Schwarzes Hamburg > Politik und Gesellschaft
Abschied vom deutschen Wohlstand?
BaerndME:
Diesen Film gefunden und gesehen. Worum geht es?
- Deutsche können sich teilweise nicht mehr leisten, ihre Wohnungen zu heizen
- Deutsche müssen sich teilweise auf Sonderangebote beim Nahrungsmittelerwerb beschränken
- Wachstum klappt nicht mehr wegen der Energiepreise und des Fachkräftemangels
- Infrastruktur kann nicht mehr erhalten, geschweige denn ausgebaut werden
- Inflation droht, alles zu verschlimmern
- Die Ampel ist sich uneins, was man alles tun muss, um diese Krise zu bewältigen, z.b. blockiert die FDP eine gerechtere Vermögensverteilung
Es kommt auch das durch, was ich im Corona-Thread schon erwähnt habe. Es scheint, wir hätten ein paar goldene Jahrzehnte hinter uns und müssten nun akzeptieren, dass damit Schluss ist.
Energieunabhängigkeit, schnelle Hilfen für die Bürger, Sicherung der mittelständischen Industrie,... Plötzlich hat die Regierung viel zu viel zu tun, auch Suppe der CxU auszulöffeln, in viel zu kurzer Zeit. Sonst wird der Winter 2023/2024 der Horror für uns. Und sie kommen gar nicht schnell genug hinterher und sind nicht allmächtig.
Wo führt das hin?
Ich glaube nicht, dass wir _Angst_ haben müssen, aber wir werden uns öffnen müssen für neue Herausforderungen, die jede einzelne Person zu stämmen haben wird.
Jack_N:
Was ich nicht verstehen kann: Nach was jammern die Leute genau?
Ich hör immer wieder "früher war alles besser, früher war alles billiger".
Butter ist ja derzeit teuer geworden, Plätzchenbacken ist ja fast Luxus. Ich erinnere mich aber daran, dass in meiner Kindheit die Butter auch schon nicht wirklich günstig war.
Eier dasselbe, die sind heute gefühlt noch billiger zu haben als in den frühen 80ern.
Sprit ist inflationsbereinigt auch bereits n paarmal nahe an den Preisen gewesen, die wir derzeit haben.
Computer und Technik war noch nie so billig wie jetzt. In den 80ern hat man schnell 10.000DM für einen besser ausgestatteten Rechner zahlen müssen, und die Hälfte davon nochmal für die Software. MS Office kostete über 1000 bis über 2000DM (je nach Version) - jetzt knapp 100€ für ein sehr vollständiges Paket.
Jede Sache war irgendwann mal billig. In den 80ern haben mehr Leute Häuser gekauft/gebaut, aber nicht jeder hats gepackt. Viele Häuser in der Straße wo ich aufgewachsen bin haben kaum die Bauphase bis zur Pleite der Eigner überlebt - Kunststück bei 10% Zinsen damals.
Heutzutage sind die Häuser gefühlt teurer, haben aber nicht nur ab Werk eine viel bessere Dämmung und damit Energieeffizienz, sondern wenn man die günstigeren Zinsen mit einbezieht sind sie auch unterm Strich nicht so viel teurer geworden was die Zahlungen über die gesamte Laufzeit angeht. Regional gibts nur Hotspots, weil langsam das Bauland ausgeht, und jeder unbedingt was neues/modernes haben will statt mal Bestand zu renovieren / zu nutzen.
KFZ-Preise hatte ich vor ner Weile auch mal durchgetüdelt: Im Vergleich zum Durchschnittseinkommen ist der VW Golf noch heute als Basisversion quasi genauso teuer wie bei seiner Einführung.
Aber für dasselbe Geld bietet das heutige Auto natürlich viel, viel, viel mehr - da sind Sachen drin, von denen man damals nichtmal geträumt hat, und er ist viel geräumiger, ohne dabei mehr Sprit zu verbrauchen als die alten Vergasermotoren.
Aber: Im Vergleich zum Durchschnittseinkommen. Das Medianeinkommen ist was anderes, und da liegt der Knackpunkt - das hat sich in den letzten 30 Jahren dann doch deutlich verschoben, die Schwelle zum Mehrverdienst ist gewandert, auch durch das Wegfallen des "middle managements" in vielen Firmen. Flache Hierarchien bedeuten halt effektiv auch eine Personalkostensenkung, denn wenn es keine Zwischen-Leitungsposten mehr gibt, dann gibts auch keine Initiative Leuten in diesen Positionen mehr zu zahlen.
Jetzt sind wir allerdings wirklich an einem Punkt angekommen (der eigentlich für alle seit 10 Jahren hätte absehbar sein sollen), an dem die realen Kosten für eine große Masse ansteigen. Und da ist sich oft jeder selbst der Nächste, es wird nicht mehr auf die Zukunft geschaut, sondern es herrscht ein "ich,ich,ich"-Geschreie und Fingerzeigen.
Wir haben hier ja auch schon oft diskutiert wie die Zukunft aussehen kann, von nachhaltiger Energienutzung bis hin zu alternativen Nahrungsmitteln, deren Anbau ggf. weniger schädlich ist als die Tierzucht derzeit. Aber der typische deutsche Michel ist ja nicht bereit sich zu ändern, Bier, XXL-Schnitzel und Kartoffel werden hier ja wie Schild und Schwert vorweggetrieben um sich gegen alles Mögliche zu verteidigen (und ständig gibts nen neuen Feind-der-Woche, egal obs Corona-Maßnahmen, Klimaaktivisten, Flüchtlinge, Einwanderer, Banken, sonstwer ist - immer nen Sündenbock vorschieben auf den man alles Böse projizieren kann, um in der heilen kleinen Welt am offenen Kamin sich mit Feinstaub einzudecken und weiter fettes Essen zu verdrücken).
schwarze Katze:
ich denke, dass es einige harte Jahre von uns liegen, aber es wird nicht so dramatisch wie die Winter 46/47
Wir werden es überleben und das ist das wichtigste.
Und nach ein Paar Jahre wird es wieder vorwärts gehen, diese verdammte Krieg wird auch nicht ewig dauern.
Wir werden schon bessere Zeiten erleben und bis dann muss man eben durchhalten.
Für die glücksverwöhnte Generation wird natürlich schwierig, aber das Leben ist eben kein Ponyhof.
Und wird immer noch besser gehen als den Menschen in Moldau.
Ich denke, das Wichtigste ist, nicht in Panik zu geraten und daran glauben, dass es irgendwann besser geht.
Und vielleicht werden wir durch diese Erfahrung auch besser, menschlicher, tiefgründiger
Vielleicht werden für uns die tolle Klamotten und die supertolle durchtrainierte Body keine so große Rolle mehr spielen.
Wenn ich so die Kriegskindergeneration von meiner Mutter sehe ,waren sie viel stabilere und bodenständigere Menschen, mit viel realistischeren und gesünderem Einstellung zum Leben. Keine ihre Schulfreundinnen hatte "geritzt" (ich musste die aufklären, was das ist und sie fragte mich dann: "Wozu machen sie das?"), keine spätere Kommilitonen von meiner Eltern (alle Baujahr 36-38, also Kriegsgeneration) wurden Rauschgiftabhängig, Magersüchtig oder Bulimisch.
Von meiner wohlstandverwöhnter Generation kann ich das nicht behaupten.
Ich bewundere die seelische Robustheit meiner Eltern und das ist in deren Fall keine Verdrängung, sondern echt
Aber vielleicht sehe ich das so, weil ich schon einmal alles verlor:
um meinen Bruder von Militär zu retten sind wir aus ehem. UdSSR ausgewandert und landeten aus einer 4,5 - Zimmer-Wohnung in moskauer Innenstadt in einen Aussiedlerheim in Hagen-Westphalen. Also bin ich mit Armut per du und solange es sich nur um Armut handelt und nicht um Elend, kann man das überleben.
Natürlich wird es für die normalen Menschen in Deutschland hart, gerade weil man Jahrzehntelang die Kinder über Maß verwöhnte, jetzt wird es für frühere Helikopter-Kinder echt brenzlich, sie sind wir kleine überzüchtete Chihuahua, die sich plötzlich auf die Straße behaupten müssen. 20 Jahre darauf vorbereitet, dass das Leben wunderschön ist und du in dem besten Welt lebst und jetzt plötzlich auf den Boden zu klatschen ist brutal.
Aber so ist die Realität, Party ist vorbei.. für die erste.
Wie gesagt, ich glaube nicht, dass es für immer ist (vorausgesetzt, es gibt kein Atomkrieg).
Und ich hoffe sehr, dass die Menschen vernünftig genug sind und keine Rechtspopulisten wählen, weil damit geht es nur am Anfang ein bißchen besser, am Ende aber um einiges beschiessener
Vielleicht wäre es sinnvoll sich daran zu erinnern, dass gerade in die schlechte Zeiten man in einer Gruppe leichter überlebt, sei es eine Großfamilie oder eine Groß-WG mit Gleichgesinnten. Erstens spart man Geld und zweitens fühlt man sich nicht so einsam, gerade wenn die andere Freizeitgestaltungsmöglichkeiten mangels Geld weg fallen.
P.S.
Was mir Sorgen macht, sind die zwei Sachen
a) Umwelt
b) Alterspyramide
Wir haben viel mehr alte Menschen als junge und leider peilen die oben immer noch nicht, dass jeder Kind, egal aus welcher Schicht ,die beste Förderung bekommen soll, damit er nicht unter seinen geistigen Potential bleibt. Hilfsarbeiter haben wir viel zu genüge (und zu Not kann man noch welche holen), Fachkräfte sind aber sehr rarer Gut. Und wir können keine Fachkräfte klonen, wir müssen schon welche ausbilden.
Sonst haben wir nach ein Paar Jahre, wenn der Spuck vorbei ist, keine Spezialisten für Aufschwung.
Jack_N:
Wahre Worte. Vielleicht bin ich aber da auch einfach anders aufgewachsen, auch wenns mir selbst nie irgendwie schlecht ging, so lang das primär doch daran dass meine Eltern alles getan haben, damit eben alles für die Kinder möglichst tutti war.
Ja, in einem eigenen Haus zu wohnen war eine privilegierte Geschichte, auch damals. Was haben wir als Familie dafür an Opfern gebracht?
Keine Urlaube im Ausland, außer bei Familie wo wir kostenlos unterkommen konnten. Autos waren ewige Zeit nur die abgelegten Fahrzeuge der Verwandschaft, die dort zu alt waren oder zu klein oder beides. Später Gebrauchtwagen, und Re-Importe. Den einzigen Neuwagen, den meine Eltern je gekauft haben, fahren sie noch heute - 23 Jahre später.
In den ersten Jahren nach dem Hausbau wurde Obst und Gemüse im eigenen Garten angebaut - um Geld zu sparen. Das war ein ernsthafter Faktor. Kleidungstechnisch habe ich quasi bis zum Ende der Grundschulzeit Klamotten meiner älteren Cousins aufgetragen. Viel war geflickt, genäht, aufgearbeitet. Egal, war warm und robust - für mich als Kind nie ein Problem.
Mit Technik bin ich zwar früh in Kontakt gekommen, aber primär durch spendable Verwandschaft. Mein erster Rechner wurde tatsächlich als Bausatz von Völkner bestellt und von meinem Vater zusammengesetzt (VC20, falls einem die Kiste noch was sagt). War Resterampenkram, aber für mich unglaublich spannend.
Spielzeug bestand aus alten Sahne-CO2-kapseln, Eisstäbchen, kleinen Plastiklupen, Haarklammern und was weiss ich - alles in einem "Agentenkoffer" (ein Plastik-Sortimentskasten zum Aufklappen), und damit wurde die Umgebung unsicher gemacht. Pfeil und Bogen waren selbstgebaut. Brettspiele waren strategisch auf die Familien verteilt - bei einem wurde Risiko gespielt, beim anderen Spiel des Lebens oder Spiel des Wissens, der nächste hatte das Börsenspiel oder Shogun usw... so traf man sich überall mal, je nachdem worauf man Bock hatte.
Es gab niemanden in der Umgebung, der quasi "alles" hatte. Wenn ich so aber drüber nachdenke habe ich das Gefühl, als ob das Zustände waren, die man heute Kindern nicht mehr zumuten dürfte, ohne als "Rabeneltern" abgestempelt zu werden. Zum Glück sind wir noch nicht so weit wie in Texas, wo Eltern das Sorgerecht entzogen bekommen, wenn sie die Kinder alleine zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule schicken (Kindeswohlgefährdung!).
Was die seelische Robustheit der vorherigen Generationen aber angeht, so fürchte ich ist dort viel mehr unter den Teppich gekehrt worden und mit anderen Begriffen verklärt worden. Die Personen, die mental nicht so stabil waren, wurden in der Gesellschaft oft derart geächtet, dass sie nach außen hin sich immer weiter abgekapselt haben. Und oft waren das dann die Leute, vor denen man im Dorf gewarnt wurde, die die weiter draußen wohnen mussten und "etwas anders" waren. Teils geduldet wegen ihres handwerklichen Geschicks oder Wissen, aber halt trotzdem Außenseiter.
Wie viel ich erst nach Jahrzehnten über Familienangehörige gehört hab lässt mich da nur immer wieder den Kopf schütteln.
schwarze Katze:
@Jack_N
Weißt du, obwohl diese Zeit in Aussiedler-Heim, zu viert in einer 1,5 -Zimmer Wohnung, mit Sozialhilfe und in absoluter Unterschicht hat unsere Familie wieder eng zusammen gebracht.
Letzte Jahr in Moskau habe ich ziemlich übertrieben und alles ausprobiert, was ich in die Finger kriegen könnte. Bin dann hackedicht irgendwann nach 24 Uhr nach Hause geschlichen und in meine Zimmer verschwunden. Mein Bruder auch, er war aber junger und hatte noch nicht so viele Kontakte in gewissen Kreisen, bei mir war es aber einige Zeit brenzlich. Meine Eltern bekamen das nicht mit, doch nicht ihre brave Tochter, die Klavier spielt.
Und dann saßen wir plötzlich alle zusammen auf einem engsten Raum ohne Fluchtmöglichkeiten, spielten Abends Karten oder Gesellschaftsspiele oder quckten zusammen Fern und versuchten, Deutsch zu verstehen.
Später wurde es natürlich besser, wir zogen in eine schöne Wohnung, aber komischerweise ging dann auch der Zusammenhalt flöten, mein Bruder zog schnell aus, danach auch ich.
Ich denke, dass viele Menschen nicht verstehen, dass wir in Wirklichkeit jetzt in ganz extremen Kalten Krieg sind und jeder Tag, an denen dieser Krieg kalt bleibt, ein Glückstag ist.
Die Leute jammern, fliegen aber in Urlaub nach Antalya und gehen zu Kosmetikerin. Armut ist was anderes
--- Zitat von: Jack_N am 13 Dezember 2022, 17:05:44 ---
Was die seelische Robustheit der vorherigen Generationen aber angeht, so fürchte ich ist dort viel mehr unter den Teppich gekehrt worden und mit anderen Begriffen verklärt worden. Die Personen, die mental nicht so stabil waren, wurden in der Gesellschaft oft derart geächtet, dass sie nach außen hin sich immer weiter abgekapselt haben. Und oft waren das dann die Leute, vor denen man im Dorf gewarnt wurde, die die weiter draußen wohnen mussten und "etwas anders" waren. Teils geduldet wegen ihres handwerklichen Geschicks oder Wissen, aber halt trotzdem Außenseiter.
Wie viel ich erst nach Jahrzehnten über Familienangehörige gehört hab lässt mich da nur immer wieder den Kopf schütteln.
--- Ende Zitat ---
Kann sein.
Aber leben wir jetzt nicht eine andere extreme?
Wenn jemand kein "Schaden" hat, gilt man fast schon wie ein "Proll" in einigen Kreisen? Irgendwelche Phobie oder sonst was muss man haben, damit man nicht als einfältige Person akzeptiert wird. Ich merke auf jeden Fall, dass ich viele weniger mit meiner Psyche jetzt zutun habe, seitdem ich in Kampf-Modus bin. Mir tut nur die verlorene Zeit leid, die ich bei Therapeuten verbrachte anstatt in Fitness-Club oder am Strand.
Und was meine Mutter betrifft, weiß ich, dass sie wirklich sehr stark ist. Ich habe es gesehen, als mein Vater an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte und nach 3 Wochen starb. Ich wäre an ihrer Stelle danach echt in Ochsenzoll
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