Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?  (Gelesen 6170 mal)

colourize

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Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« am: 25 März 2021, 12:45:39 »

Mit dem Aufstieg von Facebook kam das große Forensterben, doch Facebook hat sich unübersehbar überlebt. Wie ein anderer früherer Schwarzes Hamburg User in einem Facebook-Posting bemerkte, posten dort immer weniger Menschen aus seiner "Freundesliste" etwas. In einem Facebook-Posting stellte er kürzlich die Fragen "Ist social media in unseren Dunstkreisen tot? Oder sind viele auf andere Plattformen ausgewichen?"

Da ich auch seit Jahren auf FB eine insgesamt rückläufige Aktivität beobachte, habe ich auf sein Posting dort geantwortet und möchte meine Antwort gerne hier im Forum zur Diskussion stellen.

Zitat
Für spannende, kontroverse Diskussionen ist FB nur begrenzt geeignet. Das liegt an der Struktur von "Freundeslisten" sowie der "Timeline":

*Entweder* man eröffnet eine Diskussion in der eigenen Timeline. Dann diskutiert man mit der eigenen Filterbubble, wo oft wenig befruchtender Disput zu erwarten ist. Diejenigen, die sich da zu Wort melden, sind ja von einem selbst als "Freunde" ausgewählt worden. Aufgrund von Homophilie haben die halt i.d.R. recht ähnliche Werte, inhalteliche Positionen und Backgrounds. Klar, das trifft nicht auf alle "Facebook-Freunde" zu, aber wenn zu einem in der eigenen Timeline diskutierten Thema erstmal drei, vier Leute mit ähnlichen Positionen gute Beiträge geliefert haben, wird es für einen Einzelnen mit abweichender Meinung ja tendenziell schwerer bzw. unangenehmer, dagegenzuhalten. Folge: advanced Bubble-Bildung. Wer eine abweichende Sicht auf die Dinge hat, schweigt eher. Und kappt ggf. irgendwann, wenn es zu nervig wird, die Freundschaft. In Folge dessen sind dann irgendwann - um das mit einem Beispiel zu unterlegen ?? - in der eigenen FB-Freundesliste dann z.B. die Veganer derart überrepräsentiert, dass eine angestoßene Diskussion um das Thema Fleischkonsum ins Leere laufen dürfte: die wenigen noch in der Freundesliste verbliebenen Fleischesser werden sich zu diesem Thema dann nicht mehr zu Wort melden, weil sie in der klaren Minderheit sind (und zudem auch von einem ethisch schwierigeren Ausgangspunkt her argumentieren müssten). Folge: Schweigen im Facebook-Walde.

*Oder* - wenn man den Bubble-Effekt vermeiden will - man diskutiert in öffentlichen Bereichen, z.B. in Kommentarspalten von öffentlichen Medienangeboten. Jeder, der das schon mal ausprobiert hat, wird die Erfahrung gemacht haben, dass das frustrierend, nervig und müßig ist. Man setzt sich dem Kreuzfeuer von AfD-Trollen, Bots und ad-hominem-Schwachmaten aus und bekommt für seine Mühen, ein Argument zu führen genau GARNICHTS. Außer natürlich einen Kübel Mist in die eigene Timeline. Da die eigenen Facebook-Freunde aber die öffentlichen Kommentare, die man selbst abgegeben hat (sowie die Antworten der Trolle, Bots und Ad-Hominem-Schwachmaten) leider auch ausgespielt bekommen, ist man tendenziell gefordert, dann wieder auf Postings von Idioten zu reagieren. Das ist lästig und frustrierend.

Hier liegt m.E. auch der zentrale Unterschied zu Foren. Neben schon genannten Usability-Faktoren, wie dem Umstand, dass durch das Timeline-Konzept ein eine Woche alter Diskussionsstrang quasi nicht mehr aufzufinden ist, ist der wichtigste Unterschied zu Diskussionsforen das Verhälntnis von Öffentlichkeit (jeder kann rumtrollen) zu Privatheit (nur diejenigen aus der eigenen Freundesliste, die einem selbst ähnlich sind, reagieren - meist irgendwie zustimmend). In Foren kann ich mit Leuten diskutieren, ohne mit denen "befreundet" sein zu müssen. Das wirkt dem Bubble-Effekt, der social media langweilig macht, zumindest entgegen.

Das "Schwarze Hamburg" Forum gibt es übrigens immer noch. Klar, auch dort gibt es ein paar Trolls, aber "Nightnurse" hält den angestaubten Laden einigermaßen clean. Vielleicht wäre es Zeit für eine Renaissance der Forenkultur. Empfehlen würde ich aber in jedem Fall - krass ausgedrückt - das Vermeiden von "Inzest-Foren" (d.h. nur Freunde ins Diskussionsforum nehmen bedeutet auch, immer nur im eigenen Saft zu schwimmen; das "Schwarze Humbug"(1) war daher auch nie wirklich voll mein Ding, auch wenn ich da angemeldet war. Es war eine Bubble mit Ansage).

tl;rd - FB eignet sich nicht (mehr?) für interessante Diskussionen, sondern nur für Belanglosigkeiten und einem eher oberflächlichen "stay in contact" wie Fotos von Ausflügen, Teilen von lustigen Memes und süßen Tierbildern.
(1) Hierbei handelte es sich um eine "Gegengründung", da einigen Usern der Diskussionsstil im "Schwarzen Hamburg" Forum seinerzeit zu rau war.

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Jack_N

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #1 am: 25 März 2021, 15:30:49 »

Der Trend hat sich auf andere Plattformen verschoben, zumindest was die jüngeren Nutzer angeht.
Neben Reddit, welches aber durch stärkere Moderation für viele wieder uninteressant wurde, ist derzeit Discord die Plattform der Wahl da kostenlos (Nitro ist für nichts wirklich notwendig), mit einem qualitativ und technisch sehr guten und administrierbaren Voicechat ausgestattet (auch für Online-Streamer interessant, so kann man hier z.B. Channels aufmachen, in die nur gewünschte Redepartner hineinkommen ähnlich einem moderierten Teamspeak-Server), und zu guter Letzt aufgebaut wie ein Forum, aber mit der Möglichkeit der Direktnachrichten.
Viel mehr, es ist eine Mischung aus Forum und Facebook-Gruppen, denn man kann im Client seitlich die Discords, denen man beigetreten ist, auflisten, zwischen ihnen und ihren Unterpunkten lustig hin- und herspringen, einzelne Diskussionen anpinnen, wird über neue Nachrichten gezielt benachrichtigt (wenn man mag) etc...

Derzeit leider auch bei Leuten mit unschönen Absichten beliebt, da unmoderiert - jeder Discord für sich ist eine geschlossene Community, auch teilweise mit Screening beim Zugang durch die jeweiligen Mods/Admins, was natürlich auch Gruppen mit zwielichtigem Inhalt ermöglicht.

Hier ändert sich aber auch bald etwas. Microsoft hat gerade 10 Milliarden Dollar für Discord geboten, um es in sein Xbox-Ökosystem zu integrieren (welches mittlerweile als Plattform ja auf jeder Art von Geräten verfügbar ist - Mobiltelefone, PCs und (Xbox-)Konsolen ). Ein logischer Schritt, aber auch einer, der dafür sorgt, dass Discord als Plattform einer gewissen (automatischen) Moderation unterworfen werden und gewisse Inhalte verbieten muss anstatt wegzusehen.


Ein Forensterben per se sehe ich übrigens nicht. Es gibt Foren, in denen ich über die Hälfte meines Lebens aktiv bin. Da sind aus ehemaligen Schülern und Studenten mittlerweile eigenständige erwachsene Persönlichkeiten geworden, vom Hippie aus Überzeugung, der im Wohn-Bus lebt bis hin zum High-Society-Yachtkapitän in der Südsee, Piloten und Ingenieure genauso wie Bäcker und Elektriker. Die Community ist sehr gemischt, aber gemeinsam gealtert, was es für Außenstehende teils etwas schwierig macht einen Zugang zu finden - der Ton ist eben etwas rauher. Dennoch finde ich es gut, dass (fast) niemand in der Zeit stehen geblieben ist, und man z.B. bei der Wahl seiner Begriffe und Äußerungen auch mit der Zeit geht und akzeptiert, dass man einige Wortwahlen heute beispielsweise in einem anderen Licht siehr als... eben vor 20-30 Jahren. Das war immer in der Welt so, und wird immer so sein.

Aber ja, FB nimmt ab. Ich bin dort primär noch unterwegs, weil es zu einigen Fachthemen weltweite Spezialcommunitys gibt, die sich dorthin verlagert haben. Leider möchte man sagen, denn dadurch werden auch dieselben Fragen immer und immer wieder gestellt, da das Anpinnen von Beiträgen nur unzureichend funktioniert.
Andere Communitys sind hingegen gestorben - es gab in einem Forum, nachdem immer mehr in FB gepostet wurde und es in einem Fall sogar einen Veranstaltungstermin betraf, ein Voting ob man ganz zu FB wechselt und das Forum nur noch als "Wissensdatenbank" bestehen lässt. Es wurde dafür gestimmt - jetzt, ein paar Jahre später, ist die FB-Gruppe tot, die Leute die im Internet suchen finden nur noch das mittlerweile verwaiste Forum - die Community hat sich zerlaufen. Schade.
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BaerndME

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #2 am: 25 März 2021, 17:36:08 »

Total geiles Thema.
Auch von Usern des schwarzen Berlin kam vor ein paar Tagen die Anregung, das dortige Forum doch mal wieder zu bevölkern.
Gerade in diesen Zeiten, wo wir jeden Tag die Schattenseiten der modernen social media sehen und ertragen müssen, finde ich das durchaus als potenziellen Lichtblick überdenkenswert.
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colourize

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #3 am: 25 März 2021, 18:32:07 »

Hi Jack_N. Ich sehe halt einen Niedergang bei Facebook, aber dass Discord wahlweise Facebook oder gar ein Forum ersetzt, habe ich so noch nicht erfahren. Ich habe einige male LARP und Krimi Dinners über Discord gespielt. Aber wie genau soll man es wie ein Forum nutzen? Gibt es dort einen interessanten "Server" (heißt da glaube ich so), der eine Community wie diese hier abbildet? Ich habe da fast nur Gaming-Server gefunden. Die Suche nach "Hamburg" ergibt genau zwei Server: "Gamecity Hamburg" und "Rockfish Games". Oder ist meine Suchstrategie dort falsch?

Ein Forum hat den Vorteil, dass die diskutierten Themen nicht im Nirvana verschwinden. Was ich allerdings bei Foren inzwischen etwas nervig finde, ist die lineare Anordnung der Antworten. Aber vielleicht ist das nur bedingt durch die Baumstruktur bei FB, mit der man nun ein Jahrzehnt sozialisiert wurde.
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Taéra

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #4 am: 25 März 2021, 19:04:55 »

In den meisten Fällen benötigt man einen Einladungslink um auf den jeweiligen Servern zu kommen. Irgendjemand hat vor einer Weile einen "Schwarzes Hamburg"-Server dort geöffnet. Allerdings scheint diese Person grundsätzlich nicht all zu viel von Discord zu verstehen, habe ich den Eindruck gehabt, und strukturiert dort auch nichts. Man kann ja Schreib-Channels und Sprach-Channels erstellen und dort existiert quasi nur das, was vom Server beim Eröffnen vorgegeben wurde. Dies führt nun dazu, dass nur in einem Schreib-Channel gequatscht wird. Das hat dann die Qualität der Shoutbox und mehr nicht.

Ich selber führe seit etwa zwei Jahren einen Discord-Server für meine Gilde aus meinem MMO, ich habe mir allergrößte Mühe gegeben eine gewisse Forenstruktur zu entwickeln. Allerdings kann man das ganze nicht wirklich wie ein Forum aufbauen. Wenn man jedem die Möglichkeit geben würde selber Schreib-Channel für neue Themen zu eröffnen, würde das innerhalb kürzester Zeit in einem heillosen Chaos versinken. 

Für meine Zwecke, die für die Discord ursprünglich entwickelt wurde, ist es perfekt. Auch kann man dort mit Sicherheit gut in Kontakt bleiben. Es ist schön wie einfach man Fotos und sonstige Dateien hochladen kann, wie man sich in verschiedenen Channels -ob nun mündlich oder schriftlich- über Themen austauschen kann, aber als Forum wie man es hier kennt, ist es nicht zu gebrauchen.

Ich bin nach wie vor auf diesem "Schwarzes Hamburg"-Server, habe aber schon einige Male überlegt, dort wieder runter zu gehen, da es keinerlei Mehrwert für mich besitzt und die dort aktiven Leute, mir auch völlig unbekannt sind. (Andererseits frisst es auch kein Brot und ich habe ihn stumm geschaltet, also was solls.) Aber vielleicht ist es für den ein oder anderen was um einfach auch noch mal Leute von länger her wieder zu treffen. Ich pack deswegen hier einmal den Zugangslink rein. In unserer Shoutbox, wo er ursprünglich gepostet wurde, ist er bestimmt nicht mehr zu finden.
https://discord.gg/xAZKSWV9dG

Und zu guter letzt: Auch wenn ich hier nicht wirklich aktiv bin, ist mir dieses Forum über alle Maße wichtig. Insbesondere in dieser Zeit. So sieht man immerhin, dass es die anderen auch noch gibt, auch wenn der Kontakt gerade äußerst schwierig ist. :)
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colourize

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #5 am: 25 März 2021, 19:36:19 »

Vielen Dank für den Link. Ich bin dort mal beigetreten, sehe aber nur zwei Sprachkanäle sowie zwei Textkanäle.
Das ist doch alles synchroner Kram, oder übersehe ich etwas?
Ein Forum ist doch komplett verschieden von einem (Video)Chat...

Oder verstehe ich Discord nicht? - Könnte gut sein...
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Taéra

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #6 am: 25 März 2021, 20:19:47 »

Joa, die vier Dinger sind der Standard, es können mehr erstellt werden, in jedem kann dann einzeln unabhängig voneinander geschrieben werden. Wird halt dort nur nicht. Das meinte ich damit, dass die Serverbesitzerin dort nichts strukturiert hat. Man könnte Kategorien mit einzelnen Channels darunter erstellen. So isses halt nur eine "Shoutbox" zum schreiben, ein Schreibkanal indem sie nur den Link festgetackert hat und die beiden Sprachkanäle, in die man joinen könnte. Kann man schöner machen, ich war zu dem Zeitpunkt darüber irgendwie enttäuscht, weil ich die Idee auch schon hatte und mich dann geärgert habe, dass ich das nicht einfach mal gemacht habe. Aber ich bin ja eh mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass es das Forum niemals ersetzen könnte. Daher... *Schulterzuck*

Ich stelle fest, durch meinen Kommentar überschneidet sich dieser Threat nun mit dem anderen "Discord / andere Plattformen". Sorry dafür. Eigentlich passen meine Nachrichten besser in den anderen Threat, da ich zu Facebook gar nichts sagen kann außer "da habe ich mich seit Jaaaahren nicht mehr eingeloggt". ^^
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Jack_N

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #7 am: 25 März 2021, 23:57:53 »

Dabei hast Du es zu Discord wunderbar zusammengefasst.
Ich kenne auch genau das Gegenteil - auf einem Brettspiel-Discord wo ich bin wurden so viele Unterbereiche zu Randthemen eröffnet, und zusätzlich noch separate, doppelte Bereiche in den größten Sprachen dieser Welt, dass man erstmal eine schöne Liste an Kanälen zum Runterscrollen hat.
Das ist dann auch minimal übertrieben. :)
Ja, ein Discord-Server lebt zu 100% von den Erstellern und dem Regelwerk. Steckt man da keine Arbeit rein, dann ... naja.
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RaoulDuke

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #8 am: 26 März 2021, 09:10:30 »

Ich glaube auch, dass Facebook seinen Wendepunkt schon eine Weile hinter sich hat, an dem dir Gründe, sich dort aufzuhalten, zunehmend weniger werden oder weniger überzeugend.

Die Bubble-Thematik ist eine Sache, dem habe ich eigentlich kaum etwas hinzuzufügen. Ausserhalb der eigenen Bubble zu diskutieren ist sehr schwer und undankbar, weil es oft in ein heilloses Gegeneinander ausartet, wie ich schon im Thread zu GF36 und Docks schrieb: "Aus Leuten mit anderen Meinungen werden "die Anderen", aus "den Anderen" werden Gegner, aus Gegnern werden Feinde, und Feinde müssen vernichtet werden." Aber das halte ich für ein mögliches Folgeprodukt eines anderen Mechanismus, der vielleicht auch Baernd in den Frust trieb:

Facebook bemüht sich sehr, das Engagement der Nutzer zu wecken und zu halten. Viel Geld wird für AI ausgegeben, die genau dafür eingesetzt wird. Und der dann folgende Mechanismus ist eigentlich keinerlei Überraschung, sondern folgt der gleichen Logik wie die großen Boulevard-Zeitungen: Man springt nun einmal, evolutionär konditioniert, auf Schockmeldungen und vermeintliche Gefahren unmittelbar an. Das Resultat ist, dass viele Leute mit einer nicht enden wollenden Flut aus aus Ihrer Sicht negativen Meldungen konfrontiert werden. Ausgewogenheit, unterschiedliche Perspektiven oder gar Maßhalten stören da nur. So ist mir aufgefallen, dass es in meinem Stream zu mehr als 30% um die Forderungen von Feminist*Innen und diesen nahestehenden Gruppen geht. Ich habe eigentlich auch überhaupt nichts dagegen, darüber informiert zu werden, Respekt gegenüber allen Menschen ist auch mir ein Anliegen. Aber darum ging es eigentlich gar nicht: Ich bekam nur die super-extremen Forderungen einzelnen Wirrer zu sehen, Streit unter ihnen, Zwist mit der LGBTQQ+ Community, und den Streit mit und zwischen Trans-Aktivisten, die sich gegenseitig nahezu ununterbrochen des Sexismus, Rassismus, Faschismus und was weiß ich denn für einem -ismus bezichtigten. Das waren aber gar nicht die Meinungsführer ihrer jeweiligen Interessengruppen, wie man meinen könnte. Die AI hatte gelernt, dass ich am meisten Zeit auf die radikalsten Thesen verwende, und gab mir mehr davon. Und langsam aber sicher sprang das auch auf andere Themen über. So konnte ich morgends lesen, warum wir in einer sozialistischen Diktatur wie in der UdSSR leben, dass es einen geheimen Staatsstreich gegeben hätte und die Presse gleichgeschaltet wäre. Ein paar Beiträge weiter war zu lesen, dass wegen des Kapitalismus hunderte, wenn nicht tausende Kinder sterben, ich habe die Zeitspanne vergessen. Trump war der Retter der westlichen Welt vor dem teuflischen Dämon Biden. Gleichzeitig war allerdings Biden der Retter der Welt vor dem Trumpschen Faschismus. Trump war schlimmer als Hitler. Irgendwann sah ich mal ein Bild von Adolf Hitler in meinem Stream, mit einer Denkblase: "If Trump is literally Hitler, then who am I?"

Das war irgendwie so ein Schlüsselmoment, weil es mir da einfach gereicht hat. Ich fragte mich, warum ich mir eigentlich von einer Internetseite solchen Dreck ins Gehirn schaufeln lasse. Ganz einfach: Weil die AI gelernt hatte, dass ich dann am längsten schaue, und man mir mehr Werbung für Schokoriegel, Autos, Wanderschuhe, Angelausrüstung, Motorradteile und bestimmte SoC-Boards für OpenDingux zeigen kann.

Diese ganzen Nachrichten mit Extremen, jeden Tag, geprägt von Wut und Zorn haben mich regelrecht traurig gemacht, und begonnen, mein Weltbild zu verfärben. Glücklicherweise fiel mir das auf, vielleicht auch deswegen, weil ich in widersprüchlichen Blasen unterwegs war und Leute beispielsweise aus dem eher rechten und dem eher linken Spektrum kenne, deren Präferenzen auch meinen Nachrichten-Stream gelenkt haben. Ich will wirklich nicht wissen, was passieren kann, wenn das nicht der Fall ist. Ich glaube, das kann am Ende zu Depressionen, Paranoia und letztlich Radikalisierung führen. Und das für ein bisschen Werbung. Ich angele nicht einmal.
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RaoulDuke

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #9 am: 26 März 2021, 09:31:28 »

Eine Ergänzung erlaube ich mir noch: Das war nicht wirklich so eine Ha-jetzt-habe-ich-es-aber-erkannt-Entwicklung, die eines schönen Tages per Geistesblitz stattfand. Eigentlich mehr eine ganze Sammlung solcher Schlüsselmomente, über einen recht langen Zeitraum. Und die Erkenntnis, dass die Nachrichten das Denken beeinflussen, das Denken das Handeln, und ein Teil des Handelns wieder, welche Nachrichten man auf social media liest...
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Jack_N

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #10 am: 26 März 2021, 09:44:36 »

Ich möchte an dieser Stelle nochmal meine allgemeine Medienbeobachtung einfügen: Seit der Zunahme der Privatmedien (TV, Radio, Internet) hat auch die Menge der Negativschlagzeilen, die auf einen einprasseln, zugenommen. Spätestens ab den späten 90ern ist das auch in anderen Medien angekommen: Superheldencomics fingen auf einmal an, Repressalien für die Helden ausgelöst durch übereifrige Regierungsmitarbeiter einzuführen (M.A.S.K. , Avengers), in Filmen fing es mit einer Art "dreckigem Realismus", Antihelden, moralisch zwielichtigen Charakteren usw... an. Ok, man könnte sagen: Ging in den 70ern mit Han Solo in StarWars in den Mainstream über, aber der war ja mehr der Typ "geläuterter Schurke".

Aber... war das wirklich so "neu"? Ich glaube, dass sich das nur in sichtbarere Medien verschoben hat. Man denke an die Boulevardzeitungen, die früher bei Frisören und Ärzten auslagen, und von primär älteren Leuten konsumiert wurden. Wo dann "wichtige" Personen 2 Wochen vor Entbindungstermin mit ihrem Baby im Arm abgebildet und interviewt werden, und die Schock-Schlagzeilen über "traurige Schicksale" auf der Titelseite prangten.
Es wurde in den Folgejahren wohl eher nur düsterer, besonders Kriegsberichterstattung. Und ungefilterter, weil eben jetzt jeder Hans und Franz den Kram ins Internet packen kann.

Wie Duke sagte: Wir springen instinktiv auf das Negative an, und ignorieren das, was gut um uns herum ist. Und wie gut es uns eigentlich geht. Hatte da gerade eine Diskussion mit jemandem, der übelst auf die aktuelle regionale und Weltsituation schimpfte, ich hab ihm seine Argumente mit offensichtlichen Beispielen entkräftet, und er entgegnete nur: "Du magst zwar damit objektiv Recht haben, aber solange meine gefühlte Situation sich für mich nicht verbessert, glaub ich Dir kein Wort". Ja nun...
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nightnurse

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #11 am: 27 März 2021, 19:00:46 »


Zitat
Klar, auch dort gibt es ein paar Trolls, aber "Nightnurse" hält den angestaubten Laden einigermaßen clean.

Typ, ey!  >:( ;D danke für die Blumen.


An FB habe ich aus diversen Gründen nicht teilgenommen, einige von den von Dir erwähnten Nachteilen gehörten definitiv dazu.
Foren finde ich übersichtlicher, auch nachhaltiger, indem man auch mal was wiederfindet, das schon viele Jahre alt ist, das kann Discord auch nicht (als Chatmöglichkeit find ich das sehr nett, aber sonst?). Und ich bekomme nicht von irgendwelchen Algorithmen vorsortiert, was ich lese oder nicht, das muss ich mir selbst zusammenblocken (oder nicht).

Also, ich bleib gerne bei den Foren.
Dem Forum.
Ich benutze nur das eine aktiv ::)
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Alte Pizza

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #12 am: 21 Juni 2021, 12:54:12 »

Ich bin seit 20 Jahren in Foren unterwegs. Das "Nachtwelten Forum" war glaube ich mein erstes Forum.

Facebook und andere Netzwerke haben mich nie interessiert.
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Alte Pizza

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #13 am: 16 Dezember 2022, 15:34:54 »

Seit 2 Jahren bin ich jetzt auch im Joy Club Forum aktiv. Die Bandbreite an Themen ist enorm.
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Eisbär

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Antw:Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?
« Antwort #14 am: 16 Dezember 2022, 20:07:22 »

Seit 2 Jahren bin ich jetzt auch im Joy Club Forum aktiv. Die Bandbreite an Themen ist enorm.
Das scheue ich noch. Die Mitgliedsbeiträge, um auf deren Seite auch nur halbwegs vernünftig aktiv sein zu können, schrecken mich ab.
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2024- No F*cking Bands Festival XIII

Donnerstag, 15. bis Sonntag 18. August 2024

Infos: www.nofuba.de