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Facebook vs. Forum - Eine Renaissance der Forenkultur?

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colourize:
Mit dem Aufstieg von Facebook kam das große Forensterben, doch Facebook hat sich unübersehbar überlebt. Wie ein anderer früherer Schwarzes Hamburg User in einem Facebook-Posting bemerkte, posten dort immer weniger Menschen aus seiner "Freundesliste" etwas. In einem Facebook-Posting stellte er kürzlich die Fragen "Ist social media in unseren Dunstkreisen tot? Oder sind viele auf andere Plattformen ausgewichen?"

Da ich auch seit Jahren auf FB eine insgesamt rückläufige Aktivität beobachte, habe ich auf sein Posting dort geantwortet und möchte meine Antwort gerne hier im Forum zur Diskussion stellen.


--- Zitat ---Für spannende, kontroverse Diskussionen ist FB nur begrenzt geeignet. Das liegt an der Struktur von "Freundeslisten" sowie der "Timeline":

*Entweder* man eröffnet eine Diskussion in der eigenen Timeline. Dann diskutiert man mit der eigenen Filterbubble, wo oft wenig befruchtender Disput zu erwarten ist. Diejenigen, die sich da zu Wort melden, sind ja von einem selbst als "Freunde" ausgewählt worden. Aufgrund von Homophilie haben die halt i.d.R. recht ähnliche Werte, inhalteliche Positionen und Backgrounds. Klar, das trifft nicht auf alle "Facebook-Freunde" zu, aber wenn zu einem in der eigenen Timeline diskutierten Thema erstmal drei, vier Leute mit ähnlichen Positionen gute Beiträge geliefert haben, wird es für einen Einzelnen mit abweichender Meinung ja tendenziell schwerer bzw. unangenehmer, dagegenzuhalten. Folge: advanced Bubble-Bildung. Wer eine abweichende Sicht auf die Dinge hat, schweigt eher. Und kappt ggf. irgendwann, wenn es zu nervig wird, die Freundschaft. In Folge dessen sind dann irgendwann - um das mit einem Beispiel zu unterlegen ?? - in der eigenen FB-Freundesliste dann z.B. die Veganer derart überrepräsentiert, dass eine angestoßene Diskussion um das Thema Fleischkonsum ins Leere laufen dürfte: die wenigen noch in der Freundesliste verbliebenen Fleischesser werden sich zu diesem Thema dann nicht mehr zu Wort melden, weil sie in der klaren Minderheit sind (und zudem auch von einem ethisch schwierigeren Ausgangspunkt her argumentieren müssten). Folge: Schweigen im Facebook-Walde.

*Oder* - wenn man den Bubble-Effekt vermeiden will - man diskutiert in öffentlichen Bereichen, z.B. in Kommentarspalten von öffentlichen Medienangeboten. Jeder, der das schon mal ausprobiert hat, wird die Erfahrung gemacht haben, dass das frustrierend, nervig und müßig ist. Man setzt sich dem Kreuzfeuer von AfD-Trollen, Bots und ad-hominem-Schwachmaten aus und bekommt für seine Mühen, ein Argument zu führen genau GARNICHTS. Außer natürlich einen Kübel Mist in die eigene Timeline. Da die eigenen Facebook-Freunde aber die öffentlichen Kommentare, die man selbst abgegeben hat (sowie die Antworten der Trolle, Bots und Ad-Hominem-Schwachmaten) leider auch ausgespielt bekommen, ist man tendenziell gefordert, dann wieder auf Postings von Idioten zu reagieren. Das ist lästig und frustrierend.

Hier liegt m.E. auch der zentrale Unterschied zu Foren. Neben schon genannten Usability-Faktoren, wie dem Umstand, dass durch das Timeline-Konzept ein eine Woche alter Diskussionsstrang quasi nicht mehr aufzufinden ist, ist der wichtigste Unterschied zu Diskussionsforen das Verhälntnis von Öffentlichkeit (jeder kann rumtrollen) zu Privatheit (nur diejenigen aus der eigenen Freundesliste, die einem selbst ähnlich sind, reagieren - meist irgendwie zustimmend). In Foren kann ich mit Leuten diskutieren, ohne mit denen "befreundet" sein zu müssen. Das wirkt dem Bubble-Effekt, der social media langweilig macht, zumindest entgegen.

Das "Schwarze Hamburg" Forum gibt es übrigens immer noch. Klar, auch dort gibt es ein paar Trolls, aber "Nightnurse" hält den angestaubten Laden einigermaßen clean. Vielleicht wäre es Zeit für eine Renaissance der Forenkultur. Empfehlen würde ich aber in jedem Fall - krass ausgedrückt - das Vermeiden von "Inzest-Foren" (d.h. nur Freunde ins Diskussionsforum nehmen bedeutet auch, immer nur im eigenen Saft zu schwimmen; das "Schwarze Humbug"(1) war daher auch nie wirklich voll mein Ding, auch wenn ich da angemeldet war. Es war eine Bubble mit Ansage).

tl;rd - FB eignet sich nicht (mehr?) für interessante Diskussionen, sondern nur für Belanglosigkeiten und einem eher oberflächlichen "stay in contact" wie Fotos von Ausflügen, Teilen von lustigen Memes und süßen Tierbildern.

--- Ende Zitat ---
(1) Hierbei handelte es sich um eine "Gegengründung", da einigen Usern der Diskussionsstil im "Schwarzen Hamburg" Forum seinerzeit zu rau war.

Jack_N:
Der Trend hat sich auf andere Plattformen verschoben, zumindest was die jüngeren Nutzer angeht.
Neben Reddit, welches aber durch stärkere Moderation für viele wieder uninteressant wurde, ist derzeit Discord die Plattform der Wahl da kostenlos (Nitro ist für nichts wirklich notwendig), mit einem qualitativ und technisch sehr guten und administrierbaren Voicechat ausgestattet (auch für Online-Streamer interessant, so kann man hier z.B. Channels aufmachen, in die nur gewünschte Redepartner hineinkommen ähnlich einem moderierten Teamspeak-Server), und zu guter Letzt aufgebaut wie ein Forum, aber mit der Möglichkeit der Direktnachrichten.
Viel mehr, es ist eine Mischung aus Forum und Facebook-Gruppen, denn man kann im Client seitlich die Discords, denen man beigetreten ist, auflisten, zwischen ihnen und ihren Unterpunkten lustig hin- und herspringen, einzelne Diskussionen anpinnen, wird über neue Nachrichten gezielt benachrichtigt (wenn man mag) etc...

Derzeit leider auch bei Leuten mit unschönen Absichten beliebt, da unmoderiert - jeder Discord für sich ist eine geschlossene Community, auch teilweise mit Screening beim Zugang durch die jeweiligen Mods/Admins, was natürlich auch Gruppen mit zwielichtigem Inhalt ermöglicht.

Hier ändert sich aber auch bald etwas. Microsoft hat gerade 10 Milliarden Dollar für Discord geboten, um es in sein Xbox-Ökosystem zu integrieren (welches mittlerweile als Plattform ja auf jeder Art von Geräten verfügbar ist - Mobiltelefone, PCs und (Xbox-)Konsolen ). Ein logischer Schritt, aber auch einer, der dafür sorgt, dass Discord als Plattform einer gewissen (automatischen) Moderation unterworfen werden und gewisse Inhalte verbieten muss anstatt wegzusehen.


Ein Forensterben per se sehe ich übrigens nicht. Es gibt Foren, in denen ich über die Hälfte meines Lebens aktiv bin. Da sind aus ehemaligen Schülern und Studenten mittlerweile eigenständige erwachsene Persönlichkeiten geworden, vom Hippie aus Überzeugung, der im Wohn-Bus lebt bis hin zum High-Society-Yachtkapitän in der Südsee, Piloten und Ingenieure genauso wie Bäcker und Elektriker. Die Community ist sehr gemischt, aber gemeinsam gealtert, was es für Außenstehende teils etwas schwierig macht einen Zugang zu finden - der Ton ist eben etwas rauher. Dennoch finde ich es gut, dass (fast) niemand in der Zeit stehen geblieben ist, und man z.B. bei der Wahl seiner Begriffe und Äußerungen auch mit der Zeit geht und akzeptiert, dass man einige Wortwahlen heute beispielsweise in einem anderen Licht siehr als... eben vor 20-30 Jahren. Das war immer in der Welt so, und wird immer so sein.

Aber ja, FB nimmt ab. Ich bin dort primär noch unterwegs, weil es zu einigen Fachthemen weltweite Spezialcommunitys gibt, die sich dorthin verlagert haben. Leider möchte man sagen, denn dadurch werden auch dieselben Fragen immer und immer wieder gestellt, da das Anpinnen von Beiträgen nur unzureichend funktioniert.
Andere Communitys sind hingegen gestorben - es gab in einem Forum, nachdem immer mehr in FB gepostet wurde und es in einem Fall sogar einen Veranstaltungstermin betraf, ein Voting ob man ganz zu FB wechselt und das Forum nur noch als "Wissensdatenbank" bestehen lässt. Es wurde dafür gestimmt - jetzt, ein paar Jahre später, ist die FB-Gruppe tot, die Leute die im Internet suchen finden nur noch das mittlerweile verwaiste Forum - die Community hat sich zerlaufen. Schade.

BaerndME:
Total geiles Thema.
Auch von Usern des schwarzen Berlin kam vor ein paar Tagen die Anregung, das dortige Forum doch mal wieder zu bevölkern.
Gerade in diesen Zeiten, wo wir jeden Tag die Schattenseiten der modernen social media sehen und ertragen müssen, finde ich das durchaus als potenziellen Lichtblick überdenkenswert.

colourize:
Hi Jack_N. Ich sehe halt einen Niedergang bei Facebook, aber dass Discord wahlweise Facebook oder gar ein Forum ersetzt, habe ich so noch nicht erfahren. Ich habe einige male LARP und Krimi Dinners über Discord gespielt. Aber wie genau soll man es wie ein Forum nutzen? Gibt es dort einen interessanten "Server" (heißt da glaube ich so), der eine Community wie diese hier abbildet? Ich habe da fast nur Gaming-Server gefunden. Die Suche nach "Hamburg" ergibt genau zwei Server: "Gamecity Hamburg" und "Rockfish Games". Oder ist meine Suchstrategie dort falsch?

Ein Forum hat den Vorteil, dass die diskutierten Themen nicht im Nirvana verschwinden. Was ich allerdings bei Foren inzwischen etwas nervig finde, ist die lineare Anordnung der Antworten. Aber vielleicht ist das nur bedingt durch die Baumstruktur bei FB, mit der man nun ein Jahrzehnt sozialisiert wurde.

Taéra:
In den meisten Fällen benötigt man einen Einladungslink um auf den jeweiligen Servern zu kommen. Irgendjemand hat vor einer Weile einen "Schwarzes Hamburg"-Server dort geöffnet. Allerdings scheint diese Person grundsätzlich nicht all zu viel von Discord zu verstehen, habe ich den Eindruck gehabt, und strukturiert dort auch nichts. Man kann ja Schreib-Channels und Sprach-Channels erstellen und dort existiert quasi nur das, was vom Server beim Eröffnen vorgegeben wurde. Dies führt nun dazu, dass nur in einem Schreib-Channel gequatscht wird. Das hat dann die Qualität der Shoutbox und mehr nicht.

Ich selber führe seit etwa zwei Jahren einen Discord-Server für meine Gilde aus meinem MMO, ich habe mir allergrößte Mühe gegeben eine gewisse Forenstruktur zu entwickeln. Allerdings kann man das ganze nicht wirklich wie ein Forum aufbauen. Wenn man jedem die Möglichkeit geben würde selber Schreib-Channel für neue Themen zu eröffnen, würde das innerhalb kürzester Zeit in einem heillosen Chaos versinken. 

Für meine Zwecke, die für die Discord ursprünglich entwickelt wurde, ist es perfekt. Auch kann man dort mit Sicherheit gut in Kontakt bleiben. Es ist schön wie einfach man Fotos und sonstige Dateien hochladen kann, wie man sich in verschiedenen Channels -ob nun mündlich oder schriftlich- über Themen austauschen kann, aber als Forum wie man es hier kennt, ist es nicht zu gebrauchen.

Ich bin nach wie vor auf diesem "Schwarzes Hamburg"-Server, habe aber schon einige Male überlegt, dort wieder runter zu gehen, da es keinerlei Mehrwert für mich besitzt und die dort aktiven Leute, mir auch völlig unbekannt sind. (Andererseits frisst es auch kein Brot und ich habe ihn stumm geschaltet, also was solls.) Aber vielleicht ist es für den ein oder anderen was um einfach auch noch mal Leute von länger her wieder zu treffen. Ich pack deswegen hier einmal den Zugangslink rein. In unserer Shoutbox, wo er ursprünglich gepostet wurde, ist er bestimmt nicht mehr zu finden.
https://discord.gg/xAZKSWV9dG

Und zu guter letzt: Auch wenn ich hier nicht wirklich aktiv bin, ist mir dieses Forum über alle Maße wichtig. Insbesondere in dieser Zeit. So sieht man immerhin, dass es die anderen auch noch gibt, auch wenn der Kontakt gerade äußerst schwierig ist. :)

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