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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
Thomas:
--- Zitat ---
Daraus ergibt sich meines Erachtens nach keine Kollektivschuld, aber eine besondere Verantwortung Deutschlands für den globalen Frieden.
--- Ende Zitat ---
Und dieser Verantwortung kommt Deutschland im Vergleich mit allen anderen Ländern jawohl perfekt nach.Ich kenne jedenfalls kein Land mit einer derart pazifistisch eingestellten Regierung und Armee.
Das zeigt sich doch schon daran, das im Bundestagt monatelang diskutiert wird, bevor man sich möglicherweise dazu entscheidet, deutsche Soldaten in Auslandsmissionen einzusetzten, und auch das dann nur mit einem (vermutlich durch die Vergangenheit begründeten) schlechten Beigeschmack.
--- Zitat ---Da können unsere oliv-Grünen Regierungsmitglieder noch so lange im Bundestag mit ihrem peinlichen "Nie wieder Auschwitz"-Geheule deutsche Angriffskriege im Kosovo rechtfertigen: Egal wie viel Zeit wir den Serben gelassen hätten, die vier Millionen hätten die nie gepackt.
--- Ende Zitat ---
Und was folgt daraus ? Auf gar keinen Fall deutsche Soldaten im Ausland einzusetzen, egal wie viele Leute dort täglich draufgehen, weil sich wieder zwei Idiotengruppen gegenseitig die Köppe einschlagen ?
Das Problem ist eben, das die Entscheidung, KEINE Soldaten einzusetzen nicht zwangsläufig die Menschlichste bzw. die dem Frieden dienlichste ist.Das haben nur leider noch nicht alle Grünen kapiert.
Jinx:
Also, wenn man die üblichen Postings à la: "Die anderen waren auch böse und haben auch böse Dinge getan" beiseiteläßt, kann ich folgendes beisteuern:
- es gibt hier eine aktive Vergangenheitsbewältigung, die - wenn nicht privat - so doch in der Schule beginnt. Bedauerlicherweise ist diese teilweise kontraproduktiv, da selbst aufgeschlossene und am Thema interessierte Geister durch ewige Wiederholung oberflächlicher Inhalte abstumpfen.
Die Aufarbeitung der Vergangenheit wurde unmittelbar nach der Kapitulation 1945 durch die Alliierten eingeleitet, z.B. durch Entnazifizierungsverfahren. Dies sollte gewährleisten, dass die neu zu errichteten Strukturen schon wieder mit überzeugten Nationalsozialisten und/oder Kriegsverbrechern durchsetzt werden. Es liegt auf der Hand, dass dies nur teilweise geschah, da man nicht ein ganzes Volk austauschen konnte und überzeugte Antifaschisten nur begrenzt zur Verfügung standen. Dass dieses Verfahren in dieser Konsequenz durchgeführt werden konnte, liegt sicherlich daran, dass Deutschland als unterlegene Kriegspartei besetzt wurde und die Regierungsgewalt in den Händen der Alliierten lag.
Die Bereitschaft der älteren Generation, die Ereignisse zwischen 1933 und 1945 aufzuarbeiten, war gering, da die Leute aktiv beteiligt waren und sich permanenten Vorwürfen ausgesetzt sahen, weniger durch Alliierte, Regierung, Politik etc., als vielmehr durch die eigenen Kinder, die den Ereignissen verständnislos gegenüberstanden. Vorwürfe durch unmittelbar Betroffene wurden meist nicht mal ausgesprochen, da die wenigen Rückkehrer aus der nationalsozialistischen Haft dazu tendiereten, eher in Ruhe leben zu wollen; man kann sagen, dass ihre Anwesenheit als stummer Vorwurf gewertet wurde.
In diesem Zusammenhang ist auch der bis heute andauernde, peinliche Rechtfertigungsdrang zu sehen, der auf Teile der jüngeren Generation überging (wir selbst haben nix gemacht, andere waren auch schlimm, die Alliierten und Israel drücken uns eine ewige SChuld auf). Der letzte Punkt ist besonders lächerlich, da er Verantwortung für das eigene Handeln jüngerer Generationen mit der Schuldfrage der involvierten Generation auf unangemessene Weise vermischt (ein Tipp für die Anhänger der ewigen Beschuldigungsidee: wendet Euch an Angehörige der jüdischen Religion, DIE können nämlich wirklich was von Beschuldigungen erzählen, denn der Vorwurf des Christusmordes hängt ihnen idiotischerweise bis heute an. Das heißt wir hätten noch ca. 1940 Jahre vor uns.. *g*). Negiert wird, dass dieser generationsübergreifende SChuldvorwurf von seriöser Seite nicht existiert, obwohl er fleißig beschworen wird.
Vergangenheitsbewältigung wird heute vom Staat selbst, von verschiedenen Institutionen, aber auch privat betrieben, da die Notwendigkeit erkannt wurde, ein Bewußtsein für das begangene Unrecht zu wecken. Es ist ein PRozeß, der sich verselbständigt hat und auf unterschiedliche Weise stattfindet, formell wie informell.
An eine Kollektivschuld glaube ich persönlich nicht, mir ist interessanterweise nicht mal in Israel jemand begegnet, der solches tut (nicht mal mein Vater, der als Soldat Kriegsgefangener in Mauthausen war, wurde von ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers mit derartigen Vorwürfen konfrontiert, da diese zwischen einem 23-jährigen zwangsrekrutierten Soldaten und einem SS-Mann sehr wohl zu unterscheiden wußten). Ich glaube allerdings an eine kollektive Verantwortung, die ich gerne wahrnehme, da ich es vorziehe, an einem zivilisierten Leben unter zivilisierten Menschen in einer zivilisierten Umgebung teilzunehmen.
Persönliches: ich bin 38, aber so richtig typisch deutsch bin ich wegen meiner multikulturellen Familie (mütterlicherseits) und meines Studiums (Judaistik) vielleicht nicht.
Ich denke schon, dass es eine Vergangenheitsbewältigung in anderen Ländern gibt. So gibt es in der Türkei Menschen, die den Völkermord an den Armeniern als solchen ansehen, ebenso wie es in den USA eine Friedensbewegung gibt, die aus der Anti-Vietnam-Bewegung hervorging. Auch in Israel gibt es shalom achschaav (übers.: Frieden jetzt), eine Organisation, die sich für eine friedliche, konstruktive Lösung des Palästinenserkonflikts einsetzt. Vergangenheitsbewältigung ist dort jedoch eher eine informelle, individuelle Angelegenheit, die nicht immer die offizielle Zustimmung erhält.
phaylon:
--- Zitat von: "Jinx" ---Auch in Israel gibt es shalom achschaav
--- Ende Zitat ---
OT: Meine Fresse, das hab' ich verstanden! Ich hol' mir jetzt nen Keks, für's Ego.
OnT: Als Ösi muss ich mal anmerken, dass mir das "unterdrückte Schuldbewusstsein", wie ich es jetzt mal einfachhalber nenne, hierzulande schon um einiges deutlicher aufgefallen ist. Man könnte meinen es gibt in den Köpfen ein Tabu, welches verhindert, dass man sich direkt mit dem Nationalsozialismus neutral auseinandersetzt. Andererseits wirkt scheinbar auch ein Tabu, welches verhindert, dass man sich mit erstgenannter "Blockade" tiefer beschäftigt. Es ist quasi ein "eigentlich nicht, aber doch irgendwie".
Ein gutes Beispiel dafür, dass nichts Bewältigt wurde, und keine volle Selbstsicherheit besteht, hat man ja neuerdings in Berlin bei der NPD-Demo gesehen. Ich teile da die Meinung derjenigen die sagen, die Polizei habe sich undemokratisch und widerrechtlich verhalten. Für's Widerrechtliche bin ich aber eventuell einfach nicht fit genug mit den hiesigen Gesetzen.
colourize:
--- Zitat von: "Thomas" ---
--- Zitat von: "colourize" ---Da können unsere oliv-Grünen Regierungsmitglieder noch so lange im Bundestag mit ihrem peinlichen "Nie wieder Auschwitz"-Geheule deutsche Angriffskriege im Kosovo rechtfertigen: Egal wie viel Zeit wir den Serben gelassen hätten, die vier Millionen hätten die nie gepackt.
--- Ende Zitat ---
Und was folgt daraus ? Auf gar keinen Fall deutsche Soldaten im Ausland einzusetzen, egal wie viele Leute dort täglich draufgehen, weil sich wieder zwei Idiotengruppen gegenseitig die Köppe einschlagen ?
Das Problem ist eben, das die Entscheidung, KEINE Soldaten einzusetzen nicht zwangsläufig die Menschlichste bzw. die dem Frieden dienlichste ist.Das haben nur leider noch nicht alle Grünen kapiert.
--- Ende Zitat ---
Machen wir uns doch nichts vor: Überall auf der Welt gibts bewaffnete Auseinandersetzungen. Dort überall die Bundeswehr reinschicken ist wohl nicht drin. Man muss sich also aussuchen, welches fremde Land man zum Genuss der "Pax Germania" verhelfen möchte.
Meines Erachtens gibt es immer eine Schieflage zwischen der wirklichen Motivation einen Angriffskrieg zu führen einerseits, und der scheinheiligen Rechtfertigung für diesen Krieg andererseits. Da müssen dann eben schon mal nicht existente Massenvernichtungswaffen des "neuen Hitlers" aka Saddam Hussein dafür herhalten, der Bevölkerung der westlichen Staaten einen imperialistischen Feldzug zum Zwecke der Kontrolle über die Ölvorräte am Persisch-Arabischen Golf schmackhaft zu machen.
Zugegeben, auf dem Balkan und in Afghanistan gibts weniger zu holen. Deswegen darf diesen Angriffskrieg auch die Bundeswehr mitgestalten. Bei den Kolonialfeldzügen, bei denen es wirklich was zu holen gibt, lassen sich die USA natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen.
Wie auch immer - Kriege werden niemals aus "humanitären Gründen" geführt. Auch wenn Claudia Roth und Kerstin Müller noch so große Krokodilstränen weinen und zur Rechtfertigung der Beteiligung der Bundeswehr an Angriffskriegen "Nie wieder Auschwitz!" in die Fernsehkameras schlurzen.
phaylon:
--- Zitat von: "colourize" ---Auch wenn Claudia Roth und Kerstin Müller noch so große Krokodilstränen weinen und zur Rechtfertigung der Beteiligung der Bundeswehr an Angriffskriegen "Nie wieder Auschwitz!" in die Fernsehkameras schlurzen.
--- Ende Zitat ---
Und immer wieder hagelt's Gründe warum es gut ist, keinen Fernseher zu haben :)
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