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Ungotischer CD-Tip: DJ Spooky - "Rhythm Science"
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Kenaz:
Aus gegebenem Anlaß hier nun eine reichlich ungotische CD-Empfehlung. – Gegeben ist der Anlaß insofern, als ich die Scheibe nun schon seit zwei Monaten im Schrank stehen habe, mir aber erst gestern, als ich sie während einer kleinen Zeichenarbeit mit gebührender Ruhe und Muße goutierte, aufgefallen ist, WIE unerhört genial das Teil eigentlich ist: Und es entspringt geradezu einem inneren Drang, ja: Zwang, dem ich nun nachgebe, wenn ich hiermit in die Welt hinausrufe: KAUFEN!!! Und zwar dalli-dalli!!!! – Es handelt sich um die CD "Rhythm Science" vom überaus (bisweilen ein bißchen ZU überaus) ambitionierten DJ Spooky, der hier den Back-Katalog des belgischen "Sub Rosa"-Labels remixt (welchselbiges sich seit Jahren mit nicht minder ambitionierten Veröffentlichungen von bizarr über mystisch, mythisch und intellektuell bis tanzbar hervortut und so illustre Künstler wie Scanner, Merzbow und Bill Laswell unter seinem Dach vereinigt; auch SPK, Coil und Current93 waren schon auf Compilations vertreten). Dies geschieht in Form eines irrwitzigen Sampling-Feuerwerks, unterlegt mit teils chillig-entspannten, teil etwas rumpeligeren, drum'n'bassigen, selten recht rauhen, meist gut abgehangenen, immer jedoch irgendwie abstrakten Beats. Das beste sind jedoch die Spoken-Word-Elemente der verschiedensten literarischen Größen, die im O-Ton zum Einsatz kommen: Wer nun also schon immer mal hören wollte, wie sich Kurt Schwitters' "Ursonate" mit Scanner oder ebendieser mit William S. Burroughs verträgt, wie James Joyce zu Oval oder Gertrude Stein zu DJ Wally groovt, wie Marcel Duchamp mit David Shea oder Antonin Artaud mit der Nuuk Posse harmoniert, und ein Faible für qualitativ hochwertige, "sophisticated" daherkommende Mitwipper-und-Kopfnicker-Mucke mit leichter Hörspiel-Tendenz hat, der wird hier wahrlich seine helle Freude haben! Meiner bescheidenen Meinung nach neben dem 98er-Album "Riddim Warfare" die beste Platte, die der werte Herr aus Washington D. C. bisher zusammengebastelt hat. Unterlegt wird das ganze wieder durch ein umfangreiches, auf dem Digipack abgedrucktes kulturtheoretisches Manifest, das man lesen kann, aber nicht muß – die CD funktioniert auch ohne Hintergrundwissen bestens; da kann Spooky jedoch nicht aus seiner Haut, schließlich versteht er sich als so eine Art intellektuelles Hybridwesen, das es einfach nicht fertigbringt, einen musikalischen Output unter die Leute zu bringen, OHNE diesen in einen ausufernden kunst- und kulturwissenschaftlichen Gesamtkontext einzubetten – Bescheidenheit ist eben seine Sache nicht, angesichts des vorliegenden Machwerks besteht dazu aber auch nicht der allergeringste Anlaß.
In diesem Sinne: "Check the equation: pace yourself, so that you can face yourself, just be careful not to erase yourself. Ask yourself: who speaks through you?"
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