Heiter bis wolkigNatürlich reden wir über das Wetter:Schließlich gilt es, Klischees zu entkräften. Über die Regenhochburg Hamburg. Und wer könnte das besser als der Wahlhamburger Peter Glaser?Das Wetter in Hamburg ist gelegentlich ein wenig unbeständig. Daß es hier angeblich ständig regnet, ist nicht wahr. Früher gab es am Hafen eigens sogenannte Schauerleute, die wetterfest gekleidet bei Schauer dafür zu sorgen hatten, daß von den Schiffsfrachten weder Stück- noch Schüttgut Feuchtigkeitschäden erlitten.Aber Schauerleute gibt es heutzutage gar nicht mehr, stattdessen Container, die von computerisierten Kranen erfaßt werden. Womit bewiesen wäre, daß Hamburg eine sehr moderne Stadt ist und daß es hier bei weitem nicht so häufig regnet, wie es das Vorurteil will, nicht wahr.Die schnellen Wetterwechsel und die Ruhe, mit denen der Hamburgbewohner darauf reagiert, zeichnen die Stadt aus.Gern treibt ein Wind Wolken so über die Stadt, daß man sie fliegen sieht. Sie kommen vom Meer her, liegen gern auf britischer Kaltluft wie auf einer unsichtbaren Luftmatratze und führen dazu, daß die Luft in Hamburg für eine Großstadt sehr frisch und von geradezu kurorthafter Klarheit ist.Diese schnellen Wechsel sind übrigens für das Missverständnis verantwortlich, in Hamburg sei das Wetter schlecht. Unser Gedächtnis funktioniert selektiv und merkt sich einen Tag, an dem fünfmal ein wenig die Sonne scheint und es zweimal kurz regnet, so, als hätte man es beleidigt, schlichtweg als Regentag, was ganz falsch ist, aber so ist nun mal die menschliche Natur.Daß das Wetter in Hamburg also gern wechselhaft ist, führt dazu, daß es hier überdurchschnittlich viele Menschen gibt, die sie bevorzugt in Innenräumen aufhalten und fleißig sind. Wen es stört, daß vielleicht mal ein ganzer Sommer mit niedrig grauer Bedeckung stattfindet, der stürzt sich deprimiert aus dem Fenster oder zieht, sofern zugereist, wieder um in eine andere Stadt. Die Überlebenden, derzeit an die zwei Millionen, zeigen eine gewisse psychische Festigkeit als gemeinsame Grundeigenschaft. Wer von den Wahlhamburgern hier bleibt, hat sich ausgewiesen als ein Mensch mit Fundament. Als jemand, der das Zeug dazu hat, mit den Jahren an seinem Wesen gewissermaßen eine innerliche Klinkerfassade heranwachsen zu lassen.Glasierter Rotklinker war die klassische architektonische Antwort auf das Wetter in Hamburg. Kein Verputz, an dem Schmutzschüren vom Regenwasser antrocknen oder der sich abwäscht. Klinkerfassaden oder aber schneeweiße oder pastellhelle Fassaden, die man eben alle paar Jahre neu streichen läßt:Hamburg ist eine reiche Stadt und also auch reich an Wetterlagen. Gehobene Luftfeuchtigkeiten, für die man anderswo bereits eigene Begriffe eingeführt hat, etwa der Salzburger Schnürlregen, fallen in Hamburg unter den Wahrnehmungshorizont, sozusagen Klinkerlitzchen.Eine bestimmte innerste Haltung, ein wetterfester seelischer Kern ensteht in den hiesigen Menschen als Gegenstück zu den Launen des Wetters. Der Hamburger ankert in sich und freut sich an seiner <gelassenheit, die nicht stoisch ist, aber zurückhaltend. Die mächtigen Auftritte, die etwa der Rheinländer gern für sich selbst in Anspruch nimmt, überläßt der Hamburger lieber der Natur. Still freut er sich, wenn der Sturm einen Baum knickt und der nicht auf die Mittelklassewagen am Straßenrand fällt, sondern auf den protzigen, goldmetalliséfarbenen Mercedes dazwischen. Dem Frankfurter Baulöwen Jürgen Schneider hat kein Hamburger Kaufmann übelgenommen, daß er sich privat in einem Schloß in Kronberg niedergelassen hat; jeder wie er möchte. Was man ihm übel genommen hat, war, daß er die Zaunspitzen vergolden hat lassen. Das tut man nicht. Das ist unproduktives Geld.Der richtige Hamburger mag lieber Münzgeld als Scheine, schon wegen des Gewichts, man bleibt damit gut auf dem Boden, auch wenn die Herbststürme kommen.In New York werden übermütige Menschen, die aus fahrenden U-Bahn-Zügen klettern, gelegentlich von vorbeieilenden Verkehrszeichen aufgegabelt. In Süddeutschland entleibt sich traditionsgemäß ein kleiner Prozentsatz des Nachwuchses beim Böllerbasteln durch Überdosierung der Explosivstoffe. In Hamburg bevorzugt man, der hiesigen Wesensart angemessen, lautlose Formen der Gefahr. Sehr beliebt im Winter ist das Vorauseilen auf die gerade eben erst zugefrorene Alster, der sogenannte Wintereinbruch. Offiziell wird die Eisfläche erst bei 15 Zentimeter Dicke zum Betreten freigegeben. Die täglichen Bohrungendes behördlicherseits zuständigen Eismanns werden wie tägliche Gesundheitsbulletins eines KPdSU-Generalsekretärs in der Zeitung erörtert. Wird die Eisfläche offiziell freigegeben, findet sofort sogenanntes Alstereisvergnügen statt, wobei man Budenaufstellt und Glühwein verkauft. Letztes Jahr hat sich einer der Budenbetreiberselbst versenkt, indem er einen Heizlüfter auf dem Eis in Betrieb genommen hat. Im Prinzip heißt das: Der Hamburgerist notfalls auch unter Lebensgefahr bereit, den Wetterumständen erfinderisch entgegenzutreten.Im übrigen stählt er sich an den natürlichen Umständen, so gut es eben geht. Im Umland sieht man noch öfters die alte Sitte gepflegt, daß der Opa mit Schiffermütze und Pfeife morgens auf eine Bank vor dem Haus platziert und der belebenden Wirkung des Wetters ausgesetzt wird. Abends wird der Opa dann erfrischt wieder reingenommen.Im Süden leidet der Mensch unter Gleichförmigkeit. Sie macht den Geist träge. Immer Sonne macht dumm. An den ersten schönen Tagen des März läuft der südliche Mensch weiterhin im Pullover über die Straße und läßt sich das Zutrauen zum schönen Wetter Tag für Tag nachtragen, bis er sich endlich entschließt, es doch im Hemd zu versuchen und den Frühling für eröffnet erklärt.Sieht der Hamburger einen etwas breiteren Sonnenstrahl, der zwischen nicht allzu sehr eilenden Wolken hindurch scheint, reißt er sich jäh die Kleider vom Leib und wirft sich auf die Alsterwiesen. Es könnte der Sommer gewesen sein. Das macht den Hamburger reaktionsschnell, entscheidungsfroh und flexibel.Es gibt auch einen kollektiven Willen zur Sommerlichkeit, der trotzig und fast schon militärisch entbehrungsbreit einem Totalausfall an Licht und Wärme entgegengehalten wird. Man fährt mit offenem Verdeck, auch wenn die Haut violett wird vor Kälte und trägt kurze Hosen, auch wenn sich die Beinbehaarung in der kalten Luft sträubt wie Glaswolle.Was ist überhaupt gegen Wettererscheinungen einzuwenden, die monoton blauem Himmel zu differenzierten Abwechslungen verhelfen und so unseren Alltag mit einer Abenteuerlichkeit durchwehen? Wind ist doch etwas Wunderbares. Wie schön sind die Tage, an denen die Segler auf der Alster die Spinnacker setzen, die bunten bauchigen Vorsegel und fast schon über die Wellen fliegen.Und erst der Regen. Wie wohlbehaglich, wenn es nach feuchtem Grün riecht aus Kastanien, aus Rhododendronbüschen und von den Wiesen her.Wenn Regen fällt und jedesmal ist es ein anderes Geräusch, eines angenehmer als das andere. Regen auf Asphalt, ein zischeliges Geräusch. Regen auf Gras, ein weiches Sieden. Regen auf dem Wasser eines Fleets, einem der vielen Kanäle, Wasser auf Wasser und im Winter Schnee auf Wasser, ein frisches, besänftigendes Geräusch, zu dem man sich am besten das Fenster öffnet und sich aufs Bett legt, um dem Paradies ganz nahe zu sein, und noch ein Stück näher, wenn es ein Sonntagnachmittag ist und ein Doris-Day-Film im Fernsehen läuft oder man seine Sammlung mit Late-Night-Jazz gerade vervollständigt hat und dazu anhören kann. Und unter Fleetbrücken warten ein paar Stockenten und ein halbwüchsiger Alsterschwan darauf, daß es aufhört zu regnen, weil sie sonst naß werden.Daß es in Hamburg eine Regenschirmindustrie gäbe, die auffällig in Erscheinung treten würde, kann man nicht sagen. Im geheimen Bereithalten von Regenschutz drückt sich hier Understatement aus. Das heißt, man hat eigentlich gar keinen Schirm und schon gar keine Regenjacke dabei, nur wenn's regnet, haben plötzlich alle einen Knirps zur Hand. Erklären läßt sich das nur so, daß es den Hamburgern gelungen ist, schwierige Erkenntnisse der theoretischen Physik alltagstauglich zu machen und über jackettaschengroße Schlitze kleine Bereiche der fünften Dimension nutzbar zu machen, in den sich Schirme und Jacken unterbringen lassen, ohne daß sie im gewohnt vierdimensionalen Hamburg-Kontinuum stören oder auch nur an die Möglichkeit erinnern würden, daß es regnen könnte.So ist die pragmatische, am Nützlichen orientierte Art der Hamburgerwiederum Beleg für die schöne Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft, die mit Hilfe des unter der Trabrennbahn befindlichen Teilchenbeschleunigers DESY nach den letzten Geheimnissen der Materie fahndet, und dem physikalischen Laien, dem sich durch den wissenschaftlichen Spin-off eine schöne Möglichkeit eröffnet, seinen Schirm zu verstauen.Hamburg ist immer neu. Das ist dem Wetter zu danken. Hier spielt das Licht. Jeden Tag läuft das Licht anders durch die Straßen und über die Gewässer der Stadt und durch das Gemüt der Menschen. Ob die Luft glänzt von Winterklarheit oder im Frühling dunkleVögel auf dem warmen Holz eines Anlegers sitzen und auf etwas Unerklärliches warten oder im Sommer abends die Lichtsäulen der flachen Skyline auf dem Alsterwasser mit den weichen, steten Wellen verschwimmen - jeder Tag hat eine andere Tönung, eine andere Färbung ins Gefühl hinein.Die Häuser am östlichen Alsterufer hinter lichtem Dunst, wie Zigarettenrauch in einem großen Raum, der sich gleichmäßig verteilt hat, und nun ist es ruhig und die Party zu Ende. Leidhtes Sonnenlicht streift durch die Bäume. Die Flaggen auf den Konsulaten wehen lässig, als lümmelten sie an einer Theke. Abends ein Rosenrot in dem glatten Pastellgrau der Wolken. In der Langsamkeit des Sonnenuntergangs ist die weit über den Menschen hinausgehende Größe der Natur zu vernehmen. Das ist das Schöne am Wetter. Und wenn der starke Wind hoch oben eine der zarten, großen Wolkenbänke vor der Sonne weggeschoben hat, dann, du schönes Hamburg, glüht der Rand einer Möwe für Momente auf, und der Körper wird wird zu einem Schattenriß in rußweichem Schwarz.
Auf Neuwerk steht das älteste Bauwerk Hamburgs (1312).*malwiederklugscheiss*
...nirgends sitzen Menschen einfach so auf der Straße mit einem Bier vom Kiosk. Wie auch, es gibt ja kaum einen Kiosk - und die paar die es gibt machen um 19 Uhr zu, was der totale Schwachsinn für einen Kiosk ist. Wer hat sich bitte diese idiotischen Öffnungszeiten ausgedacht?
Auf Neuwerk steht das älteste Bauwerk Hamburgs (1312). *malwiederklugscheiss* Häh? Lächerlich.. Alle möglichen anderen Bauwerke sind da älter... gotische Kirchen (z.B. Kölner Dom ), romanische Kirchen (gibts zuhauf - etwa in Köln), aber auch Profanbauten wie Häuser in Städten des frühen Mittelalters (z.B. Zehringerstädte wie Lübeck); noch viel älter sind die Aquädukte der Römer, die Porta Nigra in Trier, der Limes, die Hügelgräber der Kelten etc....
Wenn ihr so weitermacht, überlege ich mir echt nochmal, ob ich nicht doch in ne andere Stadt zieh. :P Also falls es das Wort "Stadt-Patriotismus" noch nicht gab, habt ihr es jetzt erfunden! Wow, ich staune noch immer... :wink: