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(Bar) Geld überflüssig oder notwendig ?

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käx:
na dann eröffne ich dochmal den thread.

im allseits beliebten coronathread kam am rande eine nebendiskussion über
bargeld auf.
hintergrund: das europäische parlament hat eine bargeldobergrenze von 10.000 angeregt.
https://www.chip.de/news/EU-Staaten-einigen-sich-auf-neue-Regelung-Bargeldobergrenze-kommt-wohl-auch-in-Deutschland_184565573.html

deutschland, in person von herrn lindner, sprache sich gegen eine obergrenze
aus, machte aber zugleich werbung für einen e-euro.

ich teile die sorge über die immer wieder befürchtete bargeldabschaffung.
erst sind es 10.000 im nächsten schritt 5000 und irgendwann ist vllt nur noch alles digital.

ich habe per se nichts gegen elektronische bezahlung einzuwenden, wer seinen puffbesuch oder seinen dealer mit ec bezahlen will, bitte.
wer aufm flohmarkt lieber mit paypal bezahlt, von mir aus.

ich selbst bin aber ein absoluter bargeldfreund und möchte mir diese freiheit
auch erhalten.
grade stichwort flohmarkt:
der stolz im gesicht meines sohnes, als er mit seinen ersten münzen seinen ersten kauf machte. ein wunderbrarer entwicklungsschritt, der ihn mit mut und selbstvertrauen ausgestattet hat, dass er das alles selber kann und sich das selber zutraut.
(das mit dem handy und diese art von bezahlung, ja, das wird er sicher auch irgendwann noch kennenlernen).

aber auch jemandem auf der strasse geld zu schenken, ohne dass dies an irgendwelche bedingungen geknüpft ist ("ich bestimme jetzt, dass DU dir einen kaffe zu kaufen hast") geht ohne bargeld schlecht und sollte das irgendwann mal anders sein, würde meine 5€ spende wahrscheinlich gleich von der grundsicherung wieder abgezogen werden.

hier ist auch mein grundunbehagen bezüglich bargeldloser bezahlung:

sovieles läuft mehr und mehr heute digital, ob es unsere kundendaten und unser einkaufsverhalten ist, unsere steuererklärung, unsere patientendaten (...) jeder vorgang für sich gesehen ist mit sicherheit für irgendjemand sinnvoll, gebündelt in der hand einer schlechten regierung aber der horror.

wie playing the angel im anderen thread schon sagte:
bargeld ist freiheit und unabhängigkeit zugleich.

keine abhängigkeit von einem funktionierenden ec system, keine abhängigkeit
von irgendwelchen handyakkulaufzeiten (...) , einfach los und wenn man was braucht kauft man es halt einfach.

gibt noch viel mehr zu sagen, aber jetzt erstmal gerne ihr  :)

Jack_N:
Naja, wenn ich Unabhängigkeit von einem System will, dann tausche ich.
Bargeld, bzw. Geld überhaupt, ist ja nur ein eigentlich unnötiger Schritt in einem Tauschsystem, in dem eine dritte Kraft für uns unbeeinflussbar den Wert des Zwischen-Tauschmittels festlegt.

Wenn ich etwas erwerbe, dann tausche ich meine Arbeitskraft gegen ein Objekt oder eine Dienstleistung ein. Das geht in gewissem Maße auch direkt, auch wenn das ja auch unter Strafe gestellt werden soll, oder unter Strafe steht (Grenzen von dem, was als Nachbarschaftshilfe anerkannt wird). Grund ist ja auch hier, dass diese Transaktionen ja nicht besteuert werden können.

Das ist halt auch der Punkt, warum Bargeld hier für einige Gesellen ein wunder Punkt ist, aber durchaus dessen Abschaffung an einigen Stellen für Abhilfe bei Problemen sorgen kann.
Der Flohmarkt ist hier ein gutes Beispiel: Niemand kommt auf die Idee wenn Du einen Flohmarktstand eröffnest, oder Kinder das bei einem Straßenflohmarkt tun, die Einnahmen des Verkaufes noch versteuern zu wollen.
Außer, Du erwirbst eben Ware um sie mit Gewinn auf einem Flohmarkt zu verschachern, oder aber Du stellst Ware explizit für diesen Zweck erst her. Auch da gibts dann gewisse Kleinverdienst-Regelungen usw..., und es kommt auch auf die Frequenz an. Aber wenn ich mir anschaue, was für Leute teilweise auf Flohmärkten aufbauen die "nur für Privatanbieter" gedacht sind, und wie professionell das Ganze mit mehreren Verkaufswagen, Tischen, sortierten Kisten, Preisschildern usw... ausstaffiert ist - das ist definitiv mit Gewinnabsicht, besonders wenn man sich dann die Preise teils anguckt, die 1zu1 den aktuellen Internet-Auktionspreisen für die Ware entsprechen.

Und wenn da dann nicht nur an einem Tag größere Mengen an Kleinbeträgen auf einem digitalen Konto einprasseln, sondern an vielen Tagen im Jahr, weil diese Personen auf vielen Märkten aufbauen, und kein Gewerbe angemeldet ist - dann gibt das eine neue Möglichkeit da mal draufzutappen und die Flohmärkte wieder für echte Privatanbieter interessanter zu machen (die teilweise wegen dieser pseudo-gewerblichen gar keine Standflächen mehr bekommen).

Teils werden bei digitaler Zahlung Privatsphäreneinbrüche bemängelt. Tatsächlich können diverse geldverarbeitende Institute schon heute unsere Kontodaten einsehen, auch wenn wir dort gar kein Konto haben, aber z.B. über irgendwelche Zahlungen eine berechtigte Anfrage möglich ist. "Einfach so" geht aber im Finanzbereich bei uns nix. Und auch inhaltlich wird man da nix sehen. Es muss also keiner Panik haben, dass die Bank jetzt weiss, dass man Viagra in der Apotheke gekauft hat - da steht nur "Einkauf Einhorn-Apotheke" auf der Kartenabrechnung, nicht wofür das Geld ausgegeben wurde.
Und es gibt so viele Fälle wo Leute Blödsinn in das Betreffsfeld reinschreiben - wenn das jedesmal direkt den Staatsschutz triggern würde, dann wären viel mehr Leute im Knast oder auf Beobachtungslisten. So viele besoffene Studenten, die die vom Kumpel übernommene Kneipenrechnung ihm mit "Sexuelle Gefälligkeiten" oder "1KG C4, Haltbarkeitsdatum abgelaufen" bezahlen, da wär sonst schon der Teufel los.

Übrigens ist es auch jetzt schon nicht mehr möglich gewisse Summen in Bar zu bezahlen. Du kannst z.B. auch nicht mehr Summen oberhalb einer gewissen Größe einzahlen ohne nen eindeutigen Herkunftsnachweis des Geldes. Sowas wie ein Gebrauchtwagenkauf in Bar ist - außer für totale Rostlauben - nicht mehr möglich (außer der Empfänger hat nicht vor das Geld auf sein Konto zu transferieren).

Ich sehe nur beim besten Willen die Probleme für Privatleute nicht. Vor allem jammern dann diejenigen Leute dass sie ihr Bargeld behalten wollen, die aber im Supermarkt mit Karte zahlen und dabei ihren Pfandbon einscannen und die Payback-Punkte mitnehmen. Mal auf nen Pfandbon bei Rewe geguckt? In einigen Märkten steht exakt drauf was Du eingeworfen hast, das wird bei einer Kartenzahlung und/oder Payback-Punkte-Mitnahme verknüpft um Deiner anonymisierten User-ID, die alles verbindet, z.B. auf dem Bon passende Werbung oder Gutscheine für Produkte, die Du vermutlich wieder kaufen möchtest, auszudrucken.
Die Märkte nutzen das auch, um festzustellen, welche Sachen in welcher Region gekauft werden, und passen ihr Sortiment entsprechend an. Wird z.B. oft ein bestimmtes Getränkt zurückgegeben, das nicht im eigenen Sortiment ist, dann wird das mit aufgenommen.

Theoretisch ließe sich das Ganze runterbrechen auf den einzelnen Einkäufer und seine Karteneinkäufe - praktisch macht das aber keiner, weils keinen Mehrwert für das Ganze ( = die Supermarktkette, Payback, usw...) bringt und nur Kosten verursacht.

Und wie gesagt, gerade die Bargeld-Fraktion gehört meinen Erfahrungen nach zu den eifrigsten Punktesammlern, wobei diese Sammeldienste am ehesten noch Daten über das Kaufverhalten zusammenklauben und so nutzerbasierte Profile erstellen könnten oder es sogar tun. Das wird dann aber ignoriert, weil wer die Punkte liegenlässt ist ja schön blöd, das ist ja wie bares Geld wegschmeissen.


Motto von der ganzen Geschichte: Mir ist nicht bewusst welche spürbaren Nachteile ich in meinem Alltag habe, wenn Bargeld verschwindet.
Ich sehe bislang nur Vorteile: Ich habe online einen besseren überblick über meine tatsächlich vorhandenen Finanzen, es ist wesentlich hygienischer (Bargeld ist eine der größten Keimschleudern überhaupt der wir ausgesetzt sind, weisst ja nie was die Person vor Dir mit dem Schein gemacht hat), und mir fällt nix ein, wofür ich es noch benötigen würde. Jede vernünftige Kneipe, die nicht im vorherigen Jahrhundert stecken geblieben ist, ermöglicht es z.B. auch bargeldlos Trinkgeld zu geben. Hab dafür schon Terminals für kontaktloses Zahlen am Tresen gesehen, super Sache.


Und wer jetzt weiter jammert, dass er dem Staat ja nicht das Geld in den Rachen stopfen will und lieber schwarz ackern / Schwarzarbeit beziehen will:
Ohne Steuern keine Polizei, keine Feuerwehr, keine Lehrer, keine Straßeninstandhaltung, kein ÖPNV, keine Bahn, keine Wasserversorgung, überhaupt keine Infrastruktur für vieles, keine Gerichte, keine Verwaltung, keine Unterstützung bei Arbeitslosigkeit... die Liste kannst beliebig fortführen. Ja, all das ist nicht perfekt, aber zwischen "nicht perfekt" und "nicht vorhanden" klafft ne gewaltige Lücke.

Bargeld ist 1900. Wir haben 2022 (bald 23).


(achja, und ohne Bargeld und Akzeptanz desselben werden Sachen wie der Fall Kaili im EU-Parlament auch schwieriger ^^ )

PlayingTheAngel:
Subjektiv nach Bauchgefühl spricht für mich pro Bargeld:
- Bargeld ist die Jokerkarte, kann in alles andere konvertiert werden.
- Einmal in meinem Besitz kann ich auch darüber verfügen. Es verfällt nicht, kann nicht deaktiviert werden, eingezogen usw. (ich meine Digital)
- Es ermöglicht eine direkte Mensch zu Mensch möglichmach-Interaktion ohne dass diese in undurchsichtigen Datenbanken getrackt wird.
- Es ist der Rettungsring der in Notsituationen vor dem Ertrinken bewahrt, das Überleben sichert.
- Es funktioniert ohne Strom und Infrastruktur, ist daher extrem generisch!
- Kleine Gefälligkeitsarbeiten halten die Gesellschaft zusammen, ohne geht es schlicht nicht! Oma Lieschen kann sich keinen Maler-Meisterbetrieb für 2500€ leisten wenn das Esszimmer mal neu gestrichen werden soll. Kann man natürlich kritisieren.

Alles aus meiner Endverbraucher (und ein bisschen Prepper im herzen) Perspektive.

FÜR eine Regulierung bin ich bei großen, undurchsichtigen Geschäften, z.B. Immobilienkäufen. Wie sich gezeigt hat, wird einfach unfassbar viel Geld gewaschen. Die Schnittstellen zwischen Bargeld und im regulierten System kreisender Kohle müssen überwacht werden. Mir fällt kein Grund ein, weshalb Jemand eine Immobilie mit 800.000€ aus dem Köfferchen bezahlen sollte ohne sich wenigstens dafür zu erklären...

Gerade bei Immobilien würde ich persönlich sowieso viel stärker regulieren. Ich würde beispielsweise Ausländischen Investoren nicht unbegrenzt erlauben, in Deutschland Grund und Boden zu erwerben. Und wenn, dann nur für eine gewisse Zeitspanne. Dass Wohnraum in Deutschland mittlerweile zum weltweiten Spekulationsobjekt geworden ist und in Berlin ganze Wohnblöcke irgendwelchen chinesischen Investoren gehören, halte ich für ein Unding. Aber das ist off-topic.

Alte Pizza:
 Ich mag Bargeld, genau so wie Schallplatten, Kassetten, Bücher und Briefe/Postkarten schreiben und bekommen.

Jack_N:
PTA, ich versuch grad Deine Punkte zu verstehen, tu mich aber bei einigen schwer. Kannst das noch etwas anders vielleicht ausführen?

Bargeld kann in alles andere konvertiert werden - in was alles andere? In was kann ich Bargeld konvertieren, in das ich nicht auch jedwedes andere Geld konvertieren kann? Wenn ich eine Blitzüberweisung über mein Handy mache ist das Geld binnen einer Minute auf Deinem Konto und Du kannst es ebenso online einsehen - wozu brauche ich da das Bargeld?
Bargeld kann "deaktiviert" werden, indem die Währung von staatlicher Seite entwertet wird. Hat einige Leute getroffen die sich nicht von ihrer D-Mark trennen wollten und damit nicht mehr einkaufen konnten als der Euro kam, hat Leute getroffen die Geldscheine gehortet haben, die nicht mehr als Zahlungsmittel erlaubt waren (einige Länder geben periodisch neue Scheine aus Gründen der Fälschungssicherheit aus, und die alten sind nur eine Übergangsfrist lang gültig - die Niederlande haben da ne Historie, ich mein Australien auch).
Die direkte Mensch-zu-Mensch-Interaktion habe ich so doch auch? Ob ich einen Schein rüberreiche, oder fix eine Paypal-Zahlung oder Sofortüberweisung rüberdrücke, oder via Kwitt was zahle (oder im Schwedischen mit Swish) ist doch latte für die Interaktion zwischen den Individuen? Ich weiss auch nicht von was für undurchsichtigen Datenbanken Du redest - das mag aber daran liegen, dass ich im Bankenumfeld arbeite, und daher einige Dinge nicht so seltsam oder undurchsichtig finde (sondern im Gegenteil maximal logisch und transparent was die Vorgehensweise angeht, aber gleichzeitig vor Blicken Unbefugter geschützt durch gefühlt mehr Regulatorik als sogar die Daten der Medizinbranche).

Aus oben genannten Gründen (Entwertung einer Währung) sehe ich Bargeld auch nicht als Rettungsring an. Ein Rettungsring wäre ein physischer Gegenwert, der vollkommen von jeglicher Währung losgelöst ist. Alles andere kann und wird/wurde schonmal entwertet (werden).

Wenn die Infrastruktur zusammenbricht, die uns den Banken-Zahlungsverkehr ermöglicht, dann wirst Du auch nicht mehr mit Bargeld irgendwas kaufen, sondern mit Kronkorken oder irgendeiner anderen postapokalyptischen Ersatzwährung.

Und was die kleinen Gefälligkeitsarbeiten angeht: Oma Lieschen muss da sicherlich keine Probleme haben, wenn es einfach nur nette Nachbarn gibt - die helfen bei sowas auch mal für nen Apfelkuchen mit Kaffee. Probleme gibts da sicherlich eher in der Stadt wo eh alles etwas anonymer ist - auch da sehe ich es aber eher so, dass unehrlichen Läden, die alles ohne Rechnung machen wollen, ein Riegel vorgeschoben wird.
Davon ab kannst Du immer Überweisungen von privat zu privat machen, und musst da ja keinen Grund auf der Überweisung angeben. Und ganz ehrlich - da kräht kein Hahn nach wenn das nicht ständig passiert. Wenn jemand nur schwarz arbeitet und im Monat tausende von Euro aufs Konto prasseln - klar, dann wird irgendwer vermutlich hellhörig. Aber wäre das denn schlimm? Zerstören solche Leute nicht die Lebensgrundlage von Handwerksbetrieben, die ihre Steuern und Abgaben rechtschaffen zahlen und so in Sozialkasse, Rentenkasse, und in das Steuersäckel einzahlen?

Sorry, aber wie gesagt, da bin ich etwas empfindlich wenn ich immer wieder mitbekomme dass Leute Leistungen aus eben diesen Bereichen einfordern, aber dann gleichzeitig alles am Fiskus vorbei machen wollen.

Bei den Immobilien bin ich bei Dir. Kann irgendwie nicht sein dass man als Privatmann beim Immobilienkauf die Hosen runterlassen muss und durchleuchtet wird bis zum Gehtnichtmehr, und irgendwoanders läuft alles an allem dran vorbei. Das ist aber insofern ja schon vorbei, als das seit dem 9. August 2021 alle Bargeldsummen größer als 10.000 Euro bei Einzahlung auf ein Bankkonto von einem Herkunftsnachweis begleitet werden müssen - das fordert das Geldwäschegesetz. Gilt auch für Geldbeträge, die kleiner sind, aber in Summe diese Gesamtsumme überschreiten - also ein Aufsplitten hilft hier nichts, wenn die Einzahlungen in kürzeren Abständen erfolgen.
Als Quellbelege gelten hier z.B. Sparbücher, Auszahlungsbelege anderer Banken etc, Belege/Verträge über einen Verkauf von Wertsachen oder größeren Gegenständen (KFZ). Schenkungen müssen urkundlich beglaubigt werden, bei Erbschaften gibts ja ohnehin entsprechende Dokumente.

Es ist übrigens nicht so, dass das Geld konfisziert wird wenn man keinen Plausibilitätsnachweis erbringen kann - die Bank darf das Geld dann aber schlichtweg nicht annehmen.


Davon mal ab: Für die gesamten Banktransaktionen gilt dasselbe wie für die Emails aller Bürger: Alleine der Aufwand das alles zu filtern, und irgendwie durchzuwühlen wäre derart groß, dass niemand das komplett für alle Bürger umsetzen könnte. Die Rechenkapazitäten und den Speicherplatz dafür hat niemand "einfach mal so" zur Verfügung, erst Recht keine Behörde.

Und wenn jemand sich Sorge macht, dass er bei der Nutzung von digitalen Geldern unter Terrorverdacht gestellt wird - na da würde ich mir dann erstmal Gedanken ums eigene Kaufverhalten machen ^^

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