Schwarzes Hamburg > Politik und Gesellschaft
Die Heuchelei der Börsianer…
Jack_N:
--- Zitat von: RaoulDuke am 04 Februar 2021, 15:16:24 ---
--- Zitat von: CommanderChaos am 04 Februar 2021, 11:18:33 ---Inzwischen gibt's eine Entschuldigung von Trade Republic. Man habe schlecht kommuniziert. Der Ansturm auf diese Aktien habe die Tradingplattform überlastet. Dadurch konnte es zu unvorhersehbaren Verzögerungen bei der Ausführung von Ordern kommen, wodurch bei schnellen Kursänderungen Limit-Order gar nicht und Markt-Order zu unvorhersehbar ungünstigen Kursen ausgeführt wurden. Um alle Kunden (insbesondere die, die gerade mit diesen volatilen Papieren handelten) vor diesen Risiken zu schützen und die Server zu stabilisieren, habe man daher weitere Käufe gesperrt. Verkäufe nicht, damit niemand am Ausstieg gehindert würde. Man sei nicht bestochen worden usw.
Klingt glaubwürdig, aber der Beigeschmack bleibt.
--- Ende Zitat ---
Hm. Also ich will hier ja nicht den Schlaumeier spielen, aber ich finde das nicht glaubwürdig. Ich habe jetzt nicht wirklich Belege oder so, aber dafür, dass normaler Aktienhandel plötzlich nicht mehr gut ausführbar sein soll, gibt es aber ziemlich viele Leute im Markt, die genau in solchen Situationen riesige Mengen Titel bewegt bekommen. Hedge Fonds zum Beispiel. Nochmal hm.
--- Ende Zitat ---
Das Problem war hier angeblich, dass diese Apps ja auch im Hintergrund nen Trader sitzen haben, der aber kleiner ist, und mit dem Ansturm jetzt überfordert war.
Meine Meinung geht auch dahim: Am Arsch!
Robinhood hat ja explizit den Handel, bzw. Ankauf nur für Kleinanleger ausgesetzt um die Hedgefunds zu schützen, die auch ihre Handelspartner (und Geldgeber) sind.
Ich finde die Entwicklung nur zum Kotzen. Das ich im Allgemeinen von Aktien wenig, von Aktienoptionen gar nix halte (Geld aus Luft herbeizaubern, mit Möglichkeiten handeln - Douglas Adams hätte seine wahre Freude daran) ist ja bekannt, aber wenn man sowas schon zulässt, dann muss das Spielfeld für alle gleich sein.
Es kann nicht sein, dass wir Großanleger vor den kleinen auf einmal schützen müssen. Als BP seine Ölbohrplattform im Golf von Mexico geschrottet hat und die Aufräumarbeiten bezahlen musste, ist der Kurs der Aktie eingebrochen und zehntausende Briten haben ihre Altersvorsorge verloren, weil eben viel aus Aktien von staatlichen Firmen (z.B. eben British Petrol) bestand.
Warum soll man jetzt den geldgeilen Säcken den Arsch retten, wenn Kleinanleger zeigen, dass ihr System mit Firmen zu "spielen" eben auch gewaltig nach hinten losgehen kann?
Wenn sich jetzt die Kleinanleger verabreden um einen Hedgefonds nach dem anderen "abzuschiessen" und so zu anderen, sichereren Handelsmethoden im Sinne ihrer Anleger zu zwingen, dann sag ich: Lasst sie machen.
Zum Einen ist die Menge an Kleinanlegern mit Einkommen, welches sie so verzocken können (denn darauf läufts hinaus, langfristig gewinnt da niemand) begrenzt.
Zum Anderen ist es nur Recht und Billig wenn diejenigen, die meinten sich über nur mit viel Hirnakrobatik halbwegs nachzuvollziehende Geschäfte die Taschen vollstopfen zu müssen mal nen Dämpfer bekommen.
Ich bin und bleibe ein Verfechter der Methodik: Sache gegen Geld. Punkt. Und wenn ich mir Geld leihen muss, dann muss ich einen Sachwert dagegenhalten, oder jemanden finden der an mich glaubt und mir daher das Geld vorstreckt. Ansonsten: Pech gehabt.
Aber nicht dieses künstliche Aufblasen von Kursen und co - wir haben an der Immobilienblase in Japan und dem Crash der frühen 2000er gesehen wohin das führt wenn nur Vaporware (über-)bewertet und verkauft wird.
Count Olaf:
--- Zitat von: Eisbär am 30 Januar 2021, 21:47:21 ---Occupy Wallstreet funktionierte nicht mit Demos, aber von innen heraus könnte es doch zu Veränderungen führen
--- Ende Zitat ---
Die einzige Veränderung, die wahrscheinlich ist, ist das die Kleinanleger für ihr Verhalten bestraft werden. Das ist ja auch zum Teil geschehen, in dem der Handel der Aktie ausgesetzt wurde und der Betreiber der Trading App Probleme gekriegt hat.
Edit: Letztendlich gehen die Börsianer davon aus, dass vernunftbegabte Individuen an der Börse zur Maximierung ihres Profits ihr Geld anlegen. Dadurch sind die Handlungsweisen der Investoren und auch Kleinanleger vorhersehbar. Die Systeme zur Vorhersage der Aktienentwicklung (Charttechniken, was weiß ich) würden versagen, wenn plötzlich eine Mehrzahl an Investoren nicht mehr nach der Vernunft handeln würde. Der einzige positive Effekt den ich mir dabei vorstellen können, dass es die Unsinnigkeit der Aktienratings offenlegen würde und es der Welt zeigt, was für ein Gezocke der Aktienmarkt eigentlich ist.
Andrerseits wird der Aktienmarkt dann für Unternehmen als Kapitalquelle unattraktiv werden - ich glaube nicht, dass es das ist, was wir wollen. Aktiengesellschaften müssen regelmäßig ihre Zahlen offenlegen, müssen informieren wen sie gehören und die Anleger haben auf den Hauptversammlungen Mitspracherecht (was die meisten nicht wahrnehmen und deswegen Hedgefonds und gute Redner die Bühne überlassen wird). All das sind jedenfalls Dinge, die eigentlich gut am Aktienhandel sind. Bei einen meiner Ex-Arbeitgeber hat der Betriebsrat sich einfach ein paar Aktien gekauft und ist zur Muttergesellschaft auf die Hauptversammlung gefahren und hat ordentlich Stress gemacht. Das Verhalten wäre wesentlich sinnvoller als Kurze durch unsinnige Investitionen zu manipulieren.
BaerndME:
--- Zitat von: RaoulDuke am 03 Februar 2021, 08:48:50 ---
--- Zitat von: Eisbär am 30 Januar 2021, 21:47:21 ---… zeigt sich gerade besonders deutlich im Zusammenhang mit den GameStop-Aktien.
--- Ende Zitat ---
Was für eine Heuchelei?
--- Ende Zitat ---
Dass man eben NICHT regulierend eingreift, wie hier gefordert oder geschehen, sondern den Hedgefonds, wie du beschreibst, eben auch abschmieren lässt.
Heuchlei bedeutet also: Ich sage "der Markt ist frei", wenn es mir passt, und "Reguliert ihn!", wenn es mir nicht passt.
Gleiches bemängele ich auch am Umgang Deutschlands mit der Autoindustrie (Opel-Rettung) und dem Bankwesen (die Deutsche Bank war das, oder?). Ich bin kein großer Fan von Neoliberalismus, aber wenn wir ein System aufrechterhalten, welches auf den selbstregulierenden Mechanismen der Marktwirtschaft beruht, dann bedeutet das auch, dass ein falsch geführtes Unternehmen wie Opel (demnächst dann auch VW?) eben "Platz" (Marktanteile) machen muss für eines, das es besser macht (Tesla, SONO, ...). Ohne ein Mindestmaß an Konsequenz, weil es um "heilige Arbeitsplätze" geht, ist Marktwirtschaft für'n Popo. (bedeutet nicht, dass Technologien, die für das Überleben der Menschheit wichtig sind, wie z.b. emissionsfreie Energieerzeugung, nicht subventioniert und anschubfinanziert werden sollte, denn dass Umweltschutz sich nicht direkt "lohnt", ist leider ein Problem.
Jack_N:
Baernd, da musst Du nicht zeitlich so weit weg schielen. Schau in welche Branchen wieviel prozentual der Fördergelder für Kurzarbeit und co in den letzten 12 Monaten geflossen sind.
Primär wurden Arbeitsplätze gefördert/erhalten, die ein derart hohes Grundgehalt haben, dass man ihnen auch mal etwas Verzicht zumuten wollen würde. Aber das geht natürlich nicht, weil sonst hochspezialisierte Fachkräfte abwandern, da muss man ja Regierungsgelder erhalten, die Leute in Kurzarbeit schicken, dann aber mit den Geldern soweit aufstocken dass sie effektiv nen Tag pro Woche frei haben, aber dasselbe Gehalt bekommen - nur bezahlt aus dem Topf der Allgemeinheit.
Das ist für mich Misswirtschaft. Wenn der Bedarf an einem gewissen Gut in einer Zeit abrupt sinkt, dann kann ich da entweder künstlich gegensteuern. Oder aber eben sagen "freier Markt, der muss das regeln".
Aber nicht hier "hü", da "hott", je nachdem wer wo im Aufsichtsrat sitzt.
Beispiel Luftfahrt: Urlaubsreisen sind nicht drin. Also nimmt der Flugverkehr drastisch ab. Betroffen sind: Petrochem-Industrie (Treibstoff), Flughafenbetreiber (Gebühren für Starts-/Landungen), Shops in Flughäfen, Mietfahrzeuganbieter, Airlines (natürlich - und die sind ne Weile leer geflogen, weil sie sonst ihre zugeordneten Landungs-Slots auf den Flughäfen in Europa verloren hätten - immer dann, wenn sie weniger als 80% der geplanten Flüge antreten), Reisebüros, Urlaubsportale im Internet, Hotelanbieter, Gastronomen usw... aber auch: Zulieferfirmen der Luftfahrtindustrie, denn weniger Maschinen die fliegen = weniger Wartung, weniger benötigte Ersatzteile, weniger Bedarf an neuen Maschinen, weniger Verschleissteile... das geht sogar bis hin zu Sitzen, Firmen die Catering-Food für über den Wolken bereitstellen, all solche Spezialfirmen hängen an dem Zweig.
Wer hat die Kohle bekommen? Ein Tip: Die Zulieferer nicht...
BaerndME:
Ja.
Ich denke, dass in Krisen, also unverschuldetem Unbill der Wirtschaft, der Staat durchaus schon mal eingreifen darf, aber da gibt es tatsächlich auch die Frage des "wie" und "wer", und da würde ich dir dann zustimmen - die betroffenen Zulieferer eher als die großen Konzerne, die es eigentlich puffern können müssten, und die auch bisher mit einem riesengroßen Lächeln durch Corona gekommen sind.
Und wo wir bei der Luftfahrt sind: Ohne die Subventionen (=Steuerbefreiung) auf Kerosin sähe das Ganze ohnehin ganz anders aus, das müsste aber europa- oder besser weltweit geregelt werden. Dann würden die Preise für Flugreisen steigen, die Nachfrage deswegen sinken und wir würden zurück dort ankommen, wo die ganze Flureiserei eigentlich hin gehört: Dass es mal was Besonderes ist, wenn man einen Urlaub im sonnigen Süden macht, u.s.w..
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