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Neoheidentum & rechte Kulturstrategen

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Daelach:
heilsa Leute,

nachdem im betreffenden Thread die Antworten auf die Frage ausblieben, inwiefern denn Neuheidentum etc Anküpfungspunkte für rechte Ideologien bieten, bzw wer überhaupt die Definitionsmacht für "Neuheidentum" hat (etwa rechte Kulturstrategen?), mache ich hier mal einen neuen Thread auf.

Da zumal im Neofolk mit Symbolik hantiert wird, die sich einerseits heidnischen Zeiten zuordnen lassen, andererseits aber auch der NS-Zeit, gibt es hier sicherlich eine Überschneidung. Wenn Rechte und Neuheiden mit identischen Symbolen verschiedene Dinge ausdrücken, ist ein Durcheinander natürlich vorprogrammiert.

hilsen, Daelach

Candide:
Diesmal erstaunst Du mich in der Tat. 100% d'Accord. Bleibt die Frage: welche Konsequenzen sind aus dieser Erkenntniss zu ziehen?

Daelach:
Heilsa Candide,

die Konsequenz kann nur sein, die Deutungshoheit über Symbole, die nicht von den Nazis erschaffen wurden, den Rechten wieder zu entreißen. Sie hat ihnen nie wirklich zugestanden.

Das bedeutet natürlich, daß man den Sumpf aus der Fischbach'schen Denkfabrik (List, Liebenfels, Sebottendorff etc) als das kennzeichnet, was er tatsächlich ist: Unhaltbarer Mist.

Die Verbindung aus Ariosophie und Germanentum ist völliger Unsinn, soweit es das historisch belegbare Germanentum anbelangt. Nicht daß die historischen Germanen nun makellose Lichtgestalten gewesen wären, aber mit Ariosophie hätten sie nichts am Hut gehabt.

Neuheidentum ist heute aber sehr wohl notwendig, es sind schließlich Jahrtausende vergangen seit damals, und in unserer Welt kann man nicht mehr alles so unverändert übernehmen. Das Fehdenrecht etwa würde heute bei der fortgeschrittenen Waffentechnik zu Katastrophen führen.

Wenn man sich mit Theosophie, Ariosophie und NS befaßt hat, dann merkt man relativ zügig, wo jemand versucht, Heidentum in die heutige Welt zu "übersetzen", und wo er versucht, ariosophische Ideologien heidnisch zu bemänteln. Die Übergänge können da mitunter sehr fließend sein.

Der Angriff erfolgt dann sozusagen weiter vorne: Nicht erst beim Verwenden heidnischer Dinge ablehnen, sondern schon vorher Ariosophen und ähnlichen Leuten die Berechtigung absprechen, überhaupt heidnische Dinge als Rechtfertigung zu nehmen - weil sie dafür schlicht zu inkompetent sind.

Heute kommt es immer mehr in Gebrauch, einen Rassismus zu vertreten, der ohne Rassenbegriff auskommt. Sowas heißt heute z.B. Ahnenreihe, Ahnensitte etc, mit ein wenig Blut & Boden kombiniert.

Es wird durchaus im neoheidnischen Umfeld versucht, ariosophischen Müll einzubinden, ja, siehe z.B. asatru.de - das Gegenrezept dazu kann nur lauten, aufzuklären: Was ist Neuheidentum, und was benutzt Neuheidentum nur als Mäntelchen? Eines der zahllosen Signale, wo ich SEHR hellhörig werde, ist die Verwendung von "germanisch" und "deutsch" als Synonyme. In aller Regel hat man es dann nämlich mit rechten Kulturstrategen zu tun.

Dies deswegen, weil seit den alten Germanen u.a. die Völkerwanderungszeit stattfand, die Hunnen aus dem Osten kamen, die Söldnerkriege, und nicht zuletzt die großen Vertreibungswellen im Zuge der Neuordnung Europas nach dem 2. Weltkrieg. Die Germanen lebten zum Teil auf dem Gebiet des heutigen Deutschland, ja. Aber dennoch ist "Deutscher" etwas komplett anderes, was mit "Germane" nicht viel zu tun hat.

Das ist eben sozusagen das Gute an der Ariosphie-Heidentum-Verbindung: Sie hat die historischen Tatsachen GEGEN sich. Ein einfaches Bekämpfungsmittel ist daher einfach historisch belegbare Darstellung. Eine Lüge bekämpft man am einfachsten mit Wahrheit.

hilsen, Daelach

Candide:
Was ist denn diese Wahrheit?

Ich stelle Dir mal meinen ganz naiven Standpunkt dar, bewußt überspitzt: mich interessieren Heiden genauso wenig wie Christen, ich lehne jede Art religiöser Dogmen ab, und die Neofolker teilen sich für mich in Nazis einerseits und esoterische Spinner, die in Lendenschurz durch den Schwarzwald rennen andererseits auf. Rassen interessieren mich nicht, und Hexen nur dann, wenn sie gut küssen. Das, was mir in der Schule als "Heidentum" erklärt wurde, ist für mich nichts weiter als Agnostizismus, und der kommt ohne Swastikam, "Heilsa" und "hilsen" oder das Motto "Kampf! Sieg! Oder Tod" aus. Der ganze esoterisch-elitäre Überbau für etwas so simples klingt für mich wie ein schlechter Fantasyfilm. Was habe ich nicht verstanden oder verpaßt?

Daelach:

--- Zitat von: "Candide" ---Was ist denn diese Wahrheit?
--- Ende Zitat ---


Im Kontext einer Blut&Boden-Ideologie ist die simple Wahrheit, daß sie sich selbst ihrer Grundlage beraubt. Wie gesagt, im Zuge von Völkerwanderung, Söldnerkriegen und dem 2. Weltkrieg ist Europa stark durcheinandergemischt worden. Allein diese historische Tatsache schon führt heute eine Blut&Boden-Ideologie ad absurdum.


--- Zitat ---Das, was mir in der Schule als "Heidentum" erklärt wurde, ist für mich nichts weiter als Agnostizismus
--- Ende Zitat ---


Agnostizismus ist doch etwas komplett anderes. Natürlich war das Germanentum keine Religion in der Art wie das Christentum, weil es eben keine Buchreligion war.. das äußerte sich weniger in Gottesdiensten, wie wir sie heute verstehen, sondern in einer Lebenseinstellung - die Spaltung in "heilig" und "profan" existierte einfach nicht. Daher ist es kein Wunder, daß es keine wirklich so explizit heiligen Bereiche gab.

Aber wenn Du all sowas eh für esoterische Spinnerei hältst, dann schätze ich, ist es für Dich auch ziemlich egal, ob so jemand nun Nazi ist oder nicht, in jedem Fall ist er eine verwirrte Person mit einem ziemlichen Schuß an der Waffel. So what..


--- Zitat ---und der kommt ohne Swastikam,
--- Ende Zitat ---


.. die nun wirklich ein WENIG älter ist als der Nationalsozialismus.. aber wer sich heute immer noch einreden läßt, daß das Nazisymbole seien, der sagt damit eben aus, daß er die Nazis als deutende Instanz respektiert. Auch wenn es in der Ablehnung passiert.


--- Zitat ---"Heilsa" und "hilsen"
--- Ende Zitat ---


Nun, zum Thema "heil", "heil sein" etc.. auch das ist ETWAS älter als die Nazis, ich verweise mal z.B. auf die Edda, auch wenn die nicht unbedingt historisch völlig authentisch ist.

Ich kann dazu nur sagen, entweder man HAT Interesse an Mythen etc, oder man stellt sich hin und sagt "ist doch alles Schnee von gestern, ich bin toll aufgeklärt". Ein Mythos wird aber nicht unwirksam, nur weil man ihn verdrängt, und den Menschen als (rein) rationales Wesen zu betrachten, schneidet ihn von seinen Wurzeln ab. Aber es ist politisch korrekt, und auch das ist ja schon etwas (-:

hilsen, Daelach

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