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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
messie:
Danke für die Antwort, atomheartmother ...
Deine Aussage deckt sich mit dem, was hier im Fernsehen auch erzählt wird: Dass Bush die Angst der Amerikaner vor Terroranschlägen ausnutzt, die nach 9/11 eingesetzt hat.
Hier in Deutschland wundert man sich häufig, woher diese Angst kommt. Mich nicht: In den USA musste man bisher niemals Angst haben, im eigenen Land angegriffen zu werden - eben bis 9/11. Dass der Schock groß ist, kann ich verstehen. Es ist nach Pearl Harbor das erste Mal überhaupt, dass auf dem Gelände der USA überhaupt jemand mal einen Angriff ausgeübt hat -und das ist auch schon über 60 Jahre her ...
Trotzdem verstehe ich nicht wirklich -genau wie Du, atomheartmother- weswegen immer noch 50% aller Amerikaner lieber Bushs Lügen glauben (und Angst haben) als zu bemerken, dass der Irak-Krieg auf einer Lüge aufgebaut wurde...
Nun denn. Viele Deutsche arbeiten ihre Geschichte heute noch auf.
Dasselbe wünsche ich den Amerikanern, wenn Bush abgewählt ist :wink:
Thomas:
--- Zitat ---Thomas hat folgendes geschrieben:
Kurz nach dem 2.Welkrieg war die anzahl derer, die das Naziregime für "an sich gar nicht so schlecht" hielten auch noch relativ hoch.Erst mit der Zeit wurde den Leuten klar, das die Demokratie doch irgendwie das bessere System ist.
Ähem. Ohne jetzt jemanden triggern zu wollen: Hatten sie eine so grosse Wahl?
--- Ende Zitat ---
Naja, im Sowjetischen Sektor hat man sich anders entschieden.
Der Westen hatte keine Wahl, aber das war vermutlich auch ganz gut so, oder meinst du, das ein anderes politisches System für Deutschland und sein Volk besser gewesen wäre ? Ich glaube nicht.
Rick Deckard:
Im Grunde genommen kann man zu dem, was hier bereits geschrieben wurde, nicht mehr viel hinzufügen. Trotzdem möchte auch ich noch ein paar Worte zu der Frage um das Schamgefühl von atomheartmother schreiben.
Ich schäme mich meiner Nationalität nicht, denn diese steht für ein gänzlich anderes Land. Eines mit einer der besten und erfolgreichsten Demokratien in der Welt. Ein Land, dessen Bevölkerung Pazifismus in den Grundfesten und im Grundgesetz verankert hat. Ich schäme mich schon eher für meine Nationalität, wenn ich wieder mal was von randalierenden Fußballrowdies höre, die zufällig auch Deutsche sind, oder typisch deutsche Spießbürger im Ausland. Um die mache ich einen Bogen.
Von und in vielen Länder, und so gut wie jedem westlichen, gingen in der Vergangenheit schlimme Dinge aus, die ihre Auswirkungen auf die eigenen und / oder andere Menschen hatten. Dass in der Türkei bis 1919 Massenmorde und Zwangsumsiedelungen von Armeniern, Griechen und Assyriern verübt wurden, oder in den belgischen Kolonien im Kongo durch König Leopold II 5 - 15 Millionen Kongonesen bis 1909 ausgebeutet und massakriert wurden, oder in Kroatien bis 1943 bis zu 1 Million Menschen ermordet wurden, oder dass in der Soviet Union bis zu 20 Millionen Menschen sterben mussten, weil sie anders dachten, als vom System vorgeschrieben, das weiß, bzw. interessiert doch kaum jemand.
Deutschland war nur immer eine der Nationen, die mit großem Hurra blind in den Krieg stürzte, sich übernahm und bezwungen wurde. Und hätten die Japaner Pearl Harbor nicht angegriffen, wären die Amerikaner womöglich erst viel später, wenn nicht sogar überhaupt nicht in den zweiten Weltkrieg eingetreten. Was das für Auswirkungen auf den Kriegs- und Geschichtsverlauf in Europa und der restlichen Welt gehabt hätte, wage ich gar nicht zu visualisieren.
Fakt ist, dass jeder Mensch, vorausgesetzt er befindet sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, in der Lage dazu ist Greueltaten zu begehen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Das hat die Geschichte schon oft gezeigt und dabei war es vollkommen egal, an welchem Breiten- und Höhengrad auf dem Globus das stattfand und zu welcher Zeit. Solange ein Volk seiner Regierung blind folgt, kann Korruption, Gier nach Macht und nach Kontrolle gedeihen und maßlos ausufern. So war es in den USA zur Zeit der Indianerkriege, in Frankreich zu Zeiten Napoleons, in Kambotscha unter Pol Pots Regime (was ein Kapitel an Grausamkeit für sich ist), in Australien, wo die Briten die Ureinwohner vertrieben, in Südafrika, wo weiße die schwarze Bevölkerung unterdrückten, usw. usf.
Ich bin nicht stolz darauf ein Deutscher zu sein, ich bin ein Deutscher und gut. Genauso gut könnte ich stolz darauf sein ein Mensch zu sein, oder Europäer oder Wal-Mart-Kunde. Letzendlich kann man nur auf seine eigenen Taten stolz sein, bzw. auf eigene Leistungen. Alles andere heißt, sich mit fremden Federn zu schmücken. Ich habe weder berühmte Gedichte und Kompostitionen geschrieben, noch bahnbrechende Erfindungen gemacht, oder sonstige Dinge, die der Menschheit zugute gekommen sind. Man kann stolz darauf sein, aus demselben Land zu stammen, wie ein berühmter Philosoph oder Wissenschaftler oder Menschenrechtler, mehr aber auch nicht. Genauso wenig kann ich mich dafür schämen aus einem Land zu stammen, in dem ein Regime aus Verbrechern mit der Unterstütung von Kriminellen, Mördern und Feiglingen gewütet hat. Wohl aber bin ich mir dieser Tatsachen bewusst, leugne sie nicht, diskutiere darüber und erkenne und sage es auch, wenn mir ähnliches präsentiert wird. Ob nun im eigenen Land oder anderswo. Ein Volk kann nicht bis zum letzten Individuum nur schlecht und nur gut sein. Aber die Welt erinnert sich natürlich immer an die verheerendsten Auswüchse. Über die Tsunami von letztem Jahr redet man ja auch noch, das letzte Erdbeben in der Türkei dagegen ist schon wieder in Vergessenheit geraten.
Die Zahl der Opfer ist immer auch eine Marke für die Wertigkeit einer Katastrophe im kollektiven Gedächtnis der Menschen.
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