Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Musik und Bands => Thema gestartet von: RaoulDuke am 27 Januar 2022, 11:40:49

Titel: Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 27 Januar 2022, 11:40:49
Ich bin seit vielen Jahren beigeisterter Kunde bei der weltgrößten Musikstreaming-Plattform. Und ich meine begeistert - die Bibliothek ist auch in kleinsten Randbereichen fast vollständig, und ich fühle mich oft, als hätte ich als kleiner Junge eine riesige Bonbonkiste gefunden. Als Musikfan höre ich immer etwas, wenn ich unterwegs bin, Musik, aber auch Podcasts, höre die Band-"Radiosender", bei denen Musik gezeigt wird, die von Fans der Band, bei der ich gelandet bin, auch gehört wird - und so bin ich auf einer nie endenden Entdeckungsreise durch die Musikgeschichte, von Beethoven bis Black Metal, es ist alles dabei.

Meine große CD-Sammlung habe ich allerdings nie aufgegeben, wenn auch schn lange nicht mehr verwendet und schon gar nicht ergänzt. Heute morgen wurde ich allerdings schmerzhaft daran erinnert, dass die Monopolisierung des Musikzugangs auch seine Schattenseiten haben kann. Der Grund ist eigentlich der, der auch schon den Monopolisten Facebook für mich unbenutzbar gemacht hat: Die Politisierung von einfach Allem.

Der konkrete Anlass war die Ankündigung von Neil Young, seine Musik bei Spotify löschen zu lassen (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/spotify-loescht-neil-youngs-musik-desinformationen-zu-corona-impfung-17756919.html) bzw. nicht mehr zur Verfügung zu stellen, weil ein Podcaster namens Joe Roghan dort nach seiner Ansicht Falschinformationen über Corona verbreite. Nun kenne ich Joe Rogan nicht, und er ist mir auch egal. Neil Young kenne ich aber schon, und höre sogar gelegentlich etwas von ihm. Ich könnte auf ihn in meiner Playlist zwar auch verzichten, aber es hat sich mir ein Szenario aufgedrängt, das mich am Ende sogar von Spotify vertreiben könnte, wie einst von Facebook. Und zwar das Folgende:

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie das Problem gelöst werden kann: Joe Rogan bleibt, Neil Young bleibt weg. Dann werden andere Künstler um Herrn Young unter Druck geraten, "Haltung" zu zeigen und dem Beispiel zu folgen. Neil Young hat ja seine politische Haltung zu einem zentralen Element seiner Musik gemacht, was ja auch OK ist, und er ist Vorbild für viele andere. Er hat andere auch aufgefordert, mitzumachen. Mit etwas Pech müssen irgendwann alle Künstler, die der Counterculture der 60er nahestanden, gehen, weil ihre Fans rebellieren, wenn sie es nicht tun. Sie zeigen schließlich sonst keine "Haltung". Aufgrund der großen Zahl der betroffenen Bands und Fans wird Spotify wahrscheinlich genötigt werden, dem zuvorzukommen, und Joe Rogan von der Plattform nehmen müssen. Dann geht die Spaltung in umgekehrter Richtung weiter. Wie kann Jordan Peterson auf einer Plattform bleiben, die so etwas wie Zensur betreibt oder sich zumindest durch ökonomischen Druck dazu bringen lässt, die verfämte "Cancel Culture" zu betreiben, die Herr Peterson so vehement bekämpft?

Die Plattform wird sich (mit etwas Pech) entscheiden müssen, ob sie Vielfalt oder Haltung vertreten möchte. Das ist nicht neu, ähnliches betrifft ja auch Facebook, Twitter, die Veranstaltungen Golden Globes und die Oscar-Verleihung, die Online-Plattformen Parler und GAB, Telegram, diverse Spieleplattformen und am Ende eigentlich die ganze Gesellschaft. Nur so ein kleines Forum für Grufties im Raum Hamburg hat bisher es geschafft, diesem Schicksal einigermaßen zu entgehen, wenn auch unter Schmerzen. ;)

Naja, Jordan Peterson würde Dennis Prager folgen, dann würde die Glenn Beck Show fallen, dann vielleicht diverse Country- und Folk-Künstler, dann frisst sich die politische Korrektheit beider Lager immer tiefer rein, und man kann sich ausmalen, wie es dann weitergeht: Am Ende ist die Bonbonschachtel halbleer, und wenn die Mehrzahl der Plattformen ein Beispiel ist, werden nur noch Bonbons auf der linken Seite liegen. Man kann dann aufwendig und teuer eine kleine, schlechter gemachte Bonbonschachtel dazuabonnieren, auf der einige Bonbons auf der rechten Seite liegen, aber wenn die anderen Plattformen ein Beispiel sind, werden am Ende einfach viele Bonbons fehlen.

Dumm für Leute, die Musik als solche gut finden und dabei Politik-agnostisch sind. Ich höre Slime, aber auch Dolly Parton. Neofolk finde ich toll, 60s Hippie-Bands aber auch. Ich kann den satanischsten nordischen Black Metal hören und für seine Energie und Kunstfertigkeit bewundern, und am nächsten Tag laufen Bach-Kantaten im Wohnzimmer.

"Keep on rockin' in the free world" sang Neil Young einst. OK, ich ziehe den Refrain aus dem Kontext, aber ich würde gerne weiterrocken in der freien Welt, ohne politisch korrekten Cancel Culture-Filter, wer auch immer da hängen bleiben würde.

Zeit, wieder CDs zu kaufen? Die kann man wenigstens nicht aus dem Schrank löschen, wenn sie mal in politische Ungnade fallen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: nightnurse am 27 Januar 2022, 11:58:17
Bisschen clickbaity dramatischer Threadtitel? ^^

Das Phänomen, das Du beschreibst, ist doch nicht neu.
Früher hat der Ladeninhaber entschieden, was er sich in die Regale (oder den Katalog) stellte und wenn man unzufrieden war, daß da Slime bzw. Störkraft stand oder nicht stand, ging man da nicht einkaufen und stattdessen woanders hin, wo einem das Sortiment (und die damit vermittelte Haltung) besser gefiel. Die Künstler hatten darauf allerdings keinen Einfluss.
Heute gibt sich die Plattform überpolitisch und die Künstler überlegen sich, ob ihnen das gefällt. Womöglich setzt das nen Trend. Kann sein. Tja.

Das wird wohl kaum das Ende von Musikstreaming bedeuten. Es wird nur vielleicht für den Endverbraucher  unhandlicher (und teurer) werden, weil man evtl mehrere Plattformen benutzen muss. So wie damals.

Man soll übrigens auch Musik ohne physischen Tonträger kaufen können. Habe ich mir erzählen lassen. Teurer als Streaming, billiger und platzsparender als CDs. Auf Bandcamp gibt es manchmal Supersonderangebote, die sogar mich in Versuchung bringen ;D
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 27 Januar 2022, 14:06:07
Die Plattform wird sich (mit etwas Pech) entscheiden müssen, ob sie Vielfalt oder Haltung vertreten möchte. Das ist nicht neu, ähnliches betrifft ja auch Facebook, Twitter, die Veranstaltungen Golden Globes und die Oscar-Verleihung, die Online-Plattformen Parler und GAB, Telegram, diverse Spieleplattformen und am Ende eigentlich die ganze Gesellschaft. Nur so ein kleines Forum für Grufties im Raum Hamburg hat bisher es geschafft, diesem Schicksal einigermaßen zu entgehen, wenn auch unter Schmerzen. ;)

Nicer Seitenhieb. :D

...dass die Monopolisierung des Musikzugangs auch seine Schattenseiten haben kann. Der Grund ist eigentlich der, der auch schon den Monopolisten Facebook für mich unbenutzbar gemacht hat: Die Politisierung von einfach Allem.

Verstehe ich jetzt nicht ganz. Wenn Schboddifei ein Monopol hat, was sind dann Tidal und Quobuz?

Ansonsten verstehe ich das Dilemma. Es ist auch hammerhart schwierig.
Ich bin total für Meinungsfreiheit, diese ist ein so ultrawichtiges Gut.

Wir haben eine neue Situation, eine neue Qualität.

Seit dem Ende des 2. Weltkrieges haben Verschwörungsmythen keine, oder kaum noch, Todesopfer gefordert. Zion-Dingsbums, Flatearthler, neurechte Friedensbewegung, alles Phänomene, die man auch da lassen und deren Anhänger man als "Spinner" abtun kann - um der Meinungsfreiheit Willen. Der Holocaust war bisher das letzte geschichtliche Ereignis, wo ein Verschwörungsmythos Menschenleben kostete.
Und heute... https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/tote-corona-leugner-wenn-nicht-sein-kann-was-nicht-sein-darf,SuONlPT (https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/tote-corona-leugner-wenn-nicht-sein-kann-was-nicht-sein-darf,SuONlPT)

Es ist immer eine Gradwanderung, und ich bin davon überzeugt, dass wir weiter sind, an einem Punkt, an dem es nicht mehr einfach nur noch um "Haltung zeigen" geht. Es ist mehr als "Haltung". Es geht um Menschenleben.

Es ist überall so, nicht nur beim Musikstreaming.

Man könnte aber eine Lektion lernen: Ob die Öffnung eines MUSIK-Streamingdienstes für (politische) Podcasts eine gute Idee ist. Oder ob man bei Musik bleiben sollte.
Man kann auf Spotify ohne Probleme Burzum hören, bei der Suche nach Störkraft oder Landser sieht es schon schlechter aus. Hier hat man ja offenbar schon Regularien, die sicher auch nicht jedem passen, die aber noch keinen Massenboykott der Plattform ausgelöst haben.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 27 Januar 2022, 15:45:22
ich persönlich fände es sowieso schön, wenn bei Spotify überhaupt keine Podcasts oder Hörbücher zu finden wären. Nichts ist nerviger als wenn man in allen neu zusammengestellten "Mix der Woche"-Folgen plötzlich Hörbuchfetzen (ja auch nur einzelne Episoden, mittendrin) findet, nur weil man einmal auf der Plattform ein Hörbuch gehört hat.
Also: Kann weg, ist keine Kunst :P

Ansonsten haben wir hier das Phänomen der rein finanziellen Abwägung: Wie viele Leute hören den Rogan, wie viele Leute Neil Young? Wie viele Musiker, die oft gehört werden, folgen seinem Beispiel?
Wie lange wartet Spotify hier mit einer Entscheidung, haben sie bis dahin Hörer und Künstler unwiderbringlich verloren? Zumal ja auch die Auszahlungsmodalitäten bei dem Laden oft eher mau sein sollen.

Tidal scheint nochmal für Musik einen Aufwind zu bekommen, ist aber nicht so vielfältig. Audible bleibt als Nummer1 für Hörbücher.

Wo ich Dir, Raoul, aber widersprechen muss ist die Vielfalt. Spotify ist mir gerade in den letzten Jahren primär dadurch aufgefallen, dass "unangenehm-politische" Musik auf der Plattform sich breitgemacht hat. Von eindeutig-zweideutigem Deutschrock, über auf einmal auftauchende russische Songs zweifelhafter Qualität wird einem immer mehr solches Zeug in die "Neu" und "Mix der Woche"-Playlists gespült, vor allem da man es beim reinen Nebenbeihören auch manchmal schlichtweg nicht mitbekommt (könnte auch Eisbrecher sein oder so).

Und dann nervts, weil man wieder einzelne Bands aus seinen Hörvorlieben blocken muss, damit man nicht ständig damit bombardiert wird, der Algorithmus aber nicht erkennen kann, dass die Texte das Problem sind und nicht der Musikstil. Also hat man 2 Wochen später wieder so einen Scheiss im neuen Mix.

Wenn man nur gezielte Oldies hört geht das. Aber wer die Plattform wirklich nutzen will um Musik zu entdecken, der trifft teilweise echt auf... grenzwertigen Mist.


Edit: Grad Zahlen gelesen. Neil Young kommt bei Spotify auf ca. 6,5mio Aufrufe pro Monat. Rogan auf über 200 Millionen...
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: nightnurse am 27 Januar 2022, 21:47:32
Ansonsten verstehe ich das Dilemma. Es ist auch hammerhart schwierig.
Ich bin total für Meinungsfreiheit, diese ist ein so ultrawichtiges Gut.

Was übrigens stimmt.

Ich bin nur nach wie vor befremdet, daß wir die Wahrung dieses Gutes mehr und mehr von Privatunternehmen abhängig machen.
Facetwittyougram haben alle ihre AGB, wer mitmischen will, muss die abnicken, wenn da drinsteht [Zeug] ist bei uns verboten, dann isses halt so. Wenn die die AGB ändern und auf einmal ist [anderes Zeug] verboten, ja, tough shit?

Auch die Streamingdienste sind private Unternehmen, die können (im Rahmen geltender Gesetze) anbieten, was sie wollen. Oder eben nicht. Ich kapiere nicht, wie man da mit einer "ihr müsst aber weil Meinungsfreheit"-Haltung rangehen kann. Echt nicht.
Schon zu Analogzeiten waren weder Zeitung noch Radio verpflichtet, Leserzuschriften zu veröffentlichen oder alles zu ventilieren, was man ihnen an Artikeln oder Musik zuschickt. Warum erwartet man das jetzt von Internetanbietern?

(Tschuldigung, frage ich mich schon lange ::) )

Zur freien Meinungsäußerung gehört aber nun mal auch die Freiheit, den Laden zu verlassen, wenn einem nicht gefällt, was da passiert. Wenn das ausreichend viele Leute tun, muss der Laden vielleicht mal drüber nachdenken. Der Markt regelt :]


Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 28 Januar 2022, 09:52:26
Interessante Wendung hier übrigens im Bereich Youtube:
In den USA gibts ja diese "Fair Use"-policy, nach der z.B. eine Wiederverwendung von Inhalten (Musik, Videos) erlaubt ist, wenn man diese verfremdet.
Ein Kanal eines berühmten Youtubers, der Anime-Serien diskutiert und inhaltlich auseinandernimmt, wurde von Toei animation (Dragonball Z usw...) mit Copyrightklagen überschwemmt. Sie haben erst versucht direkt über Youtube seinen Kanal löschen zu lassen, als Youtube da nicht mitspielen wollte über 150 Videos von ihm manuell geflaggt, und schließlich eine Liste von 86 Videos vorgelegt die sie beanstanden und die sie nicht demonetarisiert, sondern komplett gelöscht wissen wollten, mit der Aufforderung, dass auch alle anderen von ihm gelöscht werden sollten.
Nach der Fair-Use-Clause waren die aber alle in Ordnung.
Youtube will in solchen Fällen jetzt Regionalblockings anwenden, wie sie es zunächst ja in D auch mit Musikvideos gemacht haben. Damit wären die Videos nur noch in den Ländern zu sehen, wo man gesetzlich die Nutzung nicht beanstanden kann. Ansonsten müssen die Rechteinhaber in diesen Ländern gegen die dort vorherrschende Gesetzgebung klagen.


Die Idee dahinter finde ich ansich nicht schlecht. Das sollte dann aber auch weltweit so angewandt werden, das überall die jeweils gültigen Länderstandards eingehalten werden. Und nicht die amerikanischen Sichtweisen überall aufgepfropft werden.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 30 Januar 2022, 01:01:12
Bisschen clickbaity dramatischer Threadtitel? ^^

Jetzt fühle ich mich aber ein kleines bisschen durchschaut. ;)

Der allgemeine Stil der Medien färbt halt ab auf mich, aber ich habe wenigstens vermieden, ins Feld zu führen, DaSs WiR AlLe StErBen WeRdeN!!!!1!!EINS (https://www.der-postillon.com/2012/07/schockstudie-enthullt-wir-werden-alle.html), AHHH! 8)

Edit: Grad Zahlen gelesen. Neil Young kommt bei Spotify auf ca. 6,5mio Aufrufe pro Monat. Rogan auf über 200 Millionen...

Ja, Joe Rogan kommt bei seinen Sendung auf etwa 20 mal so viele Zugriffe wie im Internet veröffentlichte Beiträge von CNN, berichtete Callum von den Lotus Eaters. Spotify hat sich größte Mühe gegeben, ihn an Bord zu holen, und von dem, was ich bisher vernehmen durfte, hat er zwar manchmal ziemlich skurrile Chaoten in seiner Show, aber aus allen Richungen, und diskutiert sachlich mit ihnen. Die paar Schnipsel, die ich hören konnte, fand ich sogar ziemlich interessant. Besagter Podcaster von Lotus Eaters verglich daraufhin die Aktion von Neil Young mit einem Bankräuber, der in eine Filiale läuft, sich selbst eine Waffe an den Kopf hält und ruft "Geld her oder ich schieße!" ... und dann tut keiner was. Also: BÄM, Neil Young ist weg und Joe Rogan noch da.

Auch wenn ich es wegen Neil Youngs Musik schade finde: Das war auch eine echt dumme Aktion.

Wo ich Dir, Raoul, aber widersprechen muss ist die Vielfalt. Spotify ist mir gerade in den letzten Jahren primär dadurch aufgefallen, dass "unangenehm-politische" Musik auf der Plattform sich breitgemacht hat. Von eindeutig-zweideutigem Deutschrock, über auf einmal auftauchende russische Songs zweifelhafter Qualität wird einem immer mehr solches Zeug in die "Neu" und "Mix der Woche"-Playlists gespült, vor allem da man es beim reinen Nebenbeihören auch manchmal schlichtweg nicht mitbekommt (könnte auch Eisbrecher sein oder so).

Das finde ich echt interessant. Das Problem habe ich überhaupt nicht, aber vermutlich, weil ich jede Band, die ich höre, direkt auswähle oder sie zumindest aus dem Radio-Stream eines mir bekannten Künstlers kommt. Dass da irgendwas auftaucht, was mich inhaltlich aufregt, ist echt selten. Aber ich höre auch so ziemlich nichts, was stilistisch unangenehm Politisches aufwirbelt, und die alten Punks, die dürfen das irgendwie bei mir, das ist ja irgendwie Folklore, und schon so lange her.

Man könnte aber eine Lektion lernen: Ob die Öffnung eines MUSIK-Streamingdienstes für (politische) Podcasts eine gute Idee ist. Oder ob man bei Musik bleiben sollte.
Man kann auf Spotify ohne Probleme Burzum hören, bei der Suche nach Störkraft oder Landser sieht es schon schlechter aus. Hier hat man ja offenbar schon Regularien, die sicher auch nicht jedem passen, die aber noch keinen Massenboykott der Plattform ausgelöst haben.

Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch keinen Song von Störkraft oder Landser gehört, geschweige denn gesucht. Aber es ist eben die Frage, wo man die Grenze zieht - und ich selbst hätte sie gerne weit. Burzum ist ein gutes Beispiel, eigentlich ein perfektes, weil ich Abscheu über die Taten von Varg Vikernes empfinden kann und die Musik cool finden. Ich hatte Sorge, dass die Grenze nun in Bewegung gerät, tut sie aber wohl nicht.

Politische Podcasts sind aber echt eine Frage. Ich bin ja generell dafür, dass alle mit allen diskutieren, aber die Zeiten sind nicht mehr so. Vielleicht sollte es einen Streming-Dienst für Musik geben, und dann so Services wie Podcasts nach politischen Lagern unterteilt. Das ist ja bei Social Media ja schon Usus, bei der Presse sowieso, bei den großen Konzernen (vgl. Gilette und Wilkinson), bei Banken (hier kann spannende Dinge über die Bank of America googlen) und fast allem anderem. Musik ist noch ein Medium für alle, und ich hoffe, das bleibt noch ein Weilchen so.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Eisbär am 30 Januar 2022, 11:03:05
Die Plattform wird sich (mit etwas Pech) entscheiden müssen, ob sie Vielfalt oder Haltung vertreten möchte.
Du verwendest den Begriff "Vielfalt" in dem Zusammenhang falsch oder zumindest fragwürdig.
Wenn man Deiner Definition der Darstellung von Vielfalt in den Medien folgen würde, hätten wir ein noch schlimmeres false balancing in selbigen als wir es eh schon haben.

Ich verstehe auch nicht, wieso eine Musikplattform jemanden verbreiten lässt, dass man Corona mit Pferdeentwurmungsmedikamenten behandeln kann.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 30 Januar 2022, 17:51:53
Die Plattform wird sich (mit etwas Pech) entscheiden müssen, ob sie Vielfalt oder Haltung vertreten möchte.
Du verwendest den Begriff "Vielfalt" in dem Zusammenhang falsch oder zumindest fragwürdig.
Wenn man Deiner Definition der Darstellung von Vielfalt in den Medien folgen würde, hätten wir ein noch schlimmeres false balancing in selbigen als wir es eh schon haben.

Ich verstehe auch nicht, wieso eine Musikplattform jemanden verbreiten lässt, dass man Corona mit Pferdeentwurmungsmedikamenten behandeln kann.

Ganz einfach: Weil es Geld bringt.
Wie schon geschrieben, 200 Millionen Aufrufe, und an jedem verdient Spotify. Wenn er dort jederzeit und ohne Probleme gehört werden kann, dann rennen als die "Meinungsfreheitskämpfer" zu Spotify, weil ja dort noch echte Meinungsfreiheit herrscht (sprich: Die Leute, die absolut nachprüfbare und gefährliche Lügen verbreiten, dies ungestraft tun dürfen im Dienste des Kapitalismus). Da Spotify ansich schon jetzt mit abnehmenden Abozahlen zu kämpfen hatte (der Wert brach grad ca. 9% ein, das hatte mit dem Typen aber nix zu tun, sondern mit allgemeiner Abwanderung) ist scheinbar einigen Leuten alles Recht, was Abonnenten bindet.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 31 Januar 2022, 09:48:49
[...] ist scheinbar einigen Leuten alles Recht, was Abonnenten bindet.

Und das ist gut so.

Die Alternative würde ja darin bestehen, dass ein "Ministerium für Wahrheit" oder eine andere Stelle alle Informationen und Musik vorselektiert und es Spotify dann gestattet, diese zu veröffentlichen, wenn die Prüfung erfolgreich war. Das kann nicht richtig sein - es ist schon gut, dass die Leute selbst entscheiden können, was sie hören, und von wem. Das abzulehnen würde ja die implizite Annahme treffen, dass die Hörer nicht selbstverantwortlich handeln können und gelenkt werden müssen... Und will das jemand? Denn:

Dann wäre nämlich Schluss mit Burzum (Satanismus!), mit Gangster-Rap (Sexismus! Gewaltismus!), mit Slime (Extremismus!), mit Goethes Erben (schlimmer Einfluss auf die Jugend! ... oder, äh, Fans), mit Joe Rogan (Rechts!), mit Das Ich (Umstritten!), mit Combichrist (Sexismus!), eigentlich mit Neofolk generell (Rechts!), mit Punk (Extrem! Schlechter Einfluss!), mit politischen Kommentaren jeder Art (Wozu? Es gibt doch das Ministerium für Wahrheit!) .... setzen sie diese Liste nach Belieben fort.

Entweder Menschen sind selbstverantwortlich, dann dürfen sie frei wählen was sie tun oder hören, oder sie können nicht selbstverantwortlich handeln, dann dürfen sie eben nicht frei wählen und müssen gesteuert werden. Aber wäre es dann nicht besser für sie, sie zu ihrem eigenen Glück zu versklaven? Dann würden sie auch endlich damit aufhören, zu viel Alkohol zu trinken, zu rauchen, nachts so lange aufzubleiben, zu viel zu Reisen und das auch noch mt Flugzeugen, sowas klimaschödliches wie Autos oder Häuser zu kaufen oder gar frei ihre unverantwortliche Meinung zu äußern, und und und...

OK, "I am getting carried away", zugegeben, aber das ist genau die Bruchlinie. Das Wesen des Culture War besteht ja in der Frage der Annahme verantwortliche Menschen > freie Märkte machen das schon ("der Markt regelt" ;) ), unverantwortliche Menschen > sie müssen gezwungen und gelenkt werden, zu ihrem eigenen Glück von höheren Stellen wie der Politik, und dann ist alles gut. Bis irgendwer, irgendwann dann die Frage stellt "Sind Politiker denn keine Menschen?"

.... um den bisherigen Stand der Debatte einmal zusammenzufassen. Die muss hier nicht geführt werden, aber Spotify ist das neueste Opfer der Kollision dieser Denkweisen, und ich glaube, trotz des in meinem vorangegangenen Post geäußerten vorsichtigen Optimismus wird es hier (wie auch überall sonst) keinen Kompromiss geben können, sondern eine Spaltung. Immerhin haben sich ja nun Meghan und Harry aus dem britischen Königshaus eingeschaltet, dann landet das in der Klatschpresse, jeder berichtet darüber, die Debatte brandet auf, und wie bisher jedes mal wird vermutlich die politische Korrektheit gewinnen, dann kommt es durch Konfliktparteien oder Solidaritätsbekundungen zum Riss. Youtube demonetarisiert ja auch klar anhand politischer Linien, und so wird es auch hier sein.

Also hat man zukünftig vermutlich zwei oder megr Plattformen. Hoffentlich bekommt die zweite Plattform das dann besser hin als die Facebook-Alternativen Parler (haben sich von Amazon AWS abschalten lassen und durch konzertierten Aktivismus der Gegenseite ihre Reputation unheilbar schädigen lassen) oder GAB (haben technische Probleme und lassen zu viel schlechten / abschreckenden Content zu, so dass sich hier auch kein Gleichgewicht einstellen mag)... Ich bin gespannt.

Schade eigentlich. Warum vertragen sich die Menschen nicht einfach. Aber es war schon immer so: In Glaubensfragen* schlagen sich die Leute seit bevor Geschichte aufgeschrieben wurde die Köpfe ein, warum sollten sie jetzt damit aufhören? Und unser Culture War geht ja noch, gegen den 30jährigen Krieg, oder die spanischen Eroberer von Südamerika, oder oder oder.... Die Hüter der ewigen und einzigen Wahrheit waren schon immer aktiv im Kampf gegen die Anderen, die einfach die Unwahrheit sagten, schlimme oder falsche Sachen dachten oder anderweitig auf den rechten Weg gewiesen werden mussten.

* Glaubensfragen: Ja, es geht hier nicht um einen Gott, oder welcher der richtige wäre. Dennoch steht eine fundamentale Grundannahme des Seins in Rede - unterschiedliche Ansichten darüber, was der Mensch für ein Wesen ist und was seine Rolle auf der Welt ist. Und das hat fundamentale Auswirkungen auf jeden Lebensbereich, auf jeden Lebensentwurf und auf die Gesellschaft sowieso. Und wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, gibt es hier nicht die Spur eines Kompromisses, und beide Seiten profitieren von einer Eskalation. Das wird also weitergehen. Wann es Spotify trifft war nur eine Frage der Zeit. Spannender ist eigentlich, was als nächstes kommt.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 31 Januar 2022, 11:44:00
Ich glaube der Unterschied hier ist dass Rogan aktiv Menschen schadet (u.A. durch verhementes Wettern gegen Impfungen) und damit eine Linie überschreitet.
Ich kann als Talkshow-Host Menschen mit diversen Meinungen/Hintergründen/Einstellungen interviewen ohne mir deren Meinungen zu eigen zu machen. Mit kritischen Fragen in jede Richtung hinterfragen, und dem Zuschauer ein eigenes Urteil überlassen - das wäre für mich z.B. neutraler Journalismus.
Das ist hier, nach dem was ich bisher gehört hab, nicht der Fall.

Ebenso die Texte eines Songs: Innerhalb eines Liedtextes sollte für jedermann eine Fiktion erkennbar sein. Wer aus Songtexten einen expliziten Aufruf zum Handeln herauszieht, der wähnt sich vermutlich innerhalb einer Revolutionsbewegung. Was auf extreme Strömungen weltweit natürlich gerade zutrifft. Und ja, die Verdrehung von Songtexten und deren Misinterpretation war schon immer ein Problem. ("Born in the USA" ist ja auch kein America-Fuck-Yeah - Song, sondern eher das Gegenteil - aber das kapieren ja Südstaatenflaggen schwingende Moonshine-Säufer nicht, die außer dem Refrain nix vom Lied verstehen).

Zu Parler und GAB sag ich mal nix - alleine aus Datenschutzgründen gehörten die Dinger nicht nur abgeschaltet, sondern gar nicht erst angeschaltet.

Davon ab gehe ich nicht mit all Deinen Definitionen und Einstellungen konform:
Eine Gruppe, die auf eine radikale Art und Weise, unter lauter Androhung von Gewalt und sich-selbst-hineinsteigern in Gewaltphantasien gegen eine Staatsordnung vorgeht, dies mit (offensichtlichen) Lügen untermauert, der darf man m.M.n. keine Plattform bieten. Jetzt schreien wieder einige: Aber was ist denn mit den Ländern, wo ein autokratisches Regime herrscht, und die Leute sich gegen dieses zu Recht zur Wehr setzen wollen? Wenn man die Plattformen abschaltet, dann haben die Leute dort doch auch ein Problem?

Und ja, das ist in der Tat ein Problem. Wir haben hier ein Rechte- und Werteverständnis, was wir sicherlich nicht auf die ganze Welt übertragen können. Aber Dinge wie grundsätzliche Meinungsfreiheit sind schützenswert. Diese endet aber dort, wo sie eben das Leben eines Anderen bedroht, oder kann enden, wenn sie mit geltenden Gesetzen kollidiert. Bzw. muss ich dann die Konsequenzen der Ausübung meiner Meinungsfreiheit erdulden.

Beispiel: Ich kann der Meinung sein, dass der Staat, in dem ich lebe, nicht rechtmäßig wär und keine Gewalt über mich als souveräne Person hat - ich ihm also auch nichts schuldig bin (z.B. Steuern).
Konsequenterweise dürfte ich dann aber auch keine Dienste dieses Staates in Anspruch nehmen: Straßen, Fußwege, nächtliche Beleuchtung, Polizei, Feuerwehr, Wasserversorgung, Müllabfuhr, jegliche Sozialangebote... - Stichwort: Rechte und Pflichten.
Wenn ich jetzt mit der Art und Weise wie der Staat mit meinem Geld umgeht nicht einverstanden bin, dann steht es mir frei, einen Partei zu gründen, Repräsentanten aufzustellen und im normalen Gesetzgebungsprozess Änderungen herbeizuführen. Soweit ok, kann ja auch jeder tatsächlich tun.
Was nicht ok ist, ist stattdessen sich in Gewaltphantasien zu fliehen, in Chats mit anderen zu gezielten Rechtsbrüchen zu verabreden, und unbescholtene Personen, die nur die aktuell gültigen Richtlinien durchsetzen, zu bespucken, beschimpfen, oder ihnen Gewalt anzutun (i.e. im letzten Fall Tankstellenarbeiter zu erschießen, weil man keine Maske tragen will).
Nicht ok ist ebenfalls sich mit Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen oder ex-Parteien zu schmücken, oder deren rassenfeindliche Einstellungen und Handlungen abzustreiten. Das betrifft nur einen extrem schmalen Grat, und die Hürde um hier verknackt zu werden ist auch hoch, aber es gibt halt gewisse Geschehnisse in unserer Vergangenheit, wo jedweder Revisionismus einfach nur fehl am Platz ist. Und nein, da ist nix mit "ist ja bald 100 Jahre her, ist auch mal gut". Der Scheiss soll sich nicht wiederholen, und einfach nur dafür sorgen, dass nie wieder ein Österreicher hier Kanzler wird, reicht da nicht.

Gibt da ne schöne Zeile, die u.A. auch in einem klischeebehafteten Videospiel Verwendung fand: "Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit". Wir haben hier im Land viel mehr Freiheiten als in vielen anderen Teilen der Welt. Die haben wir aber nur weil wir eben diejenigen, die diese Freiheiten einschränken wollen, um ihre eigene Grundordnung durchzusetzen, regelmässig in die Schranken weisen.

(und nein, für vorschnelle Parteiverbote bin ich auch nicht. Mich würde es z.B. viel mehr freuen wenn die Afd z.B. durch die Wähler dafür abgestraft werden würde, dass ihr Parteiprogramm nur Streichungen für sozial schwache und nur Entlastungen für mittel- bis Großverdiener vorsieht. (Parteiprogramme... sollte man mal lesen, teils echt interessant) Aber scheinbar kann die primäre Wählerschaft von denen nicht lesen, oder verstehen was sie liest. Oder es ist ihnen wegen anderer "Qualitäten" egal.)


Bei Deiner Auflistung der Bands hast Du nebenbei Umbra et Imago vergessen, wenn wir schon bei schlimmen Dingen sind ;)
Und Du begehst den Fehler von einem Extrem in ein anderes zu verfallen. "Ministerium für Wahrheit" ist natürlich Käse, wie wär es stattdessen mit überprüfbaren Informationen? Oder mal anders gesagt: Auch politische Kabarettisten wie Volker Pispers hauen gerne mit Zahlen um sich um Empörung, Entsetzen und bittere Lacher zu provozieren. Aber auch denen passieren da mal Fehler - teils steckt vielleicht auch Absicht dahinter - und einige Zahlen sind schlecht oder verfälschend gewählt.

Der Traum wäre ein Volk, welches über genügend Bildung verfügt, um das, was sie hören und sehen selbständig zu hinterfragen und zu bewerten. Das gibts aber nicht, das Volk als Masse ist leider dumm und lenkbar.

Gibt da einen schönen Vergleich zwischen Orwell und Huxley, 1984 gegen Schöne neue Welt:
Orwell warnte davor, dass wir durch das, was wir fürchten, kontrolliert werden.
Huxley warnte davor, dass wir durch das, was wir lieben, kontrolliert werden.

Überwachungsstaat, der Informationen zensiert und beschneidet vs. vollkommen freier Staat, in dem wichtige und richtige Informationen im Sumpf der Unterhaltung und unbedeutenden Zerstreuungen und dem Konsum untergehen.

Ich glaube, wir befinden uns eher in letzterem. Heisst nicht dass ich zu ersterem hinwill, eine gesunde Balance zu finden ist aber nicht einfach.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Alte Pizza am 01 Februar 2022, 22:43:38
Ich höre Platten, Cd's und Kassetten.  :)

Mir reicht das.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 02 Februar 2022, 10:56:59
Die Diskussion ist übrigens schon wieder weiter enteilt: mit India Arie ist jetzt die nächste Musikerin ist auf den Zug aufgesprungen, weil leichter kommt man im Moment ja auch nicht an Aufmerksamkeit:

https://edition.cnn.com/2022/02/01/entertainment/india-arie-joe-rogan-spotify-race-cec/index.html

(Ich warte eigentlich stündlich darauf, dass auch die Transrechtsaktivisten ihre Empörung von vorletztem Jahr noch mal hochholen, die Gelegenheit ist ja gerade günstig.) Ob Spotify sich mit dem Exklusivdeal da so einen Gefallen getan hat, das können wohl nur die Datenauswerter in Stockholm sagen. Ich vermute, es ist netto immer noch ein Plus, weil die meisten Leute, die sich da im Internet drüber aufregen, eh keine großen Profitbringer für den Anbieter sind. Am schlausten ist wahrscheinlich wirklich, es einfach auszusitzen.

Ich komm aber noch mal auf das gleiche Thema zurück wie in dem anderen thread: jedesmal, wenn man auf eine solche Art (Haltung zeigen! Alles falsche bekämpfen, überall und jederzeit!) die Normen in einem Bereich verschiebt, dann lädt man doch effektiv seine politischen Gegner dazu ein, genau die gleichen Mittel und Taktiken zu verwenden. Und dann denk ich wieder, so kurzfristig denken kann doch eigentlich keiner - aber anscheinend ja doch, das ist jetzt wohl okay. Wird ja auch nie die öffentliche Meinung in eine andere Richtung kippen, und die Hollywood Blacklist ist ja auch schon ewig her, an die muss man sich nicht mehr erinnern.

Unabhängig von Joe Rogan, und nur meine persönliche Meinung: manche Leute  glauben, sie würden schlau und pfiffig wirken, wenn sie von "so ein Pferdeentwurmungsmittel" sprechen. Aber Ivermectin ist für die Behandlung von Parasiten für Menschen zugelassen und wird in dieser Kapazität weltweit genutzt, und es  wird echt nicht lustiger, je öfter man es wiederholt.

Bezüglich des Nutzens von Ivermectin im Zusammenhang mit Covid verweise ich gern auf diesen Mammuttext von dem Slate Star Codex-Menschen aus letztem Jahr:

https://astralcodexten.substack.com/p/ivermectin-much-more-than-you-wanted

Sehr stark zusammengefasst: Ivermectin wirkt gut gegen Würmer und wenn man die hat, dann ist es gut, Ivermectin zu nehmen, weil sich das Immunsystem danach besser auf Covid konzentrieren kann. Gegen Covid selbst hat es wahrscheinlich keinen Effekt, auch wenn es immer wieder neue Studien dazu gibt:
 https://www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/japans-kowa-says-ivermectin-effective-against-omicron-phase-iii-trial-2022-01-31/
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 02 Februar 2022, 16:03:29
Ich glaube der Unterschied hier ist dass Rogan aktiv Menschen schadet (u.A. durch verhementes Wettern gegen Impfungen) und damit eine Linie überschreitet.
Ich kann als Talkshow-Host Menschen mit diversen Meinungen/Hintergründen/Einstellungen interviewen ohne mir deren Meinungen zu eigen zu machen. Mit kritischen Fragen in jede Richtung hinterfragen, und dem Zuschauer ein eigenes Urteil überlassen - das wäre für mich z.B. neutraler Journalismus.
Das ist hier, nach dem was ich bisher gehört hab, nicht der Fall.


Mal ganz dumm gefragt, und aus ehrlicher Neugier: wie viele Folgen seiner Sendung hast du selbst angehört? Bzw: aus welcher Quelle hast du dich über seine Sendung informieren lassen? Andere Leute kommen da nämlich zu ganz anderen Einschätzungen: https://www.newstatesman.com/culture/2022/02/joe-rogan-spotify-controversy-isnt-about-truth-its-about-control
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 02 Februar 2022, 16:22:52
Ich hab in ein paar Teile mal reingehört, aber ich komm mit ihm als Person nicht klar. Das mag meine Einschätzung der Sache zusätzlich trüben - ich sähe für mich persönlich keinen Verlust darin, wenn er nicht mehr online wäre.
Und ja, ich weiss dass Ivermectin (dessen Einnahme ihm nachgesagt wird) auch für Menschen verschrieben wird (eben zur Entwurmung - dafür wurde es ja auch gemacht).
Und dass er auch pro-Vax-Gäste online hatte. Die ihn übrigens auch live korrigierten, z.B. als er behauptete dass Myocarditis genauso häufig oder häufiger durch eine Impfung auftreten würde als durch die Infektion mit Covid. Der schnelle Fact-Check ergab, dass die Chance bei Covid etwa 8x höher liegt - seine Reaktion war dann "this is not what I read before, what are we reading here, where are we getting this from".
Das Problem ist glaub ich weniger der Inhalt, sondern wie dieser präsentiert wird. Er könnte hingehen und sagen: Es steht die und die Behauptung im Raum, die einen sagen so, die anderen so, lasst uns mal Quellen vergleichen. Stattdessen haut er erstmal ein Statement raus, welches kontrovers oder schlichtweg falsch ist. Wird danach zwar korrigiert, aber wenn man dann in entsprechenden Kreisen ein "Best of Rogan about Covid" zusammenschneidet, dann hat man eine Reihe an "Facts", die dieser bekannte Talkhost ja raushaut.

Und ich glaube da liegt das Problem gerade.

Dass sich die Medien mit der Berichterstattung über ihn wiederum ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckern - keine Frage, CNN ist genauso scheisse bisweilen, und die NYT hat genau wie andere Medien da auch tief ins Klo gegriffen (siehe die Posse um Naomi Wu, die ja mit der halben Welt ein Sozialexperiment betreibt: Kann eine Frau sich optisch aufreizend präsentieren und dennoch wegen ihrer technischen Begabung wertgeschätzt werden? Spoiler: Im Westen nicht.).

Was aus dem von Dir verlinkten Artikel hingegen stimmt ist, dass wesentlich größerer Kack sich noch auf Spotify befindet. Das betrifft andere Inhalte genauso wie Musik, bei so manchem Text der im letzten Jahr da aus den Lautsprechern schallte dachte ich nur: Oha, da sind aber schon Songs wegen geringerem früher einkassiert worden.
In allen Fällen waren das dann aber Bands oder Leute, von denen man nix gehört hat (und teilweise danach auch nie wieder), sprich: Ohne Reichweite, nur für eingeweihte Kreise oder per Zufallsalgorithmus in irgendeiner Playlist. Haben damit aber schonmal mehr Reichweite als sie es früher im Radio je gehabt hätten (erinnert sich noch jemand an die Radiosender der 90er? Wo tagein-tagaus gefühlt dieselbe Charts-Playlist runtergedudelt wurde? In den 2010ern wars dann in den Onlinevarianten diverser Radiosender hier der Fall, wir haben auf der Arbeit immer Webradio nebenbei laufen gehabt und konnten nach drei Tagen die Reihenfolge der Songs für diesen Monat mit absoluter Genauigkeit aufsagen).


Wie steht es eigentlich um andere Streamingdienste? Tidal, Deezer, Amazon Music, was gibts sonst eigentlich noch?
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 08 Februar 2022, 12:29:08
... und die Auseinandersetzung geht weiter!

Der Hollywood Reporter berichtet (https://www.hollywoodreporter.com/business/digital/spotify-joe-rogan-daniel-ek-1235087928/) von der Entscheidung des Spotify-Gründers, Joe Rogan auf der Plattform zu lassen und druckt eine Mail des Gründers und CEOs Daniel Ek an die Mitarbeiter zu diesem Thema in voller Länge ab. In dieser Mail positioniert sich Ek gegen "canceling voices" und versucht die Wokeness-Advokaten damit zu beruhigen, dass Spotify USD 100 Mio. an marginalisierte Gruppen spenden will - genauso viel, wie in die Joe Rogan Show investiert wurde. Nun, das ist sein Geld bzw. das der Aktionäre, und wenn es Frieden kaufen kann, ist das vielleicht ein guter Deal. Ich werde allerdings im Auge behalten müssen, ob das nun bedeutet, dass Künstler bestimmter Gruppierungen (in Hollywoord gilt bspw. BIPOC als Standard) nun mehr für ihre Musik erhalten sollen als andere. Künster nach Hautfarbe zu bezahlen wäre gegen meine Prinzipien, aber eine Spende ist ja hoffentlich etwas anderes.

Auch Neil Young bezieht Position, indem er Spotify-Mitarbeiter auffordert, ihren ob zu kündigen (https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-02-08/neil-young-urges-spotify-employees-to-quit-in-protest-of-joe-rogan-experience?srnd=premium-europe), weil ihr CEO das Problem sei und nicht Joe Rogan.

Diese Soap Opera hat alles, was mir an diesen woken Schlachten um politische Korrektheit nicht gefällt. Absolute Kompromisslosigkeit, das Erzeugen von Aufmerksamkeit durch Anfachen von Empörungswellen (manche nennen es "outrage marketing"), der Wunsch nach persönlicher Zerstörung des Gegenübers, und ein absehbares schlimmes Ende. Und das aufgrund von vorgeschobenen Fake-Motiven, wie man sehen wird.

Ich wünschte manchmal, ich hätte mit meinen ersten Einschätzungen zu solchen Themen weniger oft recht, aber auch wenn es sehr emotionale Ereignisse sind für viele, folgen sie inhaltlich einer klaren Logik und sind aus meiner Sicht nur zu einem sehr kleinen Teil weltanschauliche Auseinandersetzungen. Am Ende geht es klar um ökonomische Interessen, und die Mobilisierung von Empörungsmobs ist nur ein Mittel zu deren Erreichung. Und weil ich daran so fest glaube, hier noch eine kleine Prognose der Gewinner und Verlierer!

Top-Gewinner: Joe Rogan. Mehr Marketing für lau geht nicht, und wenn er nicht einknickt, erhöht er seine Reichweite enorm, und bei seinen Fans seine Glaubwürdigkeit. Ob das mal ein Präsidentschaftskandidat der Republikaner wird?

Top-Verlierer: Daniel Ek / Spotify. In der Situation kann man nur versuchen, so wenig wie möglich zu verlieren, gewinnen ist nicht mehr drin. Spotify hat mehr als USD 2 Milliarden an Marktwert verloren und nun USD 100 Mio an Aufwand durch Spenden zu verkraften. Mit etwas Pech explodiert der Laden und wird irrelevant.

Zweitplatzierter Gewinner: Neil Young. Vor kurzem wusste kaum einer mehr, wer das ist, aber nun kann er seine Musik einer neuen Generation von Aktivisten verkaufen. Er bringt zudem die Authentizität mit, die so viele neue Stars gern hätten. Ich glaube, das gefällt auch dem Erwerber von 50% seines Song-Katalogs, dem "Hipgnosis Song Fund". Durch die neue Relevanz dürfte sich die Investition im Wert deutlich gesteigert haben. Das freut die Aktionäre des an der LSE notierten Fonds (ISIN GG00BFYT9H72, Kursverlauf hier (https://www.onvista.de/aktien/HIPGNOSIS-SONGS-FUND-LTD-Aktie-GG00BFYT9H72)), und auch die Investoren des Blackstone Tactical Opportunities Funds, die am 12. Oktober 2021 Hipgnosis Kapital für den Ausbau des Geschäftsmodells zur Verfügung gestellt haben. Irgenwo muss die Rendite ja herkommen - ob die Berater der Blackstone-Transaktion mit Hipgnosis, namentlich Goldman Sachs Group, Deloitte sowie die Anwälte Kirkland & Ellis LLP an sowas gedacht haben? Naja, Mr. Young, coole Idee eigentlich: Mehr Rendite durch antikapitalistische Hippie-Wokeness, geht es besser? ;) *

Zweitplatzierter Verlierer: Alle konservativen Podcasts / Künstler. Ich nannte in meinem ersten Post bereits Namen - und just wurde die Werbung für das Dennis Prager-Insitut in der Reichweite auf Spotify eingeschränkt. Wenn man Joe Rogan nicht kriegt, dann ist eben die zweite Reihe dran.

Gewinner auf ganz, ganz lange Sicht: Politische Korrektheit. Empörungsmobs sind eine mächtige Waffe für den, der sie zu instrumentalisieren weiß. Ich bin gespannt, was oder wer als nächstes zerrissen wird. Man hat sich vor kurzem an Quentin Tarantino versucht, ist aber bisher abgeprallt. Es bleibt spannend.

Verlierer auf ganz, ganz lange Sicht: Wir alle. Kunst, Kultur, Dialog und alles andere werden sich künftig immer mehr so aufstellen müssen, dass sie Empörungswellen keine Angriffsfläche bieten. Daher wird es mehr Mainstream geben, mehr Varianten des gleichen geben, aber weniger Wildes, Grenzwertiges, Spannendes und Neues. Keine Angriffsfläche = Verflachung. Wie Quentin Tarantino in einem Interview mit Bill Maher auf HBO (https://www.youtube.com/watch?v=j8aVT8WSHsc) sagte: "There has become a thing that's gone on, especially in this last year, where ideology is more important than art. Ideology trumps art. Ideology trumps individual effort. Ideology trumps good. Ideology trumps entertaining."

* Disclaimer: Informationen sind aus öffentlich zugänglichen Quellen recherchiert. Dazu zählen Bloomberg, CNBC, penews, u.a.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 08 Februar 2022, 13:08:18
Verlierer auf ganz, ganz lange Sicht: Wir alle. Kunst, Kultur, Dialog und alles andere werden sich künftig immer mehr so aufstellen müssen, dass sie Empörungswellen keine Angriffsfläche bieten. Daher wird es mehr Mainstream geben, mehr Varianten des gleichen geben, aber weniger Wildes, Grenzwertiges, Spannendes und Neues. Keine Angriffsfläche = Verflachung. Wie Quentin Tarantino in einem Interview mit Bill Maher auf HBO (https://www.youtube.com/watch?v=j8aVT8WSHsc) sagte: "There has become a thing that's gone on, especially in this last year, where ideology is more important than art. Ideology trumps art. Ideology trumps individual effort. Ideology trumps good. Ideology trumps entertaining."

Wenn wir heute schon so weit sind, dass wir Podcasts ganz ernsthaft unter "Kunst" einordnen, und zwar so sehr, dass wir die gesamte Kunst bedroht sehen, nur weil ein Podcast einem Cancelculture-Angriff ausgesetzt ist, dann hat die Kunst ohnehin verloren.

Den Transport rechtsradikalen und lebensgefährlichen Gedankenguts müssen wir als Gesellschaft auch weiterhin im Visier behalten und achtsam sein, denn niemand möchte ein zweites '33 und noch mehr Coronatote, als wir eh schon haben. Das ist richtig und wichtig und auch die Kunst darf davon nicht ausgenommen werden.
Niemand lässt sich einfallen, die Onkelz, Rammstein, Hanzel und Gretyl oder Laibach (die alle nicht vergleichbar sind) zu zensieren, und das hat auch gute Gründe, hier zeigt sich meines Erachtens nach sehr gut, was Kunstfreiheit bedeutet und wo sie zum tragen kommen sollte.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 08 Februar 2022, 13:17:21
Den Transport rechtsradikalen und lebensgefährlichen Gedankenguts müssen wir als Gesellschaft auch weiterhin im Visier behalten und achtsam sein, denn niemand möchte ein zweites '33 und noch mehr Coronatote, als wir eh schon haben.

Naja, wenn es um Leben und Tod geht, und um Rechtsradikalismus, und das alles notwendig ist, um Hitlers unmittelbar bevorstehende Machtergreifung zu verhindern, dann kann natürlich kein Preis zu hoch sein, um einen Weltkrieg und den Holocaust abzuwenden. Aber ist das die Situation? Bist Du Dir da sicher?

Könnten nicht auch die anderen genannten Argumente eine Rolle spielen?

Und wenn nein - warum eigentlich nicht?
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 08 Februar 2022, 13:39:05
Naja, wenn es um Leben und Tod geht, und um Rechtsradikalismus, und das alles notwendig ist, um Hitlers unmittelbar bevorstehende Machtergreifung zu verhindern, dann kann natürlich kein Preis zu hoch sein, um einen Weltkrieg und den Holocaust abzuwenden. Aber ist das die Situation? Bist Du Dir da sicher?

Könnten nicht auch die anderen genannten Argumente eine Rolle spielen?

Und wenn nein - warum eigentlich nicht?

2 Unterschiedliche Dinge.
1. Den Link hatte ich schon mehrfach gepostet, daher lasse ich es, aber in dem Moment, wo Menschen andere Menschen davon überzeugen, dass das Virus nicht existent und/oder Impfung und bzw. medizinische Hilfe im Krankenhaus schädlich seien, kostet das Menschenleben. Punkt.
2. Wir erleben in den letzten 10 oder 15 Jahren ein sehr amtliches Erstarken einer etwas "subtileren" Rechten, die sich selbst als "bürgerlich" bezeichnet. Noch geht es nicht darum, die Juden endgültig zu vernichten, man begnügt sich damit, an der Grenze scharf auf Flüchtlinge schießen zu wollen. Das ist nicht die Situation, in der wir einen 2 Hitler verhindern müssen, sondern es ist die Situation, in der die Alarmglocken anspringen und ein großes "wehret den Anfängen" im Raum stehen sollte.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 08 Februar 2022, 13:47:27
Wie gesagt, ich kenne den Joe Rogan Podcast nicht, und wenn dort von Hitler geschwärmt wird, das Beschießen von Menschen propagiert oder pausenlos einseitig Verschwörungstheorien zu Corona verbreitet werden, dann ist das wohl kein guter Podcast.

Aber ich verstehe den Zusammenhang mit der "subtileren Rechten" nicht. Fällt meine Analyse der handfesten ökonomischen Interessen aus Deiner Sicht unter solche Denkmuster? Die Aussagen zur Wokeness? Die Tarantino-Aussagen?

Ist Spotify aus Deiner Sicht rechts, wenn es nicht tut, was Neil Young will?

Ich verstehe es wirklich nicht. Vielleicht scheitere ich schon daran, dass ich irgendwie nicht mehr weiß, was rechts ist.

Aber ich meine das durchaus ernst: Ich nehme gern Informationen entgegen. Bei mir geht nur der Alarmsensor an - wenn der Eindruck aufkommt, meine Analysen und Gedanken hier seien rechts, muss ich etwas tun.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 08 Februar 2022, 16:06:12
Nochmal klargestellt:

"wenn der Eindruck aufkommt, meine Analysen und Gedanken hier seien rechts, muss ich etwas tun."

Ich habe schon auf Facebook mal gesagt, dass ich mich linken Zirkeln nicht zugehörig fühle, und diese zeig(t)en auch deutliche und klare Abstoßungsreaktionen.

Alle waren und sind "gegen Rechts". Dabei wurde aber bei Facebook kein Unterschied gemacht, ob man sich gegen Rechtsextremisten, Hitlerfans und Gewaltfans aufstellt oder ob man Dogmen hinterfragt, kein Faible für Empörungsmobs hat und nicht bei jedem Modethema an vorderster Front mitmarschieren will.

Ich stelle mir gerade ernsthaft die Frage, ob meine Zeit und meine Beiträge hier überhaupt richtig aufgehoben sind. Ob im Autothread, in der Corona-Diskussion, die ja eskalierte, und irgendwie hier: Es geht in fast allen Threads am Ende um Hitler, und die Verhinderung seiner Wiederholung. Ich finde das deutlich zuviel der Ehre für diese Figur. Sie hat Deutschland, Europa und die Welt in unfassbares Unglück gestürzt, muss sie Referenz für alles sein? Kann sie überhaupt?

Ich schrieb das schon an anderer Stelle: Ich verliere die Lust, an Diskussionen teilzunehmen, wenn alles immer im persönlichen Konflikt und im Zorn endet, und im Zweifel mit dem impliziten oder expliziten Nazivorwurf.

Ich war nie ein Nazi und werde nie einer sein, entsage aber auch allen anderen kollektivistischen Strukturen, und dazu gehören auch woke Empörungsmobs oder Facebook-Gruppendruck-Aktivisten. Jetzt stelle ich mir aber die Frage, ob ich dann überhaupt hier richtig bin, wenn ich nicht vorbehaltslos alles inhaltlich teile, was der Zeitgeist gerade vorgibt. Ich denke nun einmal lieber selbst.

Ist das, um die angekündigte Konkretisierung vorzunehmen, zu rechts für unsere Gemeinschaft hier?

Ich spiele mit dem Gedanken, aus den Debatten hier grundsätzlich auszusteigen und mich auf die Rolle als Admin zurückzuziehen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 08 Februar 2022, 16:12:34
Disclaimer: ich hab mit Herrn Rogan nichts am Hut, weil ich weder den Nerv noch die Zeit habe, mir dreistündige Interviews anzuhören, insbesondere wenn die meisten Themen amerikanische Innenpolitik betreffen. Und das ist auch ein guter weiterer Punkt: das ist eine zutiefst amerikanische Diskussion, deren Kontexte und deren Ergebnisse für uns hier in Deutschland eigentlich völlig belanglos sein sollten - sind sie natürlich nicht, weil alle Beklopptheiten mit kurzer Verzögerung auch zu uns rüberschwappen.

Unabhängig davon: mittlerweile hat ein der demokratischen Partei nahestehender Super-PAC, also eine Lobbygruppe, die von der Partei finanziert wird, in mühevoller Kleinarbeit einen Zusammenschnitt von Joe Rogan-Zitaten aus den letzten zehn Jahren (!) gefertigt, in denen er das böse Wort (tm) verwendet bzw. zitiert, auf abfällige Weise über Minderheiten redet, und allgemein wie ein rassistischer Dummkopf aussieht. Das muss einiges an Arbeit und Zeit gekostet haben, und die Veröffentlichung ist so perfekt getimed, dass man wohl davon ausgehen muss, dass es sich um eine geplante Kampagne handelt. Möglicherweise hat sich Neil Young tatsächlich über die Schwurbler-Gäste in dem Podcast geärgert - die Leute, die da jetzt diese Fässer aufmachen, den geht es ziemlich deutlich nicht (mehr / mehr nur) um Corona.

(kleine Verschwörungstheorie am Rande: Joe Rogan hat sich im letzten Wahlkampf für Bernie Sanders ausgesprochen und hatte Tulsi Gabbard in seiner Sendung zu Gast - die waren beide Präsidentskandidaten der Demokraten, haben aber beim innerparteilichen Machtkampf leider den Kürzeren gezogen. Man kann mal davon ausgehen, dass die etablierten Kreise innerhalb der Partei die fast noch mehr bekämpfen als ihre eigentlichen politischen Gegner von den Republikanern, und umgekehrt ist da auch wenig Freundschaft zwischen den Bernie-Bros und den Kamala Harris-Leuten... Aber das ist natürlich nur Spekulation.)
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: nightnurse am 08 Februar 2022, 17:11:56
Zitat von: Raoul Duke
Ich war nie ein Nazi und werde nie einer sein, entsage aber auch allen anderen kollektivistischen Strukturen, und dazu gehören auch woke Empörungsmobs oder Facebook-Gruppendruck-Aktivisten. Jetzt stelle ich mir aber die Frage, ob ich dann überhaupt hier richtig bin, wenn ich nicht vorbehaltslos alles inhaltlich teile, was der Zeitgeist gerade vorgibt. Ich denke nun einmal lieber selbst.

*schulterzuck* mir ist bezüglich meiner eher links angesiedelten Haltung auch egal, was der Zeitgeist grade vorgibt. Ich lass mir nicht von rückwärtsgewandten Empörismusmeuten und Facebook-Gruppendruck-Aktivisten vorgeben, wie ich was zu finden habe.

"Selber denken" ist eine der meist missbrauchten Floskeln der Neuzeit. Restlos jeder nimmt für sich in Anspruch, es zu tun und unglaublich viele benutzen die Behauptung, sie dächten selber, um zu insinuieren, Menschen anderer Meinungen täten das nicht.

Selberdenken kann, ich sagte es wohl schon mehrfach, zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Baernd hat eigentlich schon das meiste gesagt, was ich zu sagen hätte.
Ich bin (durch Selberdenken™) zu der Ansicht gekommen, daß ich gewisse Dinge nicht hinnehmbar finde. Lebensgefährliche Falschinformationen, Aufforderung zu Gewalttaten oder auch "nur" Geschichtsrevisionismus oder die Aufweitung der Grenzen des Sagbaren per Brecheisen. Weil alle diese Dinge am Ende unsere Gesellschaft auf eine Weise zu verändern drohen (andere würden sagen "versprechen"), die mir zutiefst missfällt.
Das muss natürlich nicht immer bei Hitler enden, aber wir haben in ihm ein hervorragendes Extrembeispiel, wo das alles™ enden kann.

Wenn Spotify sich als Plattform für alles und jeden in Deinem Sinne weiterbetätigt und so tut, als seien sie überpolitisch - dann sind sie aus meiner Sicht nicht "rechts", sondern ein Unternehmen, das aus Wurstigkeit Einnahmen generiert.
Wer das mitmachen will, bitte.
Aber wenn jemand das nicht mitmachen will, wie Herr Young, dann darf er sich da ja rausziehen. Und gerne auch publikumswirksam, warum nicht? Wenn das dann zu der von Dir befürchteten Kettenreaktion führt, nunja, der Markt regelt das? Kann ja jeder Künstler seine Güter anbieten bzw der Endkunde sie erwerben, wo er möchte. Oder nicht.
(Dumm ist halt, daß das in beide Richtungen funktioniert. Hätt ja auch Joe Rogan sagen können, mit jemandem wie Neil Young will er nicht auf einer Plattform sein, er oder ich, Spotify! Aber naja, er hätte dürfen, aus meiner Sicht.)
Im Extremfall führt das dann zu politisch sortenreinen Unterhaltungsplattformen. Joa. Wäre für jemanden wie Raoul sehr unschön und unkomfortabel. Anderen erfüllt es womöglich ein Bedürfnis.

Wie eingangs gesagt, sehe ich das, was da passiert, jetzt weder als neu noch als bedrohlich an.


Wie Banquo grade anführt, hat das Geschehen eventuell auch Aspekte, die dem europäischen Beobachter zunächst verborgen bleiben. Die Welt ist kompliziert.



Zitat von: Raoul Duke
Ist das, um die angekündigte Konkretisierung vorzunehmen, zu rechts für unsere Gemeinschaft hier?

Ich spiele mit dem Gedanken, aus den Debatten hier grundsätzlich auszusteigen und mich auf die Rolle als Admin zurückzuziehen.

Nun lass doch mal die Kirche im Dorf? Ich gucke nicht in den E-Mobilitätsthread, aber außerhalb davon geht es meinem Empfinden nach in Debatten mit Dir ziemlich gesittet zu. Aber musst Du wissen, wie Dir das gefällt.


Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 08 Februar 2022, 17:40:36
Wollt grad sagen Raoul, da kannst Dich entspannt zurücklehnen. FYI, ich wurde auch schon als rechtes Arschloch beschimpft, weil ich nicht jedes Posting, was ich irgendwo verfasse, sofort auf political correctness überprüfe.
Z.B. kannst halt darüber berichten was Dir zugestoßen ist, aber sobald Du die Person beschreibst, die dafür verantwortlich ist, und diese nicht "ne typische Kartoffel" ist, hagelt es sofort Rassismusvorwürfe. Beschwert man sich dann darüber bekommt man direkt alles von Hufeisentheorie, "du merkst gar nicht wie rechts Du bist" usw... gesammelt an den Kopf geknallt.

Und ja, für den Effekt ist es recht egal woher die Person kam - das stimmt. Könnt mans also weglassen? Ja. Denkt man immer daran? Meiner Meinung nach nein - vielleicht muss man das aber heutzutage.

Könnte noch etliche weitere Beispiele aufzählen, aber dann heisst das auch nur wieder, dass ich ein verfechter von Zucht und Ordnung wäre, und aus der Zeit gefallen und... ach komm, bleib mir weg mit dem Scheiss.

Ich BIN ein Verfechter von Höflichkeit, guten Manieren, und einem generell gepflegten Umgang miteinander. Diszipliniertes Diskutieren ohne laut zu werden, zwischendrin auch mal innehalten und nachfragen, Punkte überdenken.
In der Öffentlichkeit: Nicht einfach über rote Ampeln laufen (könnt n Kind zusehen, dem man ein schlechtes Vorbild wäre), an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten (größtenteils wenigstens), und wenn man in ein fremdes Land reist VORHER gucken mit welcher Sprache man dort am Besten langkommt und wie die Gesetze und Regeln und auch Gepflogenheiten dort sind.
Kurz gesagt: Einfach kein Arschloch sein, das ist irgendwie mein Ziel. Klappt nicht immer, leider. Weiss ich. Aber ich versuchs trotzdem weiter.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 08 Februar 2022, 18:07:14
Nun lass doch mal die Kirche im Dorf? Ich gucke nicht in den E-Mobilitätsthread, aber außerhalb davon geht es meinem Empfinden nach in Debatten mit Dir ziemlich gesittet zu. Aber musst Du wissen, wie Dir das gefällt.

Ach nurse, Du hast ja recht. Ich glaube, ich war vorhin einfach mies drauf, und am Ende bin ich ja auch nur ein Mensch. Also, obwohl ich natürlich übernatürlich schön, klug und so bin. Naja quatsch, meine Kraft war einfach alle.

Wenn mir nach 10 Jahren auffallen würde, dass mich alles hier nervt, hätte ich ja eine ziemlich lange Leitung, und das beisst sich mit dem übernatürlich klug sein natürlich.

Wollt grad sagen Raoul, da kannst Dich entspannt zurücklehnen. FYI, ich wurde auch schon als rechtes Arschloch beschimpft, weil ich nicht jedes Posting, was ich irgendwo verfasse, sofort auf political correctness überprüfe.

Das hat hier nicht einmal wer. Sturm im Wasserglas, also eigentlich in Raouls Kopf.

Ich sollte einfach mal laufen gehen, das hilft bestimmt. Ich hatte heute einfach eine Überdosis Scheissthemen (und nicht einmal hier). Ein bisschen Bildschirmpause wird helfen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 09 Februar 2022, 09:59:53
Joe Rogan hat sich im letzten Wahlkampf für Bernie Sanders ausgesprochen und hatte Tulsi Gabbard in seiner Sendung zu Gast - die waren beide Präsidentskandidaten der Demokraten, haben aber beim innerparteilichen Machtkampf leider den Kürzeren gezogen.

Hm, nachdem sich mein Gemüt wieder beruhigt hat (vermutlich hatte eine arbeitsbedingt extrem geringe Menge Schlaf ihren Anteil an meiner Stimmung), finde ich ist das die spannendste Info des Threads.

Ein glühender, ultrarechtsradikaler Hitler-Verehrer, der scharf auf Menschen schießen will und Tausende absichtlich durch Corona-Fehlinformationen in den Tod treiben, vermutlich lachend mit Zigarre und Maschinengewehr vor der US-Flagge posierend und "white supremacy forever" schreiend, hat die Wahl von Bernie Sanders empfohlen?

Da passt etwas nicht zusammen. Vermutlich ist mein hier in der Diskussion entstandenes Bild von Joe Rogan irgendwie unrichtig. Wie gesagt, ich kenne den Typen nicht, anscheinend ist er hier aber bei allen wohlbekannt. Diese Informationslücke werde ich schließen und mir einfach mal eine Folge anhören. Er hat Quentin Tarantino in der Show gehabt. Vielleicht ist das ein guter Start.

--- edit:

Und noch ein Nachschlag:

Ich bin gerade in einem Schnarch-Meeting, nur als Zuhörer und mit Kamera aus, und das Thema lässt mich nicht los. Weniger wegen der Figur Joe Rogan, sondern weil es langsam zum Krimi wird und ich wissen möchte, wie gut ich mit meinen Prognosen lag. Denn was auch kommt, Joe Rogan wird mir vermutlich egal bleiben, aber ob meine Eingangsthesen zum Tragen kommen oder nicht, das will ich einfach wisssen. Will, nicht möchte. ;)

Ich schrieb, dass wir zwei Bonbonschachteln bekommen werden. Es ist noch nicht klar, ob Mr. Rogan von Spotify-Plattform gekickt wird, aber die Konkurrenz kommt schon: Der Youtube-Konkurrent Rumble bietet Joe Rogan das gleiche Geld wie Spotify (USD 100 Mio.!), wenn er rüberwechselt (https://www.businessinsider.in/stock-market/news/rumble-spac-soars-43-after-it-offers-joe-rogan-100-million-to-ditch-spotify-and-join-the-youtube-competitor/amp_articleshow/89414927.cms). Rumble, an der NASDAQ notiert unter unter der ISIN US12521J1034 (Kursverlauf hier (https://www.onvista.de/aktien/CF-ACQUISITION-CORP-VI-Aktie-US12521J1034), wegen eines SPAC-Deals heissen die noch CF Acquisition Corp. VI), nutzt die Chance, sich als Konkurrent zu positionieren. Natürlich wird die Plattform sofort rechtsradikal genannt, was auch sonst? Das ging schließlich allen Plattformen so, die sich gegen die Silicon Valley-basierten Titelverteidiger aufgestellt haben...

Warum Podcasts schauen, wenn die Realität so spannend ist? ;)
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 16 Februar 2022, 16:54:21
Ein glühender, ultrarechtsradikaler Hitler-Verehrer, der scharf auf Menschen schießen will und Tausende absichtlich durch Corona-Fehlinformationen in den Tod treiben, vermutlich lachend mit Zigarre und Maschinengewehr vor der US-Flagge posierend und "white supremacy forever" schreiend, hat die Wahl von Bernie Sanders empfohlen?

Ich bitte um Entschuldigung für die lange Wartezeit, was meine Antwort betrifft (ich sehe mich hier in gewissem Maße adressiert). Situationen passieren. Sie kennen das.

Weiter oben habe ich schon versucht, herauszustellen, dass Coronaleugner und Rechte schon 2 verschiedene Dinge sind, auch, wenn sie gerne Hand in Hand marschieren dieser Tage. Aber den Kontext habe ich nicht klar gemacht, deswegen wirfst du es noch zusammen.
Nein, ich möchte nicht sagen, dass Joe Rogan ein Rechter oder Rechtsradikaler ist.
Es ging mir um etwas Anderes.

Die neue Rechte ist der gesellschaftliche Gegenspieler der "Political Correctness".

Du hast eine Analyse zu Gewinnern und Verlierern der Spotify-Affäre aufgeschrieben, die ich sehr treffend fand, bis zu einem gewissen Punkt.

Gewinner auf ganz, ganz lange Sicht: Politische Korrektheit. Empörungsmobs sind eine mächtige Waffe für den, der sie zu instrumentalisieren weiß. Ich bin gespannt, was oder wer als nächstes zerrissen wird. Man hat sich vor kurzem an Quentin Tarantino versucht, ist aber bisher abgeprallt. Es bleibt spannend.

Verlierer auf ganz, ganz lange Sicht: Wir alle.

Natürlich garantiert niemand, dass die Empörungsmobs der politischen Korrektheit immer fair sind, und niemand schließt eine Instrumentalisierung aus, nein, wie denn auch? Aber meistens haben diese Mobs einen lobenswerten Grund oder Anlass, sich zu bilden, und sind das Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik.
Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, ihnen zu entgehen: Sei einfach nicht scheiße.

Bist du es doch, und der Mob kommt dich heimsuchen, dann bist du sehr, sehr oft in einen Fettnapf getreten, der der neuen Rechten irgendwie in die Hände spielt. Du hast dich sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend geäußert.

Was ich sagen möchte: In einer Welt, in der nicht nur jeder seine Meinung frei sagen darf, sondern auch die Möglichkeit hat, diese mit einem Minimum an Aufwand Millionen von Menschen mitzuteilen, brauchen wir ein Korrektiv, das von der Masse getragen wird. Und auch, wenn diese Mobs nicht wirklich "schön" sind (Ich hab bei diesem Hass immer einen dicken Kloß im Hals): Sie sind manchmal der letzte Gegenspieler, nicht nur zu Coronaleugnern, der coronaleugnenden neuen Rechten, sondern auch der neuen Rechten, die an der Grenze auf Menschen schießen lassen will, sich aber in ein bürgerliches Gewand zu kleiden sucht.

Das ist der Grund für meine pseudo-Godwinisierung hier im Thread (pseudo, weil ich nicht vergleichen, sondern nur referenzieren will).
_________________________

Was deine persönlichen politischen Standpunkte betrifft: Zum Einen ist es so, dass du in einer Art und Weise diskutierst, die mir persönlich Spaß (und den einen oder anderen Aufschluß und "Klick") bringt und dass ich lieber mit jemandem aus einem "anderen politischen Lager" diskutiere als mit so manchem Linken, der meint, ich sei zu links oder nicht links genug oder whatever, also alles cool, zum Anderen ist es so, dass ich dich nicht in der rechten Ecke einsortieren würde, sondern in der liberalen, eventuell sogar liberal-radikalen.

Wir haben hier ein Kategorisierungsproblem. Rechts und Links kann zum Einen bedeuten, dass man entweder Juden vergasen und Syrer erschießen möchte oder dass man ein Mensch ist, der das mit allen Mitteln verhindern und durchsetzen möchte, dass alle Menschen als gleichwertig angesehen werden. Zum Anderen gibt es aber noch die politisch konservative (rechts), die sozalistisch-kommunistische (linke) und die freiheitliche und neoliberale Ecke, die eigentlich ein Dreieck bilden und mit der ersten Dimension gar nicht viel zu tun haben.

In erster Kategorie sehe ich dich gar nicht positioniert, da du dich dazu in der Regel nicht äußerst, in zweiterer auf der liberalen Ecke.
Damit kannst du leben, oder?
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Eisbär am 16 Februar 2022, 22:55:21
Wir haben hier ein Kategorisierungsproblem. Rechts und Links kann zum Einen bedeuten, dass man entweder Juden vergasen und Syrer erschießen möchte oder dass man ein Mensch ist, der das mit allen Mitteln verhindern und durchsetzen möchte, dass alle Menschen als gleichwertig angesehen werden. Zum Anderen gibt es aber noch die politisch konservative (rechts), die sozalistisch-kommunistische (linke) und die freiheitliche und neoliberale Ecke, die eigentlich ein Dreieck bilden und mit der ersten Dimension gar nicht viel zu tun haben.
Ich sehe da gar nicht so sehr ein Dreieck, mehr einen Punkt in einem Koordinatensystem.
Es gibt doch dieses schöne Koordinatensystem, in dem auf der einen Achse von politisch ganz links bis ganz rechts eingeordnet wird und auf der anderen Achse wird von progressiv bis reaktionär eingeordnet.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 17 Februar 2022, 10:31:48
Ich glaub die meisten Charaktere hier sind zu vielschichtig, als dass man sie in irgendwelche "Schubladen" einordnen könnte. Was ja auch gut so ist, aber natürlich für einfach denkende Außenstehende ein Problem darstellt. "Der findet Hitler und Verfolgung andersdenkender scheisse, aber er hält was auf Ordnung, findet die Ideen wie Urlaub für alle und Kindergeld aus der Nazi-Zeit gut, und mag den Schnitt der (nicht-von-Hugo-Boss-stammenden!!!) Ledermäntel von damals - ist das jetzt ein Nazi?" Oder "Der sagt er wäre links, aber will eine zwangsweise Umverteilung von Gütern von Reich nach Arm und eine Gleichmachung unter Zwang und kontrolliert vom Staat - das ist doch nicht links sondern autokratisch? Links wäre doch freiheitsliebend, ohne Restriktionen?"

Wo man halt ein wenig Acht drauf geben kann ist, mit welchen Personen man assoziiert wird, und welche Meinungen dieser Personen man (unreflektiert) widerspiegelt. Wenn man da mit etwas z.B. nur zum Teil übereinstimmt, dann sollte man das auch kennzeichnen, um Missverständnisse zu vermeiden. So a la "bis zu dem Punkt gehe ich mit der Argumentation mit, danach bin ich anderer Meinung".
Tut man das halt nicht, und lässt Aussagen unkommentiert im Raum stehen, dann wird das oft nicht so aufgefasst als ob man die eben nur unkommentiert lässt, sondern so, als ob man sich diese Aussagen zu eigen macht und sie unterstützt.

Daher find ich es auch gut, dass es hier eine Kultur des "Agree to disagree" gibt, das man halt auch mit unterschiedlichen Meinungen auseinandergehen kann ohne sich immer die Köpfe einzuhauen (nur manchmal, und auch nur ein bisschen :D ).
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 17 Februar 2022, 11:53:54
Ich glaub die meisten Charaktere hier sind zu vielschichtig, als dass man sie in irgendwelche "Schubladen" einordnen könnte.
...

Genau genommen ist das immer so. Siehe die von mir beschriebene Auseinandersetzung mit gewissen anderen Linken bzw. der Linken untereinander. Dass du 2 Menschen hast, die politisch so sehr auf einer Wellenlänge sind, dass sie quasi jedes Argument des anderen unterschreiben könnten, halte ich für eine absolute Seltenheit.

Dennoch sind Schubladen gut und menschlich. Wir sind so. Wenn der Tiger kommt, dann geht es rauf auf den Baum, und es wird nicht erst gefragt, ob der Tiger vielleicht satt ist, kein Menschenfleisch mag, Angst vor Menschen hat, Pazifist ist oder was weiß ich. Er kommt in die Schublade "gefährlich". Fertig aus. So denken und handeln wir und das hat auch einen Sinn.
Weniger urmenschlich gesehen denke ich, es ist nicht immer möglich, sich mit jedem Individuum en detail auseinanderzusetzen, dafür reicht die menschliche Kapazität nicht aus. Und: Wenn ich ein generelles Interesse bei einem anderen Menschen an meiner Person wecken oder einen Ausschluss erzielen möchte, ist es oft einfach auch gut, ein paar Schubladen anzuführen. Und wenn ich beispielsweise sage, dass ich eine "alte Zecke", gothic-kompatibler Metaller, Computernerd, Hobbymusiker und Motorradfahrer bin, dann sagt das keine Details über mich aus, aber mein Gegenüber kann mich erstmal ein- bzw. aussortieren.

Deshalb finde ich Schubladen gut. Nicht für den finalen, aber für den initialen Umgang miteinander.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 18 Februar 2022, 00:59:44

Natürlich garantiert niemand, dass die Empörungsmobs der politischen Korrektheit immer fair sind, und niemand schließt eine Instrumentalisierung aus, nein, wie denn auch? Aber meistens haben diese Mobs einen lobenswerten Grund oder Anlass, sich zu bilden, und sind das Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik.
Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, ihnen zu entgehen: Sei einfach nicht scheiße.

Bist du es doch, und der Mob kommt dich heimsuchen, dann bist du sehr, sehr oft in einen Fettnapf getreten, der der neuen Rechten irgendwie in die Hände spielt. Du hast dich sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend geäußert.


Das halte ich für eine gelinde gesagt sehr naive Ansicht.
Zum einen: du kannst heute doch überhaupt gar nicht voraussagen, was morgen, nächste Woche, nächstes Jahr das Missfallen des Internets erregen wird. Es ist völlig unvorhersehbar, und es ist auch unwürdig, finde ich, sein Leben in Angst vor einem Mob verbringen zu müssen. Ich find es ein bisschen vermessen, anzunehmen, man könne das einfach auf "sei halt nicht scheiße" zusammenfassen, die Realität zeigt ja doch schon recht deutlich, dass es eben nicht so eindeutig ist.

Dieses Buch hier ist mittlerweile sieben Jahre alt:
https://en.m.wikipedia.org/wiki/So_You%27ve_Been_Publicly_Shamed

Die meisten der Leute, die darin als Beispiel genannt werden, die haben nicht darum gebeten, so in die Öffentlichkeit gezerrt, bedroht und verleumdet zu werden. Das ist nämlich gleich der nächste Punkt: eine solche wütende Meute ist immer unkalkulierbar, und die Dynamik, die sowas bekommt, die kann so schnell umschlagen, das steht in keinem Verhältnis zu den vielleicht heren Zielen, die man damit verfolgen will. Was auch gleich wieder ein weiterer Punkt ist: woher bist du dir da eigentlich so sicher, dass diese Leute dann _deine_ Ideale und Werte umsetzen? Hast du dir mal angeguckt, was für Personen in der Geschichte üblicherweise auf Mobjustiz setzen? In Pakistan zum Beispiel? Oder in den amerikanischen Südstaaten? Die sind ja auch der Meinung, die Leute, die sie da totschlagen wollen hätten sich beleidigend oder "gesellschaftsschädigend" geäußert.

Für die Bestrafung von Missetaten gibts in diesem Land ein Justizsystem. Das mag nicht immer gut funktionieren, aber es ist immer noch 1000 Mal besser als "wer genügend Wütende zusammenbringt entscheidet, was sanktioniert werden sollte."
 
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 18 Februar 2022, 12:15:17
Ich bitte um Entschuldigung für die lange Wartezeit, was meine Antwort betrifft (ich sehe mich hier in gewissem Maße adressiert). Situationen passieren. Sie kennen das.

Sehr gut kenne ich das, und eigentlich sollte ich auch mit einer Entschuldigung beginnen. Zu drohen, sich aus der Diskussion zurückzuziehen, wie ich es weiter oben gemacht habe, ist nun wirklich extrem schlechter Stil und ich bin froh, dass sich nach diesem Fauxpas meinerseits überhaupt noch jemand an der Debatte beteiligen mag.

Aber diese kleine Runde bekommt manchmal leider nur noch meine Restenergie ab, wenn alle anderen Themen, die höher priorisiert sind, bereits bearbeitet sind, und wenn ich keine Energie mehr habe, sollte ich halt nicht schreiben. Und meine Güte, haben diese anderen Themen Energien gefressen. Aber das ist OK, ich habe mir mein Leben, meine Aufgaben und meine Prioritäten ja selbst ausgesucht, nur bleiben Fehleinschätzungen eben im Rahmen des Möglichen, und Kollateralschäden können auch auftreten....

Natürlich garantiert niemand, dass die Empörungsmobs der politischen Korrektheit immer fair sind, und niemand schließt eine Instrumentalisierung aus, nein, wie denn auch? Aber meistens haben diese Mobs einen lobenswerten Grund oder Anlass, sich zu bilden, und sind das Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik.
Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, ihnen zu entgehen: Sei einfach nicht scheiße.

Bist du es doch, und der Mob kommt dich heimsuchen, dann bist du sehr, sehr oft in einen Fettnapf getreten, der der neuen Rechten irgendwie in die Hände spielt. Du hast dich sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend geäußert.

Ich würde hier gern widersprechen, und eigentlich den Beitrag von banquo in jedem Wort unterschreiben.

Gerne würde ich jedoch noch ein paar Argumente hinzufügen, und auch eine These zuspitzen: Es ist nicht so so, dass die Mobs nicht immer fair sind, sie sind nie fair. Fairness drückt laut Wikipedia "eine (nicht gesetzlich geregelte) Vorstellung von Gerechtigkeit aus." Um Gerechtigkeit geht es bei Mobs jedoch nicht, sondern um Macht. Wer einen Mob anheizen kann, kann ihn als Waffe einsetzen, wie wir bei Spotify und zahlreichen anderen Beispielen gesehen haben. Ein Mob urteilt aber nicht, er diskutiert nicht, er wägt nicht ab, er hört nicht beide Seiten. Er ist zornig und will mit allen Mitteln gewinnen - es gibt dabei in der Regel keine wirklichen roten Linien. So etwas ist ja keine neue Erfindung, und nicht einmal auf die Spezies Mensch beschränkt: Sogar unter unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, gibt es Krieg durch aufgebrachte, gegeneinander kämpfende Gruppen - siehe hierzu bspw. den "Schimpansenkrieg von Gombe" (https://de.wikipedia.org/wiki/Schimpansenkrieg_von_Gombe).

Einen großen Teil unserer Geschichte haben wir als Menschen damit verbracht, einzuhegen, dass sich einfach Gruppen zusammenschließen können und tun, was sie wollen. Die Herrschaftssysteme der Vergangenheit, wie beispielsweise Monarchien, waren dazu beispielsweise geeignet, denn auch sie waren auf das Einverständnis der Beherrschten angewiesen: Gehorcht dem König, und er bietet Ordnung und Schutz, hieß es. Kein wirklich toller Deal für viele Menschen, aber wenigstens konnte man sich darauf verlassen, dass sich nicht irgendwelche Leute zusammenrotten und das eigene Dorf überfallen, sonst bekommen sie es nämlich mit dem König zu tun. Die ganze Entwicklung hin zur Demokratie, die zwar im Vergleich mit anderen Systemen viel ineffizienter, langsamer und teurer ist, konnte m.E. nur stattfinden, weil es den Menschen wert war, die Nachteile in Kauf zu nehmen, weil die Demokratie die Gewalt aus der Gleichung nahm, und zwar vollständig - sowohl von den Mob-Horden als auch vom König.

Genauso verhält es sich mit dem Rechtssystem, das auch banquo anführte - es bietet Verlässlichkeit, Schutz und Berechenbarkeit, Fairness und Gleichheit, im Tausch gegen eine Einbuße an Freiheit. Auch die Religionen, zumindest die abrahamitischen Religionen, widmen auch einen nicht geringen Teil ihrer Energie dem Verhindern von Mobs, indem sie ihnen die Munition entnehmen. Ein enthemmter Mob sieht sich ja im Recht, weil er ein höheres Ziel verfolgt, wie beispielsweise die Erreichung eines Utopia und seine Realisierung hier auf Erden. Wenn es jedoch möglich ist, ein Utopia zu realisieren, den besten Zustand, der überhaupt möglich ist, dann ist auch jedes Mittel zu seiner Erreichung recht, denn das höchste Ziel rechtfertigt ja die höchsten Mittel, oder? Geschickterweise ist der Eintritt in das Paradies, das als das Höchste und Erstrebenswerte überhaupt dargestellt wird, erst nach dem Tode möglich. Das klingt schwer verständlich und nicht relevant, aber es sagt auch etwas sehr konkretes aus: Es ist im Leben nicht möglich. Es gibt kein irdisches Utopia. Hände weg davon! Und dann rechtfertigt auch nur noch wenig den Einsatz extremster Mittel.

Warum geben sich so viele Leute so viel Mühe, Mobs zu verhindern? Hier mal eine Auswahl historischer Mobs, und was dabei herauskam:

- die Hexenverbrennungen: Das Volk wollte Blut sehen, und es war ja klar, wer für die schlechten Ernten verantwortlich war, oder?

- Der Sturm auf die Bastille: Das als Initialzündung der französischen Revolution angesehene Ertürmung des Stadtgefängnisses setzte eine Reihe von Ereignissen in Gang, zu denen unter anderen die Terrorherrschaft der Jakobiner (https://de.wikipedia.org/wiki/Terrorherrschaft) gehörte, die Zehntausende von Köpfen vermeintlicher Gegner mit halbautomatischen Tötungsmaschinen abhacken ließen, der Guillotine. Man kann argumentieren, da wäre ein Weg begonnen worden, der uns die Demokrtatie gebracht hätte, aber erstmal kam danach Napoleon, und all seine Kriege. Und der Terreur.

- Die Reichskristallnacht: In unserem Forum, in dem Diskussionen immer wieder auf das Dritte Reich referenzieren, darf sie natürlich nicht fehlen. Nationalsozialisten hatten mit Lügen, Propaganda und konstantem Anheizen der Stimmung ein Pogrom entfacht, der als Beleg dafür dienen sollte, dass die Deutschen sich endlich gegen das Weltjudentum zur Wehr setzten. Ein großer Schritt auf dem Abstieg in das unbegreifliche, unfassbare Grauen der Shoa. Und ein Mob, der sich absolut im Recht fühlte, ja geradezu endlich das Richtige tat.

... ich bin gerade versucht, zu schreiben und zu schreiben und zu schreiben. Es werden aber immer nur mehr Beispiele des Gleichen: Irgendwelche Gruppen, denen man nur gehorchen musste, dann bringen sie einen auch nicht um, haben eine blutige Spur durch die Geschichte gezogen.

Warum nur sind sie wieder so aktuell? Neben dem durch Social Media gesunkenen Aufwand dafür, einen Mob anzuheizen, gibt es auch eine neue Ideologie: Vertreter der Postmoderne, insbesondere Intersektionalisten, fassen unsere eigentlich zum Schutz vor der Gewaltherrschaft des oder der stärkeren Gruppen gebildeten Institutionen nicht mehr so auf, wie sie aus dieser Sicht gemeint waren - sondern nur als so etwas wie einen konkurrierenden Mob. Wenn man die Dmokratie und das Rechtssystem beispielsweise nur noch als den verlängertem Arm der weissen Rassisten des Patriarchats auffasst, dann das nicht mehr für alle verbindlich. Es ist nur ein weiterer Stamm im Kampf der Stämme.

Lässt man diese Logik zu und folgt ihr und lehnt - wie passenderweise viele Mob-Vertreter - alles ab: Ordnung, Struktur, die Lektionen aus der Geschichte, alle Institutionen, Religionen, alle Werte, dann wird aus meiner Sicht kein Utopia kommen, sondern nur die Wiederherstellung des Zustandes des Krieges zwischen den Schimpansen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Alte Pizza am 18 Februar 2022, 19:02:19
@banquo

Für Opfer von emotionaler Gewalt in Abhängikeitsverhältnissen gibt es in diesem Land kein Justizsystem.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 18 Februar 2022, 19:07:08
Das Beispiel mit den Mobs war von der Ausdrucksweise her schlecht gewählt. Was aber durchaus imho zählt sind Grundwerte des (friedlichen) Zusammenlebens.
Auch hier ein Problem: Wir haben eine weltweit vernetzte Kommunikation, diese Grundwerte sind aber nicht weltweit identisch. Gerade wieder ein Video gesehen, wo junge Leute in einem anderen Land gefragt wurden was sie tun würden, wenn ihre Schwester sich selbst einen Mann aussucht und heiratet. Sofortige Reaktion von allen, ohne Zögern: Ich würde sie umbringen. Mit einem Lachen, mit einer vollkommenen Selbstverständlichkeit. Mit Kommentaren wie "ist doch nur ein wertloses Mädchen, es geht um die Ehre der Familie".
Und das waren keine Leute, die Bärte oder einen Turban oder ein langes Gewand trugen. Das kam von Menschen, die in einer westlichen Großstadtmenge nicht auffallen würden.

Solange wir uns also weltweit noch nichtmal darüber einig sind, was für uns alle weltweit gleiche gültige Grundwerte sind, solange halte ich tatsächlich weltumspannende Kommunikationsmittel für gefährlich. Denn es wird immer Anstachler geben, die aus der Natur der Sache, und dem Wesen einer Gesellschaft ein neues Feindbild für die eigene konstruieren.

Das größte Problem sind aber Leute, die diese Kommunikationsmittel nicht vernünftig bedienen können (das aber nicht wahrhaben wollen), und dementsprechend noch leichter damit manipuliert werden können. Und ja, die Art und Weise WIE manipuliert wird, wird immer raffinierter. Für den Großteil brauchts aber gar keine Rafinesse, für das Entdecken reichen dementsprechend auch 2 halbe Gehirnzellen und etwas Grundlogik.
Wenn z.B. Regionalpolitiker für eine Aussage mehr "Likes" bekommen als Superstars, die ein weltweites Millionenpublikum haben, dann sollte eigentlich jedem klar sein, dass da was nicht stimmen kann ;)
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 21 Februar 2022, 15:28:03
Wie interessant diese Missverständnisse und Betrachtungen einer Thematik aus verschiedenen Winkeln sind.

...
Warum geben sich so viele Leute so viel Mühe, Mobs zu verhindern? Hier mal eine Auswahl historischer Mobs, und was dabei herauskam:

- die Hexenverbrennungen[,...] Der Sturm auf die Bastille[,...] Die Reichskristallnacht
...

Vielleicht könnte man sagen, dass diese Dinge tatsächlich auf Empörungsmobs fußen, aber...
...die Empörungsmobs, um die es hier geht, heißen #metoo, #blacklivesmatter und jetzt neuerdings auch #neilyoung. Die großen Mobs, denen es um die political correctness geht.
So habe ich deine Worte dazu verstanden, darauf habe ich mich bezogen.

Wenn ich "Reichskristallnacht" und "Hexenverbrennung" lese, rieche ich Angst.
Ich finde es interessant, insbesondere von dir, las ich doch einige Seiten vorher von dir die genau richtige Frage zum Thema:

...ist das die Situation? Bist Du Dir da sicher?

Von Neil Young, Diskussionen um Spotify, Metoo, Blacklivesmatter, Nestlés Problemen, Negerkuss- und Zigeunersoßenumbenennung, Fußball-WM in Katar und vielen, vielen anderen zu einer Diktatur oder Meinungseinschränkung, gerne auch Meinungsdiktatur, ist es noch sehr, sehr weit. Und im Moment finden wir hier Mobs, die existieren, weil der Gerechtigkeitssinn, ja im Prinzip der Fairnesssinn vieler Menschen, diese dazu treibt, gegen Ungerechtigkeiten wie Unterdrückung, Rassismus, Umweltverschmutzung, Schaden an der Menschheit und vielem mehr verbal auf die Barrikaden zu gehen.
Und dagegen gibt es ein Mittel, was meist recht gut funktioniert: Sei nicht scheiße.

EDIT n+1: Wichtig, lieber Raoul: In diesen meinen Zeilen steckt keine Kritik oder Wertung. Dass ich den Verlauf dieser Diskussion "interessant" finde, ist genau der Punkt und ohne Sarkasmus ect. so gemeint.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 22 Februar 2022, 20:59:26
Wie interessant diese Missverständnisse und Betrachtungen einer Thematik aus verschiedenen Winkeln sind.

...
Warum geben sich so viele Leute so viel Mühe, Mobs zu verhindern? Hier mal eine Auswahl historischer Mobs, und was dabei herauskam:

- die Hexenverbrennungen[,...] Der Sturm auf die Bastille[,...] Die Reichskristallnacht
...

Vielleicht könnte man sagen, dass diese Dinge tatsächlich auf Empörungsmobs fußen, aber...
...die Empörungsmobs, um die es hier geht, heißen #metoo, #blacklivesmatter und jetzt neuerdings auch #neilyoung. Die großen Mobs, denen es um die political correctness geht.
So habe ich deine Worte dazu verstanden, darauf habe ich mich bezogen.

Wenn ich "Reichskristallnacht" und "Hexenverbrennung" lese, rieche ich Angst.
Ich finde es interessant, insbesondere von dir, las ich doch einige Seiten vorher von dir die genau richtige Frage zum Thema:

...ist das die Situation? Bist Du Dir da sicher?

Von Neil Young, Diskussionen um Spotify, Metoo, Blacklivesmatter, Nestlés Problemen, Negerkuss- und Zigeunersoßenumbenennung, Fußball-WM in Katar und vielen, vielen anderen zu einer Diktatur oder Meinungseinschränkung, gerne auch Meinungsdiktatur, ist es noch sehr, sehr weit. Und im Moment finden wir hier Mobs, die existieren, weil der Gerechtigkeitssinn, ja im Prinzip der Fairnesssinn vieler Menschen, diese dazu treibt, gegen Ungerechtigkeiten wie Unterdrückung, Rassismus, Umweltverschmutzung, Schaden an der Menschheit und vielem mehr verbal auf die Barrikaden zu gehen.
Und dagegen gibt es ein Mittel, was meist recht gut funktioniert: Sei nicht scheiße.

EDIT n+1: Wichtig, lieber Raoul: In diesen meinen Zeilen steckt keine Kritik oder Wertung. Dass ich den Verlauf dieser Diskussion "interessant" finde, ist genau der Punkt und ohne Sarkasmus ect. so gemeint.

Du hast jetzt übrigens gerade sowohl das N-Wort als auch das Z-Wort ausgeschrieben. *anmerk

https://blogs.taz.de/hausblog/ueberblick-der-eklat-um-das-n-wort/
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 22 Februar 2022, 22:20:29
Du hast jetzt übrigens gerade sowohl das N-Wort als auch das Z-Wort ausgeschrieben. *anmerk

https://blogs.taz.de/hausblog/ueberblick-der-eklat-um-das-n-wort/

"Negerküsse" sind zu Recht in "Schaumköpfe", "Zigeunersoße" in "Paprikasauce Ungarische Art" umbenannt worden.
Auch, wenn ich es zutiefst bedauere, wenn eine Sprache an Umfang verliert, so ist es doch ein wichtiger Punkt, dass ich mich nicht so weit in eine Minderheit hinein versetzen kann, um bewerten zu können, ob etwas verletzend ist, oder nicht. Das müssen die Minderheiten selbst machen, das haben sie bei den Punkten hier getan, und der aufgebrachte Mob hat sie nach erfolgter Bewertung bei der Abschaffung der Worte unterstützt. Das ist doch der Fakt, oder nicht...?
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 22 Februar 2022, 23:13:26
Womit wir wieder bei dem Thema von oben sind: du sagst, es reicht aus "nicht Scheiße zu sein", verwendest aber - inzwischen schon zum zweiten Mal! - die ausgeschriebene Form von diesen zwei Wörtern. Hast du die Stellungnahme von der Sharon Otoo nicht gelesen, die ich verlinkt habe?

"Das N-Wort ist traumatisierend, ruft grausame Erinnerungen und gewaltvolle Bilder hervor. Es wurde damals benutzt, um die Versklavung von Millionen von Afrikaner_innen zu legitimieren. "

und:

"Sprache ist lediglich ein Mittel zum Zweck. Wenn ich für eine gendergerechte und rassismusfreie Sprache plädiere, dann, weil ich andere – und mich selber – für die eigenen Privilegien zu sensibilisieren versuche. Auch mittels Sprache kann ich mich solidarisch zeigen und es kostet mich wenig. Die möglichen ästhetischen Kosten (dieses Binnen-I sieht so hässlich aus!) erscheinen mir als das kleinere Übel gegenüber den Zumutungen, denen marginalisierte Menschen sonst täglich ausgesetzt sind. Sie haben keine Wahl."

Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 22 Februar 2022, 23:35:58
(um das mal aufzulösen hier:)

Du hast jetzt hier schon mehrfach rassistische Worte reproduziert, auch nachdem ich dich darauf hingewiesen habe, dass es Leute gibt, denen es sehr wichtig ist, dass diese Wörter nicht ausgesprochen bzw ausgeschrieben werden. In diesem Sinne erfüllst du somit selber nicht mal diesen (d)einen Teil von "nicht Scheiße sein" - die richtige Antwort wäre nämlich gewesen "es tut mir leid, das war verkehrt, etc, etc.", und auch das reicht selbstverständlich nie aus, wenn der von dir so bejubelte moralische Mob etwas an deinen Worten auszusetzen hat. Weil nämlich niemand gut genug ist, und weil es niemals ausreichend ist, weil nämlich immer noch einer kommt, der noch mehr Moral hat, und der noch mehr rechtschaffende Empörung performt.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 22 Februar 2022, 23:52:28
Sorry Banquo, aber wie soll man denn erklären, welche Worte jetzt durch andere Worte aus diversen Gründen ersetzt wurden, wenn man die ursprünglichen Worte nicht mehr benennen darf?
Das ist imho ein wenig verquer, das wäre so als ob man Geschichte unterrichten will, aber das Wissen über die Vergangenheit nicht direkt erzählen darf, da es ja traumatisierende Ereignisse enthalten kann, die gewisse Minderheiten betreffen und verstören.
Ja, genau darum muss den Leuten eben klar sein was warum scheisse ist - das geht aber nur, wenn man auch weiss WAS eben WARUM scheisse ist. Da ist es mit Umschreibungen nicht getan.
Siehe die USA, wo gerade in den Schulen Bücher wie "das Tagebuch der Anne Frank" und "Maus" verboten werden, weil sie möglicherweise für die Kinder verstörend oder aufwühlend sein könnten.

Unsere Geschichte, respektive die Geschichte der Menschheit ansich, IST in vielerlei Hinsicht verstörend, beängstigend und voller absurder und wahnwitziger Epochen. Gerade daher ist es aber meiner Meinung nach wichtig, diese zu kennen - um eben aus ihnen zu lernen.

Und um auf Dein Beispiel zurückzukommen: Es war immer schon so dass es Leuten, die nicht einer bestimmten Minderheitsgruppierung angehören schwer fällt, nachzuvollziehen, warum sich diese Gruppe durch gewisse Worte und/oder Verhaltensweisen gekränkt, beleidigt oder angegriffen fühlt. Das  kann man beliebig weit fortführen, und nicht an Religion oder Herkunft festmachen.
Auch Süd-Hamburgern geht es verdammt auf die Eier, wenn sie von den Leuten nördlich der Elbe ständig mit abfälligem Tonfall als Bayern beschimpft werden, obwohl sie teilweise in Stadtteilen wohnen, die eine längere Verbindung zu Hamburg als Ganzes haben als die der nord-elbischen Hamburger. Das ist dieselbe Problematik wie das Ossi-Wessi-Gedöns, was auch jetzt, über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, immer noch nicht verschwunden ist.
Noch schwieriger wird es dann, sobald Minderheiten die Worte, die gegen sie gerichtet werden, selbst verwenden um sich damit zu bezeichnen (das N-Wort in den USA z.B., was die entsprechenden Menschen benutzen um Leute, die optisch zu ihnen passen, anzusprechen - aber eben nur untereinander, wenn sie von jemand außerhalb ihrer Gruppierung so genannt werden reagieren sie aggressiv). Das verwirrt viele Leute umso mehr, das Ziel, das Wort damit zu entwerten, ist insofern schief gegangen, als dass es in den Ohren vieler verharmlost wurde, frei nach dem Motto "die nennen sich ja selbst so".

Gewohnheiten verschwinden nicht von heute auf morgen, sie sterben mit den Generationen langsam aus. Das betrifft all diese Beispiele und noch mehr.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 23 Februar 2022, 09:36:59
(um das mal aufzulösen hier:)

Du hast jetzt hier schon mehrfach rassistische Worte reproduziert, auch nachdem ich dich darauf hingewiesen habe, dass es Leute gibt, denen es sehr wichtig ist, dass diese Wörter nicht ausgesprochen bzw ausgeschrieben werden. In diesem Sinne erfüllst du somit selber nicht mal diesen (d)einen Teil von "nicht Scheiße sein" - die richtige Antwort wäre nämlich gewesen "es tut mir leid, das war verkehrt, etc, etc.", und auch das reicht selbstverständlich nie aus, wenn der von dir so bejubelte moralische Mob etwas an deinen Worten auszusetzen hat. Weil nämlich niemand gut genug ist, und weil es niemals ausreichend ist, weil nämlich immer noch einer kommt, der noch mehr Moral hat, und der noch mehr rechtschaffende Empörung performt.

Darin entlarvt sich aus meiner Sicht, was der Empörungsmob eigentlich will: Da er nie aufhört, auch dann nicht, wenn aus Sicht des gesunden Menschenverstandes eine hinreichende Zielerreichung erfolgt ist, scheint das ja gar nicht sein Ziel zu sein. Der Mob würde dann nämlich etwas aufgeben, was zentral ist für ihn selbst und für die Motivation all seiner Teilnehmer: Die Macht. Und wenn die Empörung nachlässt, dann ist diese Macht weg.

Und dass nie irgendwer gut genug sein kann, das hat auch für die Mobisten Folgen (ich musste denen einfach mal einen Namen geben): Ich verlinke mal eine berühmt gewordene Rede eines der berühmtesten Anführers einer der berühmtesten Institutionen, die das Ergebnis einer der berühmtesten gewalttägigen Revolutionen verantwortete:

Die Rede des Ersten Sekretärs des CK der KPSS, N. S. Chruščev auf dem XX. Parteitag der KPSS ["Geheimrede"] und der Beschluß des Parteitages "Über den Personenkult und seine Folgen", 25. Februar 1956 (https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_ru&dokument=0014_ent&object=translation&st=&l=de)

Ein extrem spannendes Dokument, in dem Chruschtschow selbst folgendes sagt:

"Festgestellt wurde, daß von den 139 Mitgliedern und Kandidaten des Zentralkomitees, die auf dem XVII. Parteitag gewählt worden waren, 98 Personen, d. h. 70 Prozent, (hauptsächlich in den Jahren 1937/1938) verhaftet und erschossen wurden.

Wie war die Zusammensetzung der Delegierten zum XVII. Parteitag? Es ist bekannt, daß 80 Prozent der Teilnehmer des Parteitages mit beschließender Stimme in den Jahren der revolutionären Untergrundsarbeit und des Bürgerkrieges, also einschließlich bis zum Jahre 1920, in die Partei eingetreten waren. Was die soziale Zusammensetzung angeht, so stellten Arbeiter (60 Prozent der Delegierten mit beschließender Stimme) die Hauptmasse der Parteitagsdelegierten.

Deshalb war es absolut undenkbar, daß der Parteitag mit derartiger Zusammensetzung ein Zentralkomitee gewählt hätte, dessen Mehrheit sich als Parteifeinde herausstellt. Nur im Ergebnis dessen, daß ehrliche Kommunisten angeschwärzt und zu Unrecht beschuldigt wurden, daß ungeheuerliche Verletzungen der revolutionären Gesetzlichkeit zugelassen worden sind, wurden 70 Prozent der Mitglieder und Kandidaten des vom XVII. Parteitag gewählten Zentralkomitees zu Feinden der Partei und des Volkes erklärt."


SIEBZIG PROZENT der Mitglieder des Zentralkomitees, das die Revolution verwaltete, und das aus überzeigten Sozialisten und Kommunisten bestand, wurden erschossen, und das waren die Revolutionäre selbst!

Apropos: Robespierre griff im revolutionären Nationalkonvent durch uns ließ Abgeordnete, die sich der Radikalisierung widersetzten, kurzerhand köpfen. So wurden am 30 Oktober 1793 innerhalb von 40 Minuten 21 Abgeordnete der Revolutionsregierung kurzerhand mit der Guillotine getötet. Auslöser war ein interner Machtkampf, aber den Jakobinern waren diese Revolutionäre einfach nicht revolutionär genug. Berühmt wurde die Aussage des Abgeordneten Pierre Vergniaud "Die Revolution [...] frisst ihre eigenen Kinder", direkt bevor auch ihm der Kopf abgehackt wurde.

Ich glaube, es gibt zahlreiche Beispiele der extrem hohen Fehlbarkeit von Mobs, und ich lasse den abgegriffenen und irgendwie immer und immer wieder durchgenudelten österreichischen Obergefreiten heute mal in der Schublade, und viele fanden vor dem Beginn unserer detaillierten Geschichtsschreibung statt - und daher hat man sich so viel Mühe gegeben, dem gewalttätigen Stammesdenken grundsätzlich eine Absage zu erteilen.

Und noch etwas - was ist denn eigentlich "scheisse"?

Das kommt sehr darauf an, wen Du fragst - bist Du eher in linken Zirkeln unterwegs oder nicht? Bei Trump- oder Biden-Fans? Bei jungen Klimaaktivisten aus wohlhabendem Elternhause oder bei der Familie, die davon lebt, dass der Vater LKW fährt? Im Schanzenviertel oder im Arbeiterviertel in Dresden? In Antifa-Kreisen oder bei der Jungen Alternative?

Man erkennt schnell: Alle finden etwas anderes scheisse. Man muss schon sehr viel ausblenden können, um die verschiedenen Blickwinkel aller anderen vernachlässigen zu können und sich vollständig auf die eigenen Gruppe zu verlassen, und dass die schon recht habe. Menschen haben immer davon profitiert, sich mit Personen anderer Sichtweisen auszutauschen, weil ihnen dieses Vorgehen erlaubte, mehr zu erkennen als die involvierten Einzelpersonen oder Teilgruppen der Gesellschaft. Das Gesamte ist eben mehr als die Summe der Teile.

Abgesehen von den armen Leuten, die etwas kopflos wurden durch Machtkämpfe innerhalb der Mobs (haha, kleiner müder Scherz) lähmen Gruppen, für die viele Dinge tabu sind, wegen "scheisse", nicht nur die Gesamtgesellschaft, sondern auch den eigenen Fortschritt und Erkenntnisgewinn. Meine zugegeben etwas steile Hypothese ist, dass dieser Umstand entscheidend zum Zusammenbruch des riesigen Reiches beigetragen hat, dem Chruschtschow 1956 vorstand.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 23 Februar 2022, 09:40:43
Und noch etwas:

Wenn ich "Reichskristallnacht" und "Hexenverbrennung" lese, rieche ich Angst.

Ja genau, richtig. Wenn jemand behauptet, er hätte keine, dann hätte ich Schwierigkeiten, das zu glauben.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 23 Februar 2022, 10:20:55
... Zentralkomitees, ... Revolution ... Robespierre ...

Du bist immer noch meilenweit weg vom Thema.
Zumindest gehst du nicht auf meine Argumente ein, dass ein #metoo, ein #blacklivesmatter und andere Dinge, die die Mobs sind, um die es in dem Thread hier geht, gar nichts mit politischen Revolutionen und Guillotinen zu tun haben.
Das sind 2 unterschiedliche Paar Schuhe.

Und darauf, warum du auf meine Argumentation, die den derzeit politisch erfolgreichsten Arm der neuen Rechten, also das Spektrum besagter Populisten, die der Gegenpol zur "politischen Korrektheit", betrifft, dass diese ernsthaft vorgeschlagen hatte, auf Flüchtlinge schießen zu lassen, geantwortet hast, ob ich sicher sei, dass das [schon so schlimm ist], hier aber von Bewegungen für die Gleichheit und Selbstbestimmtheit u.s.w. auf politische Morde kommst und Menschen mit einem Bedürfnis, sich an die Seite schwacher zu stellen Machtgier unterstellst, also, und das ist meine Ansicht dazu, völlig überziehst, das hast du mir nicht beantwortet.

By the way, was mir dazu gerade mal einfällt, so "just 4 fun": Einige radikale Feministinnen würden das in ihrem Jargon "Derailing" nennen.
Ich halte allerdings weder etwas von diesem Wort noch von der Angewohnheit, dieses in den Raum zu werfen, sondern würde eher von "Aneinander vorbei geredet" sprechen wollen, aber ich würde das an der Stelle gerne aufgelöst sehen.
Ist mir nur mal so aufgefallen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 23 Februar 2022, 10:34:28
(um das mal aufzulösen hier:)

Du hast jetzt hier schon mehrfach rassistische Worte reproduziert, auch nachdem ich dich darauf hingewiesen habe, dass es Leute gibt, denen es sehr wichtig ist, dass diese Wörter nicht ausgesprochen bzw ausgeschrieben werden. In diesem Sinne erfüllst du somit selber nicht mal diesen (d)einen Teil von "nicht Scheiße sein" - die richtige Antwort wäre nämlich gewesen "es tut mir leid, das war verkehrt, etc, etc.", und auch das reicht selbstverständlich nie aus, wenn der von dir so bejubelte moralische Mob etwas an deinen Worten auszusetzen hat. Weil nämlich niemand gut genug ist, und weil es niemals ausreichend ist, weil nämlich immer noch einer kommt, der noch mehr Moral hat, und der noch mehr rechtschaffende Empörung performt.

Wir könnten der Katze noch ein wenig helfen, sich selbst in den Schwanz zu beißen. Zum Beispiel sagen, dass es dir, als nicht-Angehöriger sämtlicher Minderheiten, die schändlicherweise verletzend mit Worten bezeichnet wurden (und leider teilweise noch werden), die auch Teil der meist abgeschafften Namen besagter Nahrungsmittel sind, überhaupt nicht zu steht, zu bewerten, wann sich ein Mitglied jener Minderheiten verletzt zu fühlen hat und wann nicht, aber wir können es auch lassen, da ich dir formal weder Unrecht unterstellen kann noch möchte, und daher plädiere ich dafür, deine Aussagen oben einfach mal so stehen zu lassen.

Abgesehen davon natürlich, dass Jack_N AUCH Recht hat und es die eine, ultimative Wahrheit mal wieder nicht gibt.

Aber die ganze Thematik zeigt so einiges auf. Zum Beispiel Gründe, die dich dazu bringen, dich an die Seite von Minderheiten zu stellen, zu denen du nicht gehörst (zumindest einer davon).

Und ja, ich habe recht bewusst provoziert.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: RaoulDuke am 23 Februar 2022, 11:03:28
... Zentralkomitees, ... Revolution ... Robespierre ...

Du bist immer noch meilenweit weg vom Thema.

Ist das so?

Beginnend führte ich ja aus, dass es eine Reihe von Motiven für das Anheizen eines Empörungsmobs gegen Joe Rogan geben könnte, die gar nichts mit dem flammenden Schwert der sozialen Gerechtigkeit zu tun haben, sondern handfeste ökonomische Gründe haben. Ich weiss ja nicht, ob das so ist, aber die Deal-Konstellation mit Hipgnosis macht es zumindest mal möglich.

Ansonsten ging es mir es darum, dass der Mechanismus "sei nicht scheisse, sonst holt Dich der Mob" nicht funktioniert, gar furchtbare, grausame Folgen haben kann. Nicht einmal die Motive halte ich in jedem Fall für ehrlich und offen. Insofern plädier(t)e ich dafür, dass nicht jedes vermeintlich hehre Ziel alle Mittel rechtfertigt, da hilft auch kein "gegen Rechts!", oder "für das Klima!" oder was gerade so in ist und sogar im Kern gut gemeint sein mag.

Das halte ich gar nicht für derailing, sondern vielmehr für "well reflected and fluenty expressed analysis with touches of brilliance", sogenanntes WRAFEA-WTOBing. Naja, nur von mir so genannt. Aber ich mag das Wort. ;)

Und ja, ich habe recht bewusst provoziert.

Dosiert eingesetzte Provokation ist ein wichtiges Stilmittel für Diskussionen, wie ich finde. Wie sonst bringt man den anderen dazu, seinen Standpunkt zu verteidigen? Eine verlorene Kunst in dieser Welt der absoluten, unhinterfragbaren Wahrheiten...

edit: hatte vergessen, ein Zitat einzufügen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 23 Februar 2022, 11:58:59
Ansonsten ging es mir es darum, dass der Mechanismus "sei nicht scheisse, sonst holt Dich der Mob" nicht funktioniert, gar furchtbare, grausame Folgen haben kann.

1. "Sei nicht scheiße, sonst holt dich der Mob" ist etwas anderes als "Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht", das ist zumindest erstmal der Teil mit der Mengenlehre/Logik.
2. "Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht, der sich aus lobenswertem Grund oder Anlass als Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik gebildet hat" ist nochmal was anders, und das war meine Aussage.

Das halte ich gar nicht für derailing, sondern vielmehr für "well reflected and fluenty expressed analysis with touches of brilliance", sogenanntes WRAFEA-WTOBing. Naja, nur von mir so genannt. Aber ich mag das Wort. ;)

Kein Derailing, natürlich nicht, wie ich bereits ausdrücken wollte, ich halte nicht viel vom Vorwurf des Derailings und bezweifle, dass es das überhaupt gibt, zumindest in der Ausprägung und Häufigkeit, wie es Menschen vorgeworfen wird, nur der Zusammenhang zu aufgebrachten Mobs ließ mich, innerlich etwas drüber lachend, daran denken.

Ansonsten hab ich über deine Wortneuschöpfung geschmunzelt, halte sie aber nicht für zutreffend.
Im Moment bist du bei einer sehr selektiven radikal-überspitzenden Bewertung gesellschaftlicher Vorgänge, die sich aus deinem persönlichen Standpunkt ergibt.

Beginnend führte ich ja aus, dass es eine Reihe von Motiven für das Anheizen eines Empörungsmobs gegen Joe Rogan geben könnte, [...]

Hilf mir mal bitte, ich finde die Stelle nicht, an der du genau das getan hast.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 23 Februar 2022, 12:12:11
Das mit der dosiert eingesetzten Provokation ist ein verloren gegangenes Stilmittel, weil es leider zur Mode geworden ist, dass sich auch auf die kleinste Äußerung, sofern sie im größeren öffentlichen Kreis getan wird, ein massiver Raubmordkopiermob von Möchtegern-White-Knights stürzt, die ihr Internet-Schild vor alles Werfen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Auch vor diejenigen, die die gezielte Provokation als solche erkannt haben und eigentlich gerne eine inhaltlich durchaus sehr spannende Diskussion führen würden. Nur wird dieses im Keim durch sehr sehr laute, sehr empörte Gegenwehr von Leuten, die inhaltlich eigentlich gar nichts mit der Sache zu tun haben, aber in der Empörung selbst ihre Bestimmung sehen, verhindert. Und dazu noch der Provokateur nicht als Diskussionsentfacher angesehen, sondern mit einem Stempel versehen und gebrandmarkt (je nach Situation als Antisemit, Kommunist, Satanist, kichenanzündender Death-Metal-Jünger etc...pp...).

Ich war zwar immer ein Advokat dafür, dass Technik für die Menschen einfacher bedienbar und günstiger werden müsse. Das stammte aus meinen Erfahrungen mit Computern in den 80ern und 90ern, mit BTX und ersten Modems und dem BBS-Systemen der Zeit.
Wir haben das bekommen, was damals höchstens angedacht wurde. Das es aber dann auch dazu führt, dass diejenigen auf einmal eine ungeheure Reichweite bekommen, die einfach nur laut und empört sind, und früher niemals über den Rand ihres Stammtisches in der Kneipe hinauskamen - das hatte ich nicht auf dem Schirm. Wie auch wohl sonst keiner.


Whargabl, über die Motivationen für Handlungen von Menschen kann man echt tagelang philosophieren.

So wenig wie 1984 und Fahrenheit 451 eine Anleitung für künftige Regierungen darstellen sollten, so wenig sollte Idiocracy eine Dokumentation der nahen Zukunft sein.
Genau darauf steuern wir aber leider zu, oder haben den Punkt schon erreicht. Hände hoch, wer hat alles über die Darstellungen von Zombie-Apokalypsen in Filmen und Büchern gelacht und gedacht: So doof können die Leute doch gar nicht sein, dass sie sowas zulassen?
Das aktuelle Verhalten der Menschen in der Pandemie deckt sich leider größtenteils mit dem, was ich in dem MMORPG World of Warcraft selbst in der Zeit des Corrupted Blood Incident erlebt habe. Schöne Zusammenfassung hier:
https://en.wikipedia.org/wiki/Corrupted_Blood_incident

Das Verhalten der Spieler wurde tatsächlich von Wissenschaftlern untersucht und Bezüge zum Verhalten von Menschen in der realen Welt hergestellt. Verstörend war die gar nicht geringe Zahl von Spielern, die die Seuche absichtlich weitergetragen haben, vor allem Spieler mit hohem Level, die dem Schaden sehr lange widerstehen konnten, und sich darüber lustig gemacht haben, dass neue, kleine Spielercharaktere daran zugrunde gingen. Der Vergleich zur Covid-19-Pandemie steht ja auch unten im Link.

Letztenendes war es also ein soziales Problem. Und genau darauf lässt sich alles, worüber wir hier diskutieren runterbrechen: Soziale Unterschiede und daraus resultierende Probleme.
Das sind Unterschiede im Wertesystem, Unterschiede in der Wertwahrnehmung, in der Selbstwahrnehmung und in der Warnehmung von anderen und der Wirkung, die man auf sie hat.
Plattitüden wie "gut gemeint ist nicht gut gemacht" kommen mir da in den Kopf, genau wie die Erkenntnis, dass gewisse kritische Entscheidungen eben nicht alleine getroffen werden sollten. Und das wir oftmals unsere Umgebung falsch einschätzen und bewerten, eben basierend auf der Blase, in der wir uns bewegen, und von der wir unser Feedback bekommen.

Beispiel: Die hier strittigen Begrifflichkeiten. Wir sind uns denke ich alle einig, dass eine Reform der Nutzung gewisser Begriffe unumgänglich ist. Wie man damit aber umgeht ist halt strittig: Eine Gruppe sagt, dass gewisse Wörter überhaupt nicht mehr und unter keinen Umständen Verwendung finden dürfen. Eine weitere Gruppe sagt, dass man diese Worte in einem historischen Kontext verwenden kann, der eindeutig die Vergangenheit zeigt, gleichzeitig sie aber im aktuellen Kontext nicht verwenden soll. Dann haben wir mit Sicherheit eine Gruppe, die die Worte weiterhin verwendet, und überhaupt nicht versteht, wo da ein Problem sein sollte. Eine weitere ist vehement dagegen diese Worte aus dem Sprachgebrauch zu streichen, weil "haben wir immer so gemacht" (das ist die Gruppe, die irgendwann einfach aussterben wird).
Und dann gibt es die Gruppe, die von den Worten tatsächlich adressiert wurde. Und auch in dieser gibt es Untergruppen - einige die die Nicht-Nutzung befürworten, andere die die Worte gerade selbst nutzen und sich zu eigen machen, usw...
Wie man jetzt zu einer Aussage oder zu einem Wort steht hängt ganz davon ab, in welcher dieser ganzen Splittergruppen man sich mit seinen Sozialkontakten bewegt, wo man aufgewachsen ist, welche Erfahrungen man selbst gemacht hat und macht.

Wenn man auf breiter Front Leute überzeugen will ihr Handeln zu ändern, dann hat man einerseits die Aufgeschlossenen, die guten Argumenten zuträglich sind, diejenigen denen sowieso alles egal ist, und diejenigen, die immer alles ablehnen werden, weil es nicht aus ihrer eigenen "Bubble" kommt. Dazwischen noch entsprechende Abstufungen.


Das ist auch mein Punkt, wenn ich bei Diskussionen über z.B. Umweltschutz, Klimawandel und co immer sage: Ich sehe den Grund und die Logik für die Notwendigkeit von Veränderungen. Um aber die breite Masse zu überzeugen, dass die mitzieht, muss für diese ein direkt und unmittelbar greifbarer Vorteil dabei herausspringen. Ansonsten wird die Zahl von Gruppierungen, die ich überzeugen kann, zu klein sein um wirklich etwas zu bewirken. Und ich kann eine höhere Zustimmung erreichen, indem ich hier einen echten Mehrwert schaffe (z.B. durch große Zahlen das bessere Produkt günstiger als das schädlichere anbietenkann), anstatt durch hohe Nachteile an anderer Stelle die neue Option künstlich aufzuwerten (Steuern, Abgaben, Bußen etc...).
Letzteres erzeugt hingegen eine Kluft zwischen den Gruppierungen, und führt zu Grabenkämpfen. Was ja auch gezielt von einigen Individuen ausgenutzt wird, durch eine "wir-gegen-die"-Mentalität lässt sich eine Masse an Menschen eben leichter steuern. War schon immer so, wird immer so sein.
Eine "wir alle gemeinsam"-Mentalität durchzuziehen und wirklich so gut wie alle mitzunehmen ist schon immer ein riesiger Kraftakte gewesen, der sehr fordernd und nicht sehr belohnend ist.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 23 Februar 2022, 12:45:52
So, dann nehmen wir das doch noch einmal auseinander. Du hast wörtlich formuliert:

"Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, ihnen zu entgehen: Sei einfach nicht scheiße.

Bist du es doch, und der Mob kommt dich heimsuchen, dann bist du sehr, sehr oft in einen Fettnapf getreten, der der neuen Rechten irgendwie in die Hände spielt. Du hast dich sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend geäußert."

Und ich habe in deinem letzten Posting ohne Mühe schon gleich etwas gefunden, was von Leuten als "sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend" angesehen wird, nämlich das Ausschreiben oder das Aussprechen des N-Wortes bzw des Z-Wortes. An dem Punkt sind nämlich einige Gruppen in Amerika und in der Folge auch hierzulande bereits: die sogenannte use-mention distinction wird als irrelevant abgetan, es gibt keinen Grund, warum jemand, der nicht besonderen marginalisierten Gruppen angehört, diese Worte aussprechen oder ausschreiben darf. Und falls du das jetzt absurd findest: es gibt schon eine lange Liste von Leuten, die deshalb schon ihren Job verloren haben und als Rassisten gebranntmarkt wurden:

https://www.tabletmag.com/sections/news/articles/mike-pesca-speaks
https://www.thefire.org/fire-warns-university-of-illinois-at-chicago-over-investigation-into-law-professors-exam-question/
https://reason.com/2021/02/06/its-official-linguistic-intent-no-longer-matters-at-the-new-york-times/
https://www.insidehighered.com/news/2020/09/08/professor-suspended-saying-chinese-word-sounds-english-slur

Haben also diese Leute es verdient, vom Mob heimgesucht zu werden? Dann bist du aber auch dran, egal ob du es böse gemeint hast oder nicht.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 23 Februar 2022, 12:59:52
So, dann nehmen wir das doch noch einmal auseinander. Du hast wörtlich formuliert:

"Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, ihnen zu entgehen: Sei einfach nicht scheiße.

Bist du es doch, und der Mob kommt dich heimsuchen, dann bist du sehr, sehr oft in einen Fettnapf getreten, der der neuen Rechten irgendwie in die Hände spielt. Du hast dich sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend geäußert."

Und ich habe in deinem letzten Posting ohne Mühe schon gleich etwas gefunden, was von Leuten als "sexistisch, rassistisch oder irgendwie anders verachtend, verletzend oder gesellschaftsschädigend" angesehen wird, nämlich das Ausschreiben oder das Aussprechen des N-Wortes bzw des Z-Wortes. An dem Punkt sind nämlich einige Gruppen in Amerika und in der Folge auch hierzulande bereits: die sogenannte use-mention distinction wird als irrelevant abgetan, es gibt keinen Grund, warum jemand, der nicht besonderen marginalisierten Gruppen angehört, diese Worte aussprechen oder ausschreiben darf. Und falls du das jetzt absurd findest: es gibt schon eine lange Liste von Leuten, die deshalb schon ihren Job verloren haben und als Rassisten gebranntmarkt wurden:

https://www.tabletmag.com/sections/news/articles/mike-pesca-speaks
https://www.thefire.org/fire-warns-university-of-illinois-at-chicago-over-investigation-into-law-professors-exam-question/
https://reason.com/2021/02/06/its-official-linguistic-intent-no-longer-matters-at-the-new-york-times/
https://www.insidehighered.com/news/2020/09/08/professor-suspended-saying-chinese-word-sounds-english-slur

Haben also diese Leute es verdient, vom Mob heimgesucht zu werden? Dann bist du aber auch dran, egal ob du es böse gemeint hast oder nicht.

Wenn du mir jetzt sagst, was genau du nicht verstanden hast, werde ich versuchen, es dir zu erklären.
Oder ich liege hier einer Fehlinterpretation deines Beitrages auf, das ließe sich lösen, wenn du mir deinen Standpunkt mitteiltest. Sieht nämlich erstmal so aus, als würdest du mir ein gewisses Wording vorwerfe ohne den schon angeführten Grund zu betrachten.

Nebenbei: Der erste Satz des Zitats ist sehr offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen, da hier nicht steht, auf wen sich das "ihnen" bezieht. Kann man machen, man sollte sich den Kontext dann aber dennoch vergegenwärtigen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 23 Februar 2022, 13:16:33
Das mit der dosiert eingesetzten Provokation ist ein verloren gegangenes Stilmittel, weil es leider zur Mode geworden ist, dass sich auch auf die kleinste Äußerung, sofern sie im größeren öffentlichen Kreis getan wird, ein massiver Raubmordkopiermob von Möchtegern-White-Knights stürzt, die ihr Internet-Schild vor alles Werfen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Auch vor diejenigen, die die gezielte Provokation als solche erkannt haben und eigentlich gerne eine inhaltlich durchaus sehr spannende Diskussion führen würden. Nur wird dieses im Keim durch sehr sehr laute, sehr empörte Gegenwehr von Leuten, die inhaltlich eigentlich gar nichts mit der Sache zu tun haben, aber in der Empörung selbst ihre Bestimmung sehen, verhindert. Und dazu noch der Provokateur nicht als Diskussionsentfacher angesehen, sondern mit einem Stempel versehen und gebrandmarkt (je nach Situation als Antisemit, Kommunist, Satanist, kichenanzündender Death-Metal-Jünger etc...pp...).

Ja, das ist ein Punkt, den ich, muss ich einräumen, voll unterschreiben kann und der als Argument gegen die besagten, besprochenen Mobs komplett valide ist.
Der Unterschied zwischen einer "dAs WiRd MaN jA wOhL nOcH sAgEn DüRfEn - Situtation" und einer, in der Menschen übergriffig in eine Ecke gestellt werden, in die sie nicht gehören, und der damit verbundene Verlust an Diskussionskultur ist mir in den letzten Jahren ziemlich aufgefallen und aufgestoßen, und eigentlich ist der teilweise so heftig, dass er die positiven Dinge der angesprochenen "Mobkultur", die ich versucht habe, hier heraus zu stellen, in den Schatten stellt.
Unter dem Gesichtspunkt, wenn ich recht drüber nachdenke, ist das "sei einfach nicht scheiße" vermutlich ein Irrtum.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Eisbär am 23 Februar 2022, 15:11:39
Sieht nämlich erstmal so aus, als würdest du mir ein gewisses Wording vorwerfe ohne den schon angeführten Grund zu betrachten.
Nein, er akzeptiert den angeführten Grund einfach nur nicht als solchen - was auch für viele Betroffene gilt. Darauf will er hinaus.

...der damit verbundene Verlust an Diskussionskultur ist mir in den letzten Jahren ziemlich aufgefallen und aufgestoßen
Und da sehe ich etwas grundlegend anders.
Obama hat das sehr schön in seinem Buch beschrieben: das Problem bei vielen politischen Diskussionen heute ist, dass man sich nicht mal mehr auf die Fakten einigen an. Das ist das größte Problem. Wie soll man sich auf Handlungsstrategien oder sogar auf ethische Werte und Vorgehensweisen einigen, wenn man sich nicht mal auf sowas eigentlich banales wie Fakten einigen an?
Natürlich haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Beweggründe, unterschiedliche Interessen und damit auch unterschiedliche Prioritäten. Aufgabe von Gesellschaft und Politik war und ist es, diese so gut möglich unter einen Hut zu bekommen und Kompromisse und einen Ausgleich zu finden. Und ein weiser Mann sagte mal, ein guter Kompromiss ist einer, mit dem alle Parteien gleich unzufrieden sind. Und solange das allen Beteiligten klar ist, kann man miteinander reden und verhandeln.
Aber Fakten sind nun mal nicht verhandelbar. Fakten machen keine Kompromisse. Naturgesetze lassen sich weder beugen noch brechen. Wie soll man vernünftig mit jemanden diskutieren, der das nicht (an)erkennt?

Nach diesem Einschub der Brückenschlag zum eigentlichen Thema: es gibt Gruppen in der Bevölkerung, die faktisch auf die eine oder andere Art benachteiligt, diskriminiert, marginalisiert o. ä. werden und darunter leiden. Das ist ein Fakt. Dass das den Betroffenen nicht gefällt, ist auch ein Fakt und nur logisch.
Für viele Menschen in der westlichen Gesellschaft ist es ein wichtiger Wert, Schwächere vor Stärkeren zu (be)schützen. Wenn nun jemand öffentlich - und sei es durch Sprachgebrauch - aus einer privilegierten Position heraus aktiv an der Benachteiligung, Diskriminierung, Marginalisierung etc. teilnimmt oder sie sogar vorantreibt, stellen sich viele auf die Seite der Betroffenen.
Auf der anderen Seite hat jemand, der aktiv an der Benachteiligung, Diskriminierung etc. teilnimmt, offensichtlich vollkommen andere Werte diesbezüglich oder aber er leugnet die Fakten.
Um Geschäfte mit jemandem zu machen, muss man dem Gegenüber ein Mindestmaß an Vertrauen entgegenbringen. Das gilt für alle beteiligten Parteien.
Wie soll man jemandem Vertrauen, dessen Werte den eigenen diametral widersprechen? Wie soll man jemanden vertrauen, der Fakten nicht anerkennt?
Wenn sich also sowas herausstellt, stellt man die Geschäftsbeziehungen ein. Und wenn jemand seine Leugnung von Fakten und seine der Allgemeinheit widersprechende Werte öffentlich verbreitet, stellen eben viele Menschen ihre geschäftlichen Beziehungen ein. Das nennen dann die Menschen "Cancel culture", für die freie Wahl der Vertragspartner nur dann gilt, wenn's zum eigenen Vorteil ist.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Jack_N am 23 Februar 2022, 15:51:02
Da hast Du grundsätzlich erstmal eine gute Analyse der gesamten aktuellen Aktionen und Denkweisen geliefert.
Nur muss ich einen Punkt von Dir, Eisbär, hier einmal aufgreifen:

"Wie soll man jemandem Vertrauen, dessen Werte den eigenen diametral widersprechen? Wie soll man jemanden vertrauen, der Fakten nicht anerkennt?
Wenn sich also sowas herausstellt, stellt man die Geschäftsbeziehungen ein. Und wenn jemand seine Leugnung von Fakten und seine der Allgemeinheit widersprechende Werte öffentlich verbreitet, stellen eben viele Menschen ihre geschäftlichen Beziehungen ein."

Viele - aber eben nicht alle. Und ich wage auch (gewagte These, ich weiss) zu behaupten, dass dies nicht gut wäre, denn geschäftliche Beziehungen sind oft der erste Schritt zu einem gegenseitigen Verständnis.
Denn auch über geschäftliche Beziehungen findet ein (begrenzter) kultureller Austausch statt. Und wenn dieser nur unter der "Elite" der jeweiligen Länder stattfindet, dann eifert das "einfache Volk" dieser Elite doch oft nach. Wenn diese nun aber Handlungsweisen annimmt, die eigentlich verpönt oder sogar tabu sind - das mag von Alkoholgenuss über ausschweifenden Lebensstil bis hin zu extravaganter Kleidung oder nicht-so-strikter Beachtung von religiösen Dingen alles Mögliche sein - dann kann das auch schleichende Veränderung und/oder Zweifel bedeuten, es regt auf jeden Fall aber Leute zum Denken an.

Natürlich gibt es auch eine gewisse Anzahl an Menschen, die ungeachtet des Status des Gegenüber Geschäfte abwickeln, frei nach dem Motto: "pecunia non olet". Und dann gibt es wieder die, die ihren primären Horizont exakt an der eigenen Gartenpforte enden lassen. Nicht wenige Menschen in Deutschland pfeifen darauf, was ein gewisser Herr Putin gerade veranstaltet, hauptsache das Gas wird wieder billiger und pünktlich geliefert.

Jeder Mensch hat Grenzen für was er sich wie stark einsetzt. Und jemand, der sich vehement für Minderheiten und deren Schutz einsetzt, kann gleichzeitig auf andere Art und Weise eine persona non grata werden, indem er einer anderen Minderheit jeglichen Schutz oder ein Existenzrecht abspricht, oder andere Dinge oder wissenschaftliche Erkenntnisse leugnet.
Das bringt dann die Außenstehenden in Erklärungsnot: Kann ich jemanden, der sich extrem gegen Antisemitismus stellt, wirklich als leuchtendes Beispiel hochhalten wenn er gleichzeitig ein vehementer Klimawandelleugner und anti-Öko-Aktivist ist?

Wie in vielen anderen Beziehungen, so ist auch hier der Status mit "es ist kompliziert" nicht so verkehrt angegeben :D
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 23 Februar 2022, 17:55:59
...der damit verbundene Verlust an Diskussionskultur ist mir in den letzten Jahren ziemlich aufgefallen und aufgestoßen
Und da sehe ich etwas grundlegend anders.
Obama hat das sehr schön in seinem Buch beschrieben: das Problem bei vielen politischen Diskussionen heute ist, dass man sich nicht mal mehr auf die Fakten einigen an. Das ist das größte Problem. Wie soll man sich auf Handlungsstrategien oder sogar auf ethische Werte und Vorgehensweisen einigen, wenn man sich nicht mal auf sowas eigentlich banales wie Fakten einigen an?
Natürlich haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Beweggründe, unterschiedliche Interessen und damit auch unterschiedliche Prioritäten. Aufgabe von Gesellschaft und Politik war und ist es, diese so gut möglich unter einen Hut zu bekommen und Kompromisse und einen Ausgleich zu finden. Und ein weiser Mann sagte mal, ein guter Kompromiss ist einer, mit dem alle Parteien gleich unzufrieden sind. Und solange das allen Beteiligten klar ist, kann man miteinander reden und verhandeln.
Aber Fakten sind nun mal nicht verhandelbar. Fakten machen keine Kompromisse. Naturgesetze lassen sich weder beugen noch brechen. Wie soll man vernünftig mit jemanden diskutieren, der das nicht (an)erkennt?

Ich verstehe total, was du meinst. Im Prinzip ist das ja eine andere Seite von "sei einfach nicht scheiße".
Nehmen wir zum Beispiel mal an, es würde ein Virus auf der Welt grassieren, welches in der Lage ist, in großem Stile Menschen elendig sterben zu lassen, was wissenschaftlich bewiesen ist, und es würden Impfstoffe dagegen entwickelt, die ein sehr geringes gesundheitliches Risiko bergen, was ebenfalls wissenschaftlich bewiesen ist, und nehmen wir mal an, in einem Forum wie dem schwarzen Hamburg oder einer Plattform wie Spotify würde sich jemand finden, der diese wissenschaftlich bewiesenen Fakten einfach leugnet. Dann wäre das ja auch ein bisschen "scheiße sein" (wegen der Folgen, die es hat, wenn ihm jemand glaubt) und ein bisschen "Fakten leugnen".

Das war aber nicht, was ich meinte.

Ich hab mir neulich mal ziemlich harte Schelte eingefangen. Grundvoraussetzung: ich bin der Meinung, dass unsere ehemalige Bundesregierung sowie die Regierungen der Länder und Kommunen in Anbetracht des teilweise totalen Blindfluges den unmöglichen Eiertanz des Pandemie-Managements im internationalen Vergleich ganz gut bewältigt hat. Ein bisschen schlechte Kommunikation hier, ein Maskenskandal da, die pragmatisch gedachte Einführung einer App, die nichts taugt obendrein, ja sicher, alles suboptimal, keine Frage, aber die Kompromisse, die man geschlossen hat, die alle unangenehm waren und unangenehm sein mussten, hat man meines Erachtens mit einem erstaunlich gutem Augenmaß geschlossen.

Jetzt hat ein Nutzy eines anderen Forums sich wild über die Regierung aufgeregt, wie scheiße diese mit der Pandemie umgegangen sei.

Und ich habe provokativ "warum" gefragt und auf Argumente auch Dinge entgegnet.

Zack! Da waren sie "Möchtegern-White-Knights" von Jack und haben mich zur Sau gemacht, wie ich nur so ignorant sein könne gegenüber dem ganzen Mist, den die Regierung verzapft hat und so weiter.
Wie viel Lust andere Nutzys des Forums und ich dann noch auf diskutieren hatten, kannste dir vorstellen.

Und hier ging es nicht um ignorierte Fakten, hier ging es nicht um eine festgefahrene Meinung (wenn jemand mit den richtigen Argumenten kommt, lasse ich mich gern davon überzeugen, dass die Regierung nur scheiße gemacht hat, insbesondere, da ich eh kein Freund der CDU bin), sondern lediglich um ein bisschen seichte Provokation, aus Neugier, um zu lernen und um auch andere zum Neu-Überdenken und Abmildern einer eventuell viel zu negativen Ansicht anzuregen.

Das ist jetzt nur ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, es gab da krassere. Aber das Vorgehen ist mittlerweile recht "normal". Und daran fühlte ich mich durch Jacks Post erinnert.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Eisbär am 23 Februar 2022, 19:02:28
Und ich wage auch (gewagte These, ich weiss) zu behaupten, dass dies nicht gut wäre, denn geschäftliche Beziehungen sind oft der erste Schritt zu einem gegenseitigen Verständnis.
Dass es eventuell gut für die Allgemeinheit wäre, dem würde ich nicht widersprechen, aber Kapitalismus funktioniert nunmal größtenteils
frei nach dem Motto: "pecunia non olet".
Und wenn ich einem potentiellen Geschäftspartner nicht traue, hört man ja nicht aus ethischen Gründen mit dem Geschäft auf, sondern weil man befürchtet, Verluste zu machen.
Zitat
Nicht wenige Menschen in Deutschland pfeifen darauf, was ein gewisser Herr Putin gerade veranstaltet, hauptsache das Gas wird wieder billiger und pünktlich geliefert.
Nicht wenige Menschen verdanken ihre Armut dem Neoliberalismus und sind auf günstige Primärenergie angewiesen. Sie können es sich schlicht nicht leisten, ethisch zu agieren. Davon abgesehen schließen sie auch nicht direkt mit Putin einen Vertrag, sondern mit ihrem Lieferanten.
Ich selbst sage seit Jahren, wir hätten bezüglich der sinnvollsten Brückentechnologie Gas stark auf Norwegen und keinesfalls auf Russland setzen sollen (wer mir bei Facebook folgt, wird das bestätigen können).

Zitat
Jeder Mensch hat Grenzen für was er sich wie stark einsetzt. Und jemand, der sich vehement für Minderheiten und deren Schutz einsetzt, kann gleichzeitig auf andere Art und Weise eine persona non grata werden, indem er einer anderen Minderheit jeglichen Schutz oder ein Existenzrecht abspricht, oder andere Dinge oder wissenschaftliche Erkenntnisse leugnet.
Das hab ich nie bestritten.
Es ist allerdings eher ungewöhnlich, dass sich jemand hinstellt und sagt, man müsse die Sinti und Roma vor Antiziganismus schützen, aber die Schwarzen hätten hierzulande nichts verloren.
Kulturell bedingt stehen wir eben eher auf die Underdogs. Darum ist z. B. der FC St. Pauli so beliebt, die haben das Image jahrzehntelang gepflegt und vermarktet.

Zitat
Das bringt dann die Außenstehenden in Erklärungsnot: Kann ich jemanden, der sich extrem gegen Antisemitismus stellt, wirklich als leuchtendes Beispiel hochhalten wenn er gleichzeitig ein vehementer Klimawandelleugner und anti-Öko-Aktivist ist?
Nochmal: das ist ein völlkommen surreales Beispiel.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: Eisbär am 23 Februar 2022, 19:12:32
ich bin der Meinung, dass unsere ehemalige Bundesregierung sowie die Regierungen der Länder und Kommunen in Anbetracht des teilweise totalen Blindfluges den unmöglichen Eiertanz des Pandemie-Managements im internationalen Vergleich ganz gut bewältigt hat. Ein bisschen schlechte Kommunikation hier, ein Maskenskandal da, die pragmatisch gedachte Einführung einer App, die nichts taugt obendrein, ja sicher, alles suboptimal, keine Frage, aber die Kompromisse, die man geschlossen hat, die alle unangenehm waren und unangenehm sein mussten, hat man meines Erachtens mit einem erstaunlich gutem Augenmaß geschlossen.
Wie gut oder schlecht das war, hängt dabei stark von der Perspektive ab und ist sehr subjektiv.
Zitat
Da waren sie "Möchtegern-White-Knights" von Jack und haben mich zur Sau gemacht, wie ich nur so ignorant sein könne gegenüber dem ganzen Mist, den die Regierung verzapft hat und so weiter.
Ganz ehrlich, da fehlen viele Details, um sowas abschließend zu beurteilen. Und "gut" oder "schlecht" sind keine objektiven Eigenschaften wie Fakten, über die man sich einig sein müsste.

Du nennst ja selbst Beispiele dafür, was schlecht gelaufen ist. Du bezeichnest das Agieren sogar als Eiertanz. Sich dann andernorts hinzustellen und es zu loben... naja, als Advocatus diaboli muss man mit Gegenwind rechnen.


Aber das ist doch kein neues Phänomen. Guck mal hier in die Archive, was ich vor 15 Jahren an Shitstorms dafür erhalten habe, als ich vorschlug, einmal im Monat einen rauchfreien Abend im Kir zu haben.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 23 Februar 2022, 23:03:22
Aber das ist doch kein neues Phänomen. Guck mal hier in die Archive, was ich vor 15 Jahren an Shitstorms dafür erhalten habe, als ich vorschlug, einmal im Monat einen rauchfreien Abend im Kir zu haben.

Oh ja, da hätt' ich mitgemacht, das ist schließlich ganz schlimme Raucherdiskriminierung.  :D
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 23 Februar 2022, 23:18:13
Ansonsten ging es mir es darum, dass der Mechanismus "sei nicht scheisse, sonst holt Dich der Mob" nicht funktioniert, gar furchtbare, grausame Folgen haben kann.

1. "Sei nicht scheiße, sonst holt dich der Mob" ist etwas anderes als "Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht", das ist zumindest erstmal der Teil mit der Mengenlehre/Logik.
2. "Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht, der sich aus lobenswertem Grund oder Anlass als Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik gebildet hat" ist nochmal was anders, und das war meine Aussage.

Das halte ich gar nicht für derailing, sondern vielmehr für "well reflected and fluenty expressed analysis with touches of brilliance", sogenanntes WRAFEA-WTOBing. Naja, nur von mir so genannt. Aber ich mag das Wort. ;)

Kein Derailing, natürlich nicht, wie ich bereits ausdrücken wollte, ich halte nicht viel vom Vorwurf des Derailings und bezweifle, dass es das überhaupt gibt, zumindest in der Ausprägung und Häufigkeit, wie es Menschen vorgeworfen wird, nur der Zusammenhang zu aufgebrachten Mobs ließ mich, innerlich etwas drüber lachend, daran denken.

Ansonsten hab ich über deine Wortneuschöpfung geschmunzelt, halte sie aber nicht für zutreffend.
Im Moment bist du bei einer sehr selektiven radikal-überspitzenden Bewertung gesellschaftlicher Vorgänge, die sich aus deinem persönlichen Standpunkt ergibt.

Beginnend führte ich ja aus, dass es eine Reihe von Motiven für das Anheizen eines Empörungsmobs gegen Joe Rogan geben könnte, [...]

Hilf mir mal bitte, ich finde die Stelle nicht, an der du genau das getan hast.

Ja, vielleicht reden wir auch aneinander vorbei. Aber ich bin auch von dieser Formulierung
"..."Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht, der sich aus lobenswertem Grund oder Anlass als Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik gebildet hat" ist nochmal was anders, und das war meine Aussage."
noch eher unüberzeugt.

Zum einen, wo ich die ganze Zeit drum herumwüte, und was ja hier auch schon mehrfach gesagt wurde: wer legt es fest, und wo kann ich es nachlesen, was in dem Zusammenhang der Mob als "scheiße sein" empfindet? Und ich sage bewusst "empfindet", weil, das ist das zweite: ein Mob agiert per Definition nicht rational und auf Basis von Fakten, sonst wäre er nämlich kein Mob. Ein Mob ist eine aufgebrachte Menge, die sich von ihren Gefühlen leiten lässt.

Und deshalb finde ich das framing "der Zweck ist ja ein Guter, also haben es die Leute, denen solche Dinge passieren ja auch irgendwie verdient." bestenfalls undurchdacht, im schlimmsten Fall zynisch. Erneut: im Moment erscheint es dir so, als ob diese Leute deine Werte teilen. Aber das wird nicht immer so sein, und es gibt auch genug Leute, die du persönlich doof findest, die sich dadurch inspirierr, motiviert und angespornt fühlen, genau die gleichen Mittel einzusetzen.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: nightnurse am 24 Februar 2022, 11:30:58
... und es gibt auch genug Leute, die du persönlich doof findest, die sich dadurch inspirierr, motiviert und angespornt fühlen, genau die gleichen Mittel einzusetzen.

Das hier nämlich. Was ich für "meine" Seite recht finde, muss ich für die andere Seite billig finden. Bzw. wenn nicht, dann nicht. Möglicherweise muss man bei Hasswellen noch Feinunterscheidung betreiben, die können ja u.U. mal einen nachvollziehbaren Grund haben. Aber das ist schon nicht immer einfach. Und denen, die an so ner Hasswelle teilnehmen, wird man ggfs schlecht erklären können, daß und warum sie unrecht haben. Weil die das nun mal anders betrachten.


Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 24 Februar 2022, 13:01:02
"..."Sei nicht scheiße, dann holt dich der Mob nicht, der sich aus lobenswertem Grund oder Anlass als Ergebnis einer gesellschaftlichen Dynamik gebildet hat" ist nochmal was anders, und das war meine Aussage."
noch eher unüberzeugt.

Und davon werde ich auch niemanden mehr überzeugen.

... das ist das zweite: ein Mob agiert per Definition nicht rational und auf Basis von Fakten, sonst wäre er nämlich kein Mob. Ein Mob ist eine aufgebrachte Menge, die sich von ihren Gefühlen leiten lässt. ...

Entweder, wir reden da tatsächlich aneinander vorbei, oder ich stimme dir nicht zu.
Wir sind ausgegangen vom Thema "political correctness als trauriger Gewinner von #neilyoung". Analoge Vorgänge aus der jüngeren Vergangenheit habe ich genannt, und das sind alles Dinge, die auf Überlegungen und Fakten basieren.
Beispiel: Ja, ich mobbe gegen Nestlé und stimme laut ins Geheul derer ein, die ihr Umfeld mahnen, deren Produkte nicht zu kaufen. Das basiert, neben viel kleinem Schmutz, den der Konzern macht, auf Pressemeldungen aus dem vergangenen Jahrzehnt, wie Nestlé zum Thema Trinkwasser in der 3. Welt steht und praktisch damit umgeht. Während ich regelmäßig für den Brunnenbau in Afrika bei Viva con Agua spende, kann ich eine solche Konzernpolitik nicht gut heißen. Und das ist nicht Gefühl, das ist Überlegung. Gefühlsmäßig lassen mich Menschen, die ich nicht kenne, nämlich kalt, aber ich habe rationale Gedanken betreffs unserer Rolle als Nation der ersten Welt, deren Reichtum auf Ausbeutung anderer basiert.

Und mit rationalen Gedanken, da bin ich sehr sicher, bin ich keine Ausnahme im Anti-Nestlé-Mob, sondern die Regel.

Das ist ein Beispiel von vielen.

Die "Mobs", auf die ich mich bezog, sind Massenansammlungen individuell denkender Menschen, von denen ein jeder sich beteiligt, weil er ein Stück weiter denkt. Zumindest die, an die ich denke, aber ich lasse meinen Horizont gerne um das erweitern, was ich vergessen habe.

Wenn du jetzt z.b. bei den Mobs der neuen Rechten, Impfgegner u.s.w. bist, bist du nicht mehr beim Thema "Gewinner auf ganz, ganz lange Sicht: Politische Korrektheit.", um das es ging.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: banquo am 24 Februar 2022, 14:57:09
Vermutlich ist das dann so ein Begrifflichkeitsding dann? Dann find ich es wohl hauptsächlich sprachlich unsauber. Einen multinationalen Konzern kann man doch nicht "mobben", das ist keine Person.
Ein Konzern hat einen Pressesprecher, der dafür bezahlt wird, dass man ihn beschimpft, und im Zweifelsfall auch noch eine Rechtsabteilung, wenn es zu arg wird.

Und bewusst Dinge nicht kaufen, und ggfs öffentlich darüber reden warum nicht, das ist doch kein Mobbing, das ist letztlich doch das einzige Mittel, was man als Verbraucher hat, um seine Unzufriedenheit auszudrücken? Unter Mobbing verstehe ich  eingeworfene Fensterscheiben, und Drohbriefe, und Versuche, Leute, nämlich nichtjuristische, reale Personen, aus ihrem Job zu drängen und/oder auf andere Art ihre Existenz zu vernichten. Ich würde auch nicht wollen, dass man da das eine mit dem anderen vermengt.
Titel: Antw:Ist Streaming bald am Ende?
Beitrag von: BaerndME am 24 Februar 2022, 16:58:44
Vermutlich ist das dann so ein Begrifflichkeitsding dann? Dann find ich es wohl hauptsächlich sprachlich unsauber. Einen multinationalen Konzern kann man doch nicht "mobben", das ist keine Person.
Ein Konzern hat einen Pressesprecher, der dafür bezahlt wird, dass man ihn beschimpft, und im Zweifelsfall auch noch eine Rechtsabteilung, wenn es zu arg wird.

Und bewusst Dinge nicht kaufen, und ggfs öffentlich darüber reden warum nicht, das ist doch kein Mobbing, das ist letztlich doch das einzige Mittel, was man als Verbraucher hat, um seine Unzufriedenheit auszudrücken? Unter Mobbing verstehe ich  eingeworfene Fensterscheiben, und Drohbriefe, und Versuche, Leute, nämlich nichtjuristische, reale Personen, aus ihrem Job zu drängen und/oder auf andere Art ihre Existenz zu vernichten. Ich würde auch nicht wollen, dass man da das eine mit dem anderen vermengt.

Es geht um die Aufforderung an andere, die Dinge nicht zu kaufen, und zwar um die laut ausgesprochene Aufforderung.
Und im Prinzip ist es Wurscht, ob das Ziel Spotify, Joe Roghan oder Nestlé heißt (allen haben gemeinsam, dass sie von einer großen Gruppe Menschen für das angezählt werden, womit sie ihr Geld verdienen) und es ist Wurscht, ob es um die Vielfalt im Nahrungsregal oder die Vielfalt in der Bonbonschachtel der Streamingdienste geht.

Da "mobben" definiert ist mit
Zitat
eine Arbeitskollegin, einen Arbeitskollegen ständig schikanieren, quälen, verletzen [mit der Absicht, ihn bzw. sie aus der Firma o. Ä. zu vertreiben]
hast du natürlich Recht, was die Unzulänglichkeit der Formulierung bezüglich dieses einzelnen Wortes betrifft, aber mal ehrlich, da hast du jetzt auch nach dem Haar in der Suppe gesucht, oder? Man hätte jetzt aus dem Kontext heraus lesen können, was ich meinte.

Also: Ich beteilige mich am Anti-Nesté Mob.
Besser?