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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
atomheartmother:
Ich bin Student bei University of Wisconsin-La Crosse (USA) und studiere Psychologie und Deutsch. Wegen meiner Interessen, beschloss ich über die Vergangenheitsbewältigung für die Semesteraufsatz meiner deutschen Kultur Kurs zu schreiben. Das Thema, das ich erkunden möchte, ist "Warum gibt es Vergangenheitsbewältigung in Deutschland aber keine in der USA order in anderen europäischen Länder?" Jede Länder hatten in der Vergangenheit Abscheulichkeiten gemacht. Zum Beispiel, in der USA hatten wir Sklaverei, die Vernichtung des Indianers, die sehr ähnlich der Holocaust war, und so weiter. Aber die Mehrheit Amerikaner ist diese Abscheulichkeiten ihnen egal.
Warum glauben Sie, dass es Vergangenheitsbewältigung in Deutschland gibt? Denken Sie, dass älter Deutsche die Vergangenheitsbewältigung unterschiedlich als junger Deutsche erleben? Wie erleben die heutige Jugend die Vergangenheitsbewältigung? Wie erleben die Erwachsene und die ältliche Erwachsene die Vergangenheitsbewältigung? Ich will wissen, wie die zeitgenössische Deustche erlebt die Vergangenheitsbewältigung.
Warum glauben Sie, dass es keine Vergangenheitsbewältigung in der USA oder in anderen europäischen Länder gibt? Was sind die kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland und die USA, die erklären warum es keine Vergangenheitsbewältigung in der USA und andere Länder gibt?
Glauben Sie, dass Deutsche eine Kollektivschuld über den Holocaust fühlen?
Ich will wissen, was Sie wirklich meinen. Ich könnte in einem Buch oder im Internet die Information suchen, aber ich denke, dass es mehr wichtig ist was die alltäglichen Deutshe glaubt.
Ich will auch wissen wie alt Sie sind, um Richtungen nach Altersgruppe zu bemerken.
Es tut mir leid, wenn ich jemand unbequem gemacht habe.
Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Wenn ich Fehler gemacht habe oder wenn Sie Etwas nicht verstehen, sagen Sie mir bitte.
Foolx:
Ein nettes Thema...
Warum fühlen "wir Deutsche" uns schuldig?
Zum einem natürlich weil etwas schreckliches in unserer Geschichte vorgefallen ist.
Klar, ich war nicht dabei, warum also habe ich dennoch das Gefühl als "Nazi" abgestempelt zu werden sobald ich sage das "Wir Deutsche" etwas tun oder fühlen sollten? Es ist uns sozusagen in die Wiege gelegt das Nationalstolz = Nazi bedeutet.
Würde jemand den Türken verbieten Stolz ihre Fahne zu schwenken wenn sie einen Sieg im Fussball errungen haben?
Man siehe einmal die Türkische Zeitschrift..... Name vergessen, auch nicht wichtig.
Jedenfalls steht auf jeder einzelnen Ausgabe ein kleiner Türkischer Satz auf der 1. Seite. Dieser bedeutet Sinngemäß übersetzt: "Die Türkei den Türken!".
Die dürfen das, die hatten keinen Führer. Wenn jemand in der deutschen Politik nur 1x zu häufig Nationalstolz erkennen läßt, kann er zurücktreten.
Um zum Thema zurück zukommen:
Ich als Mensch von geradex 23 Jahren kann absolut nichts für all den Scheiß der damals bis 45 und zum teil noch danach gelaufen ist. Ich habe bis auf übliche Rangeleien nie probleme mit Ausländern gehabt oder einen Hass auf Juden. Warum sollte es mir eigentlich verboten sein "Stolz" auf mein Vaterland zu sein? Man könnte nun sagen "Weil es nichts gibt worauf man Stolz sein kann in D" und das würde sogar wahrscheinlich stimmen. Aber wir dürfen auch so nicht zu unserem Land halten da wir gleich Verbrecher sind. Überall sonst ist es normal.
Natürlich dürfen wir die USA auch nicht angreifen wegen dem Dreck den sie sich geleistet hat (und meiner Meinung nach hat sie wirklich viel viel schlimmeres getan UND TUT ES NOCH!).
Wenn jemand aus Deutschland zu "Den Amis" geht und sagt "Was ihr euch damals mit den Indianern..." wird gleich mahnend der Finger gehoben "Aber Hitler.."
Es kommt gar nicht erst zu einem "anklagen" für die Taten da unsere Vergangenheit uns offenbar international verbietet etwas anzuklagen.
Meiner Meinung nach sollte unser Land längst über unsere Vergangenheit erhaben sein, zwar drauß lernen, jedoch nicht künftiges dafür opfern...
Aber offenbar ist das das Vermächtnis von Hitler.: Er wollte ein 1000 jähriges Reich, und leider sind erst über 70 Jahre um.
Rose:
In Deutschland gibt es Vergangenheitsbewältigung, da Deutschland verloren hat.
Die USA waren eigentlich immer Siegermacht und da der Satz "Geschichte wird von Siegern geschrieben" sich leider doch immer wieder bewahrheitet.
Die USA haben Japaner während des Pazifikkrieges über in Lager gesperrt - "aber Hitler" - das Abwerfen der Atombombe war militärisch gesehen überflüssig, dass es andere Gründe gab ist unstrittig.
Ich zumindest fühle keine Kollektivschuld, ich fühle aber sehr wohl eine Art Verantwortung des Gedenkens und daran Anteil zu haben, dass so etwas nicht nochmal passiert. Das mag aber auch daran liegen, dass meine Genertion das von Anfang an so eingeimpft bekommen hat. Ich bin 21 und habe eigentlich jede Dokumentation von unserem "nationalen Gedächnis" Guido Knopp gesehen.
Natürlich war es schrecklich, dass der Holocaust stattfinden konnte. Aber ich fühle mich nicht dafür verantwortlich, auch als Teil aller Deutschen nicht.
Man kann nun einmal nur im Rahmen seiner Zeit etwas ändern.
Der Uhu:
1. Der Holocaust war nicht der erste Genozid dieser Groessenordnung, aber der erste der so industriell geplant durchgefuehrt wurde. Das war nicht nur ein Schock fuer andere Voelker sondern auch fuer die Deutschen, die nun feststellen mussten, was fuer Kreaturen aus ihnen geworden waren. Etwa wie ein Taeter, der vor seinem gerade getoeteten Opfer steht und realisiert, was er getan hat.
2. Ein ganzes Volk ist fuer 12 Jahre Amok gelaufen. Das ist jedem Deutschen klar, und weil niemand will, dass das nochmal passiert, wird die Aufklaerung ueber diese Ereignisse in deutschen Schulen und Medien exessiv betrieben.
3. Die Amis und Briten wurden nie fuer ihre Taten zur Rechenschaft gezogen. Die Deutschen schon, denn sie sind ja von den Alliierten erobert und die alte Fuehrung in Nuernberg vor Gericht gestellt worden. Die Deutschen waren fuer Jahrzehnte das Volk der Nazischweine und jeder, der Lust dazu hatte konnte auf sie spucken. Ein Taeter, der bei seinem Verbrechen nie erwischt und vor Gericht gestellt wurde, hat es auch leichter mit seiner Tat und sich selbst klar zu kommen, als der Taeter, der erwischt wurde und vor der ganzen Nation an den Pranger gestellt wird. Haette irgendjemand Grossbritannien erobert und dessen Kolonien befreit und die britischen Regierenden und die Koenigin vor Gericht gestellt, wuerde man heute auch mehr ueber die Ereignisse in den Kolonien sprechen.
4. In den USA (und anderswo auch) wird das Nazi-Image Deutschlands gerne gepflegt. Man muss nur mal bei einer Amerikanischen Nachrichten-Website oder in einem Forum wie diesem hier "Germany" als Suchbegriff eingeben und man bekommt zwei Arten von Meldungen: Nazi-News ueber WWII, Holocaust etc. oder Irak-News, indem sich die Amis darueber beschweren, warum sich ein Land mit einer solchen Vergangenheit heute anmasst ueber Menschenrechte zu reden und das die Nazischweine aus Germany doch mal bitte schoen die Klappe zu halten haben. Man mag es, uns an unsere Vergangenheit zu erinnern, damit man unsere Argumente wegfegen kann. Und darum sind wir immer wieder gezwungen uns damit auseinanderzusetzen. Ich bin seit Februar in Israel und in der ganzen Zeit ist mir keine Zeitung untergekommen ohne "Nazi-News", jeden Tag, ohne Ausnahme WWII. Ausserdem faengt jeder Ami an zu masturbieren, wenn er nur an die Heldentaten seiner Nation gegen die Nazis denkt. Die wahren Umstaende des amerikanischen Kriegseintritts und dessen Zeitpunkt und die ueber 50 anderen Alliierten spielen da keine Rolle. Amerika, als eine Nation, die ihr Nationalgefuehl aus ihren Kriegen bezieht, braucht Feinde, sonst koennen die Amis ihr Nationalgefuehl nicht ausleben.
5. In anderen Staaten, zum Beispiel in der Tuerkei, wuerde eine historische Aufarbeitung die Regierung schwaechen, denn die Bevoelkerung fuehlt sich in ihrem Nationalstolz beleidigt, wenn man sie darauf anspricht. Die Tuerken verfallen ja gerade in so eine Art Nationalismus-Hysterie wegen der Geschichte mit den Armeniern. Sie haben sogar ein Museum errichtet fuer die tuerkischen Opfer der armenischen Aggressoren. Man stelle sich vor, wir wuerden ein Museum fuer die Deutschen Opfer der Juden errichten! Hier werden die Geschichte und die Menschenrechte mit Fuessen getreten. Das ist mir persoenlich ganz recht, weil sie das hoffentlich fuer die EU disqualifiziert, denn ich habe keinen Bock auf die Tuerkei in der EU! (Meine persoenliche Sicht, nicht nett aber ist halt so)
6. Noch ein Beispiel: Viele Israelis wuerden ohne Bedenken heute nach Deutschland reisen, aber ich habe ein paar getroffen, die wuerden nie nach Polen reisen, weil die (Zitat) "noch viel schlimmer waren". Viele Polen haben die Nazis nach Kraeften unterstuetzt und waren genauso antisemitisch wie die Nazis. Aber erzaehl das mal den Polen. Die gefallen sich in ihrer Opferrolle und werden darum nicht darueber reden. Genau so, wie sich die Amis und Briten wohl fuehlen in ihrer Befreierrolle.
7. Die Bilder: Es gibt bessere Bilder vom Holocaust als von den amerikanischen Sklaven. Das bringt das Ereignis den Menschen naeher und fuehrt ihnen die ganze barbarische Schlachterei vor Augen. Das wirkt viel besser, als wenn man es nur liest in einem Buch. Beispiel 9/11: an dem Tag sind mehr Leute an AIDS gestorben als durch Gewalt, aber von denen gab es nicht so spektakulaere Bilder. Gaebe es sie, wuerde man heute vielleicht ueber die wirklich wichtigen Fragen diskutieren, anstatt den Amis dabei zuzuschauen, wie sie sich in ihrer Terrorismushysterie um die Flagge versammeln und zusammen auf Kaperfahrt gehen ohne darueber nachzudenken, ob sie vielleicht etwas zu dieser Situation beigetragen haben (also ihre Vergangenheit bewaeltigen).
Einen weiteren Thread, der sich ausfuehrlich damit befasst findest Du hier.
colourize:
--- Zitat von: "Rose" ---Die USA waren eigentlich immer Siegermacht und da der Satz "Geschichte wird von Siegern geschrieben" sich leider doch immer wieder bewahrheitet.
--- Ende Zitat ---
Joh, so wie etwa der Somalia-Einsatz. Oder der Vietnamkrieg. Und in Afghanistan und im Irak sind die USA auch die eindeutigen Sieger, seit man den Krieg dort für beendet erklärt hat.
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