Schwarzes Hamburg > Politik & Gesellschaft -Archiv-
Demokratie...
Kenaz:
Ich kann SuperTorus nur beipflichten. - Die Naivität, mit der so mancher Zeitgenosse offenkundig davon auszugehen scheint, daß basisdemokratische Prinzipien per se gut, richtig und gerecht sind, nötigt mir jedenfalls immer wieder ein Maximum an ungläubigem Staunen ab.
In einer Gesellschaft, die in immer krasserem und kontinuierlich wucherndem Maße von der umfassenden Korrosion und Inflation all ihrer ethischen Werte und epistemologischen Verbindlichkeiten gezeichnet ist (insbesondere die Explosion der "Informations"-Technologie stellt ja den ultimativen Nagel zum Sarge epistemologischer, ja: existentieller Verbindlichkeit dar: Triumph der totalen Beliebigkeit, nachdem "Wahrheit" endgültig zum Mythos geworden ist), mithin der Orientierungsstrukturen, die eine Gesellschaft dem einzelnen normalerweise an die Hand gibt oder geben sollte, verlustig geht bzw. schon längst gegangen ist, - in einer solchen Gesellschaft also ernsthaft davon auszugehen, es käme zu einer "freien" und vor allen Dingen "mündigen" Entscheidung seitens der in ihr Lebenden, mutet mir nachgerade absurd an.
Wenn wesentliche Fragen des politischen Lebens von "Volkes Stimme" geregelt werden sollen, dann ist der Mediendiktatur endgültig Tür und Tor geöffnet, denn dann regiert der, der das Bewußtsein der Menschen kontrolliert und in einer "Informations"-Gesellschaft sind das die Medien bzw. in letzter Instanz natürlich der, der sie finanziert und daraus seinen Profit schlägt. - Und Profit ist - und war - schon immer alles, worum's geht, man mache sich bitte nichts vor: "Money makes the world go round".
Demokratie ist in meinen Augen ein hehres politisches Ideal - eigentlich eher eine Utopie -, das notwendigerweise über kurz oder lang an der conditio humana - und die hat sich seit Adam und Eva bzw. den ersten Neandertalerhorden nicht wesentlich verändert - scheitern muß.
Andererseits scheint es mir das einzige Modell menschlichen Zusammenlebens zu sein, das in ethischer Hinsicht tatsächlich über jeden Zweifel erhaben ist: Wenn überhaupt eine politische Idee im Sinne des kantischen Moralkriteriums - der Verallgemeinerungsfähigkeit der Handlungsmaximen - als "gut" zu bezeichnen ist, dann ist das wohl die Demokratie. M. a. W.: Die Tragik des demokratisch denkenden Menschen - wenn er sich denn nicht von süßlichem Optimismus und fadenscheinigem Fortschrittsglauben einlullen lassen will, sondern die Augen offen hat und die Welt um sich herum sieht -, besteht in der Unausweichlichkeit, mit der er im Sinne des Lutherischen "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" sehenden Auges gegen die Wand rast; sie ergibt sich aus dem klaren Bewußtsein zweier Gewißheiten:
1. Die Demokratie ist das einzige politische Modell, das ernsthaft vertreten werden kann, ohne in logische und ethische Widersprüche zu geraten.
2. Die Demokratie muß scheitern, weil der Mensch für den sie gedacht ist, zu schwach, zu faul, zu egozentrisch, egoistisch und kleingeistig dafür ist.
Dalai_Wese:
--- Zitat von: "Lilyanar" ---
--- Zitat von: "Dalai_Wese" ---Das mit dem Volksentscheid stimmt so nicht. Der hatte keine verbindliche Wirkung! In Hamburg besteht für das Volk durchaus die Möglichkeit Gesetze zu erlassen!
--- Ende Zitat ---
nein das ist nicht wahr - der senat hat in hamburg das endgültige bestimmungsrecht, ob ein antrag/gesetz oder was auch immer zugelassen wird oder nicht, ganz egal wieviele dafür oder dagegen gestimmt haben - auch bei einer eindeutigen mehrheit von seiten des volkes. [/color]
--- Ende Zitat ---
Dann schau mal in Art. 50 der Hamburgischen Verfassung! Es ist ja ein weitverbreiteter Irrglaube, dass das Volk keine Gesetze erlassen kann.
Dalai_Wese:
--- Zitat von: "Drachenkind" ---Naja, der Baum fault ja von der Wurzel.
@Dalai Wese
Dein Vorschlag ist das Ende im Parlament und erzeugt ungeheure Kosten.
Deine Diäten Einsparungen werden sofort dadurch aufgefressen das eine Fraktion durch geringeren Personalbestand immens mehr Arbeit hat. Den die Anzahl der zu erledigenden Aufgaben sinkt ja nicht. Es fehlen dann Spezialisten in den Fraktionen. Und deine Hinterbänkler gibt es vielleicht bei inkompetenten Fraktionen wie DVU, Schill...
Aber auch die Parlamentarier von denen man aufgrund unserer Presse nichts hört tun was, man mag es nicht glauben. Oft auch sinnvolleres als die Köpfe vor der Kamera.
--- Ende Zitat ---
Mag sein, dass das mit den Hinterbänklern nicht ganz falsch ist. Aber: Dann ist es eben das Ende des Parlaments! Dann muss entweder neugewählt werden oder eben mit diesen Verhältnissen ausgekommen werden. Schließlich ist die Wahlbeteiligung ganz entscheidend für eine funktionierende Demokratie und wenn sie nicht mehr funktioniert, dann muss man sich was neues einfallen lassen. Jedenfalls müssten sich ALLE mehr anstrengen das System am Leben zu erhalten und wenn das nicht gelingt, dann muss man neue Wege einschlagen.
kb:
Ich hätte es etwas bodenständiger formuliert, aber ich pflichte Kenaz mal zu 100% bei. Von den Einwohnern des Landes der Klingeltoncharts so etwas wie ernstzunehmende politische Kompetenz zu erwarten, ist absolut vermessen.
Eisbär:
Eben.
Man bedenke auch, welche Errungenschaften wir nie gehabt hätten, hätte man im Zweifel das Volk befragt.
Oft genug haben sich unpopuläre Entscheidungen trotzdem als richtig erwiesen.
Würde man über unser GG abstimmen, wie eigentlich mal vorgesehen, würde die Mehrheit wahrscheinlich Art. 12 (Die Todesstrafe ist abgeschafft.) kippen.
Danke, aber nein danke.
Und ich würde nach gewissen Erlebnissen mit bestrunkenen Fußballfans und Freimarktbesuchern für die Wiedereinführung von Euthanasie in solchen Fällen stimmen.
Grüße
Lars
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln