Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: Multivac am 05 April 2012, 14:09:32

Titel: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Multivac am 05 April 2012, 14:09:32
Hier ein Auszug aus dem heiß diskutierten Gedicht:


Was gesagt werden muss
Von Günter Grass

"Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Planspielen
geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte und
zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir,
jenes andere Land beim Namen zu nennen,
in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -
ein wachsend nukleares Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
zugänglich ist?

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig.

..."


ganzes Gedicht hier: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,825744,00.html


Was meint Ihr dazu ?
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 05 April 2012, 14:24:21
Hihi, ich wollt's nicht machen ...  ;D

Erstmal: Warum zitierst nur die erste Hälfte des Gedichts direkt? Scheint dir der Rest nicht diskussionswürdig zu sein? Die für mich entscheidenden Passagen stehen nämlich eher im zweiten Teil. ;)

Es stellt sich mir dar, dass Grass zutiefst darüber erschrocken ist, dass Deutschland (zu seinen Jugendzeiten schließlich DER Kriegsaggressor schlechthin) der Atommacht Israel U-Boote liefert, die dieses mit Atomwaffen bestücken kann angesichts der Tatsache, dass Israel einen militärischen Angriff gegenüber dem Iran nicht mehr ausschließt.

Nicht obwohl, sondern gerade weil er mittendrin war, in der SS "gedient" hat, weiß er um die Schrecken des Krieges.

Dass er sich damit auch sicher nicht ungerne wieder ins Gespräch gebracht hat, entwertet nur unvollständig seine Zeilen. Sie sind jedenfalls hervorragend geeignet, um anderen klar zu machen, dass Israel da gerade selbst etwas vorbereitet, das im Friedenssinne keinesfalls gutgehießen werden kann. Denn griffe Israel den Iran tatsächlich an, dann ginge das die gesamte Welt an. Auch und gerade deswegen weil Israel eine Atommacht ist und keineswegs sicher ist, ob sie ihre Atomwaffen im Ernstfall nicht doch einsetzen.

Für mich jedenfalls ist es eine Veröffentlichung aus einer Angst vor einem (Atom-)krieg, weniger eins zur Selbstdarstellung oder gar aus einem Antisemitismus heraus.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: sYntiq am 05 April 2012, 15:16:54
Ich find diese ganze Diskussion in den Medien ziemlich lächerlich.

"Günter Grass behauptet dass jeder der in Deutschland etwas gegen Israel sagt, sofort als Antisemit bezeichnet wird. Das stimmt doch gar nicht.  Aber Günter Grass IST Antisemit! Schliesslich hat er etwas gegen Israel gesagt!"

Ich habe das Gefühl dass eigentlich niemand wirklich drüber nachdenkt was er da gesagt hat und warum er das gesagt hat. Statt sich mit der Materie zu beschäftigen, wird einfach die Antisemitismuskeule geschwungen und gut ist. Ist ja auch viel einfacher, muss man sich nciht mit evtl. unbequemen Dingen beschäftigen!
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Multivac am 05 April 2012, 15:18:34
Warum zitierst nur die erste Hälfte des Gedichts direkt? Scheint dir der Rest nicht diskussionswürdig zu sein? Die für mich entscheidenden Passagen stehen nämlich eher im zweiten Teil. ;)
weil ich dachte, ich verletze dann urheberrechte und werde hier aufgefordert, es wieder zu löschen. daher auch der link drunter mit dem ganzen gedicht.


Für mich jedenfalls ist es eine Veröffentlichung aus einer Angst vor einem (Atom-)krieg, weniger eins zur Selbstdarstellung oder gar aus einem Antisemitismus heraus.

denke ich auch, aber die reaktionen sind im allgemeinen so:


CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte: „Ich bin über die Tonlage und die Ausrichtung dieses Gedichtes entsetzt.“

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles: „Ich schätze Günter Grass sehr, aber das Gedicht empfinde ich vor dem Hintergrund der politischen Lage im Nahen Osten als irritierend und unangemessen.“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte: „Ein deutscher Nobelpreisträger wie Günter Grass sollte aufpassen, dass er hier nicht zündelt und die falschen Signale aussendet.“

Publizist Michel Friedman (CDU): „Es wäre besser gewesen, Grass hätte weiter geschwiegen. Grass spielt mit antisemitischen Klischees.“

FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher urteilt: „Es ist ein Machwerk des Ressentiments, es ist, wie Nietzsche über das Ressentiment sagte, ein Dokument der ‚imaginären Rache‘ einer sich moralisch lebenslang gekränkt fühlenden Generation.“

FDP-Generalsekretär Patrick Döring (38) warnt: „Aus Grass' Gedicht spricht nicht die Weisheit des Alters, sondern man hört uralte Vorurteile. Hinter Grass' Gedanken können sich künftig noch ganz andere Gestalten verstecken."

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte das Gedicht ein „Hasspamphlet“.

Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee (AJC): „Wieso fühlt er sich berufen, Israel zu denunzieren, statt sich zu den autoritären Regimen im Nahen Osten, die bislang einen regionalen Frieden unmöglich gemacht haben, zu äußern“


(aus BILD)

Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 05 April 2012, 15:29:28
Ja, die Reaktionen sind genau das, was Grass anprangert. In seinem vorletzten Absatz dieses "Pamphlets" (*gröööhl*) ist auch zu lesen:

Zitat von: Günther Grass
(...) zudem ist zu hoffen, es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern und gleichfalls darauf bestehen, daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Weder hat er hier genannt dass Israel der Verursacher der Gewalt ist, noch hat er den Iran dabei vergessen. Just dieser Absatz legt doch eindeutig fest, worum es hier geht, um den Frieden! Seine Zeilen sind nichts anderes als eine Aufforderung an Deutschland und die Welt, das Wettrüsten dort unten aufzuhalten und die damit einhergehende Eskalation.

Denn auch wenn viele den iranischen Präsidenten für einen Typen halten der nur Säbel rasselt hinter denen nichts dahinter ist, so ist ein Ankauf von atombestückbaren U-Booten von Israel aus Sicht des Irans als eindeutige kriegerische Kampfansage zu verstehen. Man kann dies nicht anders verstehen, selbst wenn es tatsächlich Leute gibt die behaupten, dass diese ja "nur" aus Verteidigungszwecken besorgt werden würden.

Ich finde es fast noch ein bisschen schade, dass Grass nicht weiter ging. Denn man kann hier wunderbar auch ans Wettrüsten aus den 80ern erinnern, an Kuba 1962 und Weiteres, wie dicht man einem Weltkrieg kommt, wenn man Waffen in kritischen Gebieten zusammenzieht.

Wenn weltweit Pazifisten geehrt werden, die auf Missstände und logische Brüche die gen Krieg zeigen hinweisen, dann werden Heldenreden (auch von Angela Merkel) über sie geführt.
Wenn das in Deutschland aber mal einer macht, einen pazifistischen Text verfasst, einer der es auch noch wissen muss weil er mittendrin im Krieg gewesen ist als junger Mann, dann wird sofort Schmutz geworfen, weil er ja Kritik am heiiiligen Israel verübt hat.

Wie ich diese Doppelmoral zum Kotzen finde.  >:(
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Multivac am 05 April 2012, 15:34:03
nun, es reicht hier schon, daß wort "jude" zu sagen, und schon zucken alle, unabhängig vom kontext, zusammen.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: nightnurse am 05 April 2012, 15:35:03
Ach du liebes Bisschen.
Die zitierten Reaktionen klingen alle wie monosynaptische Reflexe. SYntiq hat das schon ganz gut beschrieben.
Da kann ich nur mit den Augen rollen und mit dem Kopf wackeln, bis es wehtut.

edit: Man muss offensichtlich nichtmal das J-Wort benutzen. "Israel" reicht auch. Dazu noch etwas, das nach Kritik klingt, zack, zuckt das Knie.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Spambot am 05 April 2012, 21:02:49
Politiker und Journalisten regen sich über den Text auf, weil der Autor offensichtlich Israel als den Aggressor und die Gefahr für den Frieden ansieht. Diese nicht nachvollziehbare Verdrehung der Tatsachen erzeugt anscheinend viel Widerstand und führt zur Verwendung der Antisemitismuskeule in den Medien.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 05 April 2012, 21:17:32
Politiker und Journalisten regen sich über den Text auf, weil der Autor offensichtlich Israel als den Aggressor und die Gefahr für den Frieden ansieht. Diese nicht nachvollziehbare Verdrehung der Tatsachen erzeugt anscheinend viel Widerstand und führt zur Verwendung der Antisemitismuskeule in den Medien.

So habe ich seinen Text nicht verstanden: Ich verstehe ihn eher so, dass man beim Iran genau hinguckt aber komplett vergessen hat, dass Israel nicht minder aggressiv zu Werke geht. Ich meine, ein Land das Atom-U-Boote bestellt und beinahe im selben Atemzug kriegerische Handlungen gegen den Iran nicht mehr ausschließt, halloo? Wer da nicht hellhörig wird ...
Das Wort "Erstschlag" ist natürlich ein Reizwort, aber was soll es denn sonst für eines dafür geben? Was haben U-Boote denn da sonst zu suchen? Als Verteidigung gegen den Iran, der nun einmal auf der anderen Seite sitzt, wirkt das nun wirklich widersinnig.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Inverted am 05 April 2012, 21:31:29
Ein greiser Schriftsteller verfasst einen Text. Die üblichen Schwerenöter, Trittbrettfahrer und Verfechter der Political Correctness fühlen sich berufen Ihren Senf dazugeben zu müssen und dramatisieren diese simple freie Meinungsäusserung ins Unermessliche.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Spambot am 05 April 2012, 21:55:55
Der Iran droht seit Jahren mit der vollständigen Vernichtung Israels. Israel hingegen betont immer wieder, dass man sich bei einem Angriff zur Wehr setzen wird. Notfalls mit einem konventionellen Präventivschlag. Da kann ich einen sehr deutlichen Unterschied in der Qualität der Aggression erkennen.
Ob Israel nur landgestützte oder auch seegestützte Atomwaffen zur Abschreckung einsetzt, ist doch völlig egal. Im Gegensatz zum Iran glaubt niemand, dass Israel Atomwaffen offensiv einsetzen würde. Es ist auch gar nicht klar, ob die U-Boote für den Einsatz als Träger von Marschflugkörpern mit Nuklearsprengköpfen umgerüstet wurden oder wie ursprünglich konzipiert verwendet werden. Die Bestückung mit Nuklearwaffen wäre eine Zweckentfremdung und wahrscheinlich wenig effektiv (da nur relativ kleine Marschflugkörper). Das kann man mit einer Fregatte viel leichter realisieren. Bei den U-Booten handelt es sich nicht um Atom-U-Boote die Interkontinentalraketen verschießen können (wie im kalten Krieg), sondern lediglich um kleine Jagd-U-Boote zur Bekämpfung von Schiffen.

Nunja, dass der Grass zu dement, narzistisch oder ideologisch verblendet ist, diese Zusammenhänge zu verstehen oder zu akzeptieren, muß nicht unbedingt mit soviel Aufmerksamkeit und der Antisemitismuskeule beantwortet werden. Eine sachliche Auseinandersetzung hätte es auch getan.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 05 April 2012, 22:01:39
Bei den U-Booten handelt es sich nicht um Atom-U-Boote die Interkontinentalraketen verschießen können (wie im kalten Krieg), sondern lediglich um kleine Jagd-U-Boote zur Bekämpfung von Schiffen.

Welche Schiffe?? Der Iran und Israel liegen nicht einmal an demselben Meer! Es ist völlig widersinnig anzunehmen, dass der Iran Schiffe gegen Israel einsetzt, er müsste diese schließlich um ganz Saudi-Arabien herumsegeln lassen bis die Schiffe in konventioneller Reichweite wären. Und das unbemerkt, wohlgemerkt.
Also, merkwürdig, das musst du zugeben, ist das schon.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Spambot am 05 April 2012, 22:04:40
Wie kommst du darauf, dass die U-Boote nur wegen dem Iran beschafft wurden? Derartige Rüstungsprojekte werden gewöhnlich mindestens 10 Jahre vor Auslieferung in Auftrag gegeben.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 05 April 2012, 23:18:32
Wie kommst du darauf, dass die U-Boote nur wegen dem Iran beschafft wurden? Derartige Rüstungsprojekte werden gewöhnlich mindestens 10 Jahre vor Auslieferung in Auftrag gegeben.

Offen gesagt fehlt mir die Fantasie, weswegen Israel überhaupt zu Verteidigungs (!) zwecken U-Boote benötigt. Meines Wissens ist der Iran der einzige Staat, der gegen Israel direkt opponiert, und gegen den sind, wie gesagt, U-Boote zu Verteidigungszwecken ziemlicher Unsinn.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: colourize am 06 April 2012, 00:20:16
Ist es in irgendeiner Weise wichtig, sich damit zu befassen was Günter Grass über Israel denkt? Wieso ist so was ein Top-Thema in den Nachrichtensendungen?

Die ganze Aufregung darum verstehe ich zudem nicht. Es ist ja nun nicht so, dass sonst noch niemand vorher auf die Idee gekommen wäre, dass es vielleicht für die ohnehin labile geopolitische Lage im "Nahen Osten" nicht so prall ist, dass sich die Israelis gerade zum Präventivkrieg bereitmachen. Und ja, das merken die politisch interessierten Menschen auch ohne dass Grass erst laut rumtrommelt und irgendwelchen Blech redet - und dieses als Gedicht deklarierte Pamphlet dann an diverse Zeitungsredaktionen verschickt.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Kallisti am 06 April 2012, 01:04:57
Ist es in irgendeiner Weise wichtig, sich damit zu befassen was Günter Grass über Israel denkt? Wieso ist so was ein Top-Thema in den Nachrichtensendungen?


Ja, das frage ich mich allerdings auch.

Kindergarten wieder geöffnet z.Zt.? - Schnarch.

Gibt spannendere Themen, über die man sich streiten kann.  :)
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Eisbär am 06 April 2012, 18:54:12
U-Boote mit Nuklearraketen sind keine Erstschlagswaffen, sondern für den nuklearen Rückschlag gedacht, falls die landgestützten Raketen bereits einem nuklearen Angriff zum Opfer vielen. Von daher macht es für Israel durchaus Sinn, sich sowas zuzulegen.
Der Iran wird von einem Spinner regiert, der demnächst über Atombomben verfügt. Ich befürchte, Grass unterschätzt diesen Spinner.
Er hat allerdings dahingehend recht, dass es nicht angehen kann, dass Israel sich nicht in seine nuklearen Karten gucken lässt.
Aber ob die anderen Nuklearmächte bei Kontrollen nicht gezinkte Karten zeigen, wer weiß das schon...
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: banquo am 06 April 2012, 19:25:34
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,826192,00.html

"Und sie Sir, sie sind schlimmer als Hitler!"

Ich schüttel mal im völligen Unverständnis den Kopf: *kopfschüttel*

Ich übrigen finde ich, Deutschland sollte keine U-Boote verschenken.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: schwarze Katze am 06 April 2012, 23:44:27

Ich übrigen finde ich, Deutschland sollte keine U-Boote verschenken.

Ich finde das auch unmöglich.
Wenn schon, dann soll man sie verkaufen
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 07 April 2012, 00:10:16
Ich befürchte, Grass unterschätzt diesen Spinner.
Er hat allerdings dahingehend recht, dass es nicht angehen kann, dass Israel sich nicht in seine nuklearen Karten gucken lässt.

Ob er ihn unterschätzt, wird mit seinem Text nicht klar. Der Begriff "Maulheld" klingt verharmlosend, lässt zumindest den Schluss nahe, dass er ihn nicht überschätzt. ;)
Ich glaube aber eher dass es ihm da nicht darum ging den Iran zu bagatellisieren, sondern drauf hinzuweisen, dass Israel immer martialischer wirkt und er tatsächlich Angst vor einem Erstschlag Israels hat.

Denn auch wenn Grass durchaus ein recht geltungssüchtiger Mann sein mag, er ist klug genug um zu wissen, was für Wellen seine Zeilen schlagen werden und er auch übelst angegriffen werden wird.
Das tut sich niemand freiwillig an, wenn ihn nicht doch etwas ernsthaft umtreibt.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Graf Edward Zahl am 07 April 2012, 06:10:28
U-Boote mit Nuklearraketen sind keine Erstschlagswaffen, sondern für den nuklearen Rückschlag gedacht, falls die landgestützten Raketen bereits einem nuklearen Angriff zum Opfer vielen. Von daher macht es für Israel durchaus Sinn, sich sowas zuzulegen.
Der Iran wird von einem Spinner regiert, der demnächst über Atombomben verfügt. Ich befürchte, Grass unterschätzt diesen Spinner.
Er hat allerdings dahingehend recht, dass es nicht angehen kann, dass Israel sich nicht in seine nuklearen Karten gucken lässt.
Aber ob die anderen Nuklearmächte bei Kontrollen nicht gezinkte Karten zeigen, wer weiß das schon...
Nun werden wir nicht von Spinnern regiert?
Ich bin verwirrt, ich hielt Uboote, die nukleare Raketen abschießen können bisher immer als Erstschlagswaffen.
Aber leider nach kurzen "wikipedia"-en, hast du/sie recht. *Aschenbecher über meinen Kopf ausschütt*
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Graf Edward Zahl am 07 April 2012, 06:13:55
nun, es reicht hier schon, daß wort "jude" zu sagen, und schon zucken alle, unabhängig vom kontext, zusammen.
*empört zusammenzuck* *political-in-correctness-husten-become*
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: schwarze Katze am 07 April 2012, 09:42:27
nun, es reicht hier schon, daß wort "jude" zu sagen, und schon zucken alle, unabhängig vom kontext, zusammen.
*empört zusammenzuck* *political-in-correctness-husten-become*

daran habe ich mich schon gewöhnt (bin integrationswillig ;) )

Hierzulande wird ständig und bei jeder Frage mahnend auf den Dritte Reich geschaut.

Einfache Beispiel ist der neue Trisomie 21-Test, damit kann man sehr früh die Trisomie bei Fötus erkennen.
Anstatt sich, wie in anderen Länder, zu freuen, dass man damit Schwangeren Spätabtreibungen und damit verbundene körperliche und psychische Trauma ersparen kann, wird es breit diskutiert, ob es politisch korrekt ist, den Geburt von einem Trisomie 21-Kranken Baby zu verhindern.
Dabei wird natürlich die Eutanasie im Dritten Reich mehrfach erwähnt und mahnende Finger gezeigt.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: käx am 09 April 2012, 13:27:41
(...)Der Iran wird von einem Spinner regiert, der demnächst über Atombomben verfügt. (...)

wer sagt das, und wo sind die beweise dafür?

und selblt wenn es "beweise" gäbe, wie könnten wir darauf vertrauen, dass diese wirklich stimmen ?

bei saddam hussein wurde (auch) behauptet er habe massenvernichtungswaffen,
später wurde offiziell zugegeben, dass die "beweise" für die existenz dieser waffen,
erfunden waren.









Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Eisbär am 10 April 2012, 14:42:28
(...)Der Iran wird von einem Spinner regiert, der demnächst über Atombomben verfügt. (...)
wer sagt das, und wo sind die beweise dafür?

und selblt wenn es "beweise" gäbe, wie könnten wir darauf vertrauen, dass diese wirklich stimmen ?

bei saddam hussein wurde (auch) behauptet er habe massenvernichtungswaffen,
später wurde offiziell zugegeben, dass die "beweise" für die existenz dieser waffen,
erfunden waren.
Bei Hussein hat es vorher kaum einer geglaubt. Erstens war da die Frage, wo er sie hätte her haben sollen, zweitens hat er noch kurz vorm Krieg internationale Prüfer zugelassen, die nichts fanden, drittens ging es bei Hussein nie um Nuklearwaffen, für deren Bau einfach "Zutaten" nötig sind, die fleißig vom Iran erworben und entwickelt wurden.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: käx am 10 April 2012, 17:32:05
und warum darf israel atomwaffen haben und iran nicht ?

Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Eisbär am 10 April 2012, 18:28:30
und warum darf israel atomwaffen haben und iran nicht ?
Das ist die interessante Frage, die Grass ja eigentlich stellt. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß Israel zumindest in den meisten Punkten einer Demokratie nach westlichen Maßstäben entspricht, daß Israel tatsächlich schon mehrfach dem Versuch anderer Staaten ausgesetzt war, es militärisch von der Landkarte zu tilgen und daß Israel bereits seit Jahrzehnten Atomwaffen hat und diese eben nicht eingesetzt hat, was ja durchaus für einen vernünftigen Umgang mit selbigen spricht (soweit man im Zusammenhang mit Atomwaffen von Vernunft sprechen kann).
Wogegen im Iran ein Spinner regiert, der ständig davon spricht, Israel von der Landkarte zu tilgen, den Holocaust leugnet und einige andere Dinge, die ihn in meinen Augen (und vermutlich auch in denen vieler anderer) kaum dazu prädestiniert, zurückhaltend mit einer solchen Fülle an Macht und Verantwortung umzugehen.
Das erkennt man nicht zuletzt daran, daß selbst traditionelle Feinde Israels im Nahen Osten durchaus einen Schlag Israels gegen die iranischen Atomanlagen gutheißen würden.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: schwarze Katze am 10 April 2012, 19:35:37
Off Top:

Als ich heute las: "Grass in Israel unerwünscht", dachte ich zuerst an israelische Kiffer ;)
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: banquo am 11 April 2012, 10:46:28
und warum darf israel atomwaffen haben und iran nicht ?

wenn du solche Fragen stellst, und kein Israeli bist, bist du ein Antisemit.

wenn du solche Fragen stellst, und Israeli bist, bist du ein Vaterlandsverräter.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mordechai_Vanunu

Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 11 April 2012, 11:10:57
und warum darf israel atomwaffen haben und iran nicht ?

wenn du solche Fragen stellst, und kein Israeli bist, bist du ein Antisemit.

wenn du solche Fragen stellst, und Israeli bist, bist du ein Vaterlandsverräter.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mordechai_Vanunu

Sehr schöner Link! Das hatte ich gar nicht mehr im Kopf gehabt ...
Hier zeigt sich im Übrigen auch, dass der Text von Günter Grass keineswegs ein Schnellschuss war. Bereits 1986 unterstützte er Friedensaktivisten, in dem Fall Mordechai Vanunu.

Es zeigt weiterhin, dass Israel damals genau dasselbe tat wie vom Iran heute vermutet wird: Ein Atomprogramm fahren, um im Hintergrund Atomwaffen herzustellen.
Ich denke dass ihm das schon länger auf der Leber liegt, dass alle gegen den Iran wettern (das definitiv zu Recht!), dabei die israelitische Eskalierungsstrategie völlig unkommentiert geblieben ist.

Ich bleibe dabei: Grass schrieb den Text nicht um ausschließlich Israel ans Bein zu pissen, sondern im Sinne des Friedens.
Die Reaktionen zeigen eher noch wie wichtig es ist sich dafür einzusetzen anstatt wie verkehrt, sich mit Israel und damit allen westlichen Politikern anzulegen.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Ookami am 11 April 2012, 11:46:04
Das war doch ganz klar eine Auftragsarbeit.
Grass brauchte Publicity und die ewigen geistigen Trittbrettfahrer der Politik, können sich also ach so politisch korrekt profilieren.
Das ganze gelaber lenkt von wichtigeren innenpolitischen Themen ab, die die Eierköppe gerne vom Tisch hätten.

just my 2ct.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: colourize am 11 April 2012, 11:47:12
und warum darf israel atomwaffen haben und iran nicht ?

wenn du solche Fragen stellst, und kein Israeli bist, bist du ein Antisemit.

wenn du solche Fragen stellst, und Israeli bist, bist du ein Vaterlandsverräter.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mordechai_Vanunu

Sehr schöner Link! Das hatte ich gar nicht mehr im Kopf gehabt ...
Hier zeigt sich im Übrigen auch, dass der Text von Günter Grass keineswegs ein Schnellschuss war. Bereits 1986 unterstützte er Friedensaktivisten, in dem Fall Mordechai Vanunu.

Es zeigt weiterhin, dass Israel damals genau dasselbe tat wie vom Iran heute vermutet wird: Ein Atomprogramm fahren, um im Hintergrund Atomwaffen herzustellen.
Ich denke dass ihm das schon länger auf der Leber liegt, dass alle gegen den Iran wettern (das definitiv zu Recht!), dabei die israelitische Eskalierungsstrategie völlig unkommentiert geblieben ist.
Nun ja... man sollte nicht vergessen, dass es nicht israelische Politiker sind, die davon faseln "das iranische Volk auszulöschen" (das faselt nur Günter Grass!), sondern iranische Politiker, die immer wieder Existenzrecht Israels in Frage stellen, mit Gewalt drohen und den Holocaust gutheißen.

Seit der Gründung Israels ist dieser Staat ständig von den arabischen Nachbarländern attakiert worden. Nun scheinen die arabischen Staaten einigermaßen mit sich selbst beschäftigt zu sein, dafür wetzen seit einigen Jahren die Perser immer lauter mit dem Messer. So zu tun, als seien hier alle Beteiligten des Konfliktes gleichermaßen an der Situation Schuld, verkennt einfach die Tatsachen.

Natürlich wäre eine komplett atomwaffenfreie Welt schöner und sicherer für alle. Aber aus Sicht der Israelis, die die Erfahrung gemacht haben ca. alle zehn Jahre von einem ihrer Nachbarn überfallen zu werden (von den innerhalb des Landes agierenden palästinensischen fliegenden Suizidkommandos, die andauernd Bomben hochgehen lassen und wahllos Menschen töten mal ganz abgesehen), ist eine nukleare Bewaffnung so etwas wie eine Lebensversicherung.

Von daher finde ich es keineswegs dasselbe, ob nun Iran oder Israel über die Atombombe verfügt. Es ist nunmal nicht das gleiche ob der eine oder der andere eine solche Waffe besitzt.

Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: l3xi am 11 April 2012, 13:01:26
Falls es wen interessiert. Alfred Grosser hat sich zur Kritik an Grass geäußerst:

http://www.sueddeutsche.de/politik/alfred-grosser-ueber-kritik-an-israel-grass-hat-etwas-vernuenftiges-gesagt-1.1329287

Zitat
Alfred Grosser, 87, geboren in Frankfurt/Main, ist Publizist und Politikwissenschaftler. Seine Eltern und Großeltern waren Juden, 1933 emigrierte die Familie nach Frankreich - heute lebt Grosser in Paris. In seinem 2009 erschienenen Buch "Von Auschwitz nach Jerusalem" (Rowohlt) beschäftigte er sich vor allem mit der Frage, wie scharf man Israel kritisieren dürfe.

Zitat
SZ: Warum stehen Sie auf Seiten von Grass?

Grosser: Weil er etwas Vernünftiges gesagt hat in seinem sogenannten Gedicht. Es ist natürlich kein Gedicht, aber was darin steht ist doch viel wichtiger als die Form: Die israelische Regierung provoziert. Doch was passiert, wenn sie Iran wirklich angreift und was ist, wenn Iran dann Raketen hat, mit denen es Tel Aviv angreifen kann? Dann ist der Krieg los.

Das komplette Interview ist mMn lesenswert. :)
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: käx am 11 April 2012, 19:19:45

Seit der Gründung Israels ist dieser Staat ständig von den arabischen Nachbarländern attakiert worden. Nun scheinen die arabischen Staaten einigermaßen mit sich selbst beschäftigt zu sein, dafür wetzen seit einigen Jahren die Perser immer lauter mit dem Messer. So zu tun, als seien hier alle Beteiligten des Konfliktes gleichermaßen an der Situation Schuld, verkennt einfach die Tatsachen.


die frage ist ja, warum sie (die araber/palästinenser (....) ) das taten und tun.

wer glaubt, die agressoren wären immer alle anderen nur nicht "israel", und israel würde sich ja immer "nur verteidigen müssen" der verkennt die tatsachen.

mir fallen eine ganze reihe von gründen ein, warum ich als palästinenser und/oder bruder im geiste/fleische
einen dicken hals auf "israel" haben könnte.

und das einige (arabische) länder jetzt "mit sich selbst beschäftigt sind" liegt wohl nicht zuletzt auch mit daran,
dass sie vom großen bruder usa zusammengeschossen oder durch andere maßnahmen destabilisert worden sind.


ps: ich setzte  hier israel deswegen in anführungszeichen , weil ich nicht von "den israelis" oder von "den juden" sprechen möchte.
es gibt ja durchaus einen nicht unerheblichen teil an israelis/juden die mit der (derzeitigen) politik
ihre landes ebenso wenig einverstanden sind.






Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: schwarze Katze am 11 April 2012, 19:54:50

es gibt ja durchaus einen nicht unerheblichen teil an israelis/juden die mit der (derzeitigen) politik
ihre landes ebenso wenig einverstanden sind.

Ein Jude ist nicht unbedingt ein Israeli und "sein Land" kann auch Frankreich, Russland oder Südafrika sein.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: colourize am 12 April 2012, 01:40:55

Seit der Gründung Israels ist dieser Staat ständig von den arabischen Nachbarländern attakiert worden. Nun scheinen die arabischen Staaten einigermaßen mit sich selbst beschäftigt zu sein, dafür wetzen seit einigen Jahren die Perser immer lauter mit dem Messer. So zu tun, als seien hier alle Beteiligten des Konfliktes gleichermaßen an der Situation Schuld, verkennt einfach die Tatsachen.


die frage ist ja, warum sie (die araber/palästinenser (....) ) das taten und tun.

wer glaubt, die agressoren wären immer alle anderen nur nicht "israel", und israel würde sich ja immer "nur verteidigen müssen" der verkennt die tatsachen.
Ich habe auch nicht behauptet dass die Staatslenker in Israel sich immer und überall richtig verhalten. Natürlich ist beispielsweise die Expansionspolitik, insb. die Siedlungpolitik im Westjordanland und im Gazastreifen, alles andere als deeskalierend. Und meiner Meinung nach auch falsch; wenn man irgendwann in Israel mal in Frieden leben möchte, sollte man damit dringend aufhören.

Aber: Ich schrieb in Bezug auf die Bedrohung durch Kernwaffen folgendes: "So zu tun, als seien hier alle Beteiligten des Konfliktes gleichermaßen an der Situation Schuld, verkennt einfach die Tatsachen." Es ist doch wohl unstrittig, dass es die Politik der arabischen Nachbarländer Israels - insb. lange Zeit Ägyptens und später dann vor allem Syriens sowie dem Iran - war, die kriegerische Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zu verstehen. Sie taten alles daran, um Israel das Leben schwer zu machen und die Gewalt allgegenwärtig im Land zu halten. Von dort kamen die Waffen für die PLO, Fatah, Hisbollah, Hamas & Co. Die Ägypter sperren den Suezkanal für israelische Schiffe. Von Syrien und Ägypten aus begannen die Angriffe auf Israel im Jom Kippur Krieg. Von diesen Staaten aus wurde die Intifada gesteuert.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: käx am 12 April 2012, 07:55:00

 Es ist doch wohl unstrittig, dass es die Politik der arabischen Nachbarländer Israels - insb. lange Zeit Ägyptens und später dann vor allem Syriens sowie dem Iran - war, die kriegerische Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zu verstehen.

nur das ich da nichts falsch verstehe: welche interessen meinst du da genau ?


Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: colourize am 12 April 2012, 09:31:15

 Es ist doch wohl unstrittig, dass es die Politik der arabischen Nachbarländer Israels - insb. lange Zeit Ägyptens und später dann vor allem Syriens sowie dem Iran - war, die kriegerische Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zu verstehen.

nur das ich da nichts falsch verstehe: welche interessen meinst du da genau ?
Die Interessen veränderten sich über die Jahrzehnte, die Gewalt als Mittel ihrer Durchsetzung blieb hingegen gleich.
Anfangs ging es den arabischen Staaten darum, dem "palästinensischen Brudervolk" zur Seite zu stehen, indem man den jüngst gegründeten Staat Israel militärisch plattmacht. Später ging es mehr darum, dass sich Ägypten als lokale Hegemonie im Nahen Osten darstellen wollte. Überdeckt wurde dieser Konflikt vom bestehenden "Kalten Krieg", der im Nahen Osten alles andere als kalt war. Pro Forma waren Staaten wie Ägypten und Syrien kommunistisch (und ja eine zeitlang als "Vereinigte Arabische Republik" auch in einem Staat vereinigt).

Die panarabische Idee blühte Ende der 1950er Jahre auch in anderen Staaten (Jordanien und Irak schlossen sich ebenfalls zusammen), und ein nicht-arabisches Palästina war da ein Dorn im Auge der arabischen Machthaber. Die sozialistische Baath-Partei, deren Diktatoren von der UdSSR unterstützt wurden, ist ja bis heute eine Nachwehe des Kalten Krieges. Ohne die Unterstützung der USA wäre Israel ganz sicher von den arabischen Staaten überrollt worden. Die ganzen Kalaschnikows in der Hand von Hamas und Co kommen nicht durch Zufall in deren Hände. Der Nahe Osten war jedenfalls während der Zeit des Großmachtkonfliktes einer der Orte, an dem der Krieg "warm" war. Hier stießen die Großmächte aufeinander: Sozialistische, von der UdSSR gestützte Diktatoren in den arabischen Staaten bemühten sich redlich, die palästinensische Sache auf der Tagesordnung zu behalten und wendeten dazu permanent Gewalt gegen Israel an. Dadurch versicherten sie sich der Unterstützung ihres eigenen Volkes: weltweit sehen wir, dass es nie einen Staatsstreich gibt, wenn ein Land gerade im Krieg ist.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR fiel auch die Unterstützung für die "alten Verbündeten" im Nahen Osten. Die Diktatoren der Baath-Partei wurden entweder von den USA beseitigt (im Falle des Irak), oder aber von ihrem eigenen Volk gestürzt (Mubarak in Ägypten; in Syrien läuft der Befreiungskrieg ja noch). Folglich sind die Großmachtinteressen heute kein erklärender Faktor mehr für die anhaltende Gewalt zwischen Israel und seinen Nachbarn.

Seit dem Ende der sozialistischen Ideologie ist es vor allem die Frage nach der regionalen Hegemonie im Nahen Osten, die diese Gegend nicht zu Ruhe kommen lässt: Der Iran würde gerne die lokale Großmacht in der Region sein, was insb. dem verfeindeten Saudi-Arabien überhaupt nicht schmeckt. Dieser Konflikt schwelt seit Jahrzehnten und ist religiös aufgeladen (ein schiitischer Iran vs. sunnitische arabische Staaten). Der Stuhl der Machthaber in Teheran ist jedoch seit dem Tod von Khomeini vor über 20 Jahren wackelig. Markige Sprüche gegen Israel machen sich beim Volk jedoch gut. Frei nach dem Motto: Ein Feind von Außen eint nach innen. Und da man unglaubwürdig ist, wenn man *ausschließlich* Sprüche klopft, unterstützt man zumindest aktiv den "bewaffneten Widerstand" in Israel - insb. seitens der schiitischen Hisbollah. Und da wollen die arabischen Staaten natürlich nicht als diejenigen darstehen, die ihre Brüder in Palästina den Persern überlassen. Auch von Ägypten, Syrien und dem Libanon aus kommen Waffen nach Israel, und so kämpfen bewaffnete Palästinensergruppen gegen den Staat Israel, und im kleinen darunter Fatah gegen Hamas, Hisbollah gegen Islamischer Dschihad etc. um die Vorherrschaft in einem zukünftigen Palästina, das ihnen seitens der arabischen Staaten sowie dem Iran seit nunmehr über 60 Jahren versprochen wird - wenn der Sieg über Israel erstmal da ist.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: messie am 12 April 2012, 13:03:40
Schöne Analyse - und ich bin mir sicher, dass sie nur einen kleinen Teil dessen abbildet, was da unten los ist.
Es gibt immer wieder Stimmen die sagen, dass wenn irgendwo ein dritter Weltkrieg ausbrechen könnte, dann am wahrscheinlichsten im Nahen Osten. Die Gegend ist ein einzige Pulverfass.

Jenen Kritikern, die Grass unterstellen, sich in seinem "Gedicht" zu sehr auf Israel konzentriert zu haben ohne das ganze Drumherum zumindest mal erwähnt zu haben, gebe ich deswegen da auch durchaus recht. Dass da schnell der Eindruck entstehen kann dass Grass nur in Israel die Wurzel allen Übels sieht, kann ich gut verstehen.

Wo es allerdings mächtig hakt bei der Kritik, ist die persönliche Beleidigung und Diffamierung Grass'. Wer seinen Text herunterbricht auf "der war in der SS, natürlich plärrt er gegen Israel, er ist schließlich gegen Juden", der begibt sich auf eine unpassende und unverhältnismäßige rhetorische Ebene: Denn selbst wenn der Text antisemitisch gemeint wäre (was er, da bin ich mir doch recht sicher, nicht ist), er nennt nun einmal Fakten, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Israels Atomprogramme sind nun einmal ohne Aufsicht, Israel hat nun einmal atombestückbare U-Boote geordert, und dass Israel zu präventiven Erstschlägen fähig sind, zeigt der 6-Tage-Krieg, denn dieser war genau so einer.

Ich denke, dass auch Grass das Säbelrasseln des Irans nicht recht ist. Sein Text aber trägt eher die Handschrift einer Sorge, dass sich Israel davon provozieren lässt und dann selbst einen Krieg gegen den Iran anfängt.
Was so ziemlich der Super-GAU in jener Gegend wäre. Denn wäre es soweit, dann wären ruckzuck Großmächte wie Russland, die USA, die EU-Staaten und natürlich der gesamte Balkan im Kriegszustand.

Dass das einen (heutigen) Pazifisten wie Grass umtreibt, ist nur allzu verständlich.
Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: käx am 12 April 2012, 15:13:57
Schöne Analyse

ohja - und danke dafür!

ich muss gestehen, ich hatte das auch eher auf biblische (religiöse) gründe, "invasorenhass" und
arabische solidarität reduziert.

was mich halt auch seit jahren nervt - ähnlich wie bei der deutschen treue zu den usa - dass
vieles scheinbar gar nicht hinterfragt wird und von uns "freunden" so hingenommen wird, werden soll, werden muss.

frei nach dem muster'': DAS sind terroristen, DIE müssen bekämpft werden.

(das dieser "terrorist" vllt. nur ein verzeweifelter palästinensischer familienvater ist, dem
(mal wieder) das wasser, das benzin oder medizinische versorgung verwehrt wurde,
oder durch israelische polizeigewalt drangsaliert wurde, erfahren wir nicht)



Titel: Re: Was gesagt werden muss
Beitrag von: Multivac am 20 Juli 2012, 00:14:36
mal wieder was zum thema:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/u-boote-mit-atomwaffen-angst-vor-atomkrieg-zwischen-israel-und-iran-a-837068.html


"Iran treibt sein Atomprogramm voran, Israel bewaffnet U-Boote mit nuklearen Marschflugkörpern: Der Nahe Osten steht vor einem neuen Wettrüsten. Experten halten das für ein Horrorszenario - denn schon im Kalten Krieg wäre die Menschheit fast in den Atomkrieg geschlittert.

In der Nacht vom 25. auf den 26. September 1983 stand die Welt vor der nuklearen Katastrophe. Kurz nach Mitternacht meldete ein sowjetischer Satellit den Start von fünf Interkontinentalraketen in den USA. 25 Minuten wären vergangen, bis die Sprengköpfe in der Sowjetunion niedergegangen wären. Doch Stanislaw Petrow, der diensthabende Offizier in der Zentrale des Warnsystems, behielt die Nerven. Die Zahl von fünf US-Raketen erschien ihm unplausibel. Er ging von einer Fehlfunktion eines Satelliten aus - und entschied, seinen Vorgesetzten keinen amerikanischen Raketenangriff zu melden.

Damit hat Petrow womöglich die Welt vor einem Atomkrieg gerettet. Hätte er den Alarm einfach weitergeleitet, wären den Sowjets nur Minuten für die Entscheidung über einen Gegenschlag geblieben - ansonsten wären sie Gefahr gelaufen, dass ihre Raketen noch in den Silos von den US-Geschossen zerstört werden.

Im Nahen Osten sind die Distanzen und damit die Vorwarnzeiten wesentlich geringer. Die drohende nukleare Bewaffnung Irans und der Bericht des SPIEGEL über Israels nuklear bewaffnete U-Boote veranlassen Experten jetzt erneut, vor einem Atomkrieg zu warnen. ..."


find ich wirklich erschreckend.