs viel zu dicht am ALGII-Niveau dran, als dass sich eine so starke Erhöhung rechtfertigen ließe, da dann tatsächlich so einige Menschen auf einmal Aufstocker wären, weil sie weniger verdienen.


Das ist ja mal eine akribische Aufstellung! ;)


Was ist aber bei den "Wohnungsinstandhaltungskosten" mit all den Dingen, die kaputt gehen (können)? Eben Elektro-Klein- und -großgeräte (Waschmaschine, Herd, Kühlschrank, Staubsauger, Radio/CD-Player, TV, PC ...)? Wieviel soll denn da (wovon) monatlich (?) gespart werden? Und was, wenn gleich mehrere (zwei ist realistisch) Großgeräte defekt sind?

Und was ist mit Porto-Kosten (für privaten oder behördlichen Briefwechsel oder den mit Dienstleistern etc.)? Und wie verhält es sich mit Putz-/Waschmittel? Und was ist mit gelegentlichen Geschenken für Freunde oder Freunde der Kinder (z.B. zu Geburtstagen)? Und wieviel soll für Kindergeburtstag und Weihnachten monatlich angespart bzw. wieviel darf dafür ausgegeben werden?

Und wie ist das mit Hobbies/Freizeitaktivitäten der Kinder (z.B. Sportverein) - worunter ist das subsumiert?

Ach so und: die vorgesehene, kalkulierte Kohle für Nahrungsmittel ist (für meine Verhältnisse) absolut unrealistisch - bei mir geht mtl. das meiste Geld für feste laufende Kosten (Miete, Strom, Telefon) und Ernährung drauf. Allerdings kaufe ich aus gesundheitlichen Gründen auch so gut wie nie bei Discountern und auch nur selten in Supermärkten ein (wobei Letztere schon ziemlich teuer sind).

Ebenso verhält es sich mit dem Geld für Bildung - ein "Gehirn und Geist" oder "Spektrum der Wissenschaft" kostet zwischen €7,- und €12,-. Von Zeitungsabonnement fang ich gar nicht erst an. Und Bücher kosten auch Secondhand noch meistens mehr als €5,- (je nach Buch und Aktualität zwei- bis sechmal so viel). - Oder läuft das unter "Kultur" (bzw. "Freizeit")?

Ja und der Posten Verkehr is auch völlig an der Realität vorbei.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 13 Oktober 2010, 00:19:03
Zitat
Öhm, die Zahl war ein Link. Mussu nur draufklicken.  Cool

messie - ja, sorry - ich hab geschlafen. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 13 Oktober 2010, 00:42:33
Zitat
Was ist aber bei den "Wohnungsinstandhaltungskosten" mit all den Dingen, die kaputt gehen (können)?

Ich zitiere mich da mal selbst:

Zitat
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände: 27,41 Euro - Spannender Posten! Wie oft gehen solche Geräte kaputt? Ich vermute, dass da einiges abgewohnt werden muss, damit dieser Betrag dauerhaft ausreicht. Aber gut, dafür müssen die Leute auch nicht arbeiten, um es sich dann später leisten zu können.

;)
Oder geht bei dir jeden Monat etwas für knapp 30 Euro kaputt ...?  8)

Zitat
Und was ist mit Porto-Kosten (für privaten oder behördlichen Briefwechsel oder den mit Dienstleistern etc.)?

Wieso Porto? Du kriegst Fahrtkosten finanziert und hast Zeit ohne Ende, also kannst du da auch rumfahren, um die Briefe persönlich einzuwerfen.  8)
Teure private Briefe in Zeiten des Internets? - Ich bitte dich.  :D

Zitat
Und wie verhält es sich mit Putz-/Waschmittel?

Ist bei der Hygiene mit drin. Genauso wie Toilettenpapier und Zahnpasta, versteht sich.  8)

Zitat
Und was ist mit gelegentlichen Geschenken (...)

Der Staat soll Geschenke mit Steuermitteln finanzieren? Das ist nicht dein Ernst!
(Jep, ich glaube in der Tat, dass Deartiges gewollt nicht finanziert wird im ALGII-Satz.)

Zitat
Und wieviel soll für Kindergeburtstag und Weihnachten monatlich angespart bzw. wieviel darf dafür ausgegeben werden?
Siehe eben.

Zitat
Und wie ist das mit Hobbies/Freizeitaktivitäten der Kinder (z.B. Sportverein) - worunter ist das subsumiert?

Unter den künftigen Gutscheinen für sie.

Zitat
Allerdings kaufe ich aus gesundheitlichen Gründen auch so gut wie nie bei Discountern (...)

Das ist dann aber dein Problem. Wenn du zu teuer einkaufst obwohl dasselbe für billiger geht, dann musst du halt woanders sparen. Du kannst nicht erwarten, dass der Staat dir irgendwelche Gourmetsachen finanziert, nur weil es dir mal eben so gefällt. Nee, die Aldi-Bohnen und -kartoffeln müssen halt reichen. Schließlich verdienst du sie dir ja auch nicht, sondern lässt dir es vom Staat schenken. Geschenkter Gaul und so ...

Zitat
ein "Gehirn und Geist" oder "Spektrum der Wissenschaft" kostet zwischen €7,- und €12,-

Ja, kannst du dir doch leisten. Alle 3 Monate. Den Rest kriegst du mit dem Internet doch schon hin. ;)

---

Ich rechnete das mit Absicht "staatsfreundlich" da oben, weil es klar macht dass selbst dann wenn alle Annahmen der Regierung zuträfen, der Satz dennoch zu klein ist, selbst dann wenn sich der ALGII-Empfänger (in deren Augen) absolut vorbildlich verhalten würde. Sprich: Selbst, wenn du die günstigstmöglichen Möglichkeiten voll ausschöpfen würdest, kämst du trotzdem nicht hin. Das war der Sinn der Übung.  ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 13 Oktober 2010, 10:07:00
Zitat
Ich rechnete das mit Absicht "staatsfreundlich" da oben, weil es klar macht dass selbst dann wenn alle Annahmen der Regierung zuträfen, der Satz dennoch zu klein ist, selbst dann wenn sich der ALGII-Empfänger (in deren Augen) absolut vorbildlich verhalten würde. Sprich: Selbst, wenn du die günstigstmöglichen Möglichkeiten voll ausschöpfen würdest, kämst du trotzdem nicht hin. Das war der Sinn der Übung.  Zwinkernd
   
(messie)


... is schon klar - ich wollt ja nur nochmal (mit) verdeutlichen, dass das ne blöde Rechnung (des Staates) ist.

Aber hier muss ich auch noch widersprechen:

Zitat
Das ist dann aber dein Problem. Wenn du zu teuer einkaufst obwohl dasselbe für billiger geht, dann musst du halt woanders sparen. Du kannst nicht erwarten, dass der Staat dir irgendwelche Gourmetsachen finanziert, nur weil es dir mal eben so gefällt. Nee, die Aldi-Bohnen und -kartoffeln müssen halt reichen.

Nich "Gourmetsachen", sondern: gesunde Nahrungsmittel! Was es im Discounter zu kaufen gibt, ist zu 95% ungesunder, künstlicher, überflüssiger, krankmachender Industrie-/Chemie-Fraß - das kann man nicht mal als "Food-Design" bezeichnen, sondern als Müllcontainerfutter.

Und im Supermarkt sind es auch noch ca. 80% (Müll, der als "Lebensmittel" verkauft wird - also auf Nahrungsmittel bezogen).

Mit Gourmetkost hat das nicht so viel zu tun (dass ich da nicht/selten einkaufe). ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 13 Oktober 2010, 11:06:56
Zitat
Das ist dann aber dein Problem. Wenn du zu teuer einkaufst obwohl dasselbe für billiger geht, dann musst du halt woanders sparen. Du kannst nicht erwarten, dass der Staat dir irgendwelche Gourmetsachen finanziert, nur weil es dir mal eben so gefällt. Nee, die Aldi-Bohnen und -kartoffeln müssen halt reichen.

Nich "Gourmetsachen", sondern: gesunde Nahrungsmittel! Was es im Discounter zu kaufen gibt, ist zu 95% ungesunder, künstlicher, überflüssiger, krankmachender Industrie-/Chemie-Fraß - das kann man nicht mal als "Food-Design" bezeichnen, sondern als Müllcontainerfutter.

Und im Supermarkt sind es auch noch ca. 80% (Müll, der als "Lebensmittel" verkauft wird - also auf Nahrungsmittel bezogen).

Mit Gourmetkost hat das nicht so viel zu tun (dass ich da nicht/selten einkaufe). ;)
Aber auch im Supermarkt gibt es frisches Gemüse, Nudeln, Obst... Auch mit wenig Geld kann man sich gut ernähren und ist nicht gezwungen, Fertiggerichte zu kaufen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 13 Oktober 2010, 13:14:09
Naja, ist ja die Frage, was Kallisti für "Müll" hält ... ;)

In dem Warenkorb jedenfalls sind durchaus Obst und Gemüse mit berücksichtigt wie auch Anderes wie z.B. Vollkornbrot etc.. Sicher lässt sich damit jetzt nicht jeden Tag superdupertollgesundundausgewogen kochen, aber dass sich ein ALGII-Empfänger qua Warenkorb ungesund ernähren muss, halte ich auch für ein Gerücht.

Es ist auch nicht alles schlecht, nur weil es vom Discounter kommt: Geschälte Tomaten aus der Dose werden sogar von Spitzenkochs empfohlen, weil sie mehr Nährstoffe als die meisten günstigen frischen haben, und Aldi & Co. sind bei Warentests bei diversen Lebensmitteln aus der Dose auch öfters mal Testsieger.
"Praktisch alles Müll bei Discountern" zu sagen, halte ich für ... gewagt. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 13 Oktober 2010, 13:38:52
Was ist jetzt bei den Biokartoffeln, der Paprika oder der Hühnerbrust von Aldi schlechter als der vom Bauernmarkt?
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: voll pöse am 13 Oktober 2010, 14:37:08
Was ist jetzt bei den Biokartoffeln, der Paprika oder der Hühnerbrust von Aldi schlechter als der vom Bauernmarkt?

Pack einfach mal ein kilo "normales" Hackfleisch in eine Bratpfanne und schau Dir die menge an Flüssigkeit an die austritt, wiederhole das ganze mit Biohackfleisch und vergleiche.

Das Giftstoffe die übers Düngen, spritzen usw. beim gewöhnlichen Anbau von Obst/Gemüse in die Lebensmittel gelangen bei Bioprodukten nicht enthalten sind ist ne andere Sache... (wobei nicht alles was man beim Bauern kauft wirklich Bio sein muss)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 13 Oktober 2010, 14:49:10
Aber haben nicht auch viele Discounter und Supermärkte inzwischen eine Bioecke bzw. Bioprodukte? Zumindest kauf ich die zum Teil da.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 13 Oktober 2010, 15:07:17
Naja, Bio ist nicht gleich Bio ... durch den Urwald da steigen, welches Bio was bedeutet, ist wahrlich nicht einfach.

Die Kernfrage ist, denke ich, eine andere: Wo hört "sich ungesund ernähren" auf und wo fängt "übermäßig gesund ernähren" an?
Die Idee hinter dem Warenkorb ist ja nicht, die Leute optimal zu ernähren, sondern "nur" gesund, zumindest nicht ungesund.

Würde man von einem optimalgesunden Warenkorb ausgehen, der natürlich auch deutlich teurer ist (Waren höchster Qualität wie echte Bioprodukte etc.), dann käme die Regierung in Erklärungsnöte, wieso sich jene, die gar nicht arbeiten, die teuersten Lebensmittel leisten können sollen und jene, die ihre 800 bis 900€ netto monatlich in die Kasse kriegen, aber eine 40-Stunden-Woche haben, dies nicht können, weil's für sie zu teuer ist.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Simia am 13 Oktober 2010, 15:56:31
Naja, Bio ist nicht gleich Bio ... durch den Urwald da steigen, welches Bio was bedeutet, ist wahrlich nicht einfach.

So schwer ist das gar nicht. Die Siegel sind eigentlich festgelegt und theoretisch wird sich auch dran gehalten (eventuelle Verfehlungen zu entlarven wäre jetzt eine völlig andere Geschichte), die privaten Siegel wie Naturland gehen nach Art einer FSK meist sogar noch darüber hinaus (wer weniger an Anforderungen reinpackt und trotzdem "bio" rüberkommen will, verpasst sich erfahrungsgemäß höchstens Pseudo-Siegel bzw. betreibt entsprechende Kosmetik auf den Verpackungen).

Ansonsten Zustimmung zum Beitrag. Leider (Bio für alle! ;D).
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 13 Oktober 2010, 21:44:13
Ja, ist halt so ne Sache mit dem "BIO"-Siegel ... Kann ich Simia nur beipflichten.

Wirklich verlässlich und zu fast 100% "Bio" ist, wo Naturland, Bioland und sowieso Demeter "draufsteht" ... (gibt noch ein paar andere, aber das führt jetzt zu weit, hier auch außen vor gelassen: die Bio-Siegel für Kosmetik).

Aber "Bio" ist ein umfangreiches Thema für sich.

Ich kauf auch gern auf´m Markt (bio) - auch, wenn der Bauer "bio" anbietet und noch dazu "super regional" (weil eben aus der nahen Umgebung: seine Äcker, sein Gemüse...). :)

Aus finanziellen Gründen kaufe ich auch nicht alles immer bio (Nudeln z.B. nicht). Aber eigentlich das meiste.

Grade bei bestimmtem Obst und Gemüse (Erdbeeren, Paprika, Weintrauben) ist das ätzend mit den Pestizidmengen und - arten.

Und bei Fleisch is bio auch noch aus ethischen Gründen, sowieso aus gesundheitlichen, eigentlich ein Muss (für mich).


Nudeln sind btw nicht "gesund", sondern nur Sattmacher (reine Kohlenhydrate - ohne jegliche Vitamine, Mineralstoffe, sekundären Pflanzenstoffe oder Spurenelemente - und logischerweise auch ohne Eiweiß).


Und nur weil da Dosentomaten rumstehen (Discounter) heißt das nicht, dass es sonst viel Gesundes dort zu erwerben gibt.

Im Discounter wie auch im Supermarkt finden sich überwiegend abgepackte Industrie-Chemie-Kunst-Produkte - Tütensuppen, Dosenfraß, Fertigsoßen und sonstige Fertiggerichte, Süßigkeiten und Knabberzeug mit jeder Menge Farb-, Aromastoffen, Geschmacksverstärkern und zehn verschiedenen Zuckerarten usw.

All dieses Zeug macht über Jahrzehnte einfach nur fett und/oder krank. (Beispiel: Weichmacher in Plastikverpackungen, die östrogenähnlich wirken oder Azofarbstoffe, dann die Pestizide auf dem Gemüse und Obst, außerdem Süßstoffe, die Mästmittel und/oder Abführmittel sind, Geschmacksverstärker wie Natriumglutamat - die neuerdings als "Hefezusatz" oder so ähnlich getarnt werden und ebenfalls "spannende Nebenwirkungen" haben können, dann noch die Lüge mit "weniger Zucker", bei der Haushaltszucker einfach getarnt wird - indem dann statt Saccharose halt Maltodextrin, Oligofruktose, Fruktose, Lactose, Dextrose oder Glukosesirup ... draufsteht - alles auch Zuckerarten usw. - herrlicher Giftcocktail - mnjamnjam!)


Aber bitte - ein Thema für sich, wie gesagt.  ;D


Jedenfalls messie

Zitat
Die Idee hinter dem Warenkorb ist ja nicht, die Leute optimal zu ernähren, sondern "nur" gesund, zumindest nicht ungesund.

is das ne seltsame Theorie. Gesund ist (gleich) optimal! Was nicht optimal und damit nicht gesund ist, ist: ungesund. Ab und zu mal n Fertiggericht oder Knabberzeug oder Süßkram, macht niemanden krank, aber regelmäßig über Jahre bzw. Jahrzehnte den Fraß: halt schon.

Fruchtzucker z.B. ist gerade für Diabetiker nicht gut und macht auf Dauer dick. (Gab da kürzlich wieder n "Quarks &  Co." zum Thema - Zucker außerdem also doch in der Wirkung vergleichbar mit anderen "richtigen" Drogen - macht also doch süchtig!!) Außerdem ne Fettleber, wenn man Pech hat.

Und die ganzen gehärteten Fette in Chips etc. sind auch einfach nur Dreck.

Tiefkühlkost ist übrigens auch nicht "optimal", wenngleich vlt. besser als Dosenfutter.


Am besten is tatsächlich: frisch (vom Feld, vom Strauch, vom Baum). :)


Und von all den Gesundheitsaspekten abgesehen: schmeckt bio meistens (fast immer) auch besser. Einfach mal testen (lassen) (nicht wissen, was konventionell und was bio ist - ggf. mit verbundenen Augen, wenn die Optik auch noch ausgeschaltet werden soll *g*).

Und Tiere fressen auch lieber bio - wenn sie die Wahl haben. Und die wissen von dem theoretischen Überbau mal gar nix.

Wer Jahre lang nur Labor-Fraß konsumiert hat, schmeckt natürlich nicht(s) mehr.  ;D

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 14 Oktober 2010, 01:14:23
Zitat
Gesund ist (gleich) optimal! Was nicht optimal und damit nicht gesund ist, ist: ungesund.

Wie ich diese Pauschalisierungen liebe ...  ::)

Also, ich finde ein eigengekochtes Gericht mit Nicht-Bio-Paprika, frischen Nicht-Biopilzen und günstigen (also Nicht-Safran) Gewürzen immer noch um Längen gesünder als ein Fertiggericht, bei dem das Gemüse weggelassen wird, Pilze 5. Wahl drin sind und statt Gewürzen haufenweise E-s drin verarbeitet sind.
Und du?  8)

Natürlich könnte man auch Biopaprika, Biopilze, Safran und noch so einiges anderes verarbeiten, damit es optimal gesund und ausgewogen ist. Aber wenn sich das Niedriglöhner nicht leisten können, wieso sollte man das dann Arbeitslosen finanzieren?
Das macht in meinen Augen einfach keinen Sinn. "Nicht ungesund" sollte und muss in meinen Augen drin sein, "100% gesund" ist angesichts dessen, dass sich das nicht mal Niedriglöhner leisten können, für mein Verständnis völlig überzogen und unangemessen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 14 Oktober 2010, 08:52:49
messie:
Du hast es nicht kapiert. Bei Aldi gibt es nur Chips und Schokolade ::)


Kallisti:
Keiner zwingt Dich beim Discounter die entsprechenden Fertiggerichte zu kaufen. Aber Du bekommst bei jedem Discounter auch frisches Obst und Gemüse und einfaches gekühltes Fleisch ohne irgendwelche Zusätze. Und wie messie schon schrieb: Selbst wenn Du bei Aldi mal auf Fertiggerichte zurückgreifst, sind die qualitativ oft sehr hochwertig. Eben ohne die entsprechenden Aroma-, Konservierungs- oder anderen Zusätze.
Ein Paradebeispiel finde ich die Nürnberger Würstchen von Aldi. Finde mal woanders eine Bratwurst, die zu 95% und mehr aus Fleisch besteht und sonst nur aus Gewürzen. Anderswo ist da gerade mal 65% Fleisch drin.

Und wenn ich mir mit Paprika, Tomaten, Hähnchenbrust, Mais und Peperoni und Kartoffeln eine mexikanische Hähnchenpfanne mache, kann ich das vollständig mit frischen Zutaten vom Discounter, ohne daß irgendwo irgendwas drin ist.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 14 Oktober 2010, 12:11:42
Eisbär

... mag sein, dass du also mit Aldi richtig liegst, aber bei anderen Discountern sieht das offensichtlich nicht so gut aus:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,387290,00.html


Und wie oben schon gesagt: Bio ist nicht gleich Bio!

Außerdem ist meine Kritik an Discountern und Supermärkten einfach diese, dass es dort überwiegend ungesundes Zeugs zu kaufen gibt - frisches (Bio-) Obst und Gemüse macht da einen sehr geringen Prozentsatz aus. Ich finde es einfach geradezu pervers, dass da Regale stehen vollgestopft mit 10 Sorten Senf, 30 Sorten bzw. Marken Marmelade, 25 verschiedenen Nudelpaketen usw.! - Nichts gegen Vielfalt, Abwechslung, Auswahl - aber: das meiste davon ist

1. vollgemüllt mit überflüssigen, krankmachenden Zusätzen (!) und
2. schlicht nicht nötig, um sich gesund, abwechslungsreich und genussvoll/schmackhaft ernähren zu können.

Außerdem gibt es tatsächlich Leute, die dieses Riesen-"Angebot" auch verwirrt.

Ja, in Anbetracht der Tatsache, dass weltweit jede Menge Menschen hungern und dadurch sterben, finde ich unsere Supermarkt-"Vielfalt" PERVERS (und nicht mehr nur dekadent).
Und wie gesagt: Es tut uns selbst nicht mal gut!! Das ist das Groteske daran.


@messie


Zitat
Natürlich könnte man auch Biopaprika, Biopilze, Safran und noch so einiges anderes verarbeiten, damit es optimal gesund und ausgewogen ist. Aber wenn sich das Niedriglöhner nicht leisten können, wieso sollte man das dann Arbeitslosen finanzieren?
Das macht in meinen Augen einfach keinen Sinn. "Nicht ungesund" sollte und muss in meinen Augen drin sein, "100% gesund" ist angesichts dessen, dass sich das nicht mal Niedriglöhner leisten können, für mein Verständnis völlig überzogen und unangemessen.


... Schlimm diese Unterteilung/Hierarchisierung/Diskriminierung - oder?  ;)    >:(   

HALLO?!?!??? - Es geht darum, dass grundsätzlich ALLE Menschen (in einem Land wie unserem) die Möglichkeit haben sollten, sich gesund ernähren zu können, dass dies ein Grundbedürfnis (des Menschen: weltweit!) ist!

Und dass ich es daher auch einfach kriminell finde, dass auch in einem Land wie unserem es überhaupt möglich ist, solchen DRECK legitim (Azofarbstoffe, Pestizide, sonstige krankmachende Zusatzstoffe, s.o.) als/in Nahrungsmittel (n)verkaufen zu können/zu dürfen! Und das wider besseren Wissens bzw. mit dem Wissen um die krankmachenden Wirkungen ... !!!

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 14 Oktober 2010, 12:34:34
Das Thema Ernährung und Lebensmittelindustrie ist schon interessant! Man kann allerdings Lebensmittelindustrie und Supermärkte nicht allein anprangern. Denn wenn das Zeugs keiner kaufen würde, stünde es dort nicht im Regal.

Informieren kann man sich zum Glück ganz gut, und dann soll sich jeder selbst entscheiden, was er essen möchte und was nicht. Aber grundsätzlich stimme ich dem zu, daß JEDER sich gesund ernähren können sollte. Und ich denke, das ist auch machbar. Vielleicht nicht immer unbedingt Bio, aber doch gesund.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 14 Oktober 2010, 12:49:55
Zitat
HALLO?!?!??? - Es geht darum, dass grundsätzlich ALLE Menschen (in einem Land wie unserem) die Möglichkeit haben sollten, sich gesund ernähren zu können, dass dies ein Grundbedürfnis (des Menschen: weltweit!) ist!

Ja. Gesund. Aber wirklich optimalgesund, also das Optimum bezahlen für jene, die nix dafür tun, dass das Ganze überhaupt bezahlbar ist?
Der Staat würde pleite gehen (gut, ist er ja schon. ;) ), wenn er das tun würde.
Irgendwo muss eine Grenze sein und man auch die Realitäten sehen.

Die beste Lösung wäre im Prinzip, wenn der Staat die optimalgesunden Waren extrem subventionieren und ein Gesetz veranlassen würde, dass die gesunkenen Kosten zu einem Großteil an den Kunden weitergegeben werden müssen. Dann wären nämlich just jene günstiger als der Rest, und dreimal darfst du raten, was dann jene tun, die kaum bis kein Geld monatlich zur Verfügung haben. ;)

Allerdings stellt sich hier das Problem, dass optimalgesund in den Mengen, wie wir Deutschen konsumieren, gar nicht für alle herstellbar ist.
Das betrifft nun aber ziemlich komplizierte marktwirtschaftliche Mechanismen: Wenn etwas knapp ist, wird es teurer. Wenn es aber nicht teurer werden darf, weil es so festgeschrieben ist, dann greift der Staat massiv in die Marktwirtschaft ein. Welche Effekte das hat? - Sicher viele. Ich bin dafür aber nicht Wirtschaftswissenschaftler um nun konkret sagen zu können, was da alles beachtet werden müsste. Klar ist mir nur, dass es eine ziemlich komplizierte Kiste wäre, so etwas durchzusetzen und marktwirtschaftlich überhaupt irgendwie lebensfähig zu machen.

Ein vergleichbares Beispiel wäre auch Zahnersatz: Man könnte auch sagen, dass jeder Bundesbürger das Recht dazu haben sollte, die optimalen Zähne zu haben! Dummerweise ist Zahnersatz sehr teuer. Also wird gegenüber ALGII-Empfängern ein Mittelweg beschritten: Dort wo es sichtbar ist, wird es anstandslos bezahlt (schließlich fördert das ja auch die Arbeitsvermittelbarkeit), ansonsten ist es Verhandlungssache mit den Krankenkassen.

Nichts anderes ist der Warenkorb für Lebensmittel: Es stehen ausdrücklich gesunde Waren 'drin, aber zu einem Preis der klar macht, dass nicht die hochwertigsten Produkte dafür gekauft werden können, wohl aber bessere als so richtig ungesundes Zeug. Mehr ist einfach nicht finanzierbar und -ich sagte es schon- wäre eine Ungleichbehandlung jener, die sich das Beste ebenfalls nicht leisten können.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 19 Oktober 2010, 08:21:08
Zitat
Was ist aber bei den "Wohnungsinstandhaltungskosten" mit all den Dingen, die kaputt gehen (können)?

Ich zitiere mich da mal selbst:

Zitat
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände: 27,41 Euro - Spannender Posten! Wie oft gehen solche Geräte kaputt? Ich vermute, dass da einiges abgewohnt werden muss, damit dieser Betrag dauerhaft ausreicht. Aber gut, dafür müssen die Leute auch nicht arbeiten, um es sich dann später leisten zu können.

;)
Oder geht bei dir jeden Monat etwas für knapp 30 Euro kaputt ...?  8)

Ehrlich gesagt, Messie, über diese lapidare Antwort habe ich mich geärgert. Es reicht, wenn hin und wieder etwas Größeres kaputt geht (oder ein Bedarf entsteht), ein Handwerker nötig wird, was weiß ich. Dann ist das Budget schnell mal für Monate bzw. Jahre einfach weg - natürlich nur, wenn man solange abzahlen darf, wenn also eine Ratenzahlung über einen sehr geringen monatlichen Betrag möglich ist. Aber welche Firma, welcher Handwerker lässt sich schon auf so lange Ratenzahlung ein?

Also wird entweder nichts mehr ersetzt, nichts mehr angeschafft, nicht renoviert - und die Wohnung verfällt, das Leben besteht aus mehr und mehr Provisorien. (So ist das inzwischen bei mir, alles fällt irgendwie auseinander, und ich empfinde das als sehr belastend. Auch weil man ständig Angst hat, dass noch mehr kaputt geht. Bei mir bezieht sich das Nicht-Kaufen/Nicht-Ersetzen genauso auf den Uralt-PC wie auf die längst nötige Brille.)

Oder man ersetzt/kauft oder veranlasst das Nötigste und zahlt dann eben einfach nicht. Eine "Lösung", die nicht nur die betroffenen Firmen, sondern auch (normalerweise) das eigene Gewissen belastet und üble Konsequenzen nach sich ziehen kann. (Ich rede jetzt nicht von den Leuten, die sich die fetten Riesenfernseher auf den neuen Wohnzimmerschrank stellen, die man so oft in den Medien sieht - sondern von denen, die etwas Notwendiges kaufen und zahlen wollen, aber nicht können. Trotz häufigerer Medienpräsenz der ersten Gruppe dürfte letztere in der Mehrzahl sein.)

Auch wenn ich mich wiederhole (und es hier auch noch nicht direkt bestritten wurde), vom ALG2-Satz/Sozialgeld kann man für eine kurze Zeit leben, ein oder zwei Jahre, aber dann? Ich selbst, ganz persönlich, habe einen Riesenhorror, wenn ich daran denke, wie meine (finanzielle) Zukunft aussehen wird. Es bleiben einem auch privat nur sehr eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten, man darf ja beispielsweise nicht mal ohne Genehmigung umziehen.


Aber haben nicht auch viele Discounter und Supermärkte inzwischen eine Bioecke bzw. Bioprodukte? Zumindest kauf ich die zum Teil da.
Kallisti hat recht, wirklich verlassen kann man sich nur auf wenige Bio-Siegel. Meines Wissens ist die EU-Norm, die EG-Öko-Verordnung zum biologischen Anbau nur ein fauler Kompromiss mit Vorschriften auf allerkleinstem Nenner - was diese EU-/Öko-Siegel völlig verwässert und eigentlich ziemlich bedeutungslos macht. Daher auch die Masse an "Bio"-Produkten. Also ein Gemüse, das z. B. auf ehemaligem, extra abgeholztem Regenwaldgebiet angebaut und mit dem Flugzeug eingeflogen wurde, ist meiner Meinung nach alles andere als "Bio".
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 19 Oktober 2010, 10:06:52
Zitat
Es reicht, wenn hin und wieder etwas Größeres kaputt geht (oder ein Bedarf entsteht), ein Handwerker nötig wird, was weiß ich. Dann ist das Budget schnell mal für Monate bzw. Jahre einfach weg - natürlich nur, wenn man solange abzahlen darf, wenn also eine Ratenzahlung über einen sehr geringen monatlichen Betrag möglich ist. Aber welche Firma, welcher Handwerker lässt sich schon auf so lange Ratenzahlung ein?

Ich gebe ja nur die Rechnung der Bundesregierung wieder, mehr nicht. Wenn es nach ihr geht, sollte jeder ALGII-Empfänger die knapp 30€ ansparen, wenn den Monat über nix kaputt geht. So gesehen ist dann schon recht viel Geld da, immerhin knapp 360 Euro im Jahr. Da kann dann einmal im Jahr mal was kaputtgehen, was ja an und für sich auch durchaus realistisch ist.

Das Problem ist, dass das Geld nicht ansparbar ist, weil's bei den restlichen Posten hakt und man deswegen diesen "Notgroschen" erst gar nicht hat. Etwa, weil das Geld für mehr Strom als veranschlagt ausgegeben wird, oder weil Versicherungen nicht enthalten sind (obwohl immer wieder dringend geraten wird, sich Hausrat- und Haftpflichtversicherung zuzulegen) oder oder oder ...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 19 Oktober 2010, 12:02:41
Naja, es klang so komisch nach "Bei mir geht nicht dauernd was für 30 € kaputt, warum also bei euch" ;)

Aber es geht bei "Instandhaltung" nach meinem Verständnis auch nicht nur darum teure kaputte Großgeräte oder Möbel zu ersetzen, sondern auch um die Kleinigkeiten des täglichen Lebens; Glühlampen, Staubsaugerbeutel, Fahrradersatzteile, mal ein neuer Duschvorhang, Bettwäsche oder eine neue Gardine oder Decke, ein Eimer Farbe, Ersatzschlüssel, ein neuer Duschkopf, Fliegenklatschen, Gemüsehobel, Batterien, eine neue Wanduhr, Telefon, ein Wäschekorb... alles Kleinkram, den man nicht dauernd neu kauft, aber derartige Dinge "läppern" sich auch bei günstigem Preis über den Monat oder übers Jahr ganz schön.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 19 Oktober 2010, 12:14:59
Ich bin mir recht sicher, dass "von oben" dann käme: Wozu brauchst du Ersatzschlüssel, einen Eimer Farbe, Fliegenklatschen, ein Telefon (wenn das andere nicht kaputtgegangen ist), einen Wäschekorb (wenn der alte nicht kaputt ist)?

Das ist ja das Perfide an der ganzen Angelegenheit: Du hast durchaus recht damit, dass der ALGII-Satz Langfristigkeit nicht mit einkalkuliert. Man geht einfach nicht davon aus, dass es ein Dauerzustand ist, weil es keiner sein soll. Dass sich auch so banale Dinge wie Stühle, Möbel oder auch "nur" ein altes Telefon "abwohnen" können, das wird nicht einkalkuliert. Ich vermute: Bewusst.

Weswegen dein Einwand weiter oben berechtigt ist, dass man zwischen jenen, die ALGII beziehen und theoretisch arbeiten können (qua Regierung: Dann auch sollen) anders vergütet werden sollten als jene, denen diese Möglichkeit nicht mehr gegeben ist (dazu zähle ich inzwischen 55+ durchaus dazu, wer nimmt die denn noch ...! Auch wenn's böse klingt ...).
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 19 Oktober 2010, 13:13:07
(...)dazu zähle ich inzwischen 55+ durchaus dazu, wer nimmt die denn noch ...! (...)
Ältere Arbeitnehmer haben es schwer, aber sie sind durchaus nicht uninteressant für den Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu jüngeren haben sie Erfahrung und die Familienplanung ist abgeschlossen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 20 Oktober 2010, 07:47:52
Ich bin mir recht sicher, dass "von oben" dann käme: Wozu brauchst du Ersatzschlüssel, einen Eimer Farbe, Fliegenklatschen, ein Telefon (wenn das andere nicht kaputtgegangen ist), einen Wäschekorb (wenn der alte nicht kaputt ist)?
Ja, was man zum Leben braucht, ist eigentlich nur Brot und Wasser. Alles andere wird einfach zum Luxusgut erklärt. Das bisschen Zeitungspapier zum Zudecken und den Karton zum Wohnen findet man schließlich im Altpapier. ;)

(...)dazu zähle ich inzwischen 55+ durchaus dazu, wer nimmt die denn noch ...! (...)
Ältere Arbeitnehmer haben es schwer, aber sie sind durchaus nicht uninteressant für den Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu jüngeren haben sie Erfahrung und die Familienplanung ist abgeschlossen.

Das ist die Theorie. Die Praxis sieht leider immer noch anders aus, auch wenn es angeblich bei der Beschäftigung dieser Altersgruppe eine leichte Verbesserung gegeben haben soll.

Es wird lieber weiter lauthals über Fachkräftemangel gejammert. Fachkräftemangel, wie außerordentlich überraschend und ungeahnt nach Jahrzehnten des massiven Stellen- und Ausbildungsplatzabbaus... ::)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 20 Oktober 2010, 08:34:50
Das ist die Theorie. Die Praxis sieht leider immer noch anders aus, auch wenn es angeblich bei der Beschäftigung dieser Altersgruppe eine leichte Verbesserung gegeben haben soll.
Ich kenne zumindest einen solchen Fall persönlich.

Schwer ist es auch für Frauen zwischen Mitte 20 und Mitte 30. Könnte ja sein, daß diese wegen Babypause längere Zeit ausfallen. Ich mag das nicht so wirklich am Alter festmachen. Wenn man ein Haar in der Suppe finden will, dann gelingt es auch.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 20 Oktober 2010, 09:02:33
Das ist die Theorie. Die Praxis sieht leider immer noch anders aus, auch wenn es angeblich bei der Beschäftigung dieser Altersgruppe eine leichte Verbesserung gegeben haben soll.
Ich kenne zumindest einen solchen Fall persönlich.
Ach so, dann war DER das. ;) (sorry, den konnte ich mir jetzt nicht verkneifen)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Bombe am 20 Oktober 2010, 09:03:53
Ich bin mir recht sicher, dass "von oben" dann käme: Wozu brauchst du Ersatzschlüssel, einen Eimer Farbe, Fliegenklatschen, ein Telefon (wenn das andere nicht kaputtgegangen ist), einen Wäschekorb (wenn der alte nicht kaputt ist)?
Ja, was man zum Leben braucht, ist eigentlich nur Brot und Wasser. Alles andere wird einfach zum Luxusgut erklärt. Das bisschen Zeitungspapier zum Zudecken und den Karton zum Wohnen findet man schließlich im Altpapier. ;)

Das ist Diebstahl, der Müll gehört dir schließlich nicht!
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 20 Oktober 2010, 09:41:27
Ich bin mir recht sicher, dass "von oben" dann käme: Wozu brauchst du Ersatzschlüssel, einen Eimer Farbe, Fliegenklatschen, ein Telefon (wenn das andere nicht kaputtgegangen ist), einen Wäschekorb (wenn der alte nicht kaputt ist)?
Ja, was man zum Leben braucht, ist eigentlich nur Brot und Wasser. Alles andere wird einfach zum Luxusgut erklärt. Das bisschen Zeitungspapier zum Zudecken und den Karton zum Wohnen findet man schließlich im Altpapier. ;)

Das ist Diebstahl, der Müll gehört dir schließlich nicht!

So schnell rutscht man dann eben in die Kriminalität ab.^^

Aber man wird uns schon nicht einsperren, denn für einen Häftling muss der Staat viel mehr bezahlen als für einen Hartzer...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Bombe am 20 Oktober 2010, 10:45:53
Ich bin mir recht sicher, dass "von oben" dann käme: Wozu brauchst du Ersatzschlüssel, einen Eimer Farbe, Fliegenklatschen, ein Telefon (wenn das andere nicht kaputtgegangen ist), einen Wäschekorb (wenn der alte nicht kaputt ist)?
Ja, was man zum Leben braucht, ist eigentlich nur Brot und Wasser. Alles andere wird einfach zum Luxusgut erklärt. Das bisschen Zeitungspapier zum Zudecken und den Karton zum Wohnen findet man schließlich im Altpapier. ;)

Das ist Diebstahl, der Müll gehört dir schließlich nicht!
So schnell rutscht man dann eben in die Kriminalität ab.^^

Aber man wird uns schon nicht einsperren, denn für einen Häftling muss der Staat viel mehr bezahlen als für einen Hartzer...

Hmm, da hat man als ALG-II-Empfänger doch die Lösung parat: Einfach einsperren lassen. :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CommanderChaos am 20 Oktober 2010, 19:29:21
Wurde in diesem Thread schon das bedingungslose Grundeinkommen erwähnt? Jetzt ja! Und die zugehörige Demo: www.unternimmdasjetzt.de? Jetzt auch!
*duckundrenn*
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 08 November 2010, 14:42:03
"Menschen, die wie Rentner und Behinderte an ihrer Lebenssituation nichts ändern können, brauchen unseren Schutz am dringendsten." (Ursula von der Leyen im Juni 2010)

Wie dieser Schutz zukünftig konkret aussehen soll, kann man u. a. bei FR-Online (http://www.fr-online.de/politik/68-euro-weniger-fuer-behinderte/-/1472596/4809172/-/index.html) nachlesen:

Geplant ist eine Kürzung der Bezüge für Behinderte, die keinen eigenen Haushalt führen, um 68 € auf 80 % des Regelsatzes. Behinderte Menschen, die z. B. bei ihren Eltern oder in einer WG leben, bekommen ab 2011 also nur noch 291 €. Angeblich aus dem Grund, weil sie sich "in der Regel" nicht an den Haushaltskosten beteiligten und somit weniger Ausgaben hätten.


Der wahre Grund liegt aber wohl eher in der konsequenten Fortführung der menschenverachtenden und realitätsfernen Politik dieser Regierung. Weniger Ausgaben? Keine Beteiligung an den Haushaltskosten? Wenn sich ein behinderter Mensch nicht an den Haushaltskosten beteiligen kann, liegt das wohl eher daran, dass sein Geld für die durch die Behinderung/Krankheit verursachten Mehrausgaben jetzt schon nicht ausreicht! Ich fasse es nicht; kennt diese Frau auch nur einen einzigen Behinderten persönlich? Weiß sie, was die Krankenkassen alles nicht mehr übernehmen, was allein eine Fahrt mit dem Fahrdienst einen Rollstuhlfahrer kostet? Wieviele Behinderte jetzt schon nicht mehr an der Gesellschaft "teilhaben" können?

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: colourize am 08 November 2010, 16:09:47
Ich bin mir recht sicher, dass "von oben" dann käme: Wozu brauchst du Ersatzschlüssel, einen Eimer Farbe, Fliegenklatschen, ein Telefon (wenn das andere nicht kaputtgegangen ist), einen Wäschekorb (wenn der alte nicht kaputt ist)?
Ja, was man zum Leben braucht, ist eigentlich nur Brot und Wasser. Alles andere wird einfach zum Luxusgut erklärt. Das bisschen Zeitungspapier zum Zudecken und den Karton zum Wohnen findet man schließlich im Altpapier. ;)

Das ist Diebstahl, der Müll gehört dir schließlich nicht!
So schnell rutscht man dann eben in die Kriminalität ab.^^

Aber man wird uns schon nicht einsperren, denn für einen Häftling muss der Staat viel mehr bezahlen als für einen Hartzer...

Hmm, da hat man als ALG-II-Empfänger doch die Lösung parat: Einfach einsperren lassen. :)
Gegen solche antisozialen Vorschläge muss ich als Steuerzahler entschieden protestieren! Die Kosten für einen Tag Haft in einem Gefängnis in Hamburg liegen bei € 128,67 (Betrag von 2009). Ein Häftling kostet den Steuerzahler pro Monat somit €3.860,-  8)

Eine spannende Frage wäre in diesem Zusammenhang natürlich, wie viele Häftlinge es weniger gäbe, wenn man jedem von denen pro Monat nur ein Drittel dieser Summe zur Verfügung gestellt hätte. 8)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 11 März 2011, 12:26:52
Nun dürfen ab jetzt in NRW HARTZ IV -Empfänger  keine Sportwettern mehr schliessen

http://www.welt.de/wirtschaft/article12756161/Gericht-verbietet-Sportwetten-fuer-Hartz-IV-Empfaenger.html

Wie ist das denn mit den Menschenwürde zu vereinbahren?
Und was kommt als Nächstes: Entmündigung von allen HARTZ IV-Empfänger?

Bin zwar im keinen Fall betroffen, weder beziehe ich HARTZ IV, noch spiele ich irgenwelche Glücksspiele aber ich finde es einfach erniedrigend
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 11 März 2011, 12:42:00
Glücksspiele sind nichts, was man zum Leben braucht. Außer man ist spielsüchtig, aber das ist dann ein ganz anderes Thema. Da finde ich andere Themen wichtiger, wie z. B. Umgang mit anderen Menschen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 11 März 2011, 12:48:22
Glücksspiele sind nichts, was man zum Leben braucht. Außer man ist spielsüchtig, aber das ist dann ein ganz anderes Thema. Da finde ich andere Themen wichtiger, wie z. B. Umgang mit anderen Menschen.

Du hast mich wahrscheinlich nicht verstanden, es geht mir nicht um die Glücksspiele an sich, sondern um den Prinzip.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 11 März 2011, 15:01:12
Hmmm - ich bin da ziemlich unschlüssig, auf welche Seite ich mich da stellen soll.

Die Argumentation ist ja durchaus schlüssig: Das Monopol für Glücksspiele wurde erstritten mit dem Argument, Spielsucht einzudämmen. Dazu passt natürlich nicht so recht, armen Personen, die eh nicht viel Geld haben, diese zu erlauben, weil da die Wahrscheinlichkeit einer Sucht bereits recht hoch ist, schließlich ist es für einen HartzIV-Empfänger eine Menge Geld, was da an Einsatz ausgegeben wird.

Auf der anderen Seite: Kann es ein Verbot wirklich sein? Wenn man das nämlich zu Ende denkt, müsste man HartzIV-Empfängern auch den Ausschank an Alkohol und Zigaretten verbieten, ebenso mit dem Hinweis auf eine mögliche Suchtgefährdung.

Wenn ich das jetzt gerade so schreibe, sage ich mal, dass da doch etwas ganz mächtig nicht passt, da hier dann doch schon wieder ein Generalverdacht gegenüber HartzIV-Empfängern verhängt wird: "Wer von ihnen spielt, ist spielsüchtig". Einfache Formel, verkehrte natürlich.
Eine Begrenzung des Betrages würde einen Sinn machen, ab einer unverhältnismäßig hohen ausgegebenen Summe den Deckel pro Monat draufzumachen.
Da sich das aber ja nicht realisieren lässt, reagiert man mit einem Verbot. Jaja ...
... naja, so einfach ist's nicht. Suchtprävention versus Mündigkeit.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 11 März 2011, 15:14:00


Auf der anderen Seite: Kann es ein Verbot wirklich sein? Wenn man das nämlich zu Ende denkt, müsste man HartzIV-Empfängern auch den Ausschank an Alkohol und Zigaretten verbieten, ebenso mit dem Hinweis auf eine mögliche Suchtgefährdung.
.

genauso sehe ich das auch.
Langzeitarbeitslose werden damit zu geschäftsunfähigen Personen degradiert.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 11 März 2011, 17:16:30
Hartz IV scheint hier ja nur ein Aufhänger zu sein... Der eigentliche Streit scheint da ja zwischen privaten und staatlichen Glückspielanbietern zu sein.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 13 März 2011, 11:39:39
Zitat
Die Regelsätze der neuen Gesetzgebung sehen nur Geld für die Grundsicherung vor – Alkohol, Tabak oder Glücksspiel gehören nicht dazu.

Haustiere, chemische Reinigung, Weihnachtsgeschenke und Schnittblumen sind ebenfalls nicht im Regelsatz enthalten. Das sollte man den Hartz-IV- und Sozialgeldempfängern auch schnellstens verbieten.

Und am Besten auch gleich allen anderen Armen, wenn wir schon mal dabei sind. Sicher fällt unserem neuen Innenminister auch bald ein, wie man wirksam kontrollieren kann, ob das Sozialgesocks sein Geld auch sinnvoll ausgibt. Bis dahin: vergesst besser eure Verdienstbescheinigung nicht, wenn ihr zum Kiosk Lotto spielen geht. Oder Katzenfutter kauft.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 13 März 2011, 13:06:05
"Menschen, die wie Rentner und Behinderte an ihrer Lebenssituation nichts ändern können, brauchen unseren Schutz am dringendsten." (Ursula von der Leyen im Juni 2010)

Wie dieser Schutz zukünftig konkret aussehen soll, kann man u. a. bei FR-Online (http://www.fr-online.de/politik/68-euro-weniger-fuer-behinderte/-/1472596/4809172/-/index.html) nachlesen:

Geplant ist eine Kürzung der Bezüge für Behinderte, die keinen eigenen Haushalt führen, um 68 € auf 80 % des Regelsatzes. Behinderte Menschen, die z. B. bei ihren Eltern oder in einer WG leben, bekommen ab 2011 also nur noch 291 €. Angeblich aus dem Grund, weil sie sich "in der Regel" nicht an den Haushaltskosten beteiligten und somit weniger Ausgaben hätten.

Ich vergaß zu erwähnen, dass die vorgenannte Kürzung der Bezüge nur für über 25-jährige Behinderte gilt. Ich hatte auch nicht erwähnt, dass die Kürzung überhaupt nur für Behinderte gilt. Über 25-jährige Gesunde, die bei ihren Eltern etc. leben, und die an ihrer Lebenssituation durchaus etwas ändern könnten, bekommen nämlich auch weiterhin den vollen Satz.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CommanderChaos am 13 März 2011, 14:23:44
gerade versucht mit meinen eltern über hartz iv zu reden. hardcore-cdu-fans. sarrazindenk vom feinsten. ich schäme mich so.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 14 März 2011, 08:08:52
hardcore-cdu-fans. sarrazindenk vom feinsten.

Nach unten tritt es sich ja auch viel leichter als nach oben...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 14 März 2011, 11:42:08
ich schäme mich so.
Mußt Du doch nicht. Mach es einfach besser.  :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 14 März 2011, 12:04:57
gerade versucht mit meinen eltern über hartz iv zu reden. hardcore-cdu-fans. sarrazindenk vom feinsten. ich schäme mich so.

Ich glaube ja langsam, mit zunehmendem Alter läuft man auch immer stärker Gefahr "konservativer" zu werden, als man es zuvor gewesen ist.

Ein ähnliches Phänomen konnte ich selbst auch schon beobachten.

ich schäme mich so.
Mußt Du doch nicht. Mach es einfach besser.  :)
Dem kann ich mich nur anschließen. :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 14 März 2011, 22:01:22
Ich glaube ja langsam, mit zunehmendem Alter läuft man auch immer stärker Gefahr "konservativer" zu werden, als man es zuvor gewesen ist.
Beim Alkoholpegel gibt es sogar Forschungsergebnisse dazu, je höher der Pegel, desto rechter die Einstellung.

Das man im Alter konservativer wird, sagt schon die Logik. Wenn man noch ungefähr die gleichen Meinungen zu verschiedenen Themen hat, wie in der eigenen Jugend und diese Ansicht in der Jugend liberal bis revolutionär war, kann sie aufgrund der Entwicklung über mehrere Jahrzehnte im Alter längst überholt (also schon reaktionär) oder eben auch konservativ sein.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 14 März 2011, 22:08:14
"Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 noch ist, keinen Verstand " Winston Churchill
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CommanderChaos am 15 März 2011, 06:38:06
"Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 noch ist, keinen Verstand " Winston Churchill

Den Spruch find ich so was von verachtend und erniedrigend.. als ob man nur links sein könnte wenn man jung und dumm ist.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: jenno am 15 März 2011, 06:53:48
"Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 noch ist, keinen Verstand " Winston Churchill

Den Spruch find ich so was von verachtend und erniedrigend.. als ob man nur links sein könnte wenn man jung und dumm ist.

Warte einfach 20 Jahre ;-)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 15 März 2011, 07:58:31
Ich glaube ja langsam, mit zunehmendem Alter läuft man auch immer stärker Gefahr "konservativer" zu werden, als man es zuvor gewesen ist.
Beim Alkoholpegel gibt es sogar Forschungsergebnisse dazu, je höher der Pegel, desto rechter die Einstellung.
;D Um zu diesem Ergebnis zu kommen, braucht man bestimmt nicht lange zu forschen. Paar Feiern in einem Kaff wie Tostedt haben mir schon völlig gereicht...

Das man im Alter konservativer wird, sagt schon die Logik. Wenn man noch ungefähr die gleichen Meinungen zu verschiedenen Themen hat, wie in der eigenen Jugend und diese Ansicht in der Jugend liberal bis revolutionär war, kann sie aufgrund der Entwicklung über mehrere Jahrzehnte im Alter längst überholt (also schon reaktionär) oder eben auch konservativ sein.
Hat meiner Ansicht nach nicht unbedingt was mit "überholt", "reaktionär" oder "konservativ" zu tun. Im Idealfall wird man mit zunehmendem Alter und wachsender Lebenserfahrung einfach reifer - d. h. man verabschiedet sich nach und nach vom anfänglichen Schwarz-Weiß-Denken und erkennt somit mehr Zwischentöne. Man denkt und handelt weniger radikal/revolutionär als in der Jugend und sollte im Laufe der Zeit auch mal das eine oder andere Gegenargument zumindest angehört haben. Wie gesagt, im Idealfall... Gegenbeispiele gibt's leider genug.

Oft ist es aber auch so, dass man entweder einfach resigniert - weil man mit seinen Ansichten immer wieder gegen Wände rennt/redet oder nicht ernst genommen wird. (Das kenne ich leider aus eigener Erfahrung bei den Themen Umwelt- und Tierschutz und Atomkraft.) Oder man "fällt um" - weil man plötzlich etwas zu verlieren hat und auf einmal selbst zur anderen Seite gehört. Dass Geld und Macht oder Haus und Kind das Verhalten und die Ansichten eines Menschen grundlegend verändern können, ist ja keine Neuheit...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 15 März 2011, 13:58:30
Das man im Alter konservativer wird, sagt schon die Logik. Wenn man noch ungefähr die gleichen Meinungen zu verschiedenen Themen hat, wie in der eigenen Jugend und diese Ansicht in der Jugend liberal bis revolutionär war, kann sie aufgrund der Entwicklung über mehrere Jahrzehnte im Alter längst überholt (also schon reaktionär) oder eben auch konservativ sein.
Hat meiner Ansicht nach nicht unbedingt was mit "überholt", "reaktionär" oder "konservativ" zu tun. Im Idealfall wird man mit zunehmendem Alter und wachsender Lebenserfahrung einfach reifer - d. h. man verabschiedet sich nach und nach vom anfänglichen Schwarz-Weiß-Denken und erkennt somit mehr Zwischentöne. Man denkt und handelt weniger radikal/revolutionär als in der Jugend und sollte im Laufe der Zeit auch mal das eine oder andere Gegenargument zumindest angehört haben.
Du hast mich da Mißverstanden. Ich bezog mich extra nicht auf den Wandel der Person, sondern den der gesellschaftlichen Werte. Werte, die Anfang der 70er noch neu bis linksliberal waren, sind heute schon konservativ.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 30 April 2011, 11:04:22
Wie jetzt, der BA-Chef Alt findet selbst, dass der Hartz-IV-Satz (auf Dauer) zu niedrig ist? (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,759797,00.html)

Hm... vielleicht hat er ja "Was der Mensch braucht" (http://www.gegen-hartz.de/downloads/was-der-mensch-braucht-2011.pdf) gelesen, die neue Studie von Lutz Hausstein.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Schattenwurf am 30 April 2011, 11:35:41
Ohne jetzt alles gelesen zu haben ... ist n bissel viel ;)

Wenn man die Wiedereingliederungsvereinbarung nicht unterschreibt können die einem vom Arbeitsamt gar nichts.
Alleine schon das man den Vertrag ... ja das ist ein Vertrag ... unterschreiben "muss" verstößt gegen geltendes Recht.
Einfach die Wiedereingliederungsvereinbarung nicht unterschreiben ... egal was die dort sagen ...
ruhig bleiben ... nicht einwickeln lassen ... die versuchen das auch auf die "Kumpel"-Schiene etc. ...
auf keinen Fall unterschreiben ...
gegen den dann kommenden Sanktionsbescheid qualifiziert Widerspruch einlegen ...
und man hat seine Ruhe. Dauerhaft.
Ab und an kommt noch mal ein Schreiben mit einem Jobvorschlag ...
aber Termine und "Sie müssen" gibt es dann nicht mehr.

Wenn man schon unterschrieben hat, hängt man auf dem Vertrag fest,
und muss den ganzen Mist erdulden. Ein halbes Jahr *glaub*

Schon alleine das sie eine Unterschrift haben wollen sollte jeden Menschen stutzig machen.
Wenn etwas im Gesetz steht, geltendes Recht ist, bräuchten sie keine Unterschrift. ^^

Ob das alles so gut und richtig ist?
Hach Gott. Wir waren doof genug uns "Sozialstaat" und "Marktwirtschaft" auf die Fahne zu schreiben.
Irgendwie hat keiner das paradoxe darin gesehen ... oder wollte es nicht sehen *schulterzuck*

"Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 noch ist, keinen Verstand " Winston Churchill
"Ab 20 wächst nur noch das Arschloch" ... Filmzitat ... weiß aber nicht mehr welcher :-/
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 10 September 2011, 19:16:10
Etwas offtopic, nämlich nicht ALG II, sondern Sozialgeld/Grundsicherung, aber zeugend von derselben Einstellung Menschen gegenüber:

Eine Rentnerin, durch MS schwerst behindert und seit vielen Jahren im Rollstuhl, wohnt in einem Pflegeheim. Die Heimkosten werden von der Sozialhilfe getragen. Sie erhält ein "Taschengeld" von monatlich 94 Euro, von denen sie ihre sonstigen Kosten wie Telefon, Versicherungen, einige Medikamente und Hilfsmittel, Frisör, Seife etc. bezahlen muss.

Seit ca. 5 Jahren zahlt sie davon monatlich 26 Euro in eine Sterbegeldversicherung ein, damit ihre Kinder später keine Beerdigungskosten aufbringen müssen. Vor Kurzem musste sie auf Anforderung des Sozialamts den momentanen Rückkaufswert dieser Versicherung, die rechtlich wohl leider als Lebensversicherung abgeschlossen wurde (?), anfragen und mitteilen.

Und nun will das Sozialamt genau diesen Betrag von 1300 Euro "zurück" haben, weil es anrechenbares Vermögen über dem Freibetrag von 2600 Euro ist. Da fasst man sich doch an den Kopf ob dieser "Logik"... Da spart diese Frau jeden Monat mehr als ein Viertel des Sozialgelds, und jetzt muss sie es zurückzahlen, weil es plötzlich zu Vermögen mutiert ist... Und dafür ihre Versicherung auflösen. Die 94 Euro für diesen Monat haben sie ihr gar nicht erst ausgezahlt, es wird offensichtlich gänzlich einbehalten, bis der Betrag überwiesen oder abgegolten ist.

Ich könnte so kotzen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: nightnurse am 10 September 2011, 20:07:06
Das ist noch schöner als die Geschichte von dem Kind aus der Hartz IV-Familie, das sich durch Prospekteaustragen eine Gitarre zusammenverdiente, was das Amt rausbekam und das Geld für die Gitarre dann erstmal von der nächsten Auszahlung abzog. Ordnung muss sein.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 10 September 2011, 20:22:17
Da kann man sich wirklich nur an den Kopf fassen. Mehrfach:
1) Da hat ja eindeutig die Versicherung geschlampt, wenn sie es als Lebensversicherung anlegt. Komplett gepennt oder Absicht, damit sie niemals auszahlen muss? Ein Schelm der Böses dabei denkt ...
2) Eine Umschreibung von Versicherung 1 (Lebensversicherung) auf Versicherung 2 (z.B. Altersvorsorge) war laut Amt nicht möglich? Das ist m.E. der eigentliche Skandal, denn meines Wissens ist neben der Altersvorsorge auch Geld, das man fürs Begräbnis weglegt, nicht anrechenbar. Eine Lebensversicherung ja, aber dass da jemand so bürokratisch vorgeht ... unfassbar.

Einer von vielen Fällen, die in den Medien wunderbar aufgehoben sind und wären.
Gut, du hast es ja von irgendwo her erfahren. Quelle, wenn man fragen darf ...? Immerhin etwas, dass irgendwer von so einer Sauerei erfährt.

Im Zuge der Erhöhung von ALG II Anfang des Jahres um 5€ wurden übrigens Bewerbungskostenzuschüsse (die es eh nur für schriftliche Bewerbungen gibt) von 5 auf 4€ gesenkt und die Erstattung der Kosten von polizeilichen Führungszeugnissen für Neuanstellungen (13€) gestrichen, neben garantiert noch so einigen anderen Dingen die man nur erfährt, wenn jemand davon betroffen ist. In die Medien gelangen solche Sparmaßnahmen selbstverständlich nicht. Wieso auch, Frau von der Leyen wird's garantiert nicht erwähnen. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 11 September 2011, 08:27:59
Einer von vielen Fällen, die in den Medien wunderbar aufgehoben sind und wären.
Gut, du hast es ja von irgendwo her erfahren. Quelle, wenn man fragen darf ...?
Aus erster Hand, die Dame gehört zu meiner Verwandtschaft. Gerade gestern kam der Bescheid vom Sozialamt.

Messie, ich habe ihr auch geraten, die Versicherung umzuwandeln, wenn die Versicherungsfirma es mitmacht. Oder das Geld direkt beim Beerdigungsunternehmen anzulegen, das geht auch. Aber ob Rentenversicherung bei Rentnern noch als unantastbar funktioniert? Naja, vielleicht kann ein Anruf bei der Versicherung ihr was bringen.

Die Logik dahinter ist echt unfassbar. Wem es tatsächlich gelingt, von den sowieso schon äußerst knappen Bezügen etwas zurück- bzw. anzulegen, dem wird es wieder weggenommen. Und dann einfach die Bezüge ganz zu streichen... :-\

Edit: Es handelt sich tatsächlich auch offiziell um eine Sterbegeldversicherung. Laut Wiki könnte ihr theoretisch sogar ein Mehrbedarf für die Beiträge zustehen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 12 September 2011, 10:14:04
Wer weiß, ob die Rückforderug vor dem Sozialgericht überhaupt Bestand hätte. Nicht umsonst sind die Klagen seit H4 sprunghaft angestiegen und in dem Zusammenhang auch die Urteile zugunsten der Leistungsempfänger...

Müsste man nur noch nen Anwalt finden, der sich den Fall anschaut und ggf. auch über PKH (sofern man das überhaupt bewilligt bekommt) dann aktiv wird. :/
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 12 September 2011, 16:54:08
Und nun will das Sozialamt genau diesen Betrag von 1300 Euro "zurück" haben, weil es anrechenbares Vermögen über dem Freibetrag von 2600 Euro ist.

Mal so aus Neugier: In welcher Anlageform liegen denn die 2600 Euro des Freibetrags vor?
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 12 September 2011, 19:10:48
Und nun will das Sozialamt genau diesen Betrag von 1300 Euro "zurück" haben, weil es anrechenbares Vermögen über dem Freibetrag von 2600 Euro ist.

Mal so aus Neugier: In welcher Anlageform liegen denn die 2600 Euro des Freibetrags vor?

Vor allem Sparbuch, so weit ich weiß. Ca. 1000 Euro davon waren aber eigentlich schon für neue Brillengläser eingeplant, die sind leider so teuer. :-\
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 12 September 2011, 19:18:52
Und nun will das Sozialamt genau diesen Betrag von 1300 Euro "zurück" haben, weil es anrechenbares Vermögen über dem Freibetrag von 2600 Euro ist.

Mal so aus Neugier: In welcher Anlageform liegen denn die 2600 Euro des Freibetrags vor?

Vor allem Sparbuch, so weit ich weiß. Ca. 1000 Euro davon waren aber eigentlich schon für neue Brillengläser eingeplant, die sind leider so teuer. :-\

Hmm, da sagst du was ...
Ich frage mich gerade, inwieweit da von Gesetzes wegen solche Dinge berücksichtigt werden, oder ob der Gesetzgeber diese Dinge schlicht "vergessen" hat.

Es ist ja beispielsweise im ALGII-Warenkorb ein monatlicher Satz von 27,41€ für Haushaltsgeräte angesetzt worden.
Nun geht natürlich nicht grade jeden Monat irgend n Haushaltsgerät kaputt.
Ok, dann mal weiter nachgedacht: Man spart das Geld also tatsächlich, für den Fall dass eins kaputt geht und mehrt so, Monat für Monat, das Geld auf dem Sparbuch an.
Nun ist es ja so, dass es Freibeträge für Altersvorsorge gibt. Die greifen hier aber ja nicht, da es hier gar nicht um Altersvorsorge geht, sondern schlicht um Erspartes, um sich z.B. irgendwann wieder eine neue Waschmaschine kaufen zu können, falls die alte kaputt geht.

Weiß das jemand? Gibt es hier auch Freibeträge? Oder sagt das Amt in diesen Fällen dann auch schnell mal "moment, Frau/Herr xy, wir sehen dass 1000€ auf Ihrem Sparbuch liegen, verbrauchen Sie die erstmal! Solange das nicht geschehen ist, behalten wir Ihr Sozialgeld ein!" ?

Mir schwant ja, dass es genau so sein dürfte. Da ich es aber nicht weiß frage ich lieber nochmal, bevor ich anfange zu mosern, dass so etwas ja voll Panne wäre. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 02 November 2011, 17:09:32
Und wieder ein aktuelles Beispiel, wie der Staat (die ARGEn) die Leistungsempfänger aus der Statistik und in prekäre, vom Steuerzahler subventionierte Arbeitsverhältnisse zwingt: Amazon sucht 2000 "saisonale" Aushilfskräfte für das kommende Weihnachtsgeschäft. Die umliegenden Argen liefern 700 Arbeiter. Was ja nicht schlecht ist, viele nehmen lieber einen befristeten Job an als gar keinen.

Aber: Die ersten 2 Wochen dieser anspruchslosen und sowieso kurzfristigen Tätigkeit sollen alle ALG-Empfänger als unbezahltes Praktikum absolvieren. Nicht-ALG-Empfänger dagegen werden vom ersten Tag an normal bezahlt. Wer sich ob dieser Ungleichbehandlung weigert und sich wehrt, muss - natürlich - mit Sanktionen rechnen.

Warum lässt man die Sträflinge aus dem offenen Hartz-VI-Vollzug denn nicht gleich die ganzen 2 bis 3 Monate unbezahlt durcharbeiten? Aber das traut man sich wohl (noch) nicht so ganz... ::)

Quelle: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 02 November 2011, 17:49:45
Und wieder ein aktuelles Beispiel, wie der Staat (die ARGEn) die Leistungsempfänger aus der Statistik und in prekäre, vom Steuerzahler subventionierte Arbeitsverhältnisse zwingt: Amazon sucht 2000 "saisonale" Aushilfskräfte für das kommende Weihnachtsgeschäft. Die umliegenden Argen liefern 700 Arbeiter. Was ja nicht schlecht ist, viele nehmen lieber einen befristeten Job an als gar keinen.

Aber: Die ersten 2 Wochen dieser anspruchslosen und sowieso kurzfristigen Tätigkeit sollen alle ALG-Empfänger als unbezahltes Praktikum absolvieren. Nicht-ALG-Empfänger dagegen werden vom ersten Tag an normal bezahlt. Wer sich ob dieser Ungleichbehandlung weigert und sich wehrt, muss - natürlich - mit Sanktionen rechnen.

Warum lässt man die Sträflinge aus dem offenen Hartz-VI-Vollzug denn nicht gleich die ganzen 2 bis 3 Monate unbezahlt durcharbeiten? Aber das traut man sich wohl (noch) nicht so ganz... ::)

Quelle: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php)
Hab ich heut auch gelesen.

Im Grunde kann man dem Amazon-Konzern noch nicht mal einen Vorwurf machen. Die nutzen ja nur die rechtlichen Rahmenbedingungen voll und ganz aus. Die können ja nix dafür, dass die deutsche Regierung das Arbeitslosenheer zur Ausbeutung feil bietet. :/
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: sYntiq am 02 November 2011, 18:02:09
Warum lässt man die Sträflinge aus dem offenen Hartz-VI-Vollzug denn nicht gleich die ganzen 2 bis 3 Monate unbezahlt durcharbeiten? Aber das traut man sich wohl (noch) nicht so ganz... ::)
hmm... Ich seh das etwas zwiespältig.

Für die "Sträflinge" ist es nicht wirklich unbezahlt. Sie bekommen zwar kein Geld von Amazon, aber dafür ja Geld von der Arge.
Würden sie das gleiche Geld wie nicht ALG-Empfänger bekommen, würde dass ja wieder von ihrer Regelleistung abgezogen werden

Das ist wie bei den 1Euro Jobs. Viele sagen sich "für 1Euro die Stunde geh ich nicht arbeiten", wobei man als Hartz IVler ja im Grunde gar nicht nur 1Euro die Stunde bekommt. Ich war selbst schon "Hartzer" und bin auch einen 1Euro Job angetreten. Ich habe 5Tage die Woche täglich 4 Stunden gearbeitet und habe dafür jeden Monat im Endeffekt inkl. Hartz4 über 800Euro ausgezahlt bekommen.
Klar, jetzt kann man sagen "Den Regelsatz bekommst du auch wenn du gar nciht arbeitest, also hast du doch für 1Euro/Stunde gearbeitet" allerdings sollte man dann auch so fair sein und den Regelsatz erstmal von seinem "normalen" Einkommen abziehen und dann mal gucken für wieviel man nach der Logik als nicht Harzt-IVler pro Stunde bekommt. ;)

Allerdings müsste man mal ausrechnen wie unfair das Amazon "Angebot" letzten Endes wirklich ist. Hat man rein rechnerisch als Hartzler das gleiche raus wie ein Nicht ALG-Empfänger?

Aber: Im Grunde bekommt man also für seine Arbeit Geld. Nur eben von der Arge/dem Steuerzahler und nicht von Amazon. Mir als Arbeitnehmer kann es doch im Grunde egal sein ob die X Euro/Monat von Amazon kommen, von der Arge oder aus Timbuktu. Ich arbeite n-Stunden und bekomme die Summe X.

Allerdings sehe ich hier ein anderes Problem: Was zahlt Amazon der Arge? Nichts? Dann "bereichert" sich Amazon also einfach auf Kosten des Steuerzahlers. DAS fände ich extrem daneben. Das hat allerdings eher etwas mit "Betrug am Steuerzahler" zu tun als mit "der arme ALG-Empfänger arbeitet für lau"
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 02 November 2011, 18:37:24
Die Hauptmeldung sehe ich nun auch nicht gerade als dramatisch an. Es könnte hier nämlich durchaus sein, dass die "normalen Saisonarbeiter" eine höhere Hürde für die Einstellung nehmen müssen, jene der Berufserfahrung in der Branche, während die ALGI und II-Empfänger sich diese mittels des Praktikums aneignen. Dass Fahrtkosten übernommen werden (die normalerweise jeder HartzIV-Empfänger selbst tragen muss) zeigt, dass diese zwei Wochen Praktikum quasi als eine Art Mini-Bildungsgutschein angesehen werden: Die Berufschancen von Langzeitarbeitslosen steigen, durch den Fahrtkostenzuschuss ist das Praktikum auch nicht komplett unvergütet.

Die eigentliche Skandalnachricht verbirgt sich weiter unten:

Zitat
Selbst wenn jemand nach dem „Praktikum“ eingestellt und auch nach dem Weihnachtsgeschäft weiterbeschäftigt wird, muss dieser weiterhin von aufstockenden Hartz IV-Leistungen leben.

Da liegt doch der Hase im Pfeffer!
Man stellt also Menschen Vollzeit für ein Gehalt ein, von dem sie dennoch nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können und lässt seitens des Arbeitgebers den Staat den Rest blechen. Und das auch noch von einem Konzern, das Milliardengewinne macht. Äh, hallooo? Geht's noch?
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Psycherotique am 02 November 2011, 18:41:37
...
ALG II-Empfänger werden in der Öffentlichkeit direkt und indirekt dargestellt als schwarzarbeitende Sozialschmarotzer, die gerne und mit voller Absicht arbeitslos sind, die ihre Kinder, die sie nur wegen des Kindergeldes produzieren, vernachlässigen, um sich lieber Alkohol und Zigaretten zu kaufen, die unmäßig und verantwortungslos Mietnebenkosten verursachen, den ganzen Tag dumm, fett und faul vor dem Fernseher hocken und auf Staatskosten in Saus und Braus (in sogen. "spätrömischer Dekadenz") leben. Sie gelten als verachtenswerte, lebensunfähige Loser, die quasi ganz allein die Schuld am desolaten Staatshaushalt tragen.

...

Da muss ich mich mal einmischen.Ich war selbst eine Zeitlang arbeitslos (und nein ich hab es mir nicht ausgesucht) und das was ich mitbekommen habe war nicht gerade toll.Meiner einer hat sich mehr oder weniger den Arsch aufgerissen um wieder in Arbeit zu bekommen und ich wurde regelrecht mit Füßen getreten und ich kenne durchaus Leute die arbeitslos sind,kein Bock zum Arbeiten haben aber Jobs hinterher geschmissen bekommen.Meiner einer wollte sogar an einem Kurs teilnehm wo man Spanisch lernt und dann für ein bis drei Monate nach Spanien fliegt um dort zu arbeiten durfte aber nicht weil das ein Kurs für Hartz 4 Empfänger ist und ich aber kein Hartz 4 vom Amt bekomme bzw die es mir verweigert haben.So und nun zeig mir mal die Gerechtigkeit bei der ganzen Sache ;).Sicher sind arbeitslose auch nur Menschen die vielleicht nichts für ihre Situation können,aber ich war wie gesagt selber in der Situation und ich find das nicht gerade toll wie das ganze geregelt is
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 02 November 2011, 22:43:13
Allerdings sehe ich hier ein anderes Problem: Was zahlt Amazon der Arge? Nichts? Dann "bereichert" sich Amazon also einfach auf Kosten des Steuerzahlers. DAS fände ich extrem daneben. Das hat allerdings eher etwas mit "Betrug am Steuerzahler" zu tun als mit "der arme ALG-Empfänger arbeitet für lau"

Ja, es kam wohl oben nicht so raus, dass ich mich darüber ebenfalls am meisten geärgert habe. Ich finde es nämlich durchaus nicht egal, wer die Arbeit bezahlt: der Steuerzahler via ALG oder die Firma, die von der Arbeit profitiert.

BTW sind un-/schlechtbezahlte "Praktika" nicht nur ein Problem der ALG-Empfänger...


Messie: Ich weiß nicht, einen unbezahlten Packerjob ernsthaft als "Weiterbildung" oder "Praktikum" zu bezeichnen... ???

Man stellt also Menschen Vollzeit für ein Gehalt ein, von dem sie dennoch nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können und lässt seitens des Arbeitgebers den Staat den Rest blechen.

Gas-Gerd Schröder hatte im Januar 2005 in Davos stolz angekündigt, einen der "besten Niedriglohnsektoren" Europas aufbauen zu wollen, und das ist ihm mit der Einführung der Hartz-Gesetze ja auch wunderbar gelungen. Die Argen haben und nutzen die Macht, Leistungsempfänger in immer niedriger bezahlte Arbeit zu pressen, und aus Angst vor dem Jobverlust sind viele Arbeitnehmer zu immer mehr Konzessionen bereit. Außerdem werden nach wie vor echte Jobs gestrichen, nur um sie kurz danach wieder mit einem Hartzer zu besetzen, für den der Staat sogar noch obendrauf zuzahlt. Die Arbeitgeber freuen sich, wenn der Staat ihre Arbeitnehmer ganz oder teilweise bezahlt.

(Zum Glück gibt es neuere Urteile, nach denen Ein-Euro-Jobbern, die auf regulären Stellen eingesetzt wurden, Nachzahlungen in tariflicher Höhe zustehen.)

Das momentane Jobwunder geht einher mit einer riesenhaften Zunahme prekärer Stellen; Leiharbeit, Befristung, Niedriglöhne, Teilzeit... Bestimmt kein Zufall.


Meiner einer wollte sogar an einem Kurs teilnehm wo man Spanisch lernt und dann für ein bis drei Monate nach Spanien fliegt um dort zu arbeiten durfte aber nicht weil das ein Kurs für Hartz 4 Empfänger ist und ich aber kein Hartz 4 vom Amt bekomme bzw die es mir verweigert haben.So und nun zeig mir mal die Gerechtigkeit bei der ganzen Sache ;)

Wie tief muss man sinken, um einen arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger zu beneiden... ::)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 02 November 2011, 23:16:51
Zitat
Messie: Ich weiß nicht, einen unbezahlten Packerjob ernsthaft als "Weiterbildung" oder "Praktikum" zu bezeichnen... ???

Nicht alles ist unlogisch im Hartzer-System: Lass mal jemanden mehrere Jahre lang arbeitslos sein und rein gar nichts gemacht/gekriegt haben. So bescheuert das klingen mag, aber da ist selbst das früh Aufstehen schon etwas das wieder "erlernt" gehört, weil sicher nur wenige Leute nach so vielen Jahren immer noch früh aufstehen, um nicht aus dem Rhythmus zu sein. Jene sind aus allem 'raus - oft genug auch sozial gesehen, der Umgang mit Menschen am Arbeitsplatz ist für so manchen auch noch stark gewöhnungsbedürftig.
Da es bei einem grade mal dreimonatigen Job überhaupt keinen Sinn macht eine Probezeit einzurichten, haben sie offensichtlich das Problem so gelöst: Zweiwöchige Probezeit (= Chance für den Arbeitnehmer) mit anschließender Einstellung und entsprechender Vergütung desselben für drei Monate. Das Praktikum wird als berufsvorbereitendes eingestuft, sodass die Fahrtkosten übernommen werden: Wäre es Hamburg, erhielte der Mensch dann vermutlich den Gegenwert zweier Wochenkarten für den Großbereich Hamburg vergütet. Der Arbeitslose erhält also für diese zwei Wochen bereits mehr Geld als er zuvor hatte.

Dazu sollte man wissen, dass die jobcenter bei unbezahlten Praktikas die länger als zwei Wochen dauern nicht mehr mitspielt, um eben genau diese "Generation Praktikum" abgeschafft zu bekommen.

Echte Ausbeutung wäre dieser Deal in meinen Augen dann, wenn amazon alle ALGII-Empfänger unisono oder auch nur zu einem großen Teil nach dem Praktikum nicht einstellt! Denn dann kann man ihnen schon mal unterstellen, dass die Einstellung nie ihr Ziel war, sie wirklich nur kostenlose Arbeitskräfte haben wollten, ohne ihren Teil des Deals einzuhalten.
Für solche Fälle wäre ich stark dafür, eine Regelung dafür einzuführen, dass das Praktikum dann rückwirkend vergütet wird für die geleistete Arbeitszeit, basierend auf den tatsächlich geleisteten Stunden (um so diverse tatsächlich faule Hartzer, die nach dem zweiten Tag einfach nicht mehr kommen und nach einer Woche deswegen entlassen werden, nicht noch nachträglich dafür zu belohnen dass sie es nicht durchgezogen haben).

Aber wie gesagt, der eigentliche Skandal ist, dass amazon ganz offensichtlich Geld spart auf dem Rücken der Steuerzahler bei Menschen, die dem Konzern ihre volle Arbeitsleistung Vollzeit zur Verfügung stellen.

Auch hier wäre ich für eine Neuregelung: Dass die Aufstocker in die Arbeitslosenstatistik mit aufgenommen werden.
Meines Wissens werden sie das nämlich nicht! Weswegen jene für die Spitzenpolitik unsichtbar und damit uninteressant geworden sind: Man kennt das ja, nur was die Statistik verdirbt, nur daran arbeiten die Politiker von heute.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 03 November 2011, 09:29:33
Echte Ausbeutung wäre dieser Deal in meinen Augen dann, wenn amazon alle ALGII-Empfänger unisono oder auch nur zu einem großen Teil nach dem Praktikum nicht einstellt! Denn dann kann man ihnen schon mal unterstellen, dass die Einstellung nie ihr Ziel war, sie wirklich nur kostenlose Arbeitskräfte haben wollten, ohne ihren Teil des Deals einzuhalten.
So habe ich das verstanden. Es werden für das Weihnachtsgeschäft Saisonarbeitskräfte gebraucht, die nach der Saison natürlich überflüssig sind (dann muß man sie nicht behalten (= bezahlen)).

Saisongeschäft ist nichts unübliches, früher wurden dafür Leute über eine Zeitarbeitsfirma eingestellt. Und auch das ist für den Arbeitnehmer letztendlich scheiße: wo man früher zum festanstellten Mitarbeiterpool gehörte, wird heute nur für den Einsatz eingestellt und danach entlassen.

Was die Statistiken betrifft: soweit ich weiß, taucht man darin auch nicht auf, wenn man an einer Maßnahme wie PC-Kurs etc. teilnimmt.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 03 November 2011, 09:50:45
Was die Statistiken betrifft: soweit ich weiß, taucht man darin auch nicht auf, wenn man an einer Maßnahme wie PC-Kurs etc. teilnimmt.

Das stimmt, "Maßnahmen"-Teilnehmer tauchen in der Statistik nicht auf. Deswegen werden Arbeitslose unter Androhung von Sanktionen oft von Maßnahme zu Maßnahme geschickt, manche haben schon 10 Mal Bewerbungstraining, PC-Anfängerkurse u. Ä. hinter sich. Ein-Euro-Jobber/"Bürgerarbeiter" und "Praktikanten" sind ebenfalls aus der Statistik raus - genau wie Kranke und (ich glaube) über 55jährige.

So ist rings um die Arbeitslosen eine Art Maßnahmen-Industrie entstanden, die diese Menschen von einer nutzlosen Maßnahme zur nächsten schickt und damit auf Kosten der Allgemeinheit einen Mordsumsatz macht.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 03 November 2011, 10:48:15
Zitat
So habe ich das verstanden. Es werden für das Weihnachtsgeschäft Saisonarbeitskräfte gebraucht, die nach der Saison natürlich überflüssig sind (dann muß man sie nicht behalten (= bezahlen)).

Ich meinte das noch krasser: Dass die "Saisonarbeitskräfte" erst gar keine sind, weil sie nach den 2 Wochen "Praktikum" bereits entlassen werden - um dann die nächsten Zweiwöcher zu holen und so das Weihnachtsgeschäft durchkriegt, ohne ihnen auch nur einen Cent bezahlt zu haben.

Zitat
Saisongeschäft ist nichts unübliches, früher wurden dafür Leute über eine Zeitarbeitsfirma eingestellt. Und auch das ist für den Arbeitnehmer letztendlich scheiße: wo man früher zum festanstellten Mitarbeiterpool gehörte, wird heute nur für den Einsatz eingestellt und danach entlassen.

Das ist aber noch halbwegs in Ordnung, da die Zeitarbeiter anschließend ja nicht wieder arbeitslos waren, sondern zum nächsten Kunden geschickt wurden.
Die Auswüchse heutzutage sind, dass die Zeitarbeiten heute dann aber fleißig dabei sind sie tatsächlich zu entlassen.

In manchen Branchen ist es ja inzwischen gang und gäbe, die Leute für ein paar Monate vor die Tür zu setzen: Gärtner etwa verbringen Weihnachten häufig (ob unisono weiß ich nicht) arbeitslos. Im Frühjahr, wenn der Frost vorbei ist, werden sie dann wieder eingestellt als wäre nichts gewesen, den Winter bezahlt der Staat.

Mich persönlich am meisten verstört aber immer noch das Wissen darum, dass es Aufstocker gibt und große Arbeitgeber sich auf dem Rücken der Ärmsten und Steuerzahler die Taschen vollmachen. Amazon ist ja nun wirklich kein Laden der nicht mehr vergüten könnte. Er macht's aber nicht, weil - nun ja - der Staat blecht ja.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 03 November 2011, 14:49:10
Mich persönlich am meisten verstört aber immer noch das Wissen darum, dass es Aufstocker gibt und große Arbeitgeber sich auf dem Rücken der Ärmsten und Steuerzahler die Taschen vollmachen. Amazon ist ja nun wirklich kein Laden der nicht mehr vergüten könnte. Er macht's aber nicht, weil - nun ja - der Staat blecht ja.
Bei den großen Unternehmen/Konzernen interessiert der ganze volkswirtschaftliche Part bzw. die gesellschaftlichen Probleme bis zu einem gewissen Grad einfach nicht. Da zählt nur, was am Ende als Gewinn übrig bleibt und wie man das so gering wie nur irgend möglich versteuern muss und das die Region, wo man sitzt, stabil ist.

Das ist auch nur eine von vielen logischen Konsequenzen, die die Lehre des Homo Oeconomicus mit sich bringt, die den ganzen BWLern in die Köpfe geprügelt werden. Das einzelne Staaten bzw. deren Regierungen dieser Lehre völlig blind folgen und ihr die Füße küssen und lieber deregulieren und Jahrzehnte funktionierender Sozialpolitik über den Haufen werfen, nur weil evtl. der eine oder andere sehr gut bezahlte Posten in nem Aufsichtsrat oder ne Beratungsfirma mit erstklassigen Kontakten bei rausspringen kann, kannst du eben diesen Unternehmen nicht vorwerfen. Sie haben es eben geschafft, eine unwahrscheinlich starke Lobby aufzubauen.

Wenn du also jmd. die Verantwortung zuschieben willst, dann darfst du das bei den etablierten Parteien gerne machen. Diese sind es, die offensichtlich den Bezug zu wichtigen gesellschaftlichen Themen/Problemen verloren haben und dadurch Spannungen innerhalb der Gesellschaft geradezu provozieren. Beispiele gibt es dafür neben den Hartz-Gesetzen international genug...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: nightnurse am 03 November 2011, 16:30:14
Im Grunde kann man dem Amazon-Konzern noch nicht mal einen Vorwurf machen. Die nutzen ja nur die rechtlichen Rahmenbedingungen voll und ganz aus. Die können ja nix dafür, dass die deutsche Regierung das Arbeitslosenheer zur Ausbeutung feil bietet. :/

Damit tue ich mich ja etwas schwer, denn ist das nicht eines der Grundprobleme momentan: Dass Menschen alle legalen Möglichkeiten ausschöpfen ohne Rücksicht auf die Folgen?
Muss ein Konzern/ Banker/ Hedgefonds wirklich alles tun, was ihm per Gesetz erlaubt ist, auch, wenn´s vielleicht menschlich,gesellschaftlich, umwelttechnisch, langfristig (whatever) anrüchig ist?

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Psycherotique am 03 November 2011, 16:31:27


Meiner einer wollte sogar an einem Kurs teilnehm wo man Spanisch lernt und dann für ein bis drei Monate nach Spanien fliegt um dort zu arbeiten durfte aber nicht weil das ein Kurs für Hartz 4 Empfänger ist und ich aber kein Hartz 4 vom Amt bekomme bzw die es mir verweigert haben.So und nun zeig mir mal die Gerechtigkeit bei der ganzen Sache ;)

Wie tief muss man sinken, um einen arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger zu beneiden... ::)

Also um eines klar zu stellen beneide ich sie nicht,aber ich war durchaus richtig tief unten.Ich war kurz davor gar keinen Cent zu haben und wieder komplett von dem Geld meiner Mutter abhängig zu sein und glaub mir meine Mutter hat nebenbei noch meine Schwester zu pflegen die nicht kerngesund ist (und ja sie ist behindert).
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 03 November 2011, 16:42:57
Muss ein Konzern/ Banker/ Hedgefonds wirklich alles tun, was ihm per Gesetz erlaubt ist, auch, wenn´s vielleicht menschlich,gesellschaftlich, umwelttechnisch, langfristig (whatever) anrüchig ist?

Genau das ist in der Ideologie vorgesehen, die seit den Achtzigern in der Politik und der Wirtschaft vorherrscht. Größtmögliche Gewinne, Einflussnahme der Konzerne auf die Politik; und sämtliche Risiken (soziale, humane und ökologische) werden sozialisiert, also der Gesellschaft aufgebürdet. Nach mir die Sintflut.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 03 November 2011, 17:00:51
Im Grunde kann man dem Amazon-Konzern noch nicht mal einen Vorwurf machen. Die nutzen ja nur die rechtlichen Rahmenbedingungen voll und ganz aus. Die können ja nix dafür, dass die deutsche Regierung das Arbeitslosenheer zur Ausbeutung feil bietet. :/

Damit tue ich mich ja etwas schwer, denn ist das nicht eines der Grundprobleme momentan: Dass Menschen alle legalen Möglichkeiten ausschöpfen ohne Rücksicht auf die Folgen?
Muss ein Konzern/ Banker/ Hedgefonds wirklich alles tun, was ihm per Gesetz erlaubt ist, auch, wenn´s vielleicht menschlich,gesellschaftlich, umwelttechnisch, langfristig (whatever) anrüchig ist?
Kurz und knapp: Ja. Wie CubistVowel schon geschrieben hat: Es ist die Basis der derzeit vorherrschenden Ideologie. Ich verwies ja nicht ohne Grund auf das Konzept des Homo Oeconomicus. Dieses theoretische Konzept selbst ist ja auch nicht per se schlecht.

Das Problem ergibt sich mMn erst dann, wenn man es als einzig wahres - ja geradezu von Gott gegebene - Ideal hinstellt und die eigene Sichtweise völlig darauf ausrichtet, obwohl man - z.B. als Politiker in bestimmten Schlüsselpositionen z.B. gesamtwirtschaftlich ganz andere Aspekte viel wichtiger sind.

Das Paradebeispiel "Sparen um jeden Preis" ist auch so ein Ding. Sparen macht im kleinen Rahmen - also bei Unternehmen und privaten Haushalten - öfter Sinn. Wenn man aber den Haushalt eines ganzen Staates heranzieht, kann und ist übermäßiges Sparen idR immer tödlich, wenn man gerade wirtschaftlich schwache Zeiten vor der Nase hat.

Alles was zählt, ist die Rendite. Völlig wumpe, ob da nu ein Hartz'er oder 100 für aufstocken oder umsonst arbeiten, solange es am Ende günstiger ist. Moderne Sklavenarbeit eben...

Edit: Mal etwas in Form gebracht und gekürzt für eine etwas bessere Lesbarkeit. ^^"
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: nightnurse am 03 November 2011, 19:10:35
Muss ein Konzern/ Banker/ Hedgefonds wirklich alles tun, was ihm per Gesetz erlaubt ist, auch, wenn´s vielleicht menschlich,gesellschaftlich, umwelttechnisch, langfristig (whatever) anrüchig ist?

Genau das ist in der Ideologie vorgesehen, die seit den Achtzigern in der Politik und der Wirtschaft vorherrscht. Größtmögliche Gewinne, Einflussnahme der Konzerne auf die Politik; und sämtliche Risiken (soziale, humane und ökologische) werden sozialisiert, also der Gesellschaft aufgebürdet. Nach mir die Sintflut.

Aber das weiss ich doch...und es kotzt mich unendlich an, dass es von allen Beteiligten so wahrgenommen wird, als müsse es zwingend so sein (denn wenn nicht ich, dann jemand anderes und dann komm ich ins Hintertreffen und deshalb muss ich immer alles müssen, was ich kann, wenn ich es irgendwie darf).
Und deshalb gibt es nur eine verschwindend geringe Zahl von Unternehmern / Bankern/ Politikern, die sich einen Dreck drum scheren, ob (willkürliches Beispiel) diese tollen Gewinne aus den Mais-Futures vielleicht reale Menschenleben kosten. 



(Nachdem ich "The Shock Strategy" von Naomi Klein gelesen hatte, wollte ich gerne den Planeten verlassen...)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 03 November 2011, 19:48:07
Zitat
Wenn du also jmd. die Verantwortung zuschieben willst, dann darfst du das bei den etablierten Parteien gerne machen.

Du, damit habe ich mal so gar keine Probleme. ;)
Schrieb ich weiter oben ja auch schon, dass es schleunigst mal Zeit für die flächendeckenden Mindestlöhne ist, damit es solche Sauereien nicht mehr legal geben kann.

Ich weiß auch nicht, wer der Politik ins Ohr geflüstert hat, dass die Firmen ja sofooort alle ins Ausland abwandern, sobald so ein Mindestlohn existiert. Hallo, Produktionsstandort Deutschland? Hier wird so gut wie nie gestreikt, geklaut am Arbeitsplatz wird auch deutlich unter europäischem Schnitt, die Arbeitsmoral ist enorm hoch hierzulande und die sprichwörtliche deutsche Pünktlichkeit ist für Termingeschäfte Gold wert. Das sind alles Faktoren, und da sind mir sicher noch lange nicht alle eingefallen, die für Standort Deutschland Alleinstellungsmerkmale sind, man erhält sie in ihrer Kombination in keinem anderen Land Europas.

Gerade die Streikärme hierzulande sorgt für diese hohe deutsche Produktivität. Das wiegt den Euro pro Stunde, die man dem Arbeitnehmer dann auf einmal mehr bezahlen muss, locker auf, in Kombination mit dem Rest erst recht. Meine Meinung.

Etwas ratlos bin ich noch, warum Merkel das jetzt auch favorisiert. Welcher Lobbyist ist für diese Kehrtwende (und für manch CDU-ler ein Super-GAU) verantwortlich? Das wüsste ich ja mal gern.  8)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 03 November 2011, 20:23:51
Du hast den Binnenmarkt vergessen. Dadurch, daß D ein Hochlohnland ist, gibt es hier einen guten Absatzmarkt, der bei Produktion in D durch geringe Transportkosten auch günstig bedient werden kann.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 03 November 2011, 21:32:38
Mit niedrigen Löhnen auf HARTZ IV  Level ist auch ein Teufelkreis: Niedriglöhner können nur die Sachen kaufen, die auch von Niedriglöhner produziert sind: KIK, LIDL. Für einen Verbraucher ist gutes Gewissen eine Frage des Geldbeutels.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: l3xi am 03 November 2011, 22:22:59
Mit niedrigen Löhnen auf HARTZ IV  Level ist auch ein Teufelkreis: Niedriglöhner können nur die Sachen kaufen, die auch von Niedriglöhner produziert sind: KIK, LIDL. Für einen Verbraucher ist gutes Gewissen eine Frage des Geldbeutels.
Das interessiert aber kurzfristig nicht. Und wenn uns die letzten Jahre - also alles ab 2000 - gelehrt haben, dann das vor allem auf kurzfristige "Erfolge" hin gearbeitet wurde im Zusammenhang mit der dt. Wirtschaftspolitik. Da wurde selbst der winzigste "Aufschwung" zum XXL-Aufschwung hoch geschrieben und bejubelt nur damit selbiger 3 Tage später wieder abgestürzt is...

Etwas ratlos bin ich noch, warum Merkel das jetzt auch favorisiert. Welcher Lobbyist ist für diese Kehrtwende (und für manch CDU-ler ein Super-GAU) verantwortlich? Das wüsste ich ja mal gern.  8)
Das ist pure Wahlkampf-Taktik. Zum einen ist dieser von ihr in den Raum geworfene Mindestlohn kein richtiger Mindestlohn. Zweitens gibt es innerhalb der CDU/CSU einen unwahrscheinlich starken Arbeitgeber-Flügel. Dieser kann sich immer quer stellen und einfach auf dem "Nein" verharren. Für Merkel ist das eine Win-Win-Situation. Für ihr Image ist das Gold wert. Dummerweise wurde das recht schnell durchschaut. http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/die-kanzlerin-faehrt-mit-der-cdu-karussell/5774260.html


http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/die-wahrheit-ueber-mindestloehne/3752840.html
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 12 November 2011, 21:25:35
Und wieder ein aktuelles Beispiel, wie der Staat (die ARGEn) die Leistungsempfänger aus der Statistik und in prekäre, vom Steuerzahler subventionierte Arbeitsverhältnisse zwingt: Amazon sucht 2000 "saisonale" Aushilfskräfte für das kommende Weihnachtsgeschäft. Die umliegenden Argen liefern 700 Arbeiter. Was ja nicht schlecht ist, viele nehmen lieber einen befristeten Job an als gar keinen.

Aber: Die ersten 2 Wochen dieser anspruchslosen und sowieso kurzfristigen Tätigkeit sollen alle ALG-Empfänger als unbezahltes Praktikum absolvieren. Nicht-ALG-Empfänger dagegen werden vom ersten Tag an normal bezahlt. Wer sich ob dieser Ungleichbehandlung weigert und sich wehrt, muss - natürlich - mit Sanktionen rechnen.

Warum lässt man die Sträflinge aus dem offenen Hartz-VI-Vollzug denn nicht gleich die ganzen 2 bis 3 Monate unbezahlt durcharbeiten? Aber das traut man sich wohl (noch) nicht so ganz... ::)

Quelle: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php)

Wegen der Empörung in der Öffentlichkeit sieht die Arge in Unna nun doch davon ab, ALG-Empfänger in Zwangsarbeit bei Amazon zu nötigen. Die Situation bei Amazon stelle sich wohl doch "anders" dar.

"Man könne die „Aufregung nicht verstehen“, ließ der stellvertretende Leiter des Jobcenters, Thomas Neuhaus, verlautbaren. „Die Menschen, die dort hingehen, machen das freiwillig. Es zwingt sie niemand dazu – aber sie haben die Möglichkeiten, danach endlich einen Arbeitsplatz zu finden.“ Im Gegensatz dazu hatten Betroffene berichtet, dass in den Informationsveranstaltungen suggeriert wurde, dass eine Mitwirkungspflicht bestehe. Wer gegen eine solche Pflicht verstößt, also ein Jobangebot ablehnt, wird vorübergehend mit Kürzungen der Hartz IV-Leistungen sanktioniert. Zudem bestand nie die Aussicht auf eine längerfristige Tätigkeit, wie auch das Jobcenter einräumen musste."
Quelle: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-jobcenter-stoppt-amazon-subvention-6545511.php (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-jobcenter-stoppt-amazon-subvention-6545511.php)

Herrn Neuhaus' Definition von "Freiwilligkeit" ist sicherlich höchst interessant... Da möchte ich seine Definition von "Zwang" erst gar nicht hören.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: nightnurse am 13 November 2011, 13:17:33
Ich weiss auch gar nicht, warum ich immer "Reichsarbeitsdienst" denke, wenn ich solche Geschichten lese...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 13 November 2011, 18:43:42
in einer solcher Situation ist ein guter Arzt Gold wert.

Bin von einiger Zeit auch kurz HARTZ IV-Empfängerin geworden und sie wollten mir einen Job als Servicekraft in einem Tocherunternehmen von UKE auf die Auge drücken (brutto ca. 900 euronen). Bin übrigens gelernte Kauffrau für Bürokommunkation mit mehrjährigen Berufserfahrung. Es wäre für mich tödlich gewesen, so ein unqualifizierter Job anzunehmen

Diagnose "Depressive Episode" verschaffte mir eine Verschanaufpause, währenddessen ich einen Job in meinem Beruf fand.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 20 November 2011, 18:37:51
Der niederländische Politiker Revis von der Regierungspartei VVD will den Occupy-Demonstranten die staatliche Hilfe entziehen: Link (http://www.handelsblatt.com/politik/international/regierungspartei-will-occupy-aktivisten-sozialhilfe-streichen/5865860.html)
(danke Voll pöse)

Hoffentlich eine dümmliche Einzelmeinung, aber ich poste das hier mal, weil ich selbst auch in Deutschland schon oft ähnliche Sätze gehört habe. "Wer Sozialhilfe kriegt [auf Kosten Anderer lebt, keine Steuern bezahlt, keine Leistung bringt,...], hat gefälligst die Fresse zu halten [hat nichts zu melden, darf nicht demonstrieren, soll mal schön still sein,...]"

Dass die Würde des Arbeitslosen sehr wohl antastbar ist, haben viele schon am eigenen Leib erfahren. Manche Menschen scheinen zu glauben, dass man mit der Arbeit auch gleich das Recht auf freie Meinungsäußerung, Freiheit der Berufswahl und des Aufenthaltsortes sowie ein paar weitere unwesentliche (Grund-)Rechte verliert.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 02 Januar 2012, 20:12:38
Was die Statistiken betrifft: soweit ich weiß, taucht man darin auch nicht auf, wenn man an einer Maßnahme wie PC-Kurs etc. teilnimmt.

Das stimmt, "Maßnahmen"-Teilnehmer tauchen in der Statistik nicht auf. Deswegen werden Arbeitslose unter Androhung von Sanktionen oft von Maßnahme zu Maßnahme geschickt, manche haben schon 10 Mal Bewerbungstraining, PC-Anfängerkurse u. Ä. hinter sich. Ein-Euro-Jobber/"Bürgerarbeiter" und "Praktikanten" sind ebenfalls aus der Statistik raus - genau wie Kranke und (ich glaube) über 55jährige.

Ok, wie die Grünen ja jetzt brandneu "aufgedeckt" haben, werden über 58jährige aus der Statistik gelöscht, sofern sie ein Jahr lang im Hartz-IV-Bezug "keine Stellenangebote bekommen" haben. Die Menschen stünden angeblich in diesem Alter dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. (Außer natürlich, es geht um deren Rentenansprüche. Die volle Rente gibt's selbstverständlich erst mit 65 bzw. 67 Jahren.) Berechnete man die Erwerbslosenzahl ohne die "Sonderregelung", ergäbe sich eine Quote von 9,7 % statt der angeblichen 8 %. (Quelle: u. A. FR-online (http://www.fr-online.de/wirtschaft/arbeitslose-regierung-zaubert-100-000-arbeitslose-weg,1472780,11369762.html))

"Es sei noch nicht lange her, dass Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ältere Menschen zu den Gewinnern am Arbeitsmarkt erklärt habe. „Genau das war das Argument für die Rente mit 67 – ein Argument, das jetzt auf sehr wackeligen Beinen steht“, " so der IG-Bau-Gewerkschafter Wilhelmy. (http://www.fr-online.de/wiesbaden/-absurde-logik--ig-bau--kritisiert-arbeitslosenstatistik,1472860,5732664.html)

Wie praktisch; wer ein Jahr lang keine Stellenangebote von der Arge erhält, ist demnach auch nicht arbeitslos. Und hey, warum eigentlich erst ab 58? Die Statistik könnte doch noch viel besser aussehen, setzte man die Grenze für die "Sonderregelung" auf, sagen wir, 40 Jahre... ::)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 04 Januar 2012, 22:08:48
Ach, wer Ursula von der Leyen auch nur eine Silbe glaubt, ist selbst schuld.  :P
Diese Dame halte ich inzwischen für schlimmer als Schäuble jemals war. So etwas Verlogenes habe ich noch nie erlebt. Die Dame sagt nahezu grundsätzlich das genaue Gegenteil dessen, was sie im Anschluss an das Gesagte dann tut.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 05 Januar 2012, 10:18:09
Ach, wer Ursula von der Leyen auch nur eine Silbe glaubt, ist selbst schuld.  :P
Diese Dame halte ich inzwischen für schlimmer als Schäuble jemals war. So etwas Verlogenes habe ich noch nie erlebt. Die Dame sagt nahezu grundsätzlich das genaue Gegenteil dessen, was sie im Anschluss an das Gesagte dann tut.

Worauf man sich wiederum verlassen kann. ;)

Ein weiteres "gutes" Beispiel dafür ist, dass sie vor knapp 2 Jahren sagte, man müsse die Menschen, die bedürftig seien und die allein nichts an ihrer Lebenssituation ändern können, z. B. Behinderte, besonders beschützen. Vor einem Jahr wurden dann die Hartz-IV-(und Sozialgeld?-)Bezüge für Behinderte, die bei ihren Eltern, Kindern oder in einer sonstigen WG wohnen, um 20 Prozent gekürzt. Weil sie in einer WG weniger Kosten hätten. Die Bezüge für nichtbehinderte Hartz-IV-Empfänger in derselben Wohnsituation wurden allerdings nicht gekürzt. Das ist eben Zensur-Uschis spezielle Art von "besonderem Schutz".
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 06 Januar 2012, 02:37:04
... Diese Frau (von der Leyen) ist eine definitiv, unzweifelhaft absolute Rundum-Katastrophe - egal in welcher "Minister(in)-Funktion/-Position".  >:(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 30 Januar 2012, 12:16:44
Ein Aufsatz zur (Un-)Gerechtigkeit in der deutschen Gesellschaft:

http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/ (http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Julya am 30 Januar 2012, 12:32:58
Danke für den Artikel, CubistVowel. Sehr lesenswert!
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 31 Januar 2012, 01:26:16
Ein Aufsatz zur (Un-)Gerechtigkeit in der deutschen Gesellschaft:

http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/ (http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/)


Jaja, das stimmt ja soweit alles und ist ja auch "längerfristig" bekannt ... ;) aber was das betrifft

Zitat
Im Vorfeld fast aller großen Revolutionen und Aufstände der Weltgeschichte lassen sich mutwillige Verstöße gegen das Prinzip der Gerechtigkeit feststellen. Wann immer sich eine kleine Gruppe Privilegierter über die Mehrheit anderen erhoben, Recht und Gesetz nach ihren Bedürfnissen gebogen und Macht und Einfluss zur Mehrung ihres eigenen Vermögens missbraucht hat, dann dauerte es nicht allzu lange, bis sich die unzufriedene Mehrheit über die Herrscher erhob und ihnen die Privilegien entzog.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass sich der jüngste UN-Bericht zur soziale Lage in Deutschland entsetzt von den hiesigen Verhältnissen zeigt und vor dem Verlust von politischer Stabilität und vor sozialen Unruhen warnt.


da hab ich nur mehr wenig (bis gar keine) Hoffnung (trotz Stuttgart 21 ...). - Da (siehe Hervorhebungen, meine oben) wart ich schon soooo lange drauf.  :-\
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 02 Februar 2012, 10:23:46
Ein Aufsatz zur (Un-)Gerechtigkeit in der deutschen Gesellschaft:

http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/ (http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/)

Achja, der gute alte Klassenkampf. Die sozialistischen Betonköpfe haben selbst in über 100 Jahren nichts dazu gelernt.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 02 Februar 2012, 10:44:27
Die sozialistischen Betonköpfe haben selbst in über 100 Jahren nichts dazu gelernt.

Die kapitalistische auch
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 02 Februar 2012, 11:22:13
Ein Aufsatz zur (Un-)Gerechtigkeit in der deutschen Gesellschaft:

http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/ (http://jacobjung.wordpress.com/2012/01/28/ungerechtigkeit-als-gesellschaftliches-prinzip/)

Achja, der gute alte Klassenkampf. Die sozialistischen Betonköpfe haben selbst in über 100 Jahren nichts dazu gelernt.

Während die kapitalistischen Betonköpfe immer neue (oder alte?) Formen der Ausbeutung von Ländern und Völkern erfinden, im Geheimen über ihre Lobbys menschenrechtsbedenkliche Gesetze auf den Weg bringen und uns von einer Krise in die nächste reißen, deren Kosten wieder mal der kleine Mann zahlen muss. Solange sich an den Grundvoraussetzungen nichts ändert, muss eben "der gute alte Klassenkampf" herhalten.^^
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Multivac am 02 Februar 2012, 11:38:36
Was die Statistiken betrifft: soweit ich weiß, taucht man darin auch nicht auf, wenn man an einer Maßnahme wie PC-Kurs etc. teilnimmt.
Das stimmt, "Maßnahmen"-Teilnehmer tauchen in der Statistik nicht auf. Deswegen werden Arbeitslose unter Androhung von Sanktionen oft von Maßnahme zu Maßnahme geschickt, manche haben schon 10 Mal Bewerbungstraining, PC-Anfängerkurse u. Ä. hinter sich. Ein-Euro-Jobber/"Bürgerarbeiter" und "Praktikanten" sind ebenfalls aus der Statistik raus - genau wie Kranke und (ich glaube) über 55jährige.
Ok, wie die Grünen ja jetzt brandneu "aufgedeckt" haben, werden über 58jährige aus der Statistik gelöscht, sofern sie ein Jahr lang im Hartz-IV-Bezug "keine Stellenangebote bekommen" haben. Die Menschen stünden angeblich in diesem Alter dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. ...
Wie praktisch; wer ein Jahr lang keine Stellenangebote von der Arge erhält, ist demnach auch nicht arbeitslos. Und hey, warum eigentlich erst ab 58? Die Statistik könnte doch noch viel besser aussehen, setzte man die Grenze für die "Sonderregelung" auf, sagen wir, 40 Jahre... ::)
meine freundin arbeitet bei der arge und sie sprach von einer grenze ab 50. heftig. richtig heftig. und parallel wird in den nachrichten von sinkenden arebeitslosenzahlen berichtet. so ein vermaledeiter quatsch. alles gefaked, wie schon vor mehreren jahren, als die zahlen angeblich runtergingen. und daß die meisten derer, die nun wieder arbeit haben, von dem einkommen nicht leben können und zusätzlich hartz4 beantragen müssen, das wird auch verschwiegen. könntchgleichmitnerpunpgunirgendwoeinreiten, das regt mich so auf !!!  >:(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 02 Februar 2012, 12:22:40
Ja, dann möchte ich auch mal noch kurz anmerken, dass das neue "Bildungs- und Teilhabepaket" ein extrem schlechter Scherz ist.
Dass außerdem es sowas wie Mietminderung für Alg 2 - Erhaltende nicht gibt (ich finde die Ausdrücke Hartz 4/Alg 2 - "Bezieher"/-"Empfänger" irgendwie --- unpassend, negativ belegt - klingt so nach Schmarotzer, Almosenempfänger, selbstverschuldetem Opfer("status" lol)).

Und Mietminderung is ja nicht nur dazu gedacht, den Vermieter zu einer "Veränderung" (eines Missstandes, eines Mietmangels) zu bewegen (als Druckmittel also), sondern auch dazu, den Mieter für die Zeit des Bestehens des Mietmangels in gewisser Weise auch zu "entschädigen". Solche "Entschädigung" fällt für Alg2-Erhaltende aus. Komplett. Pech.  >:(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: nightnurse am 02 Februar 2012, 12:54:48
Ich kann mich übrigens erinnern, dass es schon in den 80ern ne beliebte Kabarett-Nummer war, die Arbeitslosenzahlen auf Null bis Minusbereich herunterzurechnen. Dass da massiv geschönt wird, ist also echt nicht neu. Wenn mal wieder von sinkenden Arbeitslosenzahlen die Rede ist, denke ich jedenfalls immer zuerst "da haben sie wohl wieder die Erhebungsmethode verbessert"... ::)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 03 Februar 2012, 09:29:20
meine freundin arbeitet bei der arge und sie sprach von einer grenze ab 50. heftig. richtig heftig. und parallel wird in den nachrichten von sinkenden arebeitslosenzahlen berichtet. so ein vermaledeiter quatsch. alles gefaked, wie schon vor mehreren jahren, als die zahlen angeblich runtergingen. und daß die meisten derer, die nun wieder arbeit haben, von dem einkommen nicht leben können und zusätzlich hartz4 beantragen müssen, das wird auch verschwiegen. könntchgleichmitnerpunpgunirgendwoeinreiten, das regt mich so auf !!!  >:(

Mich regt es zudem auf (wenngleich "Aufregen" es nicht wirklich genau trifft... ::)), dass dieser Fake jeden Monat von den Regierungs-Sprachrohren wie der Tagesschau auch noch so brav und unkritisch verbreitet wird. Genau wie die Angaben darüber, dass es 15 Prozent weniger Jugendliche im Hartz-4-Bezug gäbe... Nachdem das wie gewünscht von den Medien verbreitet und die BA sich dafür ordentlich selbst auf die Schulter klopfte, musste dieser Wert erheblich relativiert werden, unter anderem wegen der Tatsache, dass die absolute Anzahl dieser Jugendlichen eh um sieben(?) Prozent gefallen war...

Eine Bekannte war als studierte Sozialpädagogin lange bei der BA-Arbeitsvermittlung angestellt, bis sie dann mit ca. 50 Jahren von einer Angelernten ersetzt wurde. (Das Ersetzen von Fachkräften durch befristet angestellte Angelernte ist leider in den Argen seit Jahren Praxis.) Sie erzählte mir, dass es in den Argen regelrechte interne Vorgaben gäbe, wie viele Sanktionen/Leistungskürzungen mindestens verhängt werden müssten, oder auf welche Arten man dort die "Kunden" zwar nicht in Arbeit, dafür aber aus der Statistik bringt. Bizarr.

Beispiele für diese internen Tricks werden immer wieder öffentlich; wer als Arbeitsloser in einigen Ämtern nicht zur (grundsätzlich freiwilligen) psychologischen Untersuchung möchte, muss trotzdem mit Sanktionen rechnen. Oder wer eine Stunde pro Woche arbeitet, gilt nicht mehr als arbeitslos...

Und dass das vielgelobte Jobwunder zum größten Teil aus prekären Stellen besteht, sollte in diesem Zusammenhang dann eigentlich auch keinen mehr wundern. Ich habe in einem Artikel oder Interview vor Kurzem gelesen, dass die offizielle Angabe der BA 75 % (Anteil an den neuen Stellen) war, finde aber die Quelle gerade nicht.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 06 Februar 2012, 22:56:55
Zitat
[...] "Derzeit erleben wir indes, wozu Zentralbanken als Monopolisten unter politischem Einfluss, dem sie bei allem Gewese um ihre Unabhängigkeit stets ausgesetzt sind, fähig sind: Aufkauf von Schrottpapieren, Quantitative Easing, Negative Realzinsen usw., kurzum der Ruin der Währung und der Wirtschaft in bester Absicht. Inflationsbehörden und staatlich privilegierten Geschäftsbanken das wichtigste Gut der Wirtschaft zu überlassen – das allgemein akzeptierte Tauschmittel –, ist ungefähr so klug, wie Alkoholiker eine Brauerei leiten zu lassen.
[...]
„Wenn eine grosse Zahl von Leuten – oder sogar die Mehrheit – von anderer Leute Geld lebt, und wenn den Empfängern sogar noch eingeredet wird, dass sie darauf einen Anspruch hätten, dann ergibt sich daraus nicht nur eine andere Auffassung von Wirtschaft, Arbeit, Eigentum, Staat und Politik, sondern auch eine Änderung der Persönlichkeits- und Charakter-Struktur der Bürger.“ Das ist des Pudels Kern: Unser marodes Geld ist kein rein wirtschaftliches Problem, sondern wirkt längst gesellschaftlich destabilisierend. [...]" (http://www.forum-ordnungspolitik.de/zur-inflationskrise/hintergruende/1064-geldfreiheit-statt-geldsozialismus)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 07 Februar 2012, 02:08:26
Inverted

... welche (andere) Auffassung von Wirtschaft, Arbeit, Eigentum und Politik ergibt sich dann daraus? Und:
wie sieht diese veränderte "Persönlichkeits- und Charakterstruktur der Bürger" dann aus (deiner: persönlichen Auffassung nach)? ? ?
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 07 Februar 2012, 12:29:05
Ein Thema aus dem Bereich ALG II und Gerechtigkeit wurde noch gar nicht besprochen. Der Sozialbetrug.
Vermutlich kennt jeder irgendjemanden, der/die das ALG System mißbraucht, um sich materielle Vorteile zu verschaffen. In meinem weiteren Bekanntenkreis kenne ich nur 3 Fälle von ALG II-Beziehern und alle betrügen die Gemeinschaft indem sie behaupten, sie würden angeblich in einer Wohngemeinschaft mit dem Lebenspartner/der Lebenspartnerin leben. Das ist natürlich keine repräsentative Erfahrung, zeigt aber, dass es dieses Phänomen gibt. Es gibt natürlich auch noch andere Tricks, um sich Sozialleistungen zu erschleichen (angebliche Erstaustattung der Wohunung, gefälschte Mietverträge, Schwarzarbeit etc.).

Dieser Sozialbetrug ist wahrscheinlich einer der Gründe (neben den "ich-hab-kein-Bock-zu-arbeiten" Beziehern), weshalb es wenig Akzeptanz für höhere ALG II- und Sozialhilfe-Sätze unter den Steuerzahlern gibt. Gäbe es die Gewissheit, dass man nur Bedürftigen hilft, wäre die Bereitschaft zu teilen vermutlich höher. Für mich stellt sich die Frage, wie man diesen Mißbrauch des Solidaritätsprinzips in einer freien Gesellschaft effektiv unterbinden kann. Eine gute Lösung fällt mir dazu irgendwie nicht ein.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 07 Februar 2012, 13:16:11
Vermutlich kennt jeder irgendjemanden, der/die das ALG System mißbraucht um sich materielle Vorteile zu verschaffen.

Und vermutlich kennt auch jeder noch viel mehr Leute, die das Finanzamt betrügen, um sich materielle Vorteile zu verschaffen... Beides nicht schön.

Übrigens ist auch dieses hier Sozialbetrug: Wenn Firmen oder sogar die öffentliche Hand Stellen streichen, um hinterher Hartz-4-Empfänger für einen Minilohn dieselbe Arbeit machen zu lassen. Oder wenn Firmen für Vollzeitarbeit Löhne zahlen, von denen die Arbeitenden nicht leben können und gezwungen sind, auf Kosten der Allgemeinheit aufstockend H4 zu beantragen. Oder Firmen, die unnötig Kurzarbeit anmelden, um Fördergeld zu kassieren. Privatisierte ehemalige Staatsbetriebe, die ihre "Altlast" an Beamten auf Kosten der Allgemeinheit massenhaft in Frühpension schicken. Oder Konzerne, die ihre bisherigen Angestellten in Leihfirmen outsourcen, um sie dann für die Hälfte des bisherigen Lohnes wieder einzustellen. ...

Diese Tendenz sorgt in viel nachhaltigerem Maße für eine Aushöhlung der Sozialsysteme, als es eine bestimmte Gruppe H4-Empfänger je könnte. Womit ich deren Betrug allerdings in keiner Weise gutheißen will. Erschreckend nur, dass der von den Firmen ausgeübte Sozialbetrug immer noch eine so große Akzeptanz in der Bevölkerung findet, obwohl die negativen Auswirkungen auf die Sozialsysteme wesentlich bedeutsamer sind. Da haben Leute wie Sarrazin, die Springer-Presse und die meistgesehenen Privatsender ganze Arbeit geleistet; der faule dumme Sozialschmarotzer, der seinen fetten Arsch nur bewegt, um Kippen und Schnaps zu besorgen. Den gibt es natürlich auch, aber wenn die Medien objektiver und lebensnäher über H4 berichten würden, wäre die Bereitschaft der übrigen Bevölkerung zum Teilen wahrscheinlich höher.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Multivac am 07 Februar 2012, 13:31:04
Eine gute Lösung fällt mir dazu irgendwie nicht ein.

1. die pflicht zu arbeiten
2. das recht zu arbeiten
3. qualifikationsgerechte beschäftigung
4. gesundheitsadäquate beschäftigung
5. lebensnotwendiger mindestlohn

daraus ergibt sich:

1. arbeit für jeden - keine arbeitlosen, keine gesundheitlich arbeitsunfähigen (bis auf schwere ausnahmen)
2. weniger arbeitszeit (da die ganze arbeit auf alle aufgeteilt wird)
3. notwendigkeit der sanften steuerung der ausbildungs-/studienwünsche/-einschreibungen/-angebote
4. sozialismus  :o
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 07 Februar 2012, 13:56:22
Diese Tendenz sorgt in viel nachhaltigerem Maße für eine Aushöhlung der Sozialsysteme, als es eine bestimmte Gruppe H4-Empfänger je könnte.

Da es für beide Formen des Sozialbetrugs keine offiziellen Zahlen geben kann, läßt sich deine Aussage nicht belegen oder widerlegen.
Grundsätzlich stimme ich dir zu, dass Sozialbetrug auf der Einnahmenseite natürlich auch das solidarische System erheblich belastet. Allerdings wirfst du bei deiner Aufzählung legale, illeagal und bestenfalls moralisch bedenkliche Handlungen durcheinander. Wenn man berücksichtigt, dass das kameralistische System sehr oft mit zweckungebundenen Haushalten arbeitet, wird klar, dass man die Einnahmen- und Ausgabenseite des Betrugs am Steuerzahler nur schwierig gleichzeitig betrachten kann. Hier halte ich eine getrennte Betrachtung für zielführender. Die Akzeptanz von Transferleistungen an Bedürftige durch die Steuerzahler ist vermutlich wesentlich stärker an die Ausgabenperspektive gebunden, da die Steuern dem abstrakt erscheinenden globalen Haushalt zugeführt werden.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 07 Februar 2012, 14:08:24
Inverted

... welche (andere) Auffassung von Wirtschaft, Arbeit, Eigentum und Politik ergibt sich dann daraus? Und:
wie sieht diese veränderte "Persönlichkeits- und Charakterstruktur der Bürger" dann aus (deiner: persönlichen Auffassung nach)? ? ?
Hä? Das Zitat ist doch verlinkt.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 07 Februar 2012, 14:35:27
Eine gute Lösung fällt mir dazu irgendwie nicht ein.

1. die pflicht zu arbeiten
2. das recht zu arbeiten
3. qualifikationsgerechte beschäftigung
4. gesundheitsadäquate beschäftigung
5. lebensnotwendiger mindestlohn

daraus ergibt sich:

1. arbeit für jeden - keine arbeitlosen, keine gesundheitlich arbeitsunfähigen (bis auf schwere ausnahmen)
2. weniger arbeitszeit (da die ganze arbeit auf alle aufgeteilt wird)
3. notwendigkeit der sanften steuerung der ausbildungs-/studienwünsche/-einschreibungen/-angebote
4. sozialismus  :o

Tja, in der Theorie klingt das immer so einfach. Man kann das größtenteils nur leider nicht auf das existierende Gesellschafts- und Wirtschaftssystem anwenden. Und da es keine funktionierende Alternative zu unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem gibt, bleiben diese Ideen Utopien.
Der von den Gewerkschaften geforderte Mindestlohn wird sicherlich kommen. Da hat Frau Merkel sich bereits positiv zu geäußert.
Die (statistische) Vollbeschäftigung ist durch die demographische Entwicklung sicherlich auch nur noch eine Frage der Zeit. Durch die Überalterung der Gesellschaft werden wir davon aber keinen großen Nutzen haben.
Bei der Steuerung der Ausbildung wäre ein Versagen des Staates vorprogrammiert. Nicht nur, weil sich der zukünftige wirtschaftliche Bedarf kaum prognostizieren lässt, sondern auch weil man bei der Steurung von Studienplätzen in einigen Bereichen seit jeher versagt hat. Es werden beispielsweise jedes Jahr doppelt soviele Architekten wie benötigt ausgebildet. Und das seit Jahrzehnten. Ganz düster sieht es auch seit vielen Jahren bei verschiedenen Sozialwissenschaften aus (Soziologie, Politikwissenschaften etc.).
Die Idee mit der staatlich gesteuerten Aufteilung der Arbeit lässt sich wirklich nur im Sozialismus umsetzen. Und auch der hat schon über 100mal bewiesen, dass es nicht funktioniert.

Daher bleibt uns wohl nichts anderes übrig als die Schwächen im derzeitigen System durch ständige kleine Anpassungen innerhalb des Systems zu dämpfen. Perfekt wird das aber niemals werden.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 07 Februar 2012, 15:36:36
Die Idee mit der staatlich gesteuerten Aufteilung der Arbeit lässt sich wirklich nur im Sozialismus umsetzen. Und auch der hat schon über 100mal bewiesen, dass es nicht funktioniert.
Die wissenschaftliche Begründung dafür, dass Sozialismus schon prinzipiell gar nicht funktionieren kann (ausser als totalitäres Regime mitsamt wirtschaftlichem Chaos und Niedergang, im ungünstigsten Falle mit Hunderten Millionen Toten) ist auch schon um die 100 Jahre alt (z. B. Mises in den 20ern). In Deutschland landeten die Printexemplare jedoch auf den Scheiterhäufen der Bücherverbrennung - weil nicht sein kann was nicht sein darf.

Aufrichtige sozialistische Überzeugungen und ökonomischer Sachverstand schliessen sich gegenseitig aus (es mag den einen oder anderen Sozi geben, der den begrenzten Horizont seiner Jugend zu erweitern vermochte, und gute Miene zum bösen Spiel macht - zum einem, um das schlimmste zu verhindern, zum anderen, um seine Karriere fortführen zu können).
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 07 Februar 2012, 15:52:36
Allerdings wirfst du bei deiner Aufzählung legale, illeagal und bestenfalls moralisch bedenkliche Handlungen durcheinander.

Ob legal oder nicht, trotzdem hat diese Auswahl an Methoden eines gemeinsam, nämlich dass sie zur Korrosion unserer Sozialsysteme beitragen.

Zitat
Da es für beide Formen des Sozialbetrugs keine offiziellen Zahlen geben kann, läßt sich deine Aussage nicht belegen oder widerlegen.

Auch wenn sich beides, die Bereicherung Einzelner am Sozialsystem und die systematische Unterwanderung des gesamten sozialen Prinzips durch politisch unterstützte Arbeitgeber natürlich nicht in Zahlen belegen lässt, halte ich - persönlich - Letzteres für gravierender.

Zitat
Die Akzeptanz von Transferleistungen an Bedürftige durch die Steuerzahler...

Dazu möchte ich nur kurz anmerken, dass auch Transferleistungsempfänger Steuerzahler sind. ;) Im Fall der ALG-II-Empfänger natürlich nicht durch direkte, sondern durch indirekte Steuerzahlung, z. B. Mehrwertsteuer. Da meistens das gesamte Geld für den Lebensunterhalt ausgegeben werden muss, fließt ein guter Teil der Transferleistung wieder zurück an den Staat.


Ich möchte in diesem Zusammenhang - ganz persönlich - auch noch Folgendes loswerden (jetzt nicht direkt an Spambot): Ich finde es ziemlich beschämend und peinlich entlarvend, wenn in einer so reichen Gesellschaft wie der unseren die Wohlhabenderen den Ärmsten, der untersten Schicht aus Arbeitslosen und Behinderten, so viel Hass und Missgunst entgegen bringen. Statt sich zu freuen, dass bei ihnen selbst der Versicherungsfall Arbeitslosigkeit oder Krankheit (noch) nicht eingetreten ist; dass sie also selbst (noch) in Lohn und Brot stehen, gut für sich sorgen können, gesund und im Besitz aller Grundrechte sind (die den Arbeitslosen von den Behörden oftmals abgesprochen werden) - statt dessen blicken sie neidisch auf die Arbeitslosen (und sogar auf die Behinderten) herab und missgönnen ihnen die vermeintlichen Vergünstigungen. Ziemlich widerlich in meinen Augen. Wie oft habe ich selbst schon gehört: "Oh toll, du bist schon in Rente, das hätte ich aber auch gern." Wenn ich könnte, würde ich übrigens jederzeit meine MS gegen deren Gesundheit eintauschen, dann können sie mal sehen, wie "toll" das ist.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Spambot am 07 Februar 2012, 16:41:09
Ich finde es ziemlich beschämend und peinlich entlarvend, wenn in einer so reichen Gesellschaft wie der unseren die Wohlhabenderen den Ärmsten, der untersten Schicht aus Arbeitslosen und Behinderten, so viel Hass und Missgunst entgegen bringen. Statt sich zu freuen, dass bei ihnen selbst der Versicherungsfall Arbeitslosigkeit oder Krankheit (noch) nicht eingetreten ist; dass sie also selbst (noch) in Lohn und Brot stehen, gut für sich sorgen können, gesund und im Besitz aller Grundrechte sind (die den Arbeitslosen von den Behörden oftmals abgesprochen werden) - statt dessen blicken sie neidisch auf die Arbeitslosen (und sogar auf die Behinderten) herab. Ziemlich widerlich in meinen Augen. Wie oft habe ich selbst schon gehört: "Oh toll, du bist schon in Rente, das hätte ich aber auch gern." Wenn ich könnte, würde ich übrigens jederzeit meine MS gegen deren Gesundheit eintauschen, dann können sie mal sehen, wie "toll" das ist.

Das von mir angesprochene Thema "Sozialbetrug" spielt bei dieser gesellschaftlichen Entwicklung sicherlich eine wichtige Rolle. Als Empfänger von Transferleistungen besteht anscheinend immer die Gefahr, dass andere Menschen zunächst einen potentiellen Sozialbetrüger erwarten. Nunja, zumindest Menschen die zu Vorurteilen neigen. Diese pauschale Abwertungstendenz wird, wie du vorher schon erwähnt hattest, sicherlich auch durch niveaulose Infotainmentsendungen im Fernsehen verstärkt. Zusätzlich versuchen die Behörden sich vor einem neuen Betrugsskandal durch immer neue bürokratische Absicherungs- und Überwachungsmethoden zu schützen. Am Ende ist der/die moralisch und rechtlich legitime Empfänger von Transferleistungen zahlreichen sozialen und rechtlichen Repressalien ausgesetzt. Nur wie kann man diese Entwicklung stoppen? Wenn man die rechtlichen Repressalien lockert, ist mit einem Anstieg des Sozialbetrugs zu rechnen. Die Folge wäre dann wahrscheinlich eine weitere pauschalisierte soziale Abwertung von Transferleistungsempfängern. So spontan fällt mir da keine gute Lösung für diese zutiefst unbefriedigende Situation ein.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 07 Februar 2012, 16:46:07
So ist es... :(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 08 Februar 2012, 20:57:38
Zitat
Dieser Sozialbetrug ist wahrscheinlich einer der Gründe (neben den "ich-hab-kein-Bock-zu-arbeiten" Beziehern), weshalb es wenig Akzeptanz für höhere ALG II- und Sozialhilfe-Sätze unter den Steuerzahlern gibt. Gäbe es die Gewissheit, dass man nur Bedürftigen hilft, wäre die Bereitschaft zu teilen vermutlich höher.

Ich denke, dass die Akzeptanz deswegen fehlt, weil es "die anderen" sind und man deswegen gerne auf die Schmarotzer sieht und letztlich gerne den ganzen Haufen ehrlicher ALGII-Empfänger übersieht.

Denn, mal ehrlich: Jeder Arbeitende wird in der Firma, in der er/sie arbeitet, mindestens eine Person kennen, die durch eine gemächliche bis schlimme Arbeitsmoral "glänzt".
Auch über diese regt man sich dann, völlig zu Recht, auf. Aber da käme doch garantiert niemand auf die Idee, die eigene Branche an den Pranger zu stellen! "Schlimm" sind immer nur die andern.
Hinzu kommt, dass die eigenen Unregelmäßigkeiten gerne bagatellisiert werden, während man ähnliche Vergehen Arbeitslosen nicht zugesteht, weil jene ja nichts leisten würden. Anders gesagt: Man selbst fühlt sich im Recht weil man ja etwas leistet, ja, sehr viel mehr leistet als der Staat es anerkennt, also hole man sich ja nur das zurück, was einem zustünde.
Ich bin mir recht sicher, dass mindestens jeder zweite Steuerbetrüger es auf diese Weise für sich begründet. ;)

Zitat
Diese pauschale Abwertungstendenz wird, wie du vorher schon erwähnt hattest, sicherlich auch durch niveaulose Infotainmentsendungen im Fernsehen verstärkt. Zusätzlich versuchen die Behörden sich vor einem neuen Betrugsskandal durch immer neue bürokratische Absicherungs- und Überwachungsmethoden zu schützen. Am Ende ist der/die moralisch und rechtlich legitime Empfänger von Transferleistungen zahlreichen sozialen und rechtlichen Repressalien ausgesetzt.

Das ergibt sich dann daraus: Durch gezielte Abwertung der lobbyarmen Arbeitslosen seitens der Medien entsteht ein Druck auf die Behörden, so repressiv wie möglich zu handeln, da die Berichterstattung auch sie selbst trifft. Es heißt dann ja nicht nur "Herr B., 10 Jahre HartzIV-Empfänger, fährt Porsche, wohnt in einem Traumhaus und bescheißt den Staat", sondern auch "Jahrelang hat das jobcenter weggesehen und Herrn B. Geld in den Hintern geblasen".

Zitat
Nur wie kann man diese Entwicklung stoppen?

Eine wichtige Entwicklung gibt es ja bereits: Die Tendenz zu Mindestlöhnen flächendeckend.
Sollten diese hoch genug liegen und es dadurch keine Aufstocker mehr geben, dann sinkt die Anzahl von HartzIV-Sozialschmarotzern. Logisch eigentlich, denn es gibt dann ja von heute auf morgen auf einmal Menschen in sechsstelliger Höhe, die plötzlich angemessen entlohnt werden und nicht mehr die Demütigung, trotz Arbeit zum Amt rennen zu müssen, erleiden müssen. Weniger HartzIV-Empfänger gleich weniger Sozialschmarotzer. Logisch eigentlich. :)

Eine zweite wäre, nicht nach einem Bestrafungs-, sondern nach einem Belohnungssystem zu arbeiten.
Diverse Krankenkassen tun es ja bereits: Wenn man soundsolange nicht krank war, gibt's eine Teilrückzahlung von Beiträgen.
Natürlich hat auch das seine Tücken, da sich Niedriglöhner dann lieber nicht krank melden oder Medikamente offiziell verschreiben lassen um an die "Prämie" zu kommen. Aber überlege man mal, wenn sie analog zu jobcentern handeln würden: Wenn jemand öfters krank ist erhöben sie Strafzahlungen fürs Kranksein. Kranke würden pauschal des Sozialschmarotzertums bezichtigt werden, es gäbe ja schließlich soundsoviele Simulanten die gar nicht krank sind und so ... ;)

Derzeit läuft das System da genau umgekehrt: Bewerbungstrainingkurse gibt's für die Leute die sich nicht bewerben (also faul sind) und nicht etwa für jene die es tun, aber ständig abgelehnt werden. Der Faulpelz wird damit belohnt!
Oder die von Vater Staat so vielgelobten 1€-Jobs: Wenn es tatsächlich so wäre dass massenhaft Leute in den ersten Arbeitsmarkt kämen, dann müsste man ja eigentlich den fleißigen Bewerbungsschreibenden diese geben. So ist's aber nicht, sie werden, gerne auch mal als Zwangsmaßnahme, den "schlechten Kunden", jene die keinen Finger krümmen, zugeschanzt!
Auch hier wird also der Faule belohnt.

Stichwort Fortbildung: Bildungsgutscheine, egal welcher Art, gibt's erst, wenn man mindestens 1 Jahr arbeitslos war. Das bedeutet: Jemand der erfolgreich ein Jahr lang alle Einstellungen zu verhindern wusste, der erhält eine Chance auf Fortbildung. Jener, der sofort wieder in den Arbeitsmarkt per Weiterqualifizierung einsteigen möchte - nicht.
Erneut wird der Faulpelz belohnt.

Leute werden gezwungen umzusiedeln, wenn ihre Wohnung zu teuer ist, sie müssen in eine günstigere ziehen, sonst werden Gelder gekürzt.
Umgekehrt aber, wenn jemand aus freien Stücken von einer günstigen Wohnung in eine noch günstigere zieht, was gibt's da? Nix! Die Miete wird bezahlt, also die entsprechend kleinere. Der ALGII-Empfänger hat von einem, den Staat sparenden, Umzug rein überhaupt nichts, er erhält schließlich exakt denselben Betrag wie vorher zum Leben.

Das ist nur ein winziger Ausschnitt desssen, wie dieses System funktioniert: Die Kooperativen werden bestraft, die Faulen belohnt. Die Ehrlichen (etwa jene die aus freien Stücken ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen) haben mit Repressalien zu rechnen (wenn z.B. das Amt prompt in irgend einem Kontoauszug etwas entdeckt was es als "unbotmäßig" einstuft, etwa eine Überweisung eines Betrages von Verwandten zum Geburtstag, etc.). Jene die da die Klappe halten oder eben alles bar abwickeln damit das Amt davon nichts zu sehen bekommt, werden ... wieder einmal für dieses Verhalten belohnt. Schließlich bekommen sie so eben erst gar nicht irgendwelchen Stress vom Amt.

---

Wie sich das ändern lässt? - Na, ganz einfach! Nicht auf das Pferd "Bestrafung", sondern auf jenes namens "Belohnung" setzen.
Eben jenen, die sich fleißig bewerben, Fortbildungen finanzieren - und nicht etwa jenen, die es nicht tun.
Jenen, die kooperieren, unter die Arme greifen, anstatt jenen die es nicht tun mit Strafen zu drohen. Ein "die helfen mir, die kümmern sich" ist jedenfalls ein klares Argument das Sozialbetrug vermindert, während ein "die wollen es mir ja eh nur reindrücken" ihn fördert.

Ein zweiter Schritt wäre natürlich auch, mal das Personal in der Behörde aufzustocken, damit auch mal mehr Zeit für Akquise für die Arbeitsberater da ist und diese dann auch mal den Leuten Stellen anbieten können die dann wirklich doch mal halbwegs passen könnten. Denn dann wird's mit den Ausreden, warum man sich dort und dort und dort nun nicht beworben hätte nämlich auch ein bisschen schwieriger. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 19 Februar 2012, 13:05:36
Wie cool ist das denn?! :)

Großbäckerei schafft Ausbildungsplätze für Ü-50-Jährige (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,813674,00.html)

So geht's auch: ungelernte Arbeitskräfte kreativ fördern, anstatt sie mit Minilöhnen auszubeuten. \o/
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 19 Februar 2012, 18:14:53
Tolles Projekt, wäre schön, wenn das Schule macht.  :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 23 Februar 2012, 17:26:06
Die DGB-Arbeitslosengruppe Bonn hat die "Saure Gurke" 2011 an Amazon vergeben. ;D

"Alljährlich zu Aschermittwoch verleiht die Gewerkschaftliche Erwerbslosengruppe im DGB Bonn / Rhein-Sieg die „Saure Gurke“, um damit eine öffentlich wirkende Persönlichkeit auszuzeichnen, die sich im zurückliegenden Jahr durch einen hervorragenden Beitrag zur „Beleidigung, Ausgrenzung oder weiteren Verschlechterung der sozialen Lage der Erwerbslosen“ hervorgetan hat."

"Wir wollen nicht verschweigen, dass nach unserer Auffassung an dieser von den Amazon Logistikzentren in Deutschland geübten Praxis von Mitnahmeeffekten nur die Spitze eines Eisberges auf dem Arbeitsmarkt sichtbar wird: Dies ist eine Fehlentwicklung, die der Öffnung für prekäre und atypische Beschäftigungsmodelle durch die sog. Hartz-IV-Reformen zu verdanken ist. Unter dieser Fehlentwicklung leiden Erwerbslose um so häufiger und härter, da sie durch die Sanktionspolitik der Arbeitsverwaltung zu prekärer Arbeit gezwungen werden können."

Quelle (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-amazon-skandal-saure-gurke-verliehen-900345.php)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 29 Februar 2012, 17:11:52
Über die Definition von Armut: *click* auf Tagesspiegel.de (http://www.tagesspiegel.de/politik/an-den-raendern/6254146.html)

Die angesprochene Diskussion, ob absolute Armut (Armut in einer armen Gesellschaft) oder relative Armut (in einer reichen Gesellschaft) "schlimmer" ist, läuft meines Erachtens letztlich darauf hinaus, ob Hunger oder Ausgrenzung das größere Übel ist - was schwer zu vergleichen ist und leicht ins Zynische abgleitet.

Zitat
International verbreitet ist die Definition, wonach als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens („Median“) zum Leben hat. Angenommen wird, dass es unterhalb dieses Niveaus schwierig wird, am Leben einer Gesellschaft teilzunehmen.
(Quelle: Tagesspiegel.de) (http://www.tagesspiegel.de/politik/an-den-raendern/6254146.html)

Mich nervt außerdem das Rumgeeiere mit dem Euphemismus "armutsgefährdet". Wenn es einen international anerkannten/definierten Punkt für relative Armut gibt, dann ist man unterhalb dieses Punkts eben nicht "armutsgefährdet", sondern arm.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 12 April 2012, 14:52:49
Und wieder übernahm ein Großteil der Medien vom lokalen Käseblatt über ntv bis zur Tagesschau die angeblichen "Rekord"-Meldungen bei Sanktionen für "Hartz-IV-Drückeberger" (bild.de) (http://www.bild.de/politik/inland/sozialhilfeempfaenger/noch-nie-wurde-so-viel-geschmuggelt-und-getrickst-23568570.bild.html) und "Hartz-IV-Betrüger" (ntv) der BA ohne eigene Recherche - zum Teil wurde sogar die BILD-Zeitung als Quelle angegeben.

Kein Wort davon, dass laut einem Sprecher der BA (Bundesagentur für Arbeit) der Anteil an echtem Betrug und Leistungsverweigerung sogar um 22 % rückläufig ist; d. h. an Menschen, die ohne Berechtigung ALG-Leistungen beziehen. Beim größten Teil der "Hartz-IV-Sauereien" (Bild) handelt es sich um simple Melde- und Rücksendefristversäumnisse, außerdem Einsprüche gegen diverse "Maßnahmen" oder Verstöße gegen die Eingliederungsvereinbarung (die in vielen Punkten ausgesprochen schwammig formuliert ist, so dass ein "Verstoß" ohnehin meistens Ermessenssache ist.) Wegen Leistungsverweigerung sind gerade mal ein knappes Prozent aller Leistungsbezieher sanktioniert worden.

Ebenfalls kein Wort davon, dass der überwiegende Teil der verhängten Sanktionen vor Gericht sowieso keinen Bestand hat. Oder dass es interne, natürlich inoffizielle Sanktions-Quoten gibt, die die BA-Mitarbeiter zu erfüllen haben.

Die angegebenen (Rekord-)Zahlen beziehen sich übrigens auf unter 4 % aller Hartz-IV-Empfänger. Selbst Schätzchen von der Leyen musste vor einem Jahr schon zugeben, dass sich 96 % aller Leistungsbezieher "korrekt" verhalten. (welt.de) (http://www.welt.de/politik/deutschland/article13221528/Von-der-Leyen-nimmt-Hartz-IV-Empfaenger-in-Schutz.html)

Bei einem - angebracht kritischen - Blick in die Rekord-Meldungen der BA wäre die Riesensumme an "Schummlern, Drückebergern, Tricksern und Betrügern" schnell zu einem kleinen (und schrumpfenden!) Drei-prozent-Häufchen zusammengeschnurrt. Aber damit lässt sich ja keine Schlagzeile aufreißen.

Wolfgang Lieb auf den Nachdenkseiten zum Thema:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=12830 (http://www.nachdenkseiten.de/?p=12830)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 12 April 2012, 15:03:12
Gerade die Strafen wegen Nichterscheinens beim Amt (ca. 60% aller Sanktionen) erweisen sich häufig als Luftblase.

Ich habe aus meinem entfernten Bekanntenkreis mal den krassen Fall erfahren dass jemand gestorben (!) ist, deswegen nicht beim Amt erscheinen konnte und ihm dann die Sanktion per Post zugestellt wurde. Seine Nachkommen haben verständlicherweise nicht gerade entzückt über solch ein Schreiben reagiert ;)
Würde mich nicht wundern, wenn z.B. Fälle wie diese dann nicht mehr aus der Statistik genommen werden: Brief mit Sanktionsmitteilung verschickt = rein in die Statistik. Schublade auf - Schublade zu.

Wirklich groß aufregen tut mich das, ehrlich gesagt, aber nicht. Denn die Bild ist zumindest in diesem Punkt außerordentlich unparteiisch: Sie wettert in regelmäßigen Abständen über so ziemlich jede Berufsgruppe: Seien es Beamte, Studenten, Lehrer, Sozialarbeiter ... eine Schlagzeile sind sie immer nur dann wert, wenn sie irgendwie böse sind. ;)

Wirklich sauer werde ich erst, wenn Politiker sich aufgrund solcher nun wirklich nicht gerade bestätigter Meldungen glauben damit Wahlkampf machen oder sich profilieren zu wollen. Denn Politiker sollten das vertreten was auch fundiert ist und garantiert nicht irgendwelche Windmeldungen eines Blattes, dem der Bildblog eh am laufenden Band nachweist, dass es mit Angaben von Zahlen dort nicht so weit her ist.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 12 April 2012, 20:04:22
Komisch, bei Schlecker konnte gerade erst gar nicht hysterisch genug dramatisiert werden ^^
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 13 April 2012, 23:04:28
Gerade die Strafen wegen Nichterscheinens beim Amt (ca. 60% aller Sanktionen) erweisen sich häufig als Luftblase.
Was meinst du mit Luftblase? Für die meisten Leute ist eine Leistungskürzung oder sogar -einstellung eine ernsthafte Bedrohung. Selbst wenn sich nach (inzwischen monate- bis jahre)langen Gerichtsverhandlungen zeigt, dass die Sanktion zu Unrecht verhängt wurde, ist es trotzdem eine vermeidbare Belastung. Man könnte das Gefühl bekommen, die Einzigen, die durch die ARGEn zuverlässig Arbeit bekommen, sind die Sozialgerichte. ;) Da den Arbeitsämtern meines Wissens im Gegensatz zu anderen Behörden keine Gebühren oder direkte Verfahrenskosten berechnet werden, lassen sie es eben einfach darauf ankommen; genügend Menschen haben weder Kraft noch Mut, sich einen Rechtsbeistand zu suchen und, so zynisch es klingt, deshalb rechnet sich die Sache für die ARGEn.

Wirklich groß aufregen tut mich das, ehrlich gesagt, aber nicht. Denn die Bild ist zumindest in diesem Punkt außerordentlich unparteiisch: Sie wettert in regelmäßigen Abständen über so ziemlich jede Berufsgruppe: Seien es Beamte, Studenten, Lehrer, Sozialarbeiter ... eine Schlagzeile sind sie immer nur dann wert, wenn sie irgendwie böse sind. ;)
Ganz so einfach sollte man das aber nicht abtun. BILD ist ein Meinungs- und Stimmungsmacher mit einer politischen Zielsetzung. Für mich persönlich klingt es völlig abstrus, aber viele Leute glauben tatsächlich, was in diesem Drecksblatt steht. Wenn also BILD beschließt, alle Arbeitslosen sind faule Schmarotzer: Dann ist das eben so, ob es nun wahr ist oder nicht. Viele Politiker und Promis haben direkt Angst vor der unglaublichen Macht dieser Zeitung. Zu recht, würde zum Beispiel ein gewisser Herr Bundespräsident a. D. sagen...


Komisch, bei Schlecker konnte gerade erst gar nicht hysterisch genug dramatisiert werden ^^
Ich habe ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung, was die Bild zu Schlecker geschrieben hat. :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 13 April 2012, 23:47:20
Und ganz besonders übel finde ich, wenn andere, "seriöse" Zeitungen so offensichtlich und peinlich unbedarft bei der BILD abschreiben und Tenor sowie Schlagzeilen einfach übernehmen. Genauer gesagt gab es in den letzten Tagen nämlich gar keine entsprechende Veröffentlichung der BA; die Bild bezog sich auf einen bereits am 7. Februar erschienenen Bericht in der Saarbrücker Zeitung (*click*) (http://www.saarbruecker-zeitung.de/aufmacher/berliner_buero/art182516,4168127#.T4iZ_1HUPnF), der damals auch hier (http://www.bild.de/politik/inland/hartz-4/hartz-iv-mehr-sanktionen-meldeversaeumnisse-22499764.bild.html) in der Bild kurz erwähnt wurde. Und genau derselbe Bericht wurde vor ein paar Tagen dann - mangels aktuellerer Hetzopfer oder weil in sachlicher Form zu unergiebig - erneut in derart diffamierender Weise aufgegriffen. Wenn das keine Hetzkampagne ist, was dann? Schlimm und ärgerlich, wie gesagt, wenn andere Medien dann plötzlich auf diesen Zug aufspringen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 14 April 2012, 01:01:22
Zitat
Was meinst du mit Luftblase?

Siehe den genannten Fall, dass Sanktionen gegenüber einer toten Person verhängt wurden ...
Ich behaupte, dass die Statistik lediglich die Sanktionsdrohung mitzählt, nicht aber die Sanktion selbst. Bedeutet: Sobald ein Brief da rausgeht der sagt "wir kürzen Ihnen soundsoviele Euro, weil Sie nicht bei uns erschienen sind", wird gezählt. Die ganzen Zurücknahmen indes nicht, in denen dann sich geklärt hat dass der Brief der Benachrichtigung über das Erscheinenmüssen der Person gar nicht zugegangen ist oder dass ein Sachbearbeiter schlicht gepennt hat dass die Person längst in Arbeit ist (!), die werden dann halt geflissentlich übersehen ...

Die genannte Aussage hat genauso viel Aussagewert wie etwa eine der Sorte "Studenten sind Langschläfer und faule Säcke, weil 60% davon nicht vor 10 Uhr morgens aufstehen." Dass dabei verschwiegen wird dass viele davon ihr Lernpensum bis tief in die Nacht verlegen oder die wenigen in der Endphase des Studiums notwendigen Kolloquien vielleicht eh erst um 12 Uhr beginnen und es gar nicht not tut früher aufzustehen, das wird dabei selbstverständlich geflissentlich verschwiegen.

Die realen Verhältnisse jedenfalls bilden BILD-Zahlenreihen jedenfalls seltenst ab.

Zitat
BILD ist ein Meinungs- und Stimmungsmacher mit einer politischen Zielsetzung.

Politisch? Nein. Sie wollen einfach nur Auflage machen. Und Auflage macht sich am besten mit "wir regen uns über die andern auf".
Die Frage ist doch eher, ob Arbeitslose über Gebühr beleidigt werden im Vergleich zu Asylanten, Beamten, Studenten, ....
Genau hier setze ich halt ein Fragezeichen. Ich glaube nicht, dass jene Zeitung irgendwen benachteiligt. Sie wettert halt gegen alles, wenn es Quote macht. Und das ist verdammt viel.

Zitat
d ganz besonders übel finde ich, wenn andere, "seriöse" Zeitungen so offensichtlich und peinlich unbedarft bei der BILD abschreiben und Tenor sowie Schlagzeilen einfach übernehmen.

Das ist das ernsthaftere Problem!
Denn das verleiht jener Zeitung eine Macht, die ihr nicht zusteht.
Also sollte man jene mit Leserbriefen eindecken die ihnen klar macht, was für einen Mist sie da machen.
Denn Zeitungen tut es am meisten weh, wenn potenzielle Käufer ihnen sagen "so nicht, sonst lese ich Sie nicht mehr!".
Allerdings nur dann, wenn genug Leute ihnen genau das schreiben.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 14 April 2012, 10:09:03
Ich behaupte, dass die Statistik lediglich die Sanktionsdrohung mitzählt, nicht aber die Sanktion selbst.
Das stimmt aber nicht. Es ist ganz eindeutig die Rede von verhängten Sanktionen, sprich: tatsächlichen Leistungskürzungen, deren durchschnittliche Höhe mit ca. 115 Euro angegeben wird.

Zitat
BILD ist ein Meinungs- und Stimmungsmacher mit einer politischen Zielsetzung.

Politisch? Nein.
Du meinst scheinbar ernsthaft, die BILD (und womöglich die gesamte Axel Springer AG) seien politisch neutral? Eine interessante Sichtweise...^^


Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kaffeebohne am 14 April 2012, 10:15:54
Also sollte man jene mit Leserbriefen eindecken die ihnen klar macht, was für einen Mist sie da machen.
Denn Zeitungen tut es am meisten weh, wenn potenzielle Käufer ihnen sagen "so nicht, sonst lese ich Sie nicht mehr!".
Allerdings nur dann, wenn genug Leute ihnen genau das schreiben.
Nur die Drohung allein tut noch nicht so weh. Es tut mehr weh, wenn tatsächlich Taten folgen und die BILD nicht mehr gelesen wird. Aber ich glaube, die Angst müssen die gar nicht haben...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 14 April 2012, 10:43:39

Nur die Drohung allein tut noch nicht so weh. Es tut mehr weh, wenn tatsächlich Taten folgen und die BILD nicht mehr gelesen wird. Aber ich glaube, die Angst müssen die gar nicht haben...

stimmt.
Da die Menschen mehrheitlich eh dämlich sind, wird uns BILD uns, leider Gottes, noch lange erhalten bleiben.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 14 April 2012, 12:21:48
Kinners, die Bild bedient einfach ein Bedürfnis und schreibt das, was die Leser lesen wollen, in einer Form, in der es die Leser lessen wollen, denn sonst würden die Leser schliesslich eine andere Zeitung lesen. Ist halt ein Käseblatt, dass der Zerstreuung dient. Das hysterische Gezeter über die Bild ist von daher völlig übertrieben, zumal die Zeitung von Begin an für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Aussöhnung mit Israel und dem jüdischen Volk eintritt. Dass sie nicht einen permanenten Kotau vor dem gesellschaftlichen "political correctness mainstream" und es wagt, gelegentlich auch mal den Finger in schwelende Wunden zu legen, dürfte denn auch der Hauptgrund für die Kritik seitens der Gutmenschen-Fraktion zu sein. Ich selber finde vermeintlich seriöse Zeitungen (z. B. den Spiegel, Zeit, FTD, taz etc.) oder die öffentlich-rechtlichen Sender übrigens viel schlimmer als die Bild, aufgrund der deutlich schwerer erkennbaren Lügen und Propaganda. Bei der Bild weiss man schliesslich, das es die Bild ist, wer meint, sich moralinsauer erregen zu müssen anstatt darüber zu lachen, ist echt selber schuld.

Ich persönlich würde mir jedenfalls wünschen, die Bild wäre reisserischer. So ist Sie mir persönlich echt etwas zu fad. Als Lektüre in der Kaffee- oder Mittagspause ist sie jedoch ideal, zumindest dann, wenn die Tischfläche ausreicht.

Und eins müsst Ihr zugeben: Der Sportteil ist ja nun wirklich nicht schlecht ^^
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 14 April 2012, 16:29:12

Du meinst scheinbar ernsthaft, die BILD (und womöglich die gesamte Axel Springer AG) seien politisch neutral? Eine interessante Sichtweise...^^

Jep, zumindest die BILD betreffend.
Ich behaupte, dass dem Blatt völlig egal ist womit sie Auflage machen - hauptsache, sie machen sie.
Da wird dann halt mal gegen links, gegen rechts, gegen die Mitte, gegen den Rand, also: Gegen alles gewettert, wenn's grade ganz gut in den Kram passt.

Zudem gefällt sich das Blatt auch gerne darin, seine Macht auch mal gezielt einzusetzen. Solche Nummern wie z.B. Guttenberg ins und dann später wieder aus dem Amt zu schreiben, ebenso Wulff betreffend, sind ja wohl kaum aus politischem Kalkül heraus entstanden, sondern einfach nur -meine Meinung- aus Machtgeilheit.

Was die verhängten Strafen angeht - hmm, ok, wenn es wirklich tatsächlich verhängte sind, dann stellt sich das Ganze schon noch etwas anders dar. Aber auch nur etwas, bei dem Beispiel das ich angab war es ja eine verhängte ...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 15 April 2012, 01:29:31
[...]

Bei manchen Leuten wundert mich die Erkenntnis, dass sie BILD-Leser sind, nicht übermäßig. ;D
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 15 April 2012, 15:32:08
[...]

Bei manchen Leuten wundert mich die Erkenntnis, dass sie BILD-Leser sind, nicht übermäßig. ;D
Nö, nix "Erkenntnis", du bist nur mal wieder wie üblich deinen eigenen Vorurteilen aufgesessen. Ich selber finde die Bild relativ langweilig und lese sie höchstens zum Zeitvertreib in der Pause, wenn sie zufällig gerade mal irgendwo rumliegt. Sich ernsthaft über die Bild aufzuregen, kann man jedoch getrost spiessigen Kleinbürgern überlassen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 15 April 2012, 18:40:59
[...]

Bei manchen Leuten wundert mich die Erkenntnis, dass sie BILD-Leser sind, nicht übermäßig. ;D
Nö, nix "Erkenntnis", du bist nur mal wieder wie üblich deinen eigenen Vorurteilen aufgesessen. Ich selber finde die Bild relativ langweilig und lese sie höchstens zum Zeitvertreib in der Pause, wenn sie zufällig gerade mal irgendwo rumliegt. Sich ernsthaft über die Bild aufzuregen, kann man jedoch getrost spiessigen Kleinbürgern überlassen.

LOL, wenn du es sagst, wird es so sein. Und ich überlasse das (natürlich immer rein zufällige) BILD-Lesen getrost denen, zu denen es passt.^^
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Kallisti am 16 April 2012, 02:00:25

 und lese sie höchstens zum Zeitvertreib in der Pause, wenn sie zufällig gerade mal irgendwo rumliegt. Sich ernsthaft über die Bild aufzuregen, kann man jedoch getrost spiessigen Kleinbürgern überlassen.

Tja du spießiger Kleinbürger - ich würd die BILD nich mal als Katzenkloeinlage benutzen ... und nich mal dann lesen - aus Langeweile, zum Zeitvertreib - wenn ich zufällig grade mal irgendwo auf ner einsamen Insel rumläge. Ernsthaft.^^

 ;D
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 16 April 2012, 07:53:23
Wobei "Hamburger Abendblatt" kein Stück besser ist
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 16 April 2012, 08:22:04
Wobei "Hamburger Abendblatt" kein Stück besser ist

Da ist was dran; kommt ja ebenfalls aus dem Hause Springer. ;) Meine Kritik galt ursprünglich ja sowieso vorrangig den anderen Zeitungen/Medien, die ohne eigene Recherche die Schlagzeilen der BILD kopierten:

Und wieder übernahm ein Großteil der Medien vom lokalen Käseblatt über ntv bis zur Tagesschau die angeblichen "Rekord"-Meldungen bei Sanktionen für "Hartz-IV-Drückeberger" (bild.de) (http://www.bild.de/politik/inland/sozialhilfeempfaenger/noch-nie-wurde-so-viel-geschmuggelt-und-getrickst-23568570.bild.html) und "Hartz-IV-Betrüger" (ntv) der BA ohne eigene Recherche - zum Teil wurde sogar die BILD-Zeitung als Quelle angegeben.

Da hatte ich noch nicht mal bemerkt, dass die Veröffentlichung der BA schon zwei Monate her war - und damals (zurecht) niemandem, nicht mal der BILD, eine Schlagzeile wert gewesen war. Das passierte erst, als die BILD das veraltete Thema für - sagen wir mal - ureigenste Zwecke wieder hervorkramte; und wie widerlich und peinlich ich das folgende Verhalten der Journaille fand, habe ich bestimmt schon ausgedrückt. ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: RaoulDuke am 16 April 2012, 10:35:21
Kinners, die Bild bedient einfach ein Bedürfnis und schreibt das, was die Leser lesen wollen, in einer Form, in der es die Leser lessen wollen, denn sonst würden die Leser schliesslich eine andere Zeitung lesen. Ist halt ein Käseblatt, dass der Zerstreuung dient. Das hysterische Gezeter über die Bild ist von daher völlig übertrieben, zumal die Zeitung von Begin an für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Aussöhnung mit Israel und dem jüdischen Volk eintritt. Dass sie nicht einen permanenten Kotau vor dem gesellschaftlichen "political correctness mainstream" und es wagt, gelegentlich auch mal den Finger in schwelende Wunden zu legen, dürfte denn auch der Hauptgrund für die Kritik seitens der Gutmenschen-Fraktion zu sein. Ich selber finde vermeintlich seriöse Zeitungen (z. B. den Spiegel, Zeit, FTD, taz etc.) oder die öffentlich-rechtlichen Sender übrigens viel schlimmer als die Bild, aufgrund der deutlich schwerer erkennbaren Lügen und Propaganda. Bei der Bild weiss man schliesslich, das es die Bild ist, wer meint, sich moralinsauer erregen zu müssen anstatt darüber zu lachen, ist echt selber schuld.

Ich persönlich würde mir jedenfalls wünschen, die Bild wäre reisserischer. So ist Sie mir persönlich echt etwas zu fad. Als Lektüre in der Kaffee- oder Mittagspause ist sie jedoch ideal, zumindest dann, wenn die Tischfläche ausreicht.

Und eins müsst Ihr zugeben: Der Sportteil ist ja nun wirklich nicht schlecht ^^

Ich frage mich beim Lesen der Bild gar nicht so selten, ob eine Zeitung ein Produkt ist wie alle anderen auch. Wenn die Leute nach einer Zeitung verlangen würden (im Sinne von Zahlungsbereitschaft), in der 100% Lügengeschichten stehen (beispielsweise "Die Chinesen sind an allem schuld!", "Schweine aus dem Weltall greifen an!" etc.), wäre es dann OK, sie zu drucken?

Ich bin etwas zwiespältig, trotz meiner inneren Ausrichtung als Marktwirtschaftler aus Überzeugung. Presse hat nämlich auch ethische Verpflichtungen in meiner Sicht - nicht zu lügen und nicht zu hetzen beispielsweise. Sonst passiert nämlich sowas:

--- Eine kleine Zeitreise in die Jahre 1967 und 1968 ---

Schlagzeilen der Bild von 1967:

"Stoppt den Terror der Jung-Roten - Jetzt"

"Jetzt wird aufgeräumt"

"Lasst Bauarbeiter ruhig schaffen, kein Geld für langhaarige Affen"

Von da aus ist es nicht mehr weit bis zu einer Schlagzeile der Deutschen National-Zeitung, die im April 1968 titelte "Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt es Bürgerkrieg!"

Ein Hilfsarbeiter, schlecht in der Schule, ohne Durchblick, empfänglich für einfache Thesen, stand auf und handelte, ohne zu wissen, dass er die Geschichte umschreiben würde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Bachmann

--- Und beendet ist die kleine Zeitreise ---

Darf ein Produkt die Geschichte so beeinflussen, nur damit jemand ein paar Cent mit Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht verdient, wie die Ärzte es so schön formulierten?

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 16 April 2012, 10:52:40
Was die BILD angeht, ist das eigentlich schon ein eigenes Thema wert.
Denn ich behaupte dass sie hauptsächlich deswegen so erfolgreich ist, weil sowohl die große Schrift als auch die einfache Sprache dafür sorgt, dass sie am geeignetsten ist, den "einfachen Menschen" zu erreichen!

Womit ich meine: Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen haben, physisch (kann nicht so gut gucken) wie mental (Lese-Rechtschreib-Schwäche z.B.), lesen dieses Blatt gerne, weil sie da überhaupt etwas lesen können, bzw. es verstehen.

Ich habe bislang mitbekommen, dass sich diese Zeitung sowohl bei Gehörlosen als auch bei alten Menschen überaus großer Beliebtheit erfreut. Als ich beide Seiten mal fragte warum, kam beide Male mehrfach dieselbe Antwort: "Hier verstehe ich wenigstens, was da geschrieben wird! Die anderen Zeitungen sind mir zu anstrengend."
Wohlgemerkt, nicht zu hoch. Es heißt nicht dass es hier um dumme Menschen geht! Sondern zu anstrengend zu lesen, weil die Schrift so klein ist oder zu viele Fremdwörter drin sind, die sie nicht auf Anhieb verstehen.

Ich kann diese Einstellung in Maßen durchaus verstehen. Mir geht's beispielsweise beim Lesen von englischen Büchern so: Ich kann englisch, aber ich benötige mehr Konzentration, um sie auch wirklich vollständig zu erfassen.
Das Ergebnis ist, dass ich dann doch beim Lesen deutscher Bücher bleibe. Schließlich lese ich sie in meiner Freizeit, und da möchte ich mich nun wirklich nicht noch einmal extra mit Anstrengung geißeln, wenn es nicht not tut.

Dass die Bild es gerne mal mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, wissen die Leute (zumindest jene die ich kennen gelernt habe und sie regelmäßig lesen) auch. Sie fühlen sich aber halt informiert und sozusagen sozial "dabei", sie können mitreden, mitdiskutieren.
Just Letzteres macht es dann auch nicht eben einfach. Denn dass die Bild Meinungen macht die zum Aufstacheln gedacht sind, die Emotionen transportiert, das ist nicht jedem klar. Schließlich behauptet die Zeitung nach wie vor dass sie objektiv berichten würde. Ähm, ja ...

Dass sie unpolitisch ist, dabei bleibe ich aber. Wenn sie Lust hat, macht sie jeden Politiker fertig, egal welcher Partei.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 16 April 2012, 11:23:09
Ein Hilfsarbeiter, schlecht in der Schule, ohne Durchblick, empfänglich für einfache Thesen, stand auf und handelte, ohne zu wissen, dass er die Geschichte umschreiben würde.


Ohne "Bild" in Schutz nehmen zu wollen:
Die Hetze von Bild ist keine Entschuldigung für Bachmanns Tat, da auch ein ungebildeter Mensch weisst, dass die Menschen zu erschiessen falsch ist.
Sonst kommen morgen die Irren, die behaupten, "Natural Born Killer" hat sie zu Morden bewegt



.

Ich habe bislang mitbekommen, dass sich diese Zeitung sowohl bei Gehörlosen als auch bei alten Menschen überaus großer Beliebtheit erfreut. Als ich beide Seiten mal fragte warum, kam beide Male mehrfach dieselbe Antwort: "Hier verstehe ich wenigstens, was da geschrieben wird! Die anderen Zeitungen sind mir zu anstrengend."
Wohlgemerkt, nicht zu hoch. Es heißt nicht dass es hier um dumme Menschen geht! Sondern zu anstrengend zu lesen, weil die Schrift so klein ist oder zu viele Fremdwörter drin sind, die sie nicht auf Anhieb verstehen.

Ich kann diese Einstellung in Maßen durchaus verstehen. Mir geht's beispielsweise beim Lesen von englischen Büchern so: Ich kann englisch, aber ich benötige mehr Konzentration, um sie auch wirklich vollständig zu erfassen.
Das Ergebnis ist, dass ich dann doch beim Lesen deutscher Bücher bleibe. Schließlich lese ich sie in meiner Freizeit, und da möchte ich mich nun wirklich nicht noch einmal extra mit Anstrengung geißeln, wenn es nicht not tut.


Stimmt, aber ohne Fleiss kein Preis. Du muss ja nicht anspruchsvolles in Englisch lesen, da du nicht in England lebst.
Lebt man aber in Deutschland, wäre es fatal, lebenslang auf dem BILD-Leser-Niveu zu bleiben
Gewöhnt man sich  nur an leichte Kost, läuft man automatisch den Gefahr, zu verdummen


Irgendwann gewönt man sich daran, auch komplizierte Texte in einer Fremdsprache zu lesen. Ich lese deutsche Texte mittlereweile genauso schnell wie die russische, es ist kein Lesen mehr sondern Verschlingen
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 16 April 2012, 11:53:53
Zitat
Stimmt, aber ohne Fleiss kein Preis. Du muss ja nicht anspruchsvolles in Englisch lesen, da du nicht in England lebst.
Lebt man aber in Deutschland, wäre es fatal, lebenslang auf dem BILD-Leser-Niveu zu bleiben
Gewöhnt man sich  nur an leichte Kost, läuft man automatisch den Gefahr, zu verdummen

Da hast du schon recht, ist aber für Dinge die man in seiner Freizeit tut eben nicht immer einfach.
Ich mag die Leute die es gar nicht erst versuchen auch gar nicht zu sehr in Schutz nehmen. Natürlich kann man sich darum bemühen und es ist auch ein wunderbares Erfolgserlebnis, wenn es dann auch gelingt.

Es lag mir lediglich daran zu erklären, wieso die Bild so erfolgreich ist, bzw. eine Erklärung dafür anzubieten. Sie ist zumindest anders als jene die sonst so gerne gedacht wird, dass die Leute einfach nur zu doof sind. Sind sie nicht. Sie sind häufig lediglich zu unsicher und trauen sich zu wenig zu, was ihre Lesefähigkeit angeht.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Inverted am 16 April 2012, 19:04:44
Ich frage mich beim Lesen der Bild gar nicht so selten, ob eine Zeitung ein Produkt ist wie alle anderen auch. Wenn die Leute nach einer Zeitung verlangen würden (im Sinne von Zahlungsbereitschaft), in der 100% Lügengeschichten stehen (beispielsweise "Die Chinesen sind an allem schuld!", "Schweine aus dem Weltall greifen an!" etc.), wäre es dann OK, sie zu drucken?
So eine Zeitung gab es wirklich mal: Neue Spezial.

Ein Jammer, dass die eingestellt wurde :(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 16 April 2012, 19:14:52
Ich frage mich beim Lesen der Bild gar nicht so selten, ob eine Zeitung ein Produkt ist wie alle anderen auch. Wenn die Leute nach einer Zeitung verlangen würden (im Sinne von Zahlungsbereitschaft), in der 100% Lügengeschichten stehen (beispielsweise "Die Chinesen sind an allem schuld!", "Schweine aus dem Weltall greifen an!" etc.), wäre es dann OK, sie zu drucken?

Das Problem mit der Bild ist aber, dass sie nicht immer bzw. nicht unbedingt zu 100 % lügt. Viele der Storys beinhalten ein Körnchen (oder sogar mehr als das) Wahrheit. So kann der normale Bild-Leser (der womöglich sonst nicht so viel Anderes liest) zunächst mal gar nicht unterscheiden, was nun Tatsachen sind und was frei erfunden ist.

Dazu kommt noch die Art der Berichterstattung; die Sprache, Darstellung (Hervorheben/Weglassen) und Ausdrucksweise, die darauf abzielt, eine ganz bestimmte Emotion, Haltung oder Reaktion bei den Massen hervorzurufen - was offensichtlich in einer Menge von Fällen ziemlich gut funktioniert. (Und ja, Messie, auch oder genau so macht man letztlich Politik (http://de.wikipedia.org/wiki/Politik), ob du persönlich es nun glaubst oder nicht.)

Im Idealfall informiert sich die Masse der Bild-Leser natürlich noch woanders. Im Idealfall plärren auch nicht die anderen Medien die BILD-Schlagzeilen fast ungefiltert nach. Also: im Idealfall.^^
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 17 April 2012, 13:14:02
Wer noch nicht genug vom Thema hat: Gestern gab es in der ARD die Sendung "Bild. Macht. Politik." Hier  (http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=10151786)in der Mediathek zu sehen.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 25 Oktober 2012, 16:19:33
Zuerst dachte ich ja, es sei ein Scherz, was die Volkshochschule in Osterode (Harz) für arbeitslose männliche Akademiker anbietet...

"De-Qualifizierung für
Akademiker

Dozententeam
Ein akademischer Abschluss oder gar eine
Promotion kann beim Zugang zu bestimmten
Berufen, beispielsweise als Bauhelfer, eine
große Einstellungshürde sein. In diesem Kurs
versuchen wir, durch Erlernen eines
zielgruppenspezifischen Vokabulars,
angepasste Kleidung und gezielte
Verhaltensänderungen auch aus promovierten
Geisteswissenschaftlern wieder echte Männer
zu machen. Ein entsprechender Kurs für
Frauen ist in Vorbereitung - nähere Infos sind
in der KVHS-Geschäftsstelle erhältlich.

Kurs 01.0413 - Intensivkurs
Ab 01.04.2013, Mo.-Fr., 09:00-16:00
0 € / 40x / 320 UStd"

Quelle (Seite 25) (http://www.kvhs-osterode.de/kurse/kursprogramm_12-13.pdf)

edit: Arbeitslose Dreifach-Doktoren müssen diesen Kurs dann wahrscheinlich drei Mal belegen... :D
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Black Ronin am 25 Oktober 2012, 17:29:25
Lerne Proll zu sein mit der VHS oder wie?
Zielgruppenspezifisches Vokabular? Schlepp mal die Scheisse da rüber  ! Flasch Bier, Tass Kaff ?
Realsatire !
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: RaoulDuke am 25 Oktober 2012, 18:00:51
Zuerst dachte ich ja, es sei ein Scherz, was die Volkshochschule in Osterode (Harz) für arbeitslose männliche Akademiker anbietet...

"De-Qualifizierung für
Akademiker

[...]
Ab 01.04.2013, Mo.-Fr., 09:00-16:00
0 € / 40x / 320 UStd"

Der Kurs läuft jeden Tag 7 Stunden, was bei 40 Tagen 280 Unterrichtsstunden sind (abzüglich Mittagspause), nicht 320. Zudem kostet es nichts?

Also *g*, möglicherweise lässt sich jetzt jemand bei der Arbeitsagentur für eine neue Kategorie der Qualifizierungsmaßnahmen feiern, wahrscheinlich aber lacht sich jemand mit sympathisch-bösartigem Humor bei der Volkshochschule gerade ins Fäustchen.

Auf den Frauenkurs bin ich gespannt. Weg mit den Kostümen und Schühchen, her mit der Sportkleidung? Und auf welche Jobs soll man da vorbereitet werden? :)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: EL am 25 Oktober 2012, 20:00:12
Zuerst dachte ich ja, es sei ein Scherz, was die Volkshochschule in Osterode (Harz) für arbeitslose männliche Akademiker anbietet...

"De-Qualifizierung für
Akademiker

Dozententeam

Kurs 01.0413 - Intensivkurs
Ab 01.04.2013, Mo.-Fr., 09:00-16:00
0 € / 40x / 320 UStd"


The requalification will likely take place directly on the building site.
And they will possibly fill their lexicon up with bricks and shovels in hands. 
So, free workers!      ;D  ;D
 
Hmm..     0 € / 40x / 320 UStd"    ;) 
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 25 Oktober 2012, 20:31:23
Auf den Frauenkurs bin ich gespannt. Weg mit den Kostümen und Schühchen, her mit der Sportkleidung? Und auf welche Jobs soll man da vorbereitet werden? :)

Den würde ich sogar belegen, wenn die Arge zahlt... ;D Und die zahlt ja so ziemlich jeden Scheiß, Hauptsache, die Leute sind aus der Statistik raus.^^ Betrüblich nur, dass man den Argen inzwischen wirklich jeden Blödsinn zutraut. (Nach allem, was ich über die inzwischen schon gehört und gelesen habe, bin ich noch immer nicht ganz davon überzeugt, dass es wirklich ein Fake ist... ::))
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 26 Oktober 2012, 11:13:14
Eine Entgegnung auf die in der Journaille vorherrschende Meinung zu Hartz-IV-Empfängern:

Langes, aber gut lesbares Interview mit Helga Spindler über die Verzerrung des Arbeitsmarktes durch Druck, über Entrechtung und Ohnmacht, die Dämonisierung der Arbeitslosigkeit und den Abbau des Rechtsstaats.

Teil 1 (http://www.heise.de/tp/artikel/37/37827/1.html)

Teil 2 (http://www.heise.de/tp/artikel/37/37828/1.html)

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 26 Oktober 2012, 13:00:30
Lerne Proll zu sein mit der VHS oder wie?
Zielgruppenspezifisches Vokabular? Schlepp mal die Scheisse da rüber  ! Flasch Bier, Tass Kaff ?
Realsatire !

Das ist ein Scherz
http://www.stern.de/wirtschaft/job/verfruehter-aprilscherz-vhs-bietet-dequalifizierung-von-akademikern-an-1916225.html
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 26 Oktober 2012, 14:11:37
Lerne Proll zu sein mit der VHS oder wie?
Zielgruppenspezifisches Vokabular? Schlepp mal die Scheisse da rüber  ! Flasch Bier, Tass Kaff ?
Realsatire !

Das ist ein Scherz
http://www.stern.de/wirtschaft/job/verfruehter-aprilscherz-vhs-bietet-dequalifizierung-von-akademikern-an-1916225.html

Heißt das etwa, die zartbesaiteten Akademiker müssen weiterhin Taxi fahren, um sich ihr unbezahltes Praktikum leisten zu können, und dürfen nicht (wie richtige Männer) als Bauhelfer arbeiten? ;)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Julya am 05 Dezember 2012, 17:13:32
Da fällt einem nix mehr zu ein! ???

http://www.freitag.de/autoren/gebe/schritte-zaehlen-fuer-das-jobcenter


Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: nightnurse am 05 Dezember 2012, 17:21:12
Ich wette, so nen Schrittzähler kann man auch im TV-Sessel sitzend durch Schütteln zum Zählen bringen.
Ich frag mich wirklich, ob solche Beamten eigentlich wissen, was ihr Job ist und wo seine Grenzen liegen. Und welches Jahr wir schreiben.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 05 Dezember 2012, 17:45:03
In dem Artikel ist noch ein weiterer verlinkt, in dem es darum geht, dass Hartz-IV-Empfänger unter Androhung von Sanktionen (3 Monate Kürzungen) zu einem Raucherentwöhnungskurs gezwun... eingeladen wurden. Ich stehe auch nicht auf Raucher, finde Rauchen sogar reichlich dumm, aber einem Fremden (außerhalb meiner Wohnung oder meines Büros) Vorschriften zu machen? Einfach weil ich es kann? Das überschreitet, wie Nightnurse schon schrieb, die Grenze dessen, was ein Arge-Mitarbeiter dürfen sollte.

Gegen-hartz.de (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-jobcenter-zwingt-zur-rauchentwoehnung-9001219.php)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Julya am 05 Dezember 2012, 18:11:32
Ja, den Raucherartikel hab ich auch gelesen. Unglaublich, was sich ein Hartz4-Empfänger gefallen lassen muss. >:(
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: nightnurse am 05 Dezember 2012, 18:18:45
Nun, die spannende Frage lautet: Muss er das? Ich könnte mir vorstellen, daß sich gegen solche bevormundenden Eingriffe in Selbstbestimmung und Privatsphäre erfolgreich klagen ließe. Die Arge ist nicht als Kindermädchen für alle konzipiert, soweit ich weiss.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Julya am 05 Dezember 2012, 18:23:33
Auf diese Frage hab ich nur gewartet. ;)

Du hast total recht. Ich finde auch nicht, dass man das muss. Man ist arbeitslos und kein minderbemittelter Schwerverbrecher. Aber man wird so behandelt. Hab ich auch schon erlebt, als ich mal drei Monate nach meiner Selbständigkeit auf ALG2 angewiesen war. (Als Selbständiger fällt man ja sofort ins ALG2.) Ich hab zwar keinen Cent bekommen, da man mir unschaffbare Fristen setzte, aber man hat es sehr gut geschafft, mich in meiner sowieso schon misslichen Lage, noch weiter runterzumachen. Wenn man nicht die Stärke hat, kommt man dagegen nicht an und an eine Klage denkt man erst recht nicht. Und so läuft es einfach so weiter wie bisher.... *kotz* >:( :-\
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 05 Dezember 2012, 18:58:55
Ja, gegen viele der Sanktionen und Repressalien kann man erfolgreich klagen. Sollte man auch. Dazu braucht man allerdings auch viel Kraft und Mut. Viele resignieren einfach. Zudem es ja auch eine Menge Geld und Überwindung kostet zu einem Anwalt zu gehen.

Weil die Prozesse der Sanktionierten zu einem hohen Anteil zugunsten der Hartz4-Empfänger entschieden werden und die Gerichte extrem überfordert sind, plant unsere Regierung nämlich die Erschwerung der Prozesskostenhilfe. Statt die Gesetze zu verbessern und beispielsweise weniger Ermessensspielraum zuzulassen, will sie neue Hürden schaffen, damit weniger Menschen ihr Recht vor Gericht durchsetzen können. Im Hinblick auf Hartz4-Empfänger, bei denen es ja oft nur um vergleichsweise "kleine" Beträge geht, will sie z. B. eine Untergrenze für die PKH schaffen und diese geringen Streitwerte so ausschließen. (Ich habe seitdem nichts mehr davon gehört und weiß also auch nicht, ob oder wie weit der Plan schon umgesetzt wurde.)

Wie immer seit 2005: Statt der Armut werden die Armen bekämpft.

Quelle: Faktisch keine Prozesskostenhilfe mehr (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-faktisch-keine-prozesskostenhilfe-mehr-9001081.php)
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CommanderChaos am 05 Dezember 2012, 19:23:16
Grenzwertig menschenverachtende Dinge, die ich aus meinem Freundeskreis kenne: Auf die Frage, ob man zu Ausbildungszwecken aus der Wohnung der Mutter (die Hartz IV bekommt) in eine WG ziehen könne, die Antwort "Nein, gehen Sie doch in den Osten, da ist es billiger."
Oder ein anderer Fall, in dem (so weit ich das richtig verstanden habe) widerrechtlich Bafög als Einkommen angerechnet wurde, mehrfach zugesandte und am Ende persönlich zugestellte Widersprüche als "ist nicht angekommen" ignoriert wurden, sich über einen Beschluss des Sozialgerichtes, dass der Widerspruch sehr wohl angekommen sei und bearbeitet werden müsse, ebenfalls hinweggesetzt wurde und nun eine nicht rechtmäßige Rückzahlungsforderung trotz aufschiebender Wirkung eines Widerspruches gegen einen anderslautenden Gerichtsbeschluss einfach mal per Vollstreckungsbescheid durchgesetzt werden soll.
Also, ich bin jeder Form von Gewalt gegenüber abgeneigt, aber immer mehr sehe ich die Voraussetzungen für das Inkrafttreten von GG Art. 20 Abs. 4 als gegeben an.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 05 Dezember 2012, 19:24:41
Ein Schrittzähler, da fällt mir gar nix mehr zu ein ...
Das wäre ja mal DIE Einladung, per Schrittzähler nachzuweisen dass man täglich spazierengeht und dann das Jobcenter dafür verantwortlich zu machen, weil man sich erkältet hat. Schließlich wäre man ohne den ja nicht in die Nasskälte gegangen und so.  8)

Genauso die Nummer mit dem Raucherentwöhnungskurs: Steuern auf jede Zigarette erheben, aber wenn Arbeitslose diese in die Kasse spülen kann ja nicht sein was nicht sein darf ...
Ich bin nun auch nicht pro Rauchen, aber das ist für mich ganz klare Bevormundung.
Der umgekehrte Weg, der ethisch deutlich ausgewogener wäre, eine Prämie für den Besuch eines solchen Kurses auszulobben, kommt natürlich nicht in Frage, das kostet ja schließlich Geld und spart keines.  ::)

Bin mal gespannt, was da noch so alles kommt. Würde mich nicht wundern, wenn es Sanktionen gäbe, wenn sich Leute nicht zu Sportkurs XY anmelden oder keine stromsparenden Geräte kaufen (die sie natürlich selbst berappen müssen, ist ja angeblich im Regelsatz drin) ...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 06 Dezember 2012, 00:07:28
Nun, die spannende Frage lautet: Muss er das? Ich könnte mir vorstellen, daß sich gegen solche bevormundenden Eingriffe in Selbstbestimmung und Privatsphäre erfolgreich klagen ließe.

Nun ja, als arbeitssuchende hätte ich einfach weder Kraft noch Mumm, noch zu klagen. So wie ich mich erinnern kann, konzentrierte ich mich nur auf die Job-Suche damals, die Bewerbungen, Absagen u.s.w raubten mir einfach all meine Kräfte.
So wie ich mich kenne, wäre ich einfach zu dem Nichtraucher-Kursus hingegangen und es über mich ergehen lassen. Ich glaube, hätte man mich zu Alphabetisierung-Kursus geschickt, wäre ich auch dorthin gegangen, um unnötige Stress zu vermeiden.

Liegt es eventuell daran, dass ich aus ehemalige Sowjetunion komme?
 
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 06 Dezember 2012, 00:19:38
Liegt es eventuell daran, dass ich aus ehemalige Sowjetunion komme?
Mag ein Grund sein.
Hängt aber auch mit der eigenen Persönlichkeit zusammen, wie viel man bereit ist, zurückzustecken und zu ertragen, bevor man die Grenze zieht.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 06 Dezember 2012, 00:27:11

Hängt aber auch mit der eigenen Persönlichkeit zusammen, wie viel man bereit ist, zurückzustecken und zu ertragen, bevor man die Grenze zieht.

Hochwahrscheinlich ja, leider
Mehrjährige Schulmobbing im prägenden Alter hinterlässt eben Spuren.

Ehrlich gesagt, verstand ich am Anfang gar nicht, was an diesem Nichtraucher-Kursus so schlimm ist - man geht eben hin und kann später trotzdem qualmen wenn man will.
Erst eure Reaktion zeigte mir, das man es hier eben anders sieht
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 06 Dezember 2012, 00:30:54
Tja... man muss sich eben klar machen, dass dies ein freies Land ist. Dazu gehört eben auch, dass man die größten Dummheiten (wie z.B. Rauchen) machen darf, solange dies andere nicht in Mitleidenschaft zieht.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 06 Dezember 2012, 08:45:12
Zitat
Ehrlich gesagt, verstand ich am Anfang gar nicht, was an diesem Nichtraucher-Kursus so schlimm ist - man geht eben hin und kann später trotzdem qualmen wenn man will.

Das Problem ist der Zwang, der dahintersteht.
Es heißt da nicht "du kannst da hingehen, wir begrüßen das und erstatten deswegen die Kursgebühr dafür", sondern "du musst da hingehen, weil wir wollen dass du mit dem Rauchen aufhörst, und wenn du es nicht tust, bestrafen wir dich dafür".

So etwas ist einem freiheitlichen demokratischen Landes einfach nicht würdig.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Gypsy am 06 Dezember 2012, 08:59:11
Zitat
Ehrlich gesagt, verstand ich am Anfang gar nicht, was an diesem Nichtraucher-Kursus so schlimm ist - man geht eben hin und kann später trotzdem qualmen wenn man will.

Das Problem ist der Zwang, der dahintersteht.
Es heißt da nicht "du kannst da hingehen, wir begrüßen das und erstatten deswegen die Kursgebühr dafür", sondern "du musst da hingehen, weil wir wollen dass du mit dem Rauchen aufhörst, und wenn du es nicht tust, bestrafen wir dich dafür".

So etwas ist einem freiheitlichen demokratischen Landes einfach nicht würdig.

1. DANKE messie für den grammatikalisch richten weil-Satz. Danke.
2. Stimme ich dem zu, auch als Nichtraucherin finde ich es eine Unverschämtheit anderen vorzuschreiben ob sie qualmen oder nicht. Wo, das mag ein anderes Thema sein  (über das wir woanders trefflich streiten könnten).
3. Ist im ALG2-Satz eigentlich Verhütung vorgesehen? Soweit ich weiß bekommen z.B. Gefändnisinsassen Kondome bzw die Pille bezahlt. Bekommen das "Hartzer" auch? Und wenn nein... was sagt das über unsere Politik, wenn arbeitslose Eltern gleich zu verwahrlosten Alkoholikern abgestemptelt werden, andererseits aber keine finanzielle Hilfe im Bereich Familienplanung bekommen? Wo wir doch so dringend Kinder in Deutschland brauchen? Gibt es bald Pflichtkurse für Arbeitslose über die Temperaturverhütungsmethode, richtig eingesetzten Koitus Interruptus? LOL.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 06 Dezember 2012, 09:05:18
Nun ja, keiner wird ja überprüfen, ob man wirklich aufgehört hat.
Als Eingewanderte musste ich schon an einigen sinnlosen Unternehmen früher teilnehmen (ich erinnere mich an einen Bewerbungstraining, wo ich zwischen lauter Halb-Analphabeten sass, ;) ) bin einfach hingegangen und war körperlich anwesend. Das ersparrt Nerven.

Kritisch sehe ich dagegen, wenn jemand wirklich dazu gezwungen wäre, aufzuhören (egal ob mit Rauchen, Alkohol oder Haschisch), d.h. zum Beispiel zu einem Entgiftung gezwungen wäre.

P.S.
Pille oder Kondome werden "Hartzer" nicht bezahlt, die Kosten für eine Abtreibung werden degegen übernohmen.
Wenn man überlegt, wieviel Zynismus dahinter steckt, ist Nichtraucherkursus dagegen wirklich noch harmlos.

Kondome kann man zu Not auch bei AIDS-Hilfe oder Drogenberatung holen, aber kaum einer von diese Menschen weisst davon und viele werden sich dorthin nicht trauen.

Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 06 Dezember 2012, 09:09:54
Ehrlich gesagt, verstand ich am Anfang gar nicht, was an diesem Nichtraucher-Kursus so schlimm ist - man geht eben hin und kann später trotzdem qualmen wenn man will.
Erst eure Reaktion zeigte mir, das man es hier eben anders sieht

Wie Messie schon ähnlich schrieb, ist es die Art und Weise, auf die seit der Einführung der Hartz-Gesetze mit den Arbeitslosen umgegangen wird, damit sie gehorchen. Aus dem bisherigen Arbeitsamt ist eine Art Gängelungs- und Bevormundungsanstalt geworden, deren - oft auch nur angelernte - Mitarbeiter nach Ermessen unter Androhung von Strafen ihre "Kunden" in nutzlose Maßnahmen und unterbezahlte Arbeit pressen dürfen. Mehrere Artikel des Grundgesetzes werden aufgrund der Hartz-Gesetze durch übereifrige Mitarbeiter angetastet bzw. außer Kraft gesetzt (Freizügigkeit, freie Berufswahl), und nun wollen sie sich immer weiter in so grundlegende Rechte wie die freie Entfaltung der Persönlichkeit einmischen, zu der nun mal, ob es einem gefällt oder nicht, auch das Rauchen oder Sportmuffeligkeit gehört. Bei welchem Grundrecht will man dann noch aufhören, wo ist die Grenze?

Und die Mainstreammedien halten fleißig den Kurs der Regierung(en), aus Arbeitslosen, die man davor wegen ihres Schicksalsschlags eher bemitleidete, faule, saufende, anspruchsvolle Schmarotzer zu erschaffen, die man bevormunden muss, und ihnen die Schuld an jahrelanger verfehlter Wirtschafts- und Sozialpolitik zuzuschieben. Und es funktioniert.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Gypsy am 06 Dezember 2012, 09:12:51
Ich möchte Kotzen bei diesem Zynismus.

Der Posten für Schnittblumen wurde ja auch gestrichen... kein Sex, keine Blumen. Dafür aber n finanziellen Striptease für einen Monat Überbrückung... n Freund von mir hat sich dann lieber Geld von seiner Familie für 2 Monate geliehen als bei diesem völlig absurden Spielchen mitzuspielen. Die wollten die Eigentumsurkunde vom Haus seiner Mutter sehen und gaben ihm 1 1/2 Tage Frist und sowas.

Bald ist ja Wahl - wer war noch einmal für das bedingungslose Grundeinkommen?!
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 06 Dezember 2012, 09:16:03
Man stelle sich vor, ein Arbeitgeber sagt "ihr Angestellten müsst jetzt alle zu diesem Nichtraucherkurs gehen. Wenn ihr es nicht tut, wird euer Gehalt um 10 Prozent gekürzt."

Den Aufschrei kann ich mir vorstellen, wenn diese Meldung an die Öffentlichkeit käme ;)

Es wird da mittlerweile schlicht mit zweierlei Maß gemessen: Arbeitslose müssen alles und dürfen nichts. Angestellte mittlerweile leider auch häufig. Was mir alleine in Vorstellungsgesprächen an klar gesetzeswidrigen Vertragsoptionen vorgestellt wurde geht auf keine Kuhhaut - aber es scheint ja zu funktionieren, da es genug Leute gibt, die die Klappe halten, aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und der Erwartung, genau solchen wie den geschilderten Repressalien.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: schwarze Katze am 06 Dezember 2012, 09:28:10
Nun ja, Messie, bei einigen gesundheitlichen Untersuchungen ist auch Drogen- und AIDS-Test dabei, und das nicht nur bei Polizei und Bundeswehr.
D.h. hast du mal am WE vor zwei oder drei Wochen gekifft, bist du draussen.

Wie gesagt, mit Nichtraucherkusus sehe ich es nicht sehr dramatisch, bei Verhütung dagegen schon.
Sollen die Frauen wie in Sowjetunion früher mithilfe von Abtreibungen verhüten? Damals gab es einige Frauen, die zweimal im Jahr abgetrieben haben.
Und Kondome schützen nicht nur von Schwangerschaft, sondern auch von AIDS..naja, die Kosten für AIDS-Medikamenten werden ja übernommen :(  Was für ein Zynismus
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: CubistVowel am 06 Dezember 2012, 09:34:47
Der Posten für Schnittblumen wurde ja auch gestrichen... kein Sex, keine Blumen.

Bei diesem Posten handelte es sich übrigens nicht wirklich um Schnittblumen, sondern tatsächlich um den Weihnachtsbaum, dessen Kosten wie üblich auf 12 Monate verteilt wurden. Aber wie ich in dem Sanktionen-Thread schon schrieb, es eignete sich in der BLÖD-Zeitung natürlich besser als Schlagzeile "Regierung streicht Alkohol und Tabak" als "Regierung streicht Hartz-Kindern den Weihnachtsbaum".



aber es scheint ja zu funktionieren, da es genug Leute gibt, die die Klappe halten, aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und der Erwartung, genau solchen wie den geschilderten Repressalien.

Und durch diese Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und durch die Hartz-Gesetze entsteht, wie von Gas-Gerd angekündigt, ein immer größerer Niedriglohnsektor, auch viele "normale" Arbeitnehmer müssen Einschnitte hinnehmen. Aber Hauptsache, die Lohnstückkosten in Deutschland bleiben niedrig, damit wir ordentlich exportieren können... "Uns" geht es doch prima, "wir" haben keine Krise, gell. Nur leider spaltet sich das "wir" inzwischen immer mehr in Gewinner und Verlierer (siehe Armutsbericht - den ungefälschten), man kann bei den riesigen Einkommens(zuwachs)unterschieden nicht mehr einfach den Mittelwert nehmen und so behaupten, "im Mittel" geht es uns gut. Außer natürlich, man will die Bevölkerung aus bestimmten Gründen manipulieren...
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Gypsy am 06 Dezember 2012, 09:40:19
http://www.der-postillon.com/2012/09/alles-supi-weiter-so-fdp-stimmt.html
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: Eisbär am 06 Dezember 2012, 18:54:08
Man stelle sich vor, ein Arbeitgeber sagt "ihr Angestellten müsst jetzt alle zu diesem Nichtraucherkurs gehen. Wenn ihr es nicht tut, wird euer Gehalt um 10 Prozent gekürzt."

Den Aufschrei kann ich mir vorstellen, wenn diese Meldung an die Öffentlichkeit käme ;)
Da es inzwischen Arbeitgeber gibt, die Raucher gar nicht mehr einstellen oder die Nichtrauchern pauschal mehr bezahlen (die machen eben weniger Pausen, sind weniger krank etc), wäre der Aufschrei vermutlich gar nicht mal so groß.
Titel: Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Beitrag von: messie am 06 Dezember 2012, 20:22:06
Man stelle sich vor, ein Arbeitgeber sagt "ihr Angestellten müsst jetzt alle zu diesem Nichtraucherkurs gehen. Wenn ihr es nicht tut, wird euer Gehalt um 10 Prozent gekürzt."

Den Aufschrei kann ich mir vorstellen, wenn diese Meldung an die Öffentlichkeit käme ;)
Da es inzwischen Arbeitgeber gibt, die Raucher gar nicht mehr einstellen oder die Nichtrauchern pauschal mehr bezahlen (die machen eben weniger Pausen, sind weniger krank etc), wäre der Aufschrei vermutlich gar nicht mal so groß.

Sei dir da mal nicht zu sicher ...
Denn wenn sich die Medien um das, was du hier schriebst, mal im Sommerloch o.ä. dann mal auf Seite 1 damit austoben, dann könnte es schnell anders damit aussehen.
Was du beschreibst, geschieht momentan immer noch eher "unter der Hand" und nicht öffentlichkeitswirksam.